Eine Saison zu planen, die aufgrund von Covid-19 unter nicht vorhersehbaren Zeichen
steht, ist eine besondere Herausforderung. So wurde für die Monate September bis
Dezember der Saison 2020/2021 ein Spielplan entwickelt, der kreative Lösungen parat hält
und eine Reaktion auf die weiteren Entwicklungen ermöglicht. Wir haben unser
Spielzeitbuch modifiziert und in Quartalshefte verwandelt, die jeweils nur die kommenden
Monate beleuchten.
Die Oper startet unter dem Motto »Wir für Euch!« in die neue Saison. Auf dem Programm
stehen sechs sehr unterschiedliche Opernproduktionen, die in jeweils 90 Minuten das
Ensemble in verschiedensten Rollen präsentiert. Den Anfang machen die aus der letzten
Spielzeit nachgeholte Uraufführung der Song-Oper von Hans Thomalla »Dark Spring«
unter der musikalische Leitung von Alan Pierson und in der Regie von Barbora Horáková
Joly sowie eine Neufassung der Erfolgs-Pop-Oper »Vespertine« im Oktober. Unter der
Überschrift »White-Wall-Oper« werden Klassiker des Repertoires neu gedacht und
bearbeitet. Der Name ist dabei Konzept, denn die »weiße Wand« wird zum
Ausgangsmaterial für großformatige Projektionen, die renommierte Videokünstler*innen,
Zeichner und bildende Künstlerinnen mit einem starken Bildkonzept bespielen.
Freuen Sie sich auf »Die Zauberflöte« u. a. mit Anna Thalbach, in der musikalischen Leitung von Alan Pierson und mit Projektionen von Katrin Bethge, »Madame Butterfly« mit dem Konzept
und Video von Roland Horvath, »Der Barbier von Sevilla« in der musikalischen Leitung von
Generalmusikdirektor Alexander Soddy und mit Illustrationen von Ernesto Lucas sowie den
Animationen von Carl-John Hoffmann und »Hänsel und Gretel«, ebenfalls unter der
musikalischen Leitung von Alexander Soddy und mit Videos von Judith Selenko. Alles in
jeweils 90 Minuten, fantasievollen Bühnenbildern und neuen Arrangements, die ein Live-Musizieren auch mit den geltenden Abstandsregeln möglich macht.
Im Schauspiel feiert u. a. das Monologstück sein Comeback! Neben Dea Lohers »Land
ohne Worte« stehen Simon Stephens »Steilwand«, das Stück »DIE TONIGHT, LIVE
FOREVER oder DAS PRINZIP NOSFERATU« der Hausautorin Sivan Ben Yishai, Arthur
Schnitzlers »Fräulein Else« und Marlen Haushofers »Die Wand« auf dem Programm. Als
Regisseur*innen unterstützen Jessica Weisskirchen, Alexander Marusch, Patrick
Schnicke, Dominic Friedel und Daniel Cremer die Spieler*innen des Ensembles bei der
Erarbeitung der Monologstücke.
Ein weiterer spannender Aspekt ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Beziehungen.
Gerade die letzten Monate haben uns gezwungen, unsere Beziehungen neu zu betrachten,
zu beobachten, zu überdenken und zu hinterfragen. Ein neues Denken IN BEZIEHUNG hat
eingesetzt. Ob in Zeruya Shalevs Roman »Späte Familie« in der Regie von Sandra Strunz,
Manns »Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull« in der Regie von Anna-Elisabeth
Frick, Björn Bickers »Lehrer*innen« in der Regie von Leonie Thies , Dürrenmatts »Das
Versprechen« in der Regie von Dominic Friedel oder Kleists »Das Käthchen von Heilbronn«
in der Regie von Hausregisseur Christian Weise – Beziehungen werden hier erforscht und
neu gedacht, ob als neue Familienmodelle, als Geschäft mit der eigenen Identität, als
Beziehungsarbeit in der Schule, als Bruch mit der Welt oder als Obsession.
In Mehdi Moradpours »ein körper für jetzt und heute« in der Regie von Jessica
Weisskirchen sucht ein junger Mann seine Identität, während in »Sex – Die halbe
Wahrheit« in der Regie von Daniel Cremer vier Spieler*innen des Ensembles ihre Vision
einer neuen, post-patriarchalen Männlichkeit auf die Bühne bringen. Auch die Fortsetzung
der Theateradaption von Elena Ferrantes »Meine geniale Freundin – Teil 2« in der Regie
von Felicitas Brucker ist in der kommenden Spielzeit zu erleben.
Der neue Hausautor in der Spielzeit 2020/21 heißt Necati Öziri. Seinen Einstand am NTM
feiert er im Februar 2021 mit der Uraufführung »Gott, Vater, Einzeltäter«. Öziri setzt sich in
dem Auftragswerk für das NTM mit den Männerbildern im Werk Heinrich von Kleists
auseinander. Das Mannheimer Stadtensemble widmet sich in seinem ersten Projekt »Wir
sind so frei« der Frage, wie Grundrechte und Verfassungen unser Zusammenleben und
unsere Beziehungen untereinander regeln, während »body*« untersucht, welche Rolle
unsere Körper in Fragen von Teilhabe, beruflichem Erfolg u. a. spielen.
Im Juni 2021 wird zudem die 21. Ausgabe der Internationalen Schillertage unter dem
Motto »zusammen« stattfinden.
Für den Tanz bedeutet ein künstlerisches Arbeiten auf Abstand eine besondere
Herausforderung. Dieser stellt sich Tanzintendant Stephan Thoss in der ersten
Spielzeithälfte zunächst selbst, indem er zwei sehr unterschiedliche Abende für das ab
September 2020 nun neunzehnköpfige Ensemble kreiert. »My Island« entwirft ein
Panorama ganz individueller Sehnsuchtsorte, die sich wie Visionen aneinanderreihen und
zu einem bewegenden Kaleidoskop verschmelzen, während sich der Orchester-Tanzabend
»Crescendo« ganz aus dem Geiste der Musik entwickelt. Sich in Kraft, Volumen, Wucht
und Dringlichkeit stetig steigernd, gipfeln die Kompositionen dreier zeitgenössischer
Komponisten schließlich in fulminanter Virtuosität.
Für die zweite Spielzeithälfte ab Januar 2021 sind weitere, mehrteilige Abende aus der
Feder renommierter Gastchoreograf*innen in Planung. Außerdem soll das beliebte Format
der »Choreografischen Werkstatt«, welches den Tänzer*innen die Chance bietet, erste
eigene Kreationen zu gestalten, auch in der Saison 2020/21 realisiert werden.
Das Junge NTM startet die Spielzeit 2020/2021 mit Einblicken in die geheimnisvolle Welt
der Insekten und einem Thema, das so vielfältig wie vertraut ist: Familie. Ob mit den
Uraufführungen von »Insekten«, »Performing Family«, »Hast du schon gehört?« oder den
Wiederaufnahmen von »Matsch«, »Die Welt ist rund« und »Freche Fläche« – das Junge
NTM freut sich auf seine Besucher*innen. Alle ab 8 dürfen sich zudem auf ein Wiedersehen
mit »1001 Nacht« freuen und mit der Reihe »extraschall« Musik ungewohnt entdecken.
Für »JOIN: Facing Racism – Challenging Structures« entwickelt ein interdisziplinäres
Team ein künstlerisches Vermittlungsformat, das Kindern und Jugendlichen eine aktive
Teilhabe am rassismuskritischen Diskurs ermöglicht.
Zur Spielzeit 2020/21 baut das Nationaltheater Mannheim zudem seine Tätigkeiten im
Bereich der Theatervermittlung aus. Hierzu schaffen die Sparten Oper, Schauspiel und
Tanz insgesamt zwei neue Stellen, die mit der Kulturvermittlerin Ronja Gerlach und dem
Musiktheaterpädagogen Oliver Riedmüller besetzt werden. Mit der Unterstützung der
neuen Vermittler*innen werden neue Partner*innen gewonnen und bereits bestehende
Projekte, Partnerschaften, Kooperationen in der Zusammenarbeit intensiviert, wie die
langjährigen Schul-Kooperationsprogramme »TheaterStarter« und »enter« oder auch die
Abiturschwerpunktwoche »Schule der praktischen Weisheit«.
Mit der Förderung der Bundeskulturstiftung »360° – Fonds für Kulturen der neuen
Stadtgesellschaft« setzt das NTM auch in der Saison 2020/21 Zeichen für einen diverseren
Zugang, kultureller Vielfalt, Auseinandersetzung, Begegnung und Diskussion.