Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978
In den 1970er Jahren engagierten sich Künstler*innen weltweit in antiimperialistischen Solidaritätsbewegungen. Ausgehend von der Internationalen Kunstausstellung für Palästina 1978 in Beirut unternimmt Zeit der Unruhe eine spekulative Geschichtsschreibung der Netzwerke: Kollektive in Paris, Rom und Tokio; Künstlerverbände in Damaskus, Casablanca, Berlin und Warschau; Biennalen in Venedig, Bagdad und Rabat und Museen in Santiago de Chile, Kapstadt und Managua. Die von Kristine Khouri und Rasha Salti kuratierte Ausstellung nimmt sich der Problematik einer vorwiegend mündlich überlieferten Geschichte an und untersucht dabei kritisch die Mechanismen der Kanon-Konstruktion.
Die Internationale Kunstausstellung für Palästinawurde im Frühjahr 1978 an der Beirut Arab University im Libanon eröffnet. Veranstaltet von der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), umfasste die Ausstellung etwa 200 von Künstler*innen aus fast dreißig Ländern gestiftete Werke und verstand sich als Kern eines Museums im Exil. In Gestalt einer Wanderausstellung sollte dieses die Welt bereisen, um schließlich nach Palästina heimgeführt zu werden. Während des Einmarschs der israelischen Truppen und der Belagerung Beiruts 1982 wurden die Gebäude, in denen sich die Sammlung und auch die Büros der Sektion Bildende Kunst und des Zentralen Informationsbüros der PLO befanden, zerstört.
Zeit der Unruhe. Über die Internationale Kunstausstellung für Palästina 1978 ist eine Dokumentations- und Archivausstellung, in deren Mittelpunkt die Geschichte und der geschichtliche Kontext der Ausstellung für Palästina von 1978 stehen. Sie präsentiert, vermittelt und verkörpert Themen und Fragen, die für die Recherche dieser Geschichte maßgeblich waren. Dafür verwendet sie neben der Reproduktion historischer Dokumente auch Videomontagen aus Archivmaterial und Filmen ebenso wie Interviews mit Zeitzeugen und Textdokumente. Sie kartografiert die Beziehungen zwischen verschiedenen Konstellationen von Künstler*innen und Gruppen, die sich durch eine gemeinsame politische Haltung und Solidarität verbunden fühlten und setzt bei Palästina an, um sich darauf aufbauend auch dem Rest der Welt zu widmen. Die Recherche zu anderen, zeitgleich zurInternationalen Kunstausstellung für Palästina als „Museum im Exil“ konzipierten Wanderausstellungen – zum Beispiel das Museo Internacional de la Resistencia Salvador Allende und Artists Against Apartheid – hat eine Form der museologischen Praxis zu Tage gefördert, die noch nicht lange zurück liegt und doch schon in Vergessenheit geraten ist. Gleichzeitig haben die Verbindungslinien zur Ersten Arabischen Biennale in Bagdad (1974) und der 1976er Biennale in Venedig bisher unbekannte Kartografien einer gemeinsamen Geschichte aufgedeckt.
Die erste Station von Zeit der Unruhe wurde alsPast Disquiet vom 20. Februar bis 1. Juli 2015 im Museu d'Art Contemporani de Barcelona gezeigt (MACBA). Die vom HKW veranstaltete zweite Version hinterfragt die Mechanismen der Kanon-Konstruktion in Diskurs und Historiografie der Kunst. Zudem legt sie vor dem Hintergrund des Kalten Krieges offen, welche Beziehungen zwischen Kunst und künstlerischer Praxis in den beiden deutschen Staaten und den Motiven der antiimperialistischen Solidaritätsfront, insbesondere des Kampfs für Palästina bestanden. Mehr Informationen
Zeit der Unruhe ist einer der Ausgangspunkte für die Konferenz A History of Limits. Zum Auftakt des Langzeitprojekts Kanon-Fragen hinterfragt sie die Fundamente der institutionellen Kanon-Bildung und entwirft die Kunst- und Kulturgeschichte neu als Geschichte des Aushandelns von Grenzen.
Zeit der Unruhe wird kuratiert von Kristine Khouri und Rasha Salti und wurde 2015 vom Museu d´Art Contemporani de Barcelona (MACBA) konzipiert und präsentiert. Die Berliner Ausstellung 2016 ist eine Produktion des Hauses der Kulturen der Welt und des MACBA. Recherche gefördert durch Rana Sadik und Samer Younis, Sharjah Art Foundation, Arab Fund for Arts and Culture (AFAC), ZedGrant, A.M. Qattan Foundation und Tensta konsthall.
Im Rahmen von Kanon-Fragen 2016-2019