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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Freitag, 4. Juli 2014

Zurzeit in Klagenfurt: der 38. INGEBORG-BACHMANN-PREIS


Alljährlich einer der meistbeachteten Literaturwettbewerbe ist der Ingeborg-Bachmann-Preis, der dieses Jahr zum 38. Mal stattfindet. Alle Lesungen und Diskussionen werden live auf 3sat und im Internet übertragen. Der Bachmann-Preis ist mit 25.000 EUR dotiert. Er wird von der Landeshauptstadt Klagenfurt am Wörthersee (A) gestiftet.


Es werden ferner vergeben, der
Kelag-Preis (10.000 Euro)

Gestiftet von der Kärntner-Elektrizitäts-Aktiengesellschaft
3sat-Preis (7.500 Euro)
Gestiftet von 3sat, dem Gemeinschaftsprogramm der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ZDF, ORF, SF und ARD

Mr. Heyn´s Ernst-Willner-Preis (5.000 Euro)
Gestiftet zu 100 Prozent von der Buchhandlung Heyn – Klagenfurt
BKS-Bank-Publikumspreis (7.000 Euro)
Gestiftet von der BKS-Bank 

Eine Publikumsabstimmung zum mit 7000 Euro dotierten BKS Bank Publikumspreis ist bis Samstag, 5. Juli 2014, 15.00 Uhr, möglich. 
http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/specials/177302/index.htm


Am Mittwoch, den 2. Juli, 20.30 Uhr wurde die Literaturtage mit der 15. Klagenfurter Rede zur Literatur  von MAJA HADERLAP eröffnet (Rede siehe hier). Zuvor gab es schon Ende Juni Veranstaltungen so die Vorrede vom ehemaligen Hanser-Verlagsleiter Michael Krüger am 28. Juni, 19.30 Uhr, Reden über Ingeborg Bachmann (er wird auch die Nachrede halten) und am 29. Juni, 18.00 Uhr, die Vergabe des Preises Translatio. Österreichischer Staatspreis für Literatur an Uta Szyszkowitz und Ahmet Cemal. Gestern ging es weiter mit Lesungen und Diskussionen, die auch heute und morgen das Tagesgeschehen beherrschen. Am Sonntag ist zwischen 11 und 12 Uhr die Preisverleihung.

Eingeladen zum Bachmannpreis wurden folgende Autoren mit absolut unveröffentlichten Werken: 
Michael Fehr: Foto: Julia Klug
Michael Fehr, BERN (CH)

Parallel dazu wurde der 18. Literaturkurs im Klagenfurter Musilmuseum eröffnet. Neun junge Autoren und Autorinnen aus Österreich und Deutschland mit Veröffentlichungen in Verlagen (nicht Eigenverlagen) wurden nach Klagenfurt eingeladen: MALTE ABRAHAM (A), MAREN KAMES (D), IRINA KILIMNIK (D), THOMAS KÖCK (A/D),
CHRISTINA MÖCKING (D), JOSEF MARUAN PASCHEN (D), OLE PETRAS (D), CLIO ALYSSA VOß (D), JULIA WALTER (D).
Tutorinnen sind Friederike Kretzen, Julia Schoch und 
Ludwig Laher.

Der Wettbewerb wurde vom 2013 verstorbenen Marcel Reich-Ranicki vor 37 Jahren zusammen mit Ernst Willner und Humbert Fink konzipiert und erstmals durchgeführt, hat eindeutig seinen Ruf innerhalb der deutschsprachigen und internationalen Literaturszene, wird aber teilweise auch kritisiert, weil die Qualitäten der Ingeborg Bachmann nicht jedem einleuchten oder weil die Jury-Kritik an den eingeladenen 14 Autor/inn/en gelegentlich extreme Dimensionen annehmen bzw. die literarischen Qualitäten der angelieferten Texte auch die interessierten Zuschauer nicht überzeugen. Die Namen sind den meisten Menschen auch nicht bekannt.

Ingeborg Bachmann (1926 - 1973) wurde in Klagenfurt geboren, hielt Lesungen auf Tagungen der Gruppe 47, war 1959/1960 Gastdozentin für Poetik an der Universität Frankfurt/Main und zog sich in Rom am 26. September 1973 in ihrer Wohnung (seit 1965) schwere Verbrennungen zu und starb drei Wochen später in der Nacht zum 17. Oktober. Sie ist auf dem Klagenfurter Friedhof Annabichl begraben.Die Autorin erhielt einige Literaturpreise, darunter 1953 den Preis der Gruppe 47 und den Georg-Büchner-Preis 1964. Sie schrieb Lyrik, Prosa, Hörspiele, Libretti und übersetzte zwei literarische Werke. Sie bekam durch die Gruppe 47 und ihren schlimmen Tod einen Kultstatus.

Wir drücken die Daumen für Brasilien: JAMES MOODY, Speak Low (Jazz)


Donnerstag, 3. Juli 2014

Wie war es bei der letzten Aufführung von WILLE ZUR WAHRHEIT von THOMAS BERNHARD in Frankfurt a.M.?



Wille zur Wahrheit. Schauspielhaus Frankfurt, Regie: Oliver Reese


Thomas Bernhard! Bei diesem Namen wachen viele Literatur- und Kulturliebhaber auf, zucken Bürgerliche zusammen, vornehmlich in Österreich, und wird so mancher österreichischer Politiker erst einmal tief Luft holen. Franz Vranitzky zum Beispiel, der "Mitmachen" von Bernhard verlangte, wenn man schon Geld vom Staat als Subvention bekäme. Aber sonst war er ihm noch wohl gesonnen. Der Autor ließ alles an sich abprallen, was ihn immer wieder in die Rolle des "Netzbeschmutzers" oder "Vaterlandsverräters" (um die Nazi-, Gerichts- und Militärsprache zu zitieren) drängte. 

Sein Hass auf Nationalsozialisten, stärkste Kritik an der Geisteshaltung der katholischen Kirche, an Politikern, am Staat, an den Österreichern riss nicht ab. Er wetterte über die Verblödung der Bürger und die, die sie betrieben. Er war mit den Theatern nicht einverstanden, mit den Verlagen, mit fast keinem. Am Ende seines Lebens - er starb 1989 - verursachte er noch nach seinem Tod einen Skandal, weil er im Testament ein Aufführungs- und Publikationsverbot aller seiner Werke in Österreich verhängte. Zuvor unter anderem der Skandal um den Roman "Holzfällen" (1984), wo der österreichische Komponist Gerhard Lampersberg, ein Bekannter und früherer Freund Bernhards, sich in der Person des Auersberger zu erkennen glaubte und per Gerichtsurteil erstreiten konnte, dass alle Exemplare des Buches beschlagnahmt werden müssten. Der Komponist zog später die Klage zurück. 

Einer der größten Theaterskandale war das skandalöse Tohuwabohu um das Drama "Heldenplatz", das vor 1988 entstand, aber im Jahr 1988 spielt, dem Jahr des 50-jährigen Anschlusses Österreichs an Nazi-Deutschland. Auch das Jahr der Wahl Waldheims mit NS-Vergangenheit zum Präsidenten Österreichs. Schärfste Kritik, bissigste Bemerkungen und Entblößungen in einigen wenigen Zitaten aus dem noch nicht erhältlichen Werk führten zu einem Blätterrauschen in den Zeitungen, einem Schimpfen auf Bernhard, die Politprominenz spuckte auf ihn, die Presse, Waldheim, Vizekanzler Mock, Erzbischof Krenn, Kreisky und der Wiener Bürgermeister Zilk forderten ein Aufführungsverbot des Stückes. Österreich stand Kopf. Haider skandierte: "Raus mit dem Schuft." Aber Journalisten, Autoren, Ministerin Hawlicek und Bundeskanzler Vranitzky und andere traten für eine Aufführung ein. Es kam auch zur Uraufführung, wenn auch mit Störaktionen, Protesten, Hetze in der Kronen Zeitung und im STANDARD begleitet - und wurde eine der erfolgreichsten Aufführungen des Wiener Burgtheaters. 

Thomas Bernhard ist einer der Meister des Grantelns, Schimpfens und Demaskierens auf hohem Niveau. Seine Werke zu lesen ist ein einmaliges Erlebnis. Die Direktheit, seine exakten Analysen, seine Kritik, Ironie und sein Sarkasmus, schließlich auch sein Nihilismus, seine Umdeutungen und die gezeigte Ausweglosigkeit ergreifen einen, lassen einen nicht mehr los und brennen sich als Erkenntnis ins Gehirn.

In Frankfurt a.M. im Schauspielhaus wurde am 27.06.2014 zum letzten Mal in der Spielzeit die Bühnenfassung seiner Autobiografie gezeigt. Fürs Theater arrangiert hat die fünf Bände  "Die Ursache" (1975), "Der Keller" (1976) , "Der Atem" (1978), "Die Kälte" (1981), "Ein Kind" (1982) Oliver Reese, der Intendant des Schauspielhauses. Mit einer minimalistischen Bühne von Hansjörg Hartung und fünf sehr überzeugenden Schauspielern kommen die Worte Thomas Bernhards erst richtig zur Geltung, sie füllen das Theater, jede Requisite stört, selbst das Harlekinkostüm von Josefin Platt stört schon fast, hätte es nicht diese symbolhafte Aufgabe, den Autor in seiner tragikomischen Ambivalenz zu zeigen. Minimale Videoeinblendungen von Konny Keller, Schuhe, Kleidungsstücke, eine Bodenklappe sind Vehikel und Impulsgeber für den Fortgang. Samuel Becketts Bühnengestaltung bietet sich zum Vergleich an.

Den ersten Teil (Ursache) und die Salzburger Schulzeit, das nationalsozialistische und später katholische Schülerheim, bestreitet Bettina Hoppe. Mit eindringlichen und sehr gut gelungenen Pfeifmelodien schafft sie ein Klima zwischen Melancholie, Idylle und Spiel mir das Lied vom Tod. Die kühle Verbissenheit und schonungslose Offenheit Bernhards nachempfindend stellt sie den Zugang zum gewichtigen Rest her. 
Im Rückblick auf die Kindheit und Jugend wird klar, was den im Februar 1931 geborenen und im Februar 1989 gestorbenen Bernhard immer wurmte: im Prinzip schon das Dasein, das muss man vorab sagen. Ferner die Vertreter der Schule, des Staates, die Familie, das verlogene Idyllebild Salzburg. In unzähligen Attacken wird die Mozart- und Hoffmannsthal-Stadt abgewatscht, bespuckt, auch mal liebevoll gestreichelt, dann wieder mit Tritten versehen. Die Stadt mit den vielen Kirchtürmen eine Stätte der Pein, Qual und Folter schon für den jungen Thomas Bernhard. Nie legte er die Abneigung ab. Die Stadt sei von Schönheit erdrückt, voll von Verleumdung und Lüge. Seine Verzweiflungszeit wäre seine Reifezeit gewesen. Selbstmordwünsche und erstickende Enge sich gegenseitig bedingend, die Geistlosigkeit eine Todeskrankheit der Stadt, diesem Todesmuseum. 
In der Schrannengasse 13 der Schlafsaal mit ungewaschenen Zöglingen. Ein Kerker, Dunkelhaft. Er musste in der Schuhkammer Geige üben und hatte immer Selbstmordgedanken dort, nur es nie aus Kraftlosigkeit tun können. Im Gegensatz zu den anderen, die sich aus den Fenster stürzten oder im Abort erhängten. Ein Luftangriff auf den Dom, der ein Loch in den Turm riss, ließ ihn die Geige zerstören. 
Pädagogik war ihm im Internat nicht mehr als großdeutsche Vernichtungskunst. Hoppes genüssliches Zertreten einer Mozartkugel unterstreicht das und Bernhards Abneigung gegen das äußerlich so idyllische Salzburg. Er fühlte sich geschädigt, deformiert und war voller Wut auf den SA-Offizier Grünkranz, Leiter des Internats. Die beiden Ängste in der Schulzeit waren Grünkranz und der Krieg! Der Geistesmord dieser Gestalten, nach Grünkranz ein katholischer Geistlicher, der die Vernichtung weiterführte. Thomas B.  wusste, dass er gehen musste, um zu überleben, und verließ das Gymnasium mit 15 Richtung Arbeitsamt.

Der zweite Teil (Keller) setzt nahtlos mit Viktor Tremmel ein, der junge Bursch Bernhard mit kurzen Hosen, fest entschlossen aus Todesangst ins Arbeitsamt gestürmt und die Beamtin im Arbeitsamt zur Verzweiflung bringend, eine Arbeit in der entgegengesetzten Richtung finden zu wollen. Ganz andere Umgebung, Denk- und Handlungsweise, entnazifiert und ohne Unterdrückung. Ein Wunsch, den sie kaum erfüllen konnte, ja auch gar nicht erahnte, bis sie eine wüste Adresse im Armenviertel Scherzhauserfeldsiedlung fand, die sie niemals empfohlen hätte: die Lebensmittelhandlung von Karl Podlaha. Dorthin ging er. Den lebhaften, vielseitigen Ausführungen Tremmels assistierend spielt Hoppe pantomimisch den jungen Lehrling hinter dem Ladentisch, der alles akurat und ordentlich erledigt, Lebensmittel verkauft und und den Laden reinigt. 
Podlahas Keller ist der Ort der Erkenntnis, auch wenn er in dieser Vorhölle Scherzhauserfeldsiedlung zur nachfolgenden Hölle Krankheit liegt. 1) Der Wille zur Wahrheit ist wie alles verfälscht, Wahrheit ist Fälschung.  2) Alle Menschen fliehen vom ersten Moment an in eine Richtung, den Tod. Um diese Erkenntnisse zu ertragen und um sich künstlerisch fortzubilden, wie es sein Zufluchtsort Großvater Johannes Freumbichler ihm immer empfahl, nahm er Gesangsunterricht in der Pfeiffergasse.

In "Atem", dritter Teil der Autobiografie, dann die Wende in seiner Gesundheit. Nach langer, noch nicht ausgeheilter Grippe musste er beim Podlaha Äpfel vom LKW laden und holte sich dabei eine feuchte Rippenfellentzündung, die punktiert wurde. Das geschah mit 18 Jahren, erzählt und dargestellt von Josefin Platt in harlekinscher Schminkmaske und reduziertem Harlekinkostüm. Eingesetzt von Oliver Reese in der Phase, in der gar unglaubliche Interpretationen und Darstellungen aus dem Krankenhaus das Schicksal eröffnen, das den verschmitzten, aber gebeutelten Grantler ereilen wird. Die Absaugung des Sekrets in ein Podlaha-Gurkenglas trieb ihn in die Bewusstlosigkeit, dann in ein Sterbezimmer zu Todgeweihten. Die vielen Infusionsschläuche ließen ihn das Ganze als ein Marionettentheater wahrnehmen. 
Eine Krankenschwester hätte ihn beinahe unter einem Wäscheberg erstickt. Dagegen die erstmalige Achtsamkeit seiner Mutter: Sie fütterte ihn mit Orangenspalten, der Moment, in dem er am meisten Liebe und Nähe von ihr erlebte. Er bekam auch Besuch von seinem Großvater, der ihm sagte, er habe die Krankheit selbst erfunden, um in den Denkbezirk seines Bewusstseins zu gelangen. Er könne ihn auch wieder verlassen. Und grüßte ein letztes Mal an der Tür des Saals. Er starb kurz darauf, er, der Thomas B. die Schule des Lebens war. Von ihm hatte er das meiste gelernt. Bernhard fühlte sich für immer aus der Schule entlassen. 
Die Klaviernoten zur Zauberflöte, die ihm zufällig in die Hände gefallen waren, machten ihm dagegen klar, dass er nie mehr singen könnte. Ganz wichtige Erkenntnis in dieser Zeit der Punktionen, die ihn sich elend fühlen ließen, den Husten evozierten, war auch, dass das Leben ein schäbiger Betrug, ein abgerissener Veranstaltungskalender war.

Und dann die Überweisung ins Erholungsheim Grafenhof, vierter Teil (Kälte), degoutante Schilderungen der Lungenkranken, die Erläuterungen zum Umgang mit dem Sputum. Vincent Glander übernahm die Rolle des Autors im Sonntagsstaat eines Beerdigungsbesuchers zwischen "Prozession" und "Schubert". Alles schien ihm wie eine Prozession, in der die Monstranzen die braunen Glasspuckflaschen waren, deren Inhalt den Lungen entlockt wie Klänge beim Saitenspiel. Die Schubert-Messe sonntags in der Kirche eine Aufführung mit gewaltigem Schlusshusten aller prägte sich ein. Passend dazu der Regieeinfall Frühschoppen aus der Sputumflasche. Hier muss der 15-Jährige (Viktor Tremmel) ans Werk, warum auch immer. Bernhard war in dieser Behandlungsphase bereits tuberkelfrei. Oliver Rees setzt hier wieder die Zeitklammer ein, indem Viktor Tremmel  eine frühere Phase aus Teil 2 lebendig hält. Ganz wesentlich die Aussage: "Ich war ein Versager, ich habe überall versagt." 
Rückblick auf seine nichteheliche Geburt, er trug den Namen seiner Mutter, seinen Vater Alois Zuckerstätter hatte er nie kennengelernt. Der bestritt die Vaterschaft, sie wurde aber amtlich festgestellt, zahlte nie Unterhalt und kam schon mit 40 bei einem Gasunfall in Berlin um. Was Thomas B. als Kind wusste war, dass der Vater sein Elternhaus angesteckt hätte. Sein Name durfte im Haus der Mutter nie fallen. Der Sohn durfte sich monatlich das Staatsgeld von 5 Mark im Amt abholen, immer wieder der schmachvolle Gang zu Dr. Popp. Unehelich zu dieser Zeit war in den Augen der Öffentlichkeit ein starker moralischer Makel. 
Sie heiratete später und hieß dann Fabian. Während seiner Grafenhof-Zeit, als ein falsche Pneumothorax-Therapie beide Lungenflügel komprimierte und ein Gegendruck durch Schaffung eines Pneumothorax in der Bauchhöhle dies beheben sollte, starb Thomas B. Mutter mit 46 Jahren an Gebärmutterkrebs. In der Todesanzeige stand Hertha PAVIAN, statt Fabian. Alles Heilige kaputt, zerschlagen, schon immer in seinem Leben.
Er war sich aber sicher, eines erreicht zu haben: "Ich wollte immer ich werden, nicht etwas!"

In "Kind", Teil 5, dann der tiefe Blick in die kindlichen Demütigungen. Ein von Peter Schröder hervorragend und überzeugend gespielter Klein-Thomas auf dem Fahrrad unterwegs, ausgebüchst, um den Großvater zu besuchen. Eine gerissene Kette bringt ihn zu Fall, er landet im Graben, Wunden, die Angst vor der Mutter, dazu ein Unwetter. Er rettet sich zum Großvater, der Aufwärtsentwicklung in seinem Leben, während die Mutter ihn sicher brutal mit dem Ochsenziemer und psychologischer Vernichtung schlagen würde: "Du bist mein Tod! Du hast mir gerade noch gefehlt." Und immer die Einsicht beim Kind, dass sie ihren Mann schlug, nicht ihn. Zur Beruhigung der Gemüter und Einkehr ein genialer Einfall von Oliver Reese, Hostien wie Erdnüsse zu verteilen, alle knabbern eine Runde. Die Scheinmoral der Christen und ihre wahre Gesinnung, wir waren alle gute Menschen.  Innerhalb der Zeitklammer finden die Vertreter der biografischen Phasen final zusammen zum multiplen Spiel der Persönlichkeit.
Resultat seiner Bestrafungen war eine Eunuresis, die die Mutter wieder brutalst behandelte, sie hängte die verschmutzten und ungewaschenen Laken auf der Straßenseite vors Fenster, für jeden erkennbar, der Junge hat ins Bett gemacht, was demütigte und demütigte. Im NS-Schülerheim dann Frühstücksentzug, das nasse Laken ins Gesicht gehauen, stigmatisiert und wieder ausgestoßen als Bettnässer, allerdings noch weniger schlimm als bei seinem Freund, der sich einkotete. 

So erlebte man an diesem spannenden und fesselnden Abend die dramatische Persönlichkeit des Thomas Bernhard, der aus diesem Scheißleben ein 22-bändiges Kunstwerk geschaffen hatte. Das Stück mit einer Pause dazwischen und Einführung des Dramaturgen Michael Billenkamp zuvor beleuchtete den Autor Thomas Bernhard genau, sein Denken, das sich in allen Werken kaleidoskopartig verändert, aber immer doch um diese essentiellen Erlebnisse und deprimierte, resgnierte und gleichzeitig auch zum Durchhalten ermutigende Weltsicht dreht. Ich bin gespannt auf weitere Thomas-Bernhard-Inszenierungen im Schauspielhaus Frankfurt. 

Freitag, 27. Juni 2014

Alpenraum: Brennerbasistunnel keine Verbesserung für Mensch und Natur


Eine bisher unter Verschluss gehaltene Studie stellte den Nutzen
des Brennerbasistunnels in Frage. © BBT-SE

Welche Auswirkungen hat der Brennerbasistunnel auf Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung? Sieben Jahre hat es gebraucht, bis die Öffentlichkeit eine Antwort auf diese Frage bekommen hat. Die Inhalte einer bisher unter Verschluss gehaltenen Studie zeigen warum.

Der Brennerbasistunnel soll neben der Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene Ruhe und eine bessere Luft für die Anwohner der bestehenden Eisenbahntrasse bringen. Dass das umstrittene Milliardenprojekt die Erwartungen nicht erfüllt, belegt jetzt eine Studie der Universität Innsbruck von 2006. Sie wurde erst jetzt auf Druck italienischer Oppositionspolitiker veröffentlicht.
Fazit der Studie ist, dass nach der Fertigstellung des Basistunnels und der Zulaufstrecken 2040, die Belastung für die Anwohner weiterhin gross sein wird. Denn von den Verantwortlichen wurde zwar versprochen, dass keine lauten Güterzüge mehr auf der bestehenden Bergstrecke fahren, ob das aber rechtlich umsetzbar ist, bleibt unklar. Der Lärm würde mit dem Basistunnel auf der italienischen Seite des Tunnels sogar zunehmen, weil die Güterzüge dort nachts fahren sollen und die Lärmschutzmassnahmen unzureichend sind. Weil nur ein Teil des heutigen Verkehrs bzw. des bis dahin zusätzlichen Verkehrs auf der Schiene durch den Tunnel verlagert wird, wird auch die Schadstoffbelastung nicht abnehmen. Die Tunnel-Projektbaugesellschaft BBT SE ist der Öffentlichkeit bis heute auch eine Studie zur Kosten-Nutzen-Analyse des Brennerbasistunnels schuldig geblieben.

Heute Abend in Frankfurt a. M.: WILLE ZUR WAHRHEIT. Bestandsaufnahme von mir. Von Thomas Bernhard


Wille zur Wahrheit
Bestandsaufnahme von mir
Thomas Bernhard

Schauspielhaus . Uraufführung 17.11.13 . Stückdauer 2 Std., 45 Min., inkl. Pause .  Regie Oliver Reese . Bühne Hansjörg Hartung . Kostüme Elina Schnizler . Musik Jörg Gollasch . Video Konny Keller . Dramaturgie Michael Billenkamp . Besetzung Bettina Hoppe, Viktor Tremmel, Josefin Platt, Vincent Glander, Peter Schröder

Wir sind unser ganzes Leben dabei, uns zu erforschen.
Schon zu Lebzeiten und selbst heute noch, knapp 25 Jahre nach seinem Tod, verbindet man mit dem Namen Thomas Bernhard nur das Enfant terrible der
Literaturszene, den österreichischen Nestbeschmutzer und Querulanten. In seiner fünfbändigen Autobiografie – »Die Ursache«, »Der Keller«, »Der Atem«, »Die Kälte« und »Ein Kind« – gibt Bernhard einen intimen Einblick in seine Kindheit und Jugend, mit der Welt als Bühne und dem eigenen Leben als Theatervorstellung: »Zuerst habe ich hundertprozentig eine Tragödie aufgeführt und dann eine Komödie und dann wieder eine Tragödie. Das verwirrt die Zuschauer. Sie haben mir applaudiert, jetzt bereuen sie es.« Bernhards Opus magnum ist ein brillantes Wechselspiel zwischen Wahrheit und Fiktion, entwaffnender Offenheit und schamloser Übertreibungskunst. Es ist die eindrückliche Beschreibung der Genese eines Autors wie auch der Hassliebe zu seinen Wurzeln. Unter dem Titel »Wille zur Wahrheit« wird Oliver Reese Bernhards fünfbändiges autobiografisches Meisterwerk erstmals für die Bühne dramatisieren.


Good Sounds: PHARELL WILLIAMS, Happy


Art after Work in Kaiserslautern am 1. Juli: MÄNNERSPIELZEUG

Autokarosserien, die begeistern: Stefan Rohrers „Helios“ von 2013
(Margit Biedermann Foundation, Museum Biedermann Donaueschingen)




Männerspielzeug
Zweisprachige „Art after Work“-Ausgabe im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

„Toys for boys“ („Männerspielzeug“) lautet der Titel der nächsten Veranstaltung „Art after Work“ am Dienstag, 1. Juli, um 19 Uhr im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk), die dem Stuttgarter Künstler Stefan Rohrer und seiner derzeitigen Sonderausstellung „Drehmomente“ gewidmet ist. Aus Autokarosserien und Modellautos formt er faszinierende und unverwechselbare Skulpturen, die Kunstfreunde und Oldtimerliebhaber gleichermaßen begeistern. Auf dem Museumsplatz windet sich ein Opel Kadett um einen Baum, in der Ausstellung schleudert ein Porsche dem Besucher seine Einzelteile entgegen. Ein weiterer, seiner Räder beraubt, aber gänzlich mit Blattgold überzogen, führt vor Augen, dass das Auto auch heute noch alles andere als ein gewöhnlicher Alltagsgegenstand ist. Mit dem Publikum diskutiert Ausstellungskurator Sebastian Steinhäußer über den Stellenwert des Autos in der heutigen Zeit. „Art after Work“ findet wieder zweisprachig als Tandemführung in Deutsch und Englisch statt. Im Anschluss daran kann bei einem Glas Sekt und einer wunderbaren Aussicht auf die Stadt weiterdiskutiert werden. Eintritt, Ausstellungsbesuch und ein Glas Sekt kosten 7,50 Euro; eine Anmeldung sollte unter Telefon 0631 3647-201 oder über info@mpk.bv-pfalz.de umgehend erfolgen.

Good Sounds: ST. VINCENT, Digital Witness


Damit die K.o.-Runde der WM nicht aufs Herz schlägt: Praktische Tipps der Deutschen Herzstiftung


Kostenfreie Ratgeber (1x für Herzpatienten, 1x für Herzgesunde)

Millionen Zuschauer verfolgen die Fußball-WM. Für die meisten unter ihnen bedeuten die Spiele ihrer Lieblingself höchste emotionale Anspannung, besonders in der K.o.-Runde. Damit das spannende Großereignis nicht zulasten der Herzgesundheit geht, bietet die Deutsche Herzstiftung kostenfrei (siehe Kasten unten) zwei Ratgeber mit praktischen Tipps (1x für Herzpatienten, 1x für Herzgesunde).

Worauf Herzpatienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) oder anderen schwerwiegenden Herzkrankheiten beim Zuschauen der teils hochemotionalen WM-Begegnungen achten sollten, erläutert der Artikel für WM-Zuschauer zum Schutz der Herzgesundheit aus der Herzstiftungs-Zeitschrift HERZ HEUTE, der unter www.herzstiftung.de/wm-herztipps kostenfrei angefordert werden kann.
„Emotionaler Stress, wie er bei einem spannenden Fußballspiel entstehen kann, verursacht oft einen Anstieg von Puls und Blutdruck. Dieser Anstieg ist für gesunde Menschen unbedenklich, aber für Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit (KHK) kann er bedrohlich werden“, betont Prof. Dr. med. Thomas Meinertz, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung und Kardiologe am Klinikum Stephansplatz in Hamburg. „Deshalb sollten sich Fußballfans mit einer KHK oder einer anderen schwerwiegenden Herzkrankheit in solchen Momenten vor dem Risiko eines Herznotfalls schützen.“ Welche Vorsorgemaßnahmen zu treffen sind, z. B. Anpassung der Medikamente und ihre Überprüfung durch den Arzt, und welche Strategien sich KHK-Patienten für die emotionalsten Momente zurechtlegen sollten, erläutert die Herzstiftung mit vielen weiteren Ratschlägen zum Schutz der Herzgesundheit in dem HERZ HEUTE-Artikel.

Worauf Herzgesunde beim Zuschauen der WM achten sollten, ohne dabei auf Genuss verzichten zu müssen, zeigt das handliche Booklet "11 Tipps für Ihr Herz“, ebenfalls zum Anfordern (siehe Kasten unten). „Die WM dauert zwar nur wenige Wochen, trotzdem gilt auch in dieser Zeit: Verzicht auf Bewegung durch ununterbrochenes Sitzen, schlechte Ernährung in Form stark gesalzener und gefetteter Snacks, die meist sehr kalorienreich sind, sowie übermäßiger Alkoholkonsum belasten das Herz-Kreislauf-System“, warnt Prof. Meinertz. Hier rät die Herzstiftung zu herzgesunden Alternativen wie die knackigen Gemüseschnitze mit Quark- oder Paprika-Dips aus der mediterranen Küche (www.herzstiftung.de/Rezept-Tipps-Mittelmeerkueche). Sportlich Passive können sich von dem WM-Erlebnis zum Einstieg in den Sport animieren lassen. Auf Tipps zum Einstieg in den Ausdauersport weist die Herzstiftung in dem Booklet hin.
Wer beim Zuschauen gerne ein Glas Bier oder Wein trinkt, dem rät die Herzstiftung zu mäßigem Konsum, das heißt 20 g Alkohol für Männer pro Tag (0,25 l Wein bzw. 0,5 l Bier), für Frauen die Hälfte. Denn zu viel Alkohol kann den Blutdruck erhöhen. Große Alkoholmengen können zudem zu Herzrhythmusstörungen führen, z. B. zu Vorhofflimmern. Tipp: Eine Erfrischung ohne Alkohol bietet der cremig-luftige Bananen-Milchshake unter: www.herzstiftung.de/ Mittelmeerkueche/Bananen-Milchshake.php

Der kostenfreie Artikel für WM-Zuschauer zum Schutz der Herzgesundheit aus HERZ HEUTE (3/2013) kann angefordert werden unter www.herzstiftung.de/wm-herztipps
Das kostenfreie Booklet "11 Tipps für Ihr Herz“ kann angefordert werden per E-Mail unter info@herzstiftung.de oder telefonisch unter 069 955128-0.


Bei Herzinfarkt sofort 112!
Wenn beim WM-Zuschauen jemand Beschwerden im Brustraum bekommt, die auf einen Herzinfarkt hindeuten könnten, muss sofort der Notarzt unter der 112 gerufen werden. Gefährlich wird es, wenn Betroffene erst einmal abwarten wollen, ob die Beschwerden vielleicht nach dem Spiel wieder von alleine verschwinden. Denn bei einem Herzinfarkt kann jederzeit tödliches Kammerflimmern auftreten. Hinweis: Unter der Notrufnummer 112 ist der Notarzt nicht nur über das Festnetz erreichbar, sondern auch über das Mobiltelefon.
Die Alarmzeichen des Herzinfarkts: Schwere, länger als 5 Minuten anhaltende Schmerzen im Brustkorb, die in Arme, Schulterblätter, Hals, Kiefer und Oberbauch ausstrahlen können. Auch ein starkes Engegefühl, heftiger Druck und ein Brennen im Brustkorb gehören dazu. Schweißausbruch, Übelkeit und Atemnot sind häufige Begleiterscheinungen.


Good Sounds: FITZ AND THE TANTRUMS, The Walker


Carolin Widmann erhält Schneider-Schott-Musikpreis Mainz 2014


Der diesjährige Schneider-Schott-Musikpreis Mainz geht an die Geigerin Carolin Widmann.
Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird am 11. November 2014 in einem Konzert mit dem Staatsorchester Mainz unter Leitung von Hermann Bäumer im Mainzer Staatstheater verliehen.

Der Preis, der im Jahr 1986 von dem Musikverleger Heinz Schneider-Schott gestiftet wurde, geht damit an eine Künstlerin, die ihre internationale Karriere und Reputation von Anfang an auf die Interpretation der Musik der Gegenwart gründete. In ihren Konzerten präsentiert sie regelmäßig Werke lebender Komponisten auf höchstem Niveau, als Solistin, Kammermusikerin oder in Zusammenarbeit mit großen Orchestern und Dirigenten. 

In der Jurybegründung heißt es:
"Bedeutende Werke der jüngeren Musikgeschichte wurden erst durch ihre regelmäßigen Aufführungen und ihre unvergleichlichen Interpretationen einem breiten Publikum bekannt, darunter solche von Morton Feldman und György Kurtág. Mehrere Komponisten haben Stücke für sie geschrieben, etwa Wolfgang Rihm, Salvatore Sciarrino, Matthias Pintscher und zuletzt Rebecca Saunders. Spielend verbindet sie Leidenschaft und Subtilität, bringt die strukturellen Details eines Werks ebenso zum Vorschein wie seine Emotionalität, erlaubt sich äußerste Zurückhaltung ebenso wie robustes Zupacken."

Widmann, geb. 1976 in München, studierte bei Igor Ozim in Köln, Michele Auclair in Boston und David Takeno an der Guildhall School of Music and Drama in London. Die Geigerin arbeitet mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Riccardo Chailly oder Sir Roger Norrington zusammen und tritt unter anderem mit dem Gewandhausorchester Leipzig, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Orchestre National de France und dem Tonhalle-Orchester Zürich auf.

Seit 2006 ist Widmann als Professorin für Violine an der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig tätig. Zusätzlich übernahm sie 2012 die Leitung der Sommerlichen Musiktage Hitzacker.

Good Sounds: PASSENGER, Let Her Go


Heute in Berlin: TRANSFORMATION II. Eröffnung der Ausstellung in der Ausstellung

TRANSFORMATION II, Temporäre Galerie / Foto: Jens Ziehe

Einladung zu der Eröffnung der Ausstellung in der Ausstellung in TRANSFORMATION II - 
Birgit Auf der Lauer & Caspar Pauli, Catherine Traykovski
am Freitag, 27. Juni 2014 von 14 bis 19 Uhr mit Cordula Heckmann, Schulleiterin der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli und Ida Schildhauer.

Laufzeit der Ausstellung in der Ausstellung: 28. Juni – 3. Juli 2014
Öffnungszeiten: 11 – 19 Uhr
Veranstaltungsort: Temporäre Galerie in der Quartiershalle Campus Rütli, Rütlistraße 35, 12045 Berlin

Im Rahmen der Ausstellung TRANSFORMATION II begleiteten Birgit Auf der Lauer & Caspar Pauli und Catherine Traykovski gemeinsam mit Dan Welden Workshops für Kinder und Jugendliche aus lokalen Bildungseinrichtungen, die von den Themen und Materialien ihrer Arbeiten ausgehen. Die Workshops wurden mit Lehrerinnen, Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli und des Kinder- und Jugendclubs MANEGE realisiert.

Vom 27. Juni bis zum 3. Juli 2014 sind die Resultate dieser Arbeit als Ausstellung in der Ausstellung in der Temporären Galerie zu besichtigen. Zur Eröffnung am 27. Juni um 14 Uhr laden wir Sie hiermit herzlich ein. Die Galerie bleibt während des Festivals 48-Stunden-Neukölln von 11 bis 19 Uhr geöffnet.

Laufzeit der Ausstellung in der Ausstellung: 28. Juni – 3. Juli 2014
Öffnungszeiten: 11 – 19 Uhr
Veranstaltungsort: Temporäre Galerie in der Quartiershalle Campus Rütli, Rütlistraße 35, 12045 Berlin

In der Ausstellungsreihe TRANSFORMATION beschäftigt sich die Temporäre Galerie mit künstlerischen Positionen, die sich im Spannungsfeld zwischen Bildender Kunst und Wissenschaft bewegen.
Die zweite Ausstellung zeigt Arbeiten, die sich unter dem Schlagwort Recycling vereinen lassen. Die New Yorker Künstlerin Catherine Traykovski (geb. 1939 in New York, USA) beschäftigt sich in der Serie Bioluminescence: Saving the Ocean Deep (seit 2011) mit der Transformation von Leben am Meeresboden. Das Neuköllner Duo Birgit Auf der Lauer (geb. 1981 in Deva, Rumänien) und Caspar Pauli (geb. 1984 in Köln, Deutschland) nehmen für ihre Installation Stapelholmer Barke (2013) die sozialpolitische Transformation eines von Wasserströmen bestimmten Ortes zum Ausgangspunkt und Anlass ihrer Arbeit.

Good Sounds: Marcus Miller, Rush Over


Musikkonsum: Je digitaler, desto besser


Wir befinden uns in der zweiten Phase der digitalen Evolution: Zugangsbasierte Geschäftsmodelle wie Streaming bekommen einen immer höheren Stellenwert, teilweise zu Lasten der legalen Downloads.
Dies stellt die Branche vor neue Herausforderungen, eröffnet Künstlern, Labels und Verlagen allerdings auch nie dagewesene Möglichkeiten. Um die jedoch nutzen zu können, ist ein Höchstmaß an Kontrolle über die eigene Musik notwendig. Wie dies zur Fragmentierung der Branche führt, lesen Sie in der aktuellen „musikmarkt“-Ausgabe. Die Zeitschrift sprach mit Charles Caldas von der Indie-Rechteagentur Merlin, Alison Wenham, Chair und Chief Executive der britischem Association of Independent Music, sowie mit Prof. Dr. Rolf Budde, CEO der Budde Musikverlage.

Mehr dazu lesen Sie auf http://www.musikmarkt.de/digitale-evolution

Good Sounds: MONIE LOVE, Monie In The Middle


Donnerstag, 26. Juni 2014

Wie war es bei Strindbergs EIN TRAUMSPIEL in den Kammerspielen/Schauspielhaus Frankfurt am Main?


AGNES (LISA STIEGLER)

August Strindberg, einer der Meister der Darstellung von Ehedramen (TOTENTANZ), der beißenden Seinskritik und der Hoffnungslosigkeit hat mit EIN TRAUMSPIEL 1901 ein kaum spielbares Stück kreiert, dass die Möglichkeiten der Bühnennutzung extrem ausreizt bzw. überschreitet. Ursprünglich sind über drei Dutzend Protagonisten unterwegs, herrscht die Kurzszenen- und Blitzlichttechnik, ganz nach dem Assoziationsprinzip der Träume. Manche Dinge sind daher nur schwer darstellbar. Die Zuschauer werden mit allerhand Erschreckendem konfrontiert. 

Christoph Preuss hat in Frankfurt am Main eine interessante und spielbare Variante geschaffen, indem er die Botschaft des Stückes in einem Lupenzoom kondensiert und fokussiert hat.

Ich besuchte die letzte Vorstellung in der Spielzeit 2014 am 23.06. und ich muss sagen, die Inszenierung hat mich überzeugt. Die Durchdringung des Stoffes und interpretatorische Leistung des Regisseurs hat es auch den fünf Schauspielern plus 1 Musiker ermöglicht, eine homogene Form zu spielen, auch wenn sie so nicht  im Original besteht. Die Absurdität des Geschehens ist typisch für die Traumwelt, allein das ist schon faszinierend in einem Fluss und Guss zu erleben. 

Nicht umsonst warnte die Dramaturgin Claudia Lowin bei ihrer Einführung davor, dass die Atmosphäre des Spiels bei einigen Leuten einschläfernd gewirkt hat, obwohl sie es nicht wollten. Und passend zur Absurdität des Geschehens bekam man auch gleich einen typisch absurden Theatereffekt in der permanenten Störung durch herumgeisternde Techniker bereits während der Einführung zu spüren. Es war nicht inszeniert. Die Tür zum Technikraum wurde mindestens zehnmal in 15 Minuten geöffnet und geschlossen :-), Kommen und Gehen. Harold Pinter, Ionescu oder andere hätten ihre Freude gehabt.

Preuss hat alles so angelegt, dass wir schon zu Beginn mit unserer Aufmerksamkeit durch Musik (es stehen 4 Klaviere und eine Orgel zur Verfügung) und transparenten Vorhang in Endlosschleifen in einen vorbewussten Zustand absanken, der die Aufnahme des Ganzen wesentlich erleichterte. Ich war zwar nicht betroffen, aber bei diesem hypnotisierenden Kunstgriff rutscht der ein oder andere schon leicht vom Stuhl oder sinkt sein Kopf auf die Seite ...  Wir kamen der Anziehung des Stücks entgegen.


Hauptort des Geschehens ist metaphorisch betrachtet das Dasein als eine Grotte, in der die Geplagten, der Mensch an sich, ihr Dasein mit den Füßen im Schlamm fristen müssen, während ... der Wasserspiegel steigt. Merken Sie, wo wir bei Strindberg eigentlich stehen? Mitten in der Welt des Samuel Beckett und all seinen Verehrern. Und das schon lange vor Beckett.

Die Wiederholung der Qual, der Ticks, der Wünsche, der Ängste, des Begehrens treibt uns durch das Leben, macht es zu einer Stätte des Leids. Es gibt sozusagen keine andere Kost, jede Woche derselbe Speiseplan... Wie im Knast oder im Lager. Wir folgen der Göttertochter Agnes, die der Vater Indra auf die Erde geschickt hat, um die Menschen zu besuchen, ihr Dasein zu erkunden. Sie - ein farbenprächtiger gut gelaunter Paradiesvogel, der uns an Inkafrauen erinnert -,  sehr überzeugend gespielt von Lisa Stiegler, erlebt dieses Dasein und empfindet es. Sie beschreibt und erzählt es, trifft Vertreter der gesellschaftlichen Schichten, was bei Strindberg etliche Figuren sind, hier nur der skurrile Advokat (Sascha Nathan), der Liebhaber Agnes' und Dichter (Nico Holonics), der verträumte Offizier, der hinter die verschlossenen Türen gelangen möchte und nie ankommt (Christoph Pütthoff), ein eigenbrödlerischer Musiker, der unentwegt sein Lied spielt (Kornelius Heidebrecht) und eine multifunktionale Frau (Franziska Junge für alle angedachten Frauenrollen). Ein sehr gutes und ansprechendes Team, das trotz der endlosen Textschleifen und extremen Schlamm- wie Blutzumutung am Ende alles hervorragend stemmt. 



Unser Leben im Morast -
FRANZISKA JUNGE unter Schlamm und Blut
Ob nun dieses Schlamm-auf-euer-Haupt und obendrein Blut-über-die-Frau in dieser Kneipp-Gardena-Mischung am Ende als Steigerung der Anfangsaussage von Agnes "Lehm an den Flügeln, Scheiße an den Füßen" und als Allegorie für die geplagte Frau und Menschin sein muss, würde ich verneinen. Muss Theaterblut fließen und Schlamm geworfen und geschmiert werden, um die Theatralik und Aussage zu erhöhen? Nur um des Schock Willens? Sehr gut dagegen die Traumwogen, dargestellt mit einer goldfarbenen Rettungsdecke, die Fortbewegung der Schauspieler in Zeitlupentempo wie ein Schweben, der erste Schluss und Schlussverbeugung lange vor Schluss um Kreisbewegung und Nichtlogik zu betonen. Hier auch die Blumenübergabe und Foto durch den Souffleur, Illusionsdurchbrechung mit einem Gag, denn Franziska Junge geht erst leer aus, dann kriegt sie ein Blümchen, Agnes dagegen zweimal mit Sträußchen beschenkt. 


Videoprojektion FRANZISKA JUNGE und
CHRISTOPH PÜTTHOFF
Traumatische Erlebnisse von wem auch immer, passend für viele, tauchen auf, der Gelddiebstahl, der ewig im Gewissen bohrt, die Braut, die nicht zur Hochzeit kommt, der ewig auf sie wartende ehemalige Dieb. Gibt es einen Zusammenhang? Lamenti und Klagen über Verbrechen, Morde, Missstände: "Wenn doch die Gottheit einmal hier herunterkäme". Das Leben im Hinterhaus wird mit dem Erstickungstod gleichgesetzt - und hier eine weitere außergewöhnliche Idee, die Schauspieler gleich anzuziehen, Tüten überziehen zu lassen, die zu Leinwänden einer Überkreuzprojektion werden. Es könnte jeder und jede sein, es gibt keinen individuellen Bezug mehr: Junge spricht auf Nathans Tüte, Pütthoff auf Stieglers. Wir hören Schimpfen, Klagen, Leiden, Sterben. Grimassen heben die Ernsthaftigkeit auf. 

Sozialkritisch und umstürzlerisch die Szene um den Strand der Schande, hervorragend umgesetzt mit engen schwarzen "Häuten". Hier gibt es kostenloses Baden für Arme nur, wenn sie sich ertränken. Misslingt es, wenigstens Prügel in der Polizeistation. Gegenübersteht die reiche Adels- und Kaufmannschicht. Der Morast, der die Erde kennzeichnet, noch einmal buchstäblich fühlbar über die Häupter geschmiert.

Ein Alptraum die aggressive Standpauke für einen regredierten promovierten Träumer, der sich in der Volksschule wähnt und sein Urtrauma der Fehlleistung sowie Alptraum der Verfolgung und Attackierung durch einen unangenehmen Pädagogen mit extremen Ängsten und Stottern erlebt. "Ich muss reifen!" 

Agnes will gehen, aber kann diese Erde nicht mehr verlassen, sie ist verurteilt zu bleiben.  Und damit wären wir wieder bei Beckett und z.B. "Warten auf Godot" oder "Endspiel", alles geht von vorne los. Das Immergleiche und die ewigen Wiederholungen in Text und Bild ...

Good Sounds: CSC, OLIVIER DAY SOUL, Who Are You


Kurzfilm: TOM FUGLE (Chopperbiker mit 72)


Tom Fugle from scott pommier

Good Sounds: C2C, Down The Road


Kurzfilm: 9 MINUTES


9 MINUTES from P.J. Wolff