Die Spielzeit 2016/17 in den Münchner Kammerspielen wurde am 29. September mit „Der Fall Meursault – Eine Gegendarstellung“ nach dem Roman von Kamel Daoud, in der Inszenierung von Amir Reza Koohestani in der Kammer 1 eröffnet – eine Überschreibung von Camus' „Der Fremde“ aus der Perspektive des ermordeten Algeriers.
Yael Ronen erzählt in „Point of no return“ über die Liebe im Postinternet-Zeitalter. Uraufführung ist am 27. Oktober in der Kammer 1. Die Frage, wie sich unsere Realität durch Internet und Smartphones verändert, wird uns in der gesamten Spielzeit 16/17 begleiten. So auch in „The Re'Search“, der ersten Bühnenadaption eines Textes des Videokünstlers Ryan Trecartin. Die Uraufführung in der Inszenierung von Felix Rothenhäusler findet am 29. Oktober in der Kammer 3 statt.
PREMIEREN
DER FALL MEURSAULT – EINE GEGENDARSTELLUNG
NACH DEM ROMAN VON KAMEL DAOUD, INSZENIERUNG: AMIR REZA KOOHESTANI
PREMIERE AM 29. SEPTEMBER, 20 UHR, KAMMER 1
AUCH AM: 30. SEPTEMBER, 04., 10., 21. UND 31. OKTOBER, 20 UHR, KAMMER 1
Der Roman „Der Fremde“ von Nobelpreisträger Albert Camus, erschienen 1942, erzählt die Geschichte des Franzosen Meursault, der einen Algerier erschießt, weil die Sonne ihn so blendete. Dieser von Meursault getötete Mann hatte bei Camus weder Name noch Geschichte, er tauchte nur auf ein paar Seiten auf, um Camus zur Entfaltung seiner existentialistischen Philosophie zu dienen.
Der algerische Journalist Kamel Daoud ändert das nun und gibt dem Opfer einen Namen. In seinem Roman „Der Fall Meursault – Eine Gegendarstellung“ erzählt er die Geschichte des „Fremden“ noch einmal – aus der Perspektive des Opfers.
Daouds Erstlingsroman hat sowohl in Deutschland als auch in Algerien und Frankreich hohe Wellen geschlagen. Auf welchem Fundament beruhen westeuropäische Kunst und Werte und auf wessen Kosten werden sie gelebt? Nun kommt noch eine weitere Perspektive, ein weiterer Kontext hinzu: Der aus dem Iran kommende international renommierte Regisseur Amir Reza Koohestani verlässt für seine erste Produktion an den Kammerspielen die rein postkoloniale Perspektive und sucht über sie hinausgehend allgemeine Prinzipien von Unterdrückung, Wiederaneignung und Selbstbehauptung darzustellen. Mit Hilfe von SchauspielerInnen mit iranischen, libanesischen, lettischen, bulgarischen, schweizerischen und deutschen Wurzeln setzt er Daouds Roman in ein multiperspektivisches Sprachpanorama.
Mit: Gundars Abolinš, Hassan Akkouch, Maya Haddad, Walter Hess, Mahin Sadri, Samouil Stoyanov
Sowie die Kinder: Dennis Kharazmi und Navid Rajaei
Ausstattung: Mitra Nadjmabadi, Video: Meika Dresenkamp, Licht: Christian Schweig,
Musik: Michael Koohestani, Dramaturgie: Katinka Deecke
POINT OF NO RETURN
VON YAEL RONEN UND ENSEMBLE, INSZENIERUNG: YAEL RONEN
URAUFFÜHRUNG AM 27. OKTOBER, 20 UHR, KAMMER 1
AUCH AM: 28. OKTOBER, 20 UHR, KAMMER 1
„Liebe auf den ersten Fick. Ersten Klick. Ersten Blick. Erstmal nicht?“
(Neon) Was suchst du, wo stehst du jetzt, an welchem Punkt steht
die Gesellschaft? Die Webseite der Kontaktbörse Tinder titelt: „Every Connection can change your life!“. Genauso gut: Every decision can change your life.
„Point of no Return“ bezeichnet jene einschneidenden Momente, an denen etwas nicht mehr rückgängig zu machen ist. In der Geschichtswissenschaft beispielsweise gilt er als der Zeitpunkt, an dem eine historische Entwicklung unwiderruflich ihren Lauf nimmt. Gleichzeitig lässt sich dieser Moment auf vielen Ebenen erforschen: Was bedeutet dieser „Point of no Return“ auf der individuellen Ebene, in seiner politischen oder technologischen Dimension – ein utopischer oder dystopischer Moment? Yael Ronen, die mit eigenwilligen Themen, leichten wie aufwühlenden Inszenierungen
am Berliner Maxim-Gorki Theater auf sich aufmerksam machte und bereits mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen war, arbeitet nun erstmals an den Münchner Kammerspielen und begibt sich gemeinsam mit dem Ensemble auf die Suche nach dem „Point of no Return“ und macht ihn zum Gegenstand für das Theater.
Mit: Niels Bormann, Dejan Buc´in, Jelena Kuljic´, Wiebke Puls, Damian Rebgetz
Bühne: Wolfgang Menardi, Kostüme: Amit Epstein, Licht: Jürgen Tulzer, Recherche: Bastian Zimmermann, Dramaturgie: Johanna Höhmann
THE RE'SEARCH
VON RYAN TRECARTIN, ÜBERSETZT VON TOBIAS HABERKORN
INSZENIERUNG: FELIX ROTHENHÄUSLER
URAUFFÜHRUNG AM 29. OKTOBER, 20.30 UHR, KAMMER 3
AUCH AM: 31. OKTOBER, 20.30 UHR, KAMMER 3
„IParticipate“ – um an der beschleunigten Gegenwart teilhaben zu können, braucht es ein gehöriges Maß Selbstperformance. Ansonsten geht man schnell unter zwischen hyperaktuellen Statusupdates, Schreckensnachrichten und „next-big-things“. „Do we need more cameras?“ Die neuen Menschen der (virtuelle) Realität gewordenen Marktforschungsstudie „The Re’Search“ tun alles für mehr Aufmerksamkeit. Mit dem Selbstmord drohen. Mit Technologie verschmelzen. Sich die Liebe schwören. Verzweiflung, Lust, Sehnsucht. Mit seinen collageartig überformten Hochgeschwindigkeitsvideos reflektiert der amerikanische Künstler Ryan Trecartin spielerisch das Zeitalter des Internets und ist dadurch innerhalb kürzester Zeit zu einem der gefragtesten Künstler seiner Generation geworden mit großen Ausstellungen in Venedig, Berlin und New York. Mit „The Re’Search“ hat er ein Sprachkunstwerk aus der (nahen) Zukunft geschaffen, bevölkert von Identitäten, die die engen Grenzen von Gender-, Klassen- und Rassengrenzen hinter sich gelassen haben. Felix Rothenhäuslers Adaption ist die erste Inszenierung eines Textes von Ryan Trecartin im Theater. Spielerisch und manchmal utopisch.
Bereits eine Stunde vor Vorstellungsbeginn ist der von Jonas von Ostrowski gestaltete Raum mit einer Lichtinstallation von Matthias Singer für das Publikum geöffnet.
Mit: Thomas Hauser, Brigitte Hobmeier, Julia Riedler und dem Musiker Matthias Krieg
Bühne: Jonas von Ostrowski, Kostüme: Elke von Sivers, Musik: Matthias Krieg, Licht: Matthias Singer/507nanometer, Dramaturgie: Tarun Kade