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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Montag, 5. März 2012

10. März 2012: Lesung von Patrick Roth in Zürich


Am 10. März 2012 liest Patrick Roth aus

SUNRISE. Das Buch Joseph 


im Psychologischen Club Zürich, Gemeindestr. 27, Zürich, Schweiz

Beginn: 19.30 Uhr
Einführung: PD Dr. Michaela Kopp-Marx, Universität Heidelberg

In der Literatur der Gegenwart hat Patrick Roths Schreiben den Ruf des Besonderen. Etwas Fremdes und zugleich Faszinierendes geht von den Geschichten aus, die lang nachhallen, zu denken geben, Vergessenes wach werden lassen. Die besondere Fähigkeit, innere Prozesse im Leser anzustoßen, beruht im Kern auf der Numinosität des Stoffs, der sich in den Erzählungen und Romanen Ausdruck verschafft. Schreiben ist Totensuche, heisst es in den Frankfurter Poetikvorlesungen (2002), die sich an den Mythos von Orpheus anlehnen. Patrick Roth erläutert darin, wie er in den eigenen Träumen das Material für seine künstlerische Arbeit findet, wie er es in einem zweiten Schritt anreichert und schließlich nach seinem möglichen Sinn befragt. Schreiben ist mithin ein Prozess des Über-Setzens: Man geht den Weg hin und her, sucht den inneren Bildern und Prozessen mit den Mitteln der Poesie Ausdruck zu verleihen. In den Heidelberger Vorlesungen (2005) findet sich das Bild vom Alchemisten: Das alchemistische Opus am Gefäß und die schriftstellerische Arbeit am Buch ähneln sich im Bestreben, die Gegensätze zusammenzuführen. SUNRISE. Das Buch Joseph spielt im Jahr 70 n. Chr. während der Belagerung Jerusalems durch die Römer. Sein Bogen spannt sich zurück in die Zeit vor Jesu Geburt: Im Mittelpunkt der Ereignisse steht Joseph, der Mann der Maria, von dem die Evangelien berichten, dass er Träumen gehorchte, als er Frau und Kind annahm. Ihm entwirft der Roman ein Leben voller Spannungen, ein Drama zwischen Mensch und Gott. 

 "SUNRISE. Das Buch Joseph" ist seit 1. März 2012 auf dem Markt (Wallstein-Verlag). 

 Die Veranstaltung wird nicht öffentlich angekündigt und beworben. Interessierte sind herzlich willkommen.

(1) Und wenn sie nicht gestorben sind ... Ein Comedy-Märchen von Siglinde Goertz

... leben sie glücklich und zufrieden... oder?


Ach nee, das Märchenland ist auch nicht mehr das, was es mal war!
„Die olle Memme“, regte Prinzessin Eulalia sich auf. „Nicht mal mehr in den Keller traut er sich. Was ist nur aus dem Kerl geworden, der mit Totenköpfen kegelte und vor nix Angst hatte?“
„Tja“, meinte Schneewittchen und nahm einen Schluck aus ihrer Kaffeetasse, „vielleicht sollte er mal wieder in die Welt hinausziehen. Dieses Mal um das Fürchten zu verlernen“.
Eulalia seufzte. Hätte sie doch damals nicht den Eimer mit den Fischen über ihm ausgekippt. Seitdem war der Mann nur noch ein Nervenbündel. Und sie selbst auch! Sein feiges Gejammer ging ihr aber so was von auf die Eierstöcke.. War es da ein Wunder, dass sie sich heimlich mit dem starken Hans tröstete? Das war wenigstens noch ein Kerl nach ihrem Geschmack. Kein kleines Mädchen, als Mann verkleidet. Zwar nicht besonders helle, aber dafür hatte er andere Qualitäten. Und dumm ... Na, man kennt ja den Spruch!
Sie schaute ihre Freundinnen, Aschenputtel und Schneewittchen, an und verdrehte die Augen. Richtig glücklich sahen die beiden auch nicht aus! Wobei Aschenputtel sich ja eigentlich gar nicht beklagen konnte. Ja gut, sie hatte jetzt ein wenig Ärger, weil Stiefmutter und -schwestern sie auf Unterhalt verklagen wollten. Eine Frechheit! Sollten sie doch Hartz IV beantragen, mussten andere ja auch. Aber Rumpelstilzchen, Aschis Anwalt, hatte sie schon beruhigt. Sie würde nichts zahlen müssen. Schließlich war sie mit denen ja nicht verwandt! Wobei ... Ob man diesem Anwalt trauen konnte? So ganz astrein war der auch nicht. Was der damals mit der Tochter vom Müller abgezogen hatte, war nicht unbedingt die feine Art. Und seine Wutausbrüche waren berüchtigt. Eulalia zuckte mit den Schultern. Konnte ihr ja wurscht sein. Das war Aschis Problem.


Schwieriger lag der Fall bei Schneewittchen. Die Ärmste sah total verheult aus. Nix mehr mit weiß wie Schnee, rot wie Blut und schwarz wie Ebenholz. Wenigstens nicht mehr in der ursprünglich gemeinten Reihenfolge. Weiß waren jetzt die Haare, rot leuchteten die geplatzten Äderchen im Gesicht und schwarz wie Ebenholz waren höchstens noch die Ringe unter ihren Augen. Innerlich schüttelte Eulalia den Kopf. Jeder hier wusste, dass die Gute gern mal ein bisschen zu tief ins Glas schaute. Dabei war ihre Leber durch den vergifteten Apfel schon geschädigt. Andererseits ... Sie hatte auch ganz schön was auszuhalten, mit ihrem Gemahl. Jeden Tag die gleichen Fragen: „Was war mit den 7 Zwergen? Hast du mit allen ...? Waren sie besser als ich? Waren wohl richtige Orgien?... Nun gib es doch schon endlich zu ...“ Bei so viel Eifersucht konnte Frau schon das Saufen anfangen.
Ja, als die alte Hexe noch lebte, da war vieles einfacher. Wenn man ein Problem hatte, ging man einfach zu ihrem Knusperhäuschen und sie mixte einem dann ein Elixier aus irgendwelchen Pülverchen und Zaubersprüchen zusammen. Das nahm man ein paar Tage (oder mischte es jemandem ins Essen, je nachdem) und schon sah die Welt wieder besser aus. Aber leider lebte sie ja nicht mehr. Brutal ermordet von zwei „natural born killers“ namens Hänsel und Gretel. Das muss man sich mal vorstellen! Da schubst dieses Mädel die alte Frau in den Backofen. Und wird nicht mal bestraft! Im Gegenteil ... Nicht zu fassen. Angeblich soll sie eine Kannibalin gewesen sein. Gretel hatte behauptet, die Hexe hätte ihren Bruder fressen wollen.
Mädel, Mädel ... da haste aber was gründlich missverstanden. VERNASCHEN wollte sie ihn, nicht fressen, VERNASCHEN! Das ist etwas völlig anderes, als das, was du gedacht hast. Die Alte stand nun mal auf pubertierende Jünglinge. Und ein fesches Kerlchen war er ja, der Hänsel. Aber mit seinen 17 Jahren viel zu jung für die Schreckschraube. Die hatte ja schon mindestens 105 Jahre auf dem krummen Buckel. Aber immer noch spitz wie Nachbars Lumpi!


Eulalia grinste in sich hinein. Trieb sich schon eine Menge schräges Volk hier rum. Wenn sie da nur an Karlchen Legerfald dachte, das mickrige Schneiderlein. Sie könnte sich wegschreien, wenn er mit seinem Fächer wedelte und davon erzählte, dass er sieben auf einen Streich erledigt hätte. Dabei hatte seine Frau ihr mal anvertraut, dass er sich im Traum verraten hatte. Von wegen Riesen - sieben Fliegen hatte er erschlagen, der große Held! Typisch Mann, macht aus jeder Mücke einen Elefanten!
Oder Hans im Glück ... der Dummdödel. Kriegt einen Batzen Gold und verzockt alles. Da war ihr feiger Ehemann ja noch das kleinste Übel. Und der Gute hatte sich inzwischen auch in psychologische Behandlung begeben. Vielleicht würde es ja sogar helfen. Doktor Allwissend galt immerhin als Koryphäe auf diesem Gebiet. Na, mal sehen.
Eulalia trank den letzten Schluck Kaffee und erhob sich. „Kinders, ich muss los! Ich hab noch einen Friseurtermin, den darf ich nicht verpassen. Ihr wisst ja, wie schwierig es ist, bei Rapunzel dranzukommen. Und vorher muss ich noch Rotkäppchen bei der Oma abholen.“
Sprach’s – und zog von dannen. Froh, endlich entronnen zu sein. Nee, was waren die beiden langweilig geworden! Da war es ja noch unterhaltsamer, Dornröschen zu besuchen, die alte Trantüte! Hundert Jahre gepennt – und immer noch ein Temperament wie eine Schlaftablette! Und das nennt sich dann Märchenland!
Dornröschen's Mann meinte inzwischen auch, dass er sich das Wachküssen hätte sparen können. Merkte eh keiner den Unterschied! Dafür vertrieb er sich die Langeweile mit Jorinde und Joringel! Was für Namen! Waren das Kinder von Filmstars? Eulalia konnte sich nie merken, wer von beiden Männchen und wer Weibchen war. Dornröschens Gemahl war das allerdings schnuppe. Der fuhr auf beides ab. Neuerdings munkelte man aber, dass er eine heftige Affäre mit König Drosselbart habe.


Sie seufzte tief und schaute auf die Uhr. Ach was! Rotkäppchen konnte heut den ganzen Tag bei der Oma bleiben. Und auf Haareschneiden hatte sie auch keinen Bock. Sie würde sich jetzt vom Eisernen Heinrich zum Starken Hans fahren lassen. Dort würden sie die neueste CD von den "Bremer Stadtmusikanten" auflegen, am Tischlein deck dich was Leckeres essen -


- und dann den Knüppel aus dem Sack lassen!

Sonntag, 4. März 2012

Harry Rowohlt in Neunkirchen/Saar


Foto: © Martin Kunze

Harry Rowohlt liest und erzählt am Sonntag, den 04.03.2012, 20.00 Uhr - Stummsche Reithalle
AUSVERKAUFT!Harry Rowohlt ist der ungekrönte König der Vorleser, der Erzähler, der Wortzauberer. Ein Abend mit Rowohlt ist nicht nur eine Lesung, sondern ein brillantes Feuerwerk aus Kolumnen, Briefen, Vierzeilern, Kommentaren, Übersetzungen, Exkursen und Dialogen mit dem Publikum. Harry Rowohlt hat die Abschweifung zur Kunstform entwickelt, und immer, wenn er über seine Brillengläser hinweg ins Publikum schaut und sagt: „Da fällt mir ein...“, dann kann man sich schon mal auf eine Anekdote mit einer geschliffen formulierten Pointe freuen. Der Übersetzer, Vorlesekünstler, Kolumnist und Gelegenheits-Schauspieler der „Lindenstraße“ besitzt neben seiner grandiosen Bühnenpräsenz einen Brummbass, der sich sofort in die Gehörgänge schmeichelt – ein Naturereignis.

Buchvorstellung: Der Fluch des Ahnen


Bernward Mankau
Der Fluch des Ahnen
Wiesenburg Verlag, 1 Aufl. Juni 2011
16,80 € (D) / 17,30 € (A), Hardcover, 196 Seiten


Uffing am Staffelsee/Indonesien. – Um den Diebstahl einer Ahnenfigur auf der indonesischen Insel Sulawesi geht es in dem spannenden Roman „Der Fluch des Ahnen“. Autor Bernward Mankau  bringt als ehemaliger Missionar und Buschpilot kenntnisreich und gekonnt unterschiedliche Kulturen und Charaktere zusammen und macht ganz nebenbei auf die Tragik des gedankenlosen Diebstahls von Kulturgütern aufmerksam.

Die Handlung
Jan Djonie, ein reicher Geschäftsmann aus Jakarta, kehrt zurück in seine Heimat Sulawesi, um die traditionellen Rituale am Felsengrab des Großvaters zu erfüllen. Als plötzlich die Ahnenfigur, der geschnitzte Seelenbehälter, verschwindet, macht sich Angst vor dem Fluch des verstorbenen Ahnen breit, der für das Dorf eine große Bedeutung hatte. Verzweifelt heftet sich der Mann aus den Bergen an die Fersen der Diebe. Die Jagd über das Meer wirft ihn auf sich selbst zurück, und zunehmend wird er sich dabei auch wieder seiner familiären Wurzeln bewusst. Auch die Diebe merken erst langsam, auf was sie sich eigentlich eingelassen haben …

Fiktion und Wirklichkeit
„Natürlich ist der Roman Fiktion, doch alle Orte habe er selbst erlebt“, erzählt Bernward Mankau. „Und auch der gedankenlose Diebstahl von Kulturgütern in der ganzen Welt sei leider keine Erfindung von ihm.“ Mit seinem Buch möchte er unter anderem darauf aufmerksam machen, „welche Schmerzen die Betroffenen beziehungsweise Bestohlenen dabei empfinden“. Die Toradja in Sulawesi, die für ihre verstorbenen Ahnen solche Kunstwerke schaffen, sind hierfür nur ein Beispiel. „Er habe die Abbilder der Toten an den Felswänden gesehen und wäre tief beeindruckt gewesen.“
Auch für die „Bösewichte“ hatte der Autor ein reales Vorbild: Im abgelegenen Osten von Sulawesi begegnete Mankau vor Jahren zwei Motorradfahrern aus Alaska und verband ihnen die Wunden, die sie sich bei einem Unfall zugezogen hatten. Beide wohnten –zusammen mit Mankau – in einem heruntergekommenen Hotel und  hatten ihre Mischlingssöhne im Schlepptau, von denen der eine gerade mal drei Jahre alt war. Diese nicht sehr vertrauenerweckenden Abenteurer hinterließen bei Bernward Mankau einen bleibenden Eindruck; ihre fiktiven Spiegelbilder spielen im Roman eine zentrale Rolle.
Die Verfolgungsjagd geht von Makassar (Sulawesi) nach Sumbawa (Bima u.a.) und zu verschiedenen kleinen Inseln nach Westflores. Das winzige Felseneiland Batu balong westlich von Flores, in der Nähe von Komodo, wo das Drama seinen Höhepunkt erreicht, kennt Mankau vom Tauchen.

Die Bedeutung der Ahnen
Bei allen so genannten Naturvölkern spielt der Ahnenkult eine große Rolle. Im Bewusstsein der Familien leben die Ahnen weiter, man begegnet ihnen in Träumen, und sie haben weiter Einfluss auf das Leben der Nachgeborenen. Werden bei der Beisetzung die vorgeschriebenen Opfer nicht erbracht oder die tradierten Kulthandlungen nicht ordnungsgemäß vollzogen, kann dies große Ängste auslösen – bis hin zum Tod involvierter Familienmitglieder. Die Nachfahren haben erst Ruhe, wenn die Toten die Schwelle zum Totenreich überschritten haben. Wann das ist, erfahren sie oft im Traum. Der Tod wird bei vielen Völkern als Höhepunkt des Lebens empfunden.

Der Autor: Globetrotter und Indonesien-Kenner
Bernward Mankau, der Indonesien viele Male bereiste, machte Abitur am Gymnasium Josephinum in Hildesheim und war nach dem Studium der Philosophie und Theologie Missionar und Buschpilot am Kongo. Mit dieser Zeit setzt sich sein Roman „Sehnsucht nach Kipalanga“ auseinander. Nach der Zeit in Afrika war er Leiter des Bildungszentrums Murnau am Staffelsee.


Samstag, 3. März 2012

Für sie besucht: Das legendäre "Haus am See", das eng mit Henry Fondas Tod in Verbindung steht, in Neunkirchen/Saar

Manchmal ist der beste Weg nach vorne der zurück in die Kindheitstage. Ob das die eigene Geschichte betrifft oder die einer Familienbeziehung, einer Partnerschaft …, im Vergangenen ruhen oft viele schöne Szenen des Glücks, der Einheit, des positiven Lebensgefühls und der Unfrustriertheit. Was keine Regel darstellen soll, denn in anderen Fällen liegt das Glück im Heute und Morgen, niemals aber im Gestern.
In Ernest Thompsons Theaterstück „Haus am See“ (Uraufführung 1979 am Broadway) wird das back to the roots, Neuanfang und Lösung des Generationenkonflikts zitiert und bemüht. Beim Gastspiel des Theaters aus Kempf im Bürgersaal Neunkirchen/Saar am Schalttag 29. Februar 2012 spielten Volker Brandt, Viktoria Brams und Susanne Meikl die Familie Thayer, die ihre Konflikte der Vergangenheit und Zukunftsgestaltung in einem entscheidenden der vielen Sommer im Ferienhaus am See bearbeiten und lösen. Die Tochter Chelsea kündigt sich mit ihrem neuen Mann Bill und dessen Sohn Billy zum Geburtstag Normans an. Der Alltagstrott kommt durcheinander und mischt die Karten neu. Das Stück kommt etwas langweilig in Fahrt, aber nach 10 Minuten greift der Wortwitz Normans, auch Ethel gewinnt an Fahrt, die anfangs gegen ihn zu bescheiden und blass wirkt, und wird zur agilen Tatkräftigen. Volker Brandt und Viktoria Brams ein ganz authentisches Ehepaar Norman und Ethel Thayer. Sehr überzeugend auch Susanne Meikl - Bill und Billy leisten ebenso gute Arbeit.
Die Handlung:
Das Ehepaar Norman und Ethel Thayer hat eine lange Strecke Ehe zurückgelegt, ist saturiert und voll im Alltagsehetrott. Norman ist pensionierter Literaturprofessor der Universität Pennsylvania, mit beginnender (frühzeitiger) Alterssenilität, sprich: Demenz, der völlig larmoyant und latent depressiv seinen Tod imaginiert, das Ende in allen Varianten reflektiert. Er weiß, dass er seines Gedächtnisses verlustig gehen, dass der Alltag schlimm sein wird. Er möchte nicht überflüssig, alt und abgestellt sein, deswegen studiert er die Stellenanzeigen und prüft jede Betätigung, die in Frage kommen könnte: Zeitungen austragen, Betreuer für Senioren und Jugendliche undundund, alles nur nichts mehr in seinem Beruf, den er nicht mehr gut ausüben kann – wegen des Gedächtnisverlustes. Er hat keine sonderliche Lebenslust mehr, lässt die kaputte Fliegentür kaputt sein, obwohl Tausende von Fliegen dieses Jahr wieder unterwegs sind, hockt im Haus und kann sich an seinem Seeparadies – ganz im Gegensatz zu seiner viel aktiveren und genussfähigen Ehefrau - schon lange nicht mehr erfreuen. Dennoch ist er der intelligente, schlagfertige und eloquente Mensch geblieben, der er schon immer war. Als sich Tochter Chelsea (42) mit Anhang zu Normans Geburtstag ankündigt, ist das zunächst eine Belastung, die das Zurückgezogensein stört. Als sie aber alle da sind und der Sohn des Freundes Bill die Opa- und Vaterseite in Normans Wesen anspricht, entwickelt sich alles anders. Eine große Wendung tritt ein.


Thompson hat sein Theaterstück klassisch aufgebaut, die Pyramidenstruktur des historischen Dramas in fünf Akten mit unveränderter Illusionsbühne und einem einzigen Schauplatz komplett übernommen, aber schelmisch aus dieser Dramenstruktur eine Komödie gemacht. Selbst das tragische Ende findet nicht statt, sondern ein Ausweg in die Schönheit der untergehenden Sonne. Mit einem stark an John Irving oder andere große, sehr befähigte und unnachahmliche angelsächsische Schriftsteller erinnernden Wortwitz sorgt Norman bis zum Ende gewollt/ungewollt für Turbulenzen, und weil er anders ist als die anderen, darf er das sagen, was normalerweise nicht geäußert wird. Die Aktwechsel wurden mit der ansprechenden und kritischen Musik von Neil Young aus den 70ern unterlegt.
In Akt 1 startet das Stück mit der Exposition, Situationsklärung und Beschreibung der Demenz, u.a. durch ein lustig erscheinendes Telefonat mit der Auskunft. Norman ist der Meinung, die Auskunft hätte ihn angerufen. Das Alter und die Interpretation durch die Eheleute erfährt in einem witzigen Dialog eine Klärung. Ethel ist der Meinung im mittleren Alter zu sein, er korrigiert: „Nein, die Menschen werden doch nicht 150 Jahre, du bist alt, ich aber steinalt.“ Man muss nicht rechnen, um auf die 75 Lenze der beiden zu kommen.
Das Thema läuft weiter in Akt 2, die Steigerung kommt hinzu: Norman fühlt sich überflüssig, fühlt sich wie 108: „Was fängt man nur mit einem alten Kauz wie mir an? Ich habe nicht die leiseste Ahnung.“ Er lebe nur noch auf Abruf, Zeitungslesen sei sein einziger Kontakt zur Realität. Die Vergesslichkeit erneut... Postbote Charly kommt mal wieder mit seinem Boot vorbei und erkundigt sich nach Chelsea und ihrem Alter: „Da müssen Sie ihre Mutter fragen...“ Chelsea kündigt sich mit Begleitung an, Billy soll in den Ferien im Ferienhaus bleiben.
Als in Akt 3 Billy mit gerade 15 auftritt, Rucksack, Kopfhörer, viel zu weite Bermudas und laut, ändert sich alles. Norman erkennt die völlig andere Welt der Jugendlichen wieder. Er ist über die Verrohung und Kulturlosigkeit entsetzt und beauftragt ihn sofort, das erste Kapitel der „Schatzinsel“ zu lesen und am nächsten Morgen Bericht zu erstatten. Mit Chelseas Mann, der ihn überanständig fragt, ob er mit seiner Tochter in einem Bett schlafen dürfe, redet er unverblümt über Sex mit, gar gleich Missbrauch seiner Tochter und bietet den Platz vorm Kamin für Sex an, sodass der liebe Zahnarzt Bill Ray sich ziemlich veräppelt fühlt und sich das verbittet.
Die Ferien gehen weiter, in Akt 4 dann schon ein verwandelter Norman, der Steg und die Fliegentür repariert, Norman verwechselt Billy immerzu mit Chelsea. Der alte Vater-Tocher-Konflikt wie auch ihre emotionale Beziehung wird auf den Jungen übertragen und abgearbeitet. Die beiden gehen angeln, der Junge lernt Französisch, hat Marcel Prousts: „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ kennengelernt. Chelsea taucht auf, um ihren Eltern ihre in der Zwischenzeit erfolgte Eheschließung mitzuteilen, beschimpft in einem Gespräch ihren Vater verärgert als „Der alte Scheißkerl“ und wird dafür von ihrer Mutter geohrfeigt. Die Klärung setzt sich fort, die Tochter sucht das Gespräch mit ihrem Vater und kann auch viel klären - immer hatte sie das Gefühl, ihm nicht genügen zu können. Norman findet die neue Ehe sehr gut, denn dadurch bleibt ihm Billy erhalten. Mit dem Postboten Charly werden von Mutter und Tochter alte Zeiten voller Tollereien heraufbeschworen: „Wir sind die Mädchen vom Goldenen See ...“
Im letzten Akt wird die Szenerie wieder für den Winter eingemottet und abgebaut, das Saisonende ist da. Der neue Schwiegersohn ruft an und lädt zu einem längeren Besuch in Kalifornien ein, Chelsea erklärt ihrem Vater ihre Liebe am Telefon, und Billy findet es obercool, wenn sein „Opa“ kommt. Hier lässt Thompson Norman geschickt in einen fingierten Herzinfarkt fallen, ruft kurz eine Reminiszenz an das klassische Drama hervor, sabotiert die Tragik jedoch wieder, da der Infarkt einzig dazu dient, dass auch Ethel ihrem Mann ihre Liebe erklärt und sie erneuert. Norman freut sich jetzt nach langer Zeit wieder über die Eistaucher am See, deren Liebesspiel und -gesang seine Frau schon zu Beginn der Ferien in Aufregung versetzten. Norman und Ethel, die Familie neu geeint, wenden sich ihrem Lebensende zu. Happy End ...




Ernest Thompson (* 6. November 1949 in Bellows Falls, Vermont) ist ein US-amerikanischer Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor, der für das Drehbuch zu "Am goldenen See" (1981) den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch, den Golden Globe Award für das beste Filmdrehbuch sowie den Preis der Writers Guild of America (WGA Award) für das beste adaptierte Drehbuch gewann und außerdem 1983 für einen British Academy Film Award (BAFTA Film Award) für das beste Drehbuch nominiert war. Er ist Eigentümer eines Theaters in Kittery und ist auch als Regisseur tätig.

"Am goldenen See" war der letzte Kinofilm von Henry Fonda und gleichzeitig der erste Film, den er gemeinsam mit seiner Tochter Jane gedreht hatte. Der Film wurde am Squam Lake in New Hampshire gedreht. Der unvergleichliche und einmalige Henry Fonda starb im Sommer nach den Dreharbeiten. 

Freitag, 2. März 2012

Tageshinweis: Frauenchor mal anders und Irish Folk

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Heute und morgen,
Freitag, den 2. März, in der Stadthalle in Birkenfeld und am Samstag, den 3. März, in der Göttenbach-Aula Idar-Oberstein.

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HEUTE um 20.30 Uhr in Neunkirchen/Saar, Stummsche Reithalle 
spielt außerdem Seldom Sober "Irish folk an' so much 
more..." 

Donnerstag, 1. März 2012

Für Sie besucht: „Pasión de Buena Vista“ in Neunkirchen/Saar


Am Sonntagabend, 26. Februar, hat der Neunkirchener Kulturverein den Bürgersaal mal wieder voll ausgelastet. Über 500 Besucher erlebten die heißen Rhythmen, unverwechselbaren Stimmen und atemberaubenden Tanzchoreographien von „Pasión de Buena Vista“. 21 Künstler in insgesamt 120 Kostümen bieten hier vor einem tollen Bühnenbild (eine Impression aus einer kubanischen Stadt) mit perfekter Lightshow eine Show voll mit pulsierender Musik, heißer Erotik, anspruchsvollem Tanz und authentischer Dynamik aus der Karibik.
Kuba ist ein armes Land, es ist in keinem guten Zustand, seine Bewohner auch nicht, Zensur, Arbeitslosigkeit, Armut überall. Dennoch ist die kubanische Lebensfreude fast unvergleichlich. Mit ihrer Musik, ihrem Rum und ihrem Lebenswillen wird alles erträglich und mit stolzer Haltung präsentieren sie uns die Kunst des Lebens als Leidenschaft.

„Pasión de Buena Vista“ ist eine Erfolgsgeschichte.
Millionen Zuschauer erlebten einen Ausschnitt des Programms im Juni 2009 über Deutschlands Straßenleerer Nr. 1 "Wetten, dass...? auf Mallorca. Hinzu kamen über 250.000 begeisterte Besucher in über 25 Ländern mit über 150 Shows. Selbst in Ramstein-Miesenbach wurde die Show wenige Tage davor gezeigt.
Wichtig für ihren Erfolg ist „La Idea“, eine zehnköpfige Band bekannter kubanischer Musiker und ein Backgroundsänger-Trio, das bei der Moderation und eigenen Gesangseinlagen immer wieder nach vorne tritt. Außerdem der 76-jährige Pachin Inocencio, die stimmgewaltige Mariela Stiven sowie Senior Dariel Lopez.
Pachin Inocencio musiziert bereits seit seinem 13. Lebensjahr mit dem Son-Musiker und Grammy Award-Preisträger Ibrahim Ferrer, eine Legende auf der karibischen Insel. Alle drei sind Stars auf Cuba und mittlerweile auch bekannt durch ihre Mitarbeit in Wim Wenders Film "Buena Vista Social Club" aus dem Jahr 1999.
Dariel Lopez begann ebenfalls früh, mit 16 Jahren, zu singen, erhielt zahlreiche Nachwuchspreise und ist durch seine „La vida es un carneval“-Darbietung beim „Wetten, dass…?“-Auftritt aus Palma de Mallorca bekannt. Und wichtig sind auf gleicher Ebene die durchtrainierten, flexiblen und ausdauernden drei Tänzerinnen und drei Tänzer, die in bunten Kostümen den Wirbel auf der Bühne erst richtig verursachen.

Die Show begann mit einem Bekenntnis zu Buena Vista, "... our life ...", führte gleich den Special Guest Inocencio aus dem Social Club mit einer Gesangseinlage ein und ging zum weltberühmten "Guantanamera", in weißen Anzügen mit roten Scherpen und roten Blüten im Haar getanzt, über. Es folgte Mariela Stiven und Salsa getanzt in ansprechendem Grün-Weiß-Schwarz. Victor Antonez präsentierte ein Lied im Cha-Cha-Cha-Rhythmus und es folgte "Days of Salsa" getanzt. Einprägsam entwickelte sich das Muster erst ein gesungenes Lied, dann ein Tanz im selben Rhythmus. Wir erlebten Salsa und Bongos, mit atemberaubend schnellem Trommelrhythmus, einen Tanz in edlem Schwarz mit Silberaufnähern, einen mit fast brasilianisch bunten Karnevalskostümen. Die beiden Son-Veteranen sangen ein Lied über die Leidenschaft, es folgte der Moderator mit "Que sera" und einem Saxofonsolo. Dann wieder die Senioren mit Mariela Stiven. In einer 10-minütigen Aktion wurden zur Steigerung rund 20 Zuschauer auf die Bühne geholt und zum Mittanzen aufgefordert. Mit den Senioren und Mariela ging es weiter, es kam eine große Karnevalseinlage "La Vida" hinzu, und ganz aufreizend, eine kleine discoähnliche Karnevalseinlage. Über einen beeindruckenden Step-Klepper-Tanz ging es über in Samba bis zum Ende. 2 Stunden Programm ohne Kurzweil, obwohl man manchmal die hohe Routine und Reibungslosigkeit im Ablauf schon ordentlich spürte ... 

Musikkunde:
Heute in aller Welt bekannte Musikstile wie Rumba, Mambo, Cha-Cha-Cha und Salsa haben ihren Ursprung in vier Grundelementen. Außer Klanghölzern und Trommeln finden sich hier keine weiteren Instrumente. Unter Zugabe von melodischen Instrumenten entwickelte sich die heute kommerzialisierte Form des Rumba sowie weitere Modetänze wie der Mambo. Aus dem „Son“, der an einem Wechselgesang zwischen Sänger und Chor zu erkennen ist, entwickelte sich der heutige Salsa. Der „Danzon“ wurde lange Zeit von der Oberschicht nicht akzeptiert, ist heute jedoch der beliebteste Tanz in Cuba. Aus ihm entwickelte sich der Cha-Cha-Cha. Bei dem „Trova“ sangen reisende Sänger traurige und schöne Balladen. Die Texte wurden in der Zeit der Revolution thematisch verändert und als Propaganda gebraucht. Später fanden die Musiker wieder zu ihren ursprünglichen Themen zurück. Das, was Cuba-Reisende heute als kubanische Musik wahrnehmen, ist also eine Synthese afrikanischer Perkussion und Rhythmen mit spanischen Coplas und ihrer Instrumentierung. Der Son ist dabei eindeutig der Publikumsliebling. "Erfunden" wurde er von den Zuckerarbeitern in Santiago in den 20er Jahren. Anfangs war er ein Stück für 3 Personen, begleitet von der spanischen und lateinamerikanischen (drei Doppelsaiten) Gitarre. Claves und Maracas bildeten den Rhythmus. Erst mit der rasanten Verbreitung des Sons kamen auch mehr Instrumente hinzu: der Holzbass, Bongos, die Marimbula (Resonanzkörper mit Metall-Lamellen) und in den 40er und 50er Jahren Trompeten aus der amerikanischen Bigband-Tradition. So entsteht ein komplexes, polyrhythmisches Klanggebilde, das sich für europäische Ohren zuerst wie ein heilloses Durcheinander anhört, später aber fasziniert und den Hörer in seinen Bann zieht.

Dichterhain multimedial: Cocktailparty von Anner Griem

Mittwoch, 29. Februar 2012

Das Theaterstück zum Liebesfilm aller Zeiten: "Das Haus am See" in Neunkirchen/Saar


Am Mittwoch, 29. Februar 2012, 20 Uhr, Bürgerhaus Neunkirchen 


Theatergastspiele Kempf
Das Haus am See“
mit Volker Brandt, Viktoria Brams, Susanne Meikl

Das Theaterstück "Das Haus am See" (Originaltitel: "On Golden Pond") von Ernest Thompson, erlangte als Verfilmung internationalen Ruhm.

Ethel und Norman Thayer sind ein älteres Ehepaar, das seit Jahrzehnten den Sommer in ihrem Ferienhaus an einem See verbringt. Zum 75. Geburtstag von Norman kommt nach längerer Zeit auch Tochter Chelsea mit ihrem zukünftigen zweiten Ehemann Bill und dessen Sohn Billy die Eltern besuchen. Chelsea hatte immer ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater, einem Wissenschaftler, der tragischerweise an einer beginnenden Demenz leidet. Erstaunlicherweise entwickelt sich über das gemeinsame Angeln im Sommer, den Billy bei Ethel und Norman verbringt, eine intensive Beziehung zwischen dem alten Mann und dem Jungen. Am Ende zeigt sich ein neues Verständnis in der gesamten Familie. Mit Katharine Hepburn und Henry Fonda wurde der Stoff 1981 verfilmt. „On golden Pond“/"Am goldenen See" gilt als einer der besten Liebesfilme aller Zeiten. 
VVK 15/8 EUR, AK 17/10 EUR

Dienstag, 28. Februar 2012

Für Sie besucht: Djulia + Band in der Pfeffermühle Landstuhl


Das Team von Kunstgriff.regio-stage.de hatte uns einen weiteren Kulturabend im Werktagsprogramm organsiert: Djulia von Camelon rief am 23.02.2012 in den reizvollen Kleinkunstkeller der Pfeffermühle nach Landstuhl zum Konzert. Da ich die Eröffnungsveranstaltung von Kunstgriff in Winnweiler nicht besuchen konnte, jetzt der regionale Ausgleich.
Allein der Weg für Reisende mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist doch wider Erwarten auch in Landstuhl ziemlich gestört. Der Bus war wegen winziger Zugverspätung oder auch so einfach weg, der nächste in 60 Minuten, die Taxis recht teuer ... für Rollifahrer ein ziemliches Abenteuer, das sie aus Zeitgründen gar nicht etappengerecht bewältigen könnten, 3 Min. zum Bus! Die enorme Hetze wäre umsonst gewesen! Bus weg. Hätte das Veranstaltungsmanagement der Kunstgriff.regio-stage mich nicht im Sonderservice abgeholt, hätte ich als Besucher gefragt, ob ich jetzt noch 12, 13 Euro für Taxi hin und zurück draufsetzen sollte oder mit dem nächsten Zug wieder heimfahren.

Zum Glück hab ich es nicht gemacht, denn Djulia auf der Bühne ist ein Traum! Ja, es ist wirklich so, Djulia verbreitet eine so reizende Aura von selbstverlorener Jazz-, Rock- sowie somnabuler Barsängerin und mädchenhaft verspielter Xylophon-, Melodica- und Minikeyboardspielerin, dass man mit Spannung jeden neuen Titel erwartet. Begleitet wurde sie diesen Abend von ihrer Band, nicht von ihrem Trio, denn der Gitarrist Christian Stoltz fiel wegen Krankheit aus. So sprang ein sehr fähiger Gavin West ein, der etliche feine Dialoge mit Djulia führte und überzeugende Soli anbot. Im Hintergrund ein konstanter und starker Bass, der alle Rhythmen im Team oder Solo sauber vermittelte, und ein rühriger Drummer, der ebenfalls nicht wegzudenken gewesen wäre. Die ganz durch Djulia-Präsenz getragenen Performances starteten in den Abend mit Bon Jovis " It's my life", Hard Rock lockerleicht, Swingjazz-Elemente und Stimme ganz tief ... Mit Queens "Break Free" im Bosa-Nova-Sound weiter zum reggaegetakteten "Final Count Down" von Europe. Verzaubert-weich und dennoch arttypisch Tom Waits "Jockey Full of Bourbon". Mysteriös beginnend die Stimme aus dem Nebel, somnabul verweilend: "See the stars tonight, they shine so bright" von Depeche Mode. 

Im Reggaegalopp "Breakfast in America" von Supertramp. Völlig faszinierend das von Nina Simone früh interpretierte "Don't let me be misunderstood" in der Version von Santa Esmeralda (1977) und Eric Burdon (1995), gefiltert von Djulia!
David Bowies "Let's dance" im "Jingo"-Takt mit Carlos Santana als Pate und "Major Tom" zum spacigen Abheben ..."Can get enough of you baby" von den Smash Mouth oder im Zweifelsfall auch von Depeche Mode ... Kraftwerks "Sie ist ein Model und sie sieht gut aus" völlig reanimiert und belebt zu einem lebendigen Catwalk - heiter, dynamisch, mit starker Basslinie von Jörg Kirsch ... Eric Burdons unsterbliches "Cocaine" in einem lateinamerikanischen Gesangskontext, weiter mit den "Drogensongs" über einen Reggae bei "Wild" und Ace of Base's "She wants another Baby",zu  Iggy Pops "Lust for Life" und der unglücklicherweise sich zerstörenden Amy Winehouse!
Ein absoluter Superlativ des Abends war die Eigeninterpretation des Buona Vista Social Club-Songs "Black Eyes" auf Russisch! Ein Meeting mit der russischen Ausdruckskraft und - wie den ganzen Abend - mit Eleganz und Intensität. Mit den an den Gesang so gegensätzliche Anforderungen stellenden Zugaben "Child in Time" von Deep Purple - ein ganz bemerkenswerter Superlativ und dringendes Must bei Djulia-Hörproben - und einer nicht minder empfehlenswerten (1972 Oscar-belohnten) Darbietung von "Mein Herr" aus Liza Minellis Musical "Cabaret" sowie dem legendären "Sunday Morning" von Velvet Underground aus den 60ies endete dieser wunderbare Abend. 
Ich bin ab sofort ein Fan von Djulia und ihren ganz eigenen Interpretationen und Verfeinerungen beeindruckender Songs zu einer fantastischen Bühnen- und Stimmpräsenz!

Montag, 27. Februar 2012

Kinorückblick: PINA (2011) von Wim Wenders

Pina
Der Tänzer
stummes
Muskelspiel
die Membranen
berührt
Paradox?

(c) Heidi Huber, * 1945, schreibt seit vielen Jahren Gedichte und hat bereits
mehrere Bände veröffentlicht. 
Das Gedicht entstand nach dem Besuch des Films.


Die Tänzerin Pina Bausch zählt zu den bedeutendsten Choreografinnen der Welt, sie wurde 1940 in Solingen geboren, in Essen und New York ausgebildet, und übernahm 1973 die Leitung des Balletts in Wuppertal, das dann zum Tanztheater wurde. Pina Bausch griff Versatzstücke aus Oper, Operette und historischer und aktueller Unterhaltungsmusik auf und formt expressive, düstere, lebendige, lustige, provokative, erotische und archaische Szenen daraus, die oft im Kontrast zur Musik stehen. Das Automaten-, Puppenhafte der Menschen, oft der Frau, fällt stark auf. Ausdrucksstarke Bühnen- und Kostümbilder werden mit dem Einsatz von Elementarem, wie Wasser und Erde, verbunden. Das Dasein und dessen erdrückende Gewalt bestimmen das Leben der Kreatur Mensch, was metaphorisch immer wieder zum Ausdruck kommt.
Wim Wenders faszinierende Hommage an die 2009 verstorbene Choreografin Pina Bausch und ihr Tanztheater Wuppertal, thematisiert und zelebriert ihren Tanz ganz hervorragend. 3D wird zur Intensivierung der Wahrnehmung und des Erlebens eingesetzt. Wenders konnte den Film nur noch alleine fertigstellen, da Pina Bausch während der Vorbereitung starb. Die Darstellung ihres Werkes wurde zu einem Rückblick und einer Hommage an ihre Sichtweisen. Tanzen hautnah, spür- und einatembar, prickelnd und begeisternd, vermittelt durch Stücke, die Bausch selbst ausgewählt hat: "Sacre du printemps" (1975), "Kontakthof" (1978), "Café Müller" (1978) und "Vollmond" (2006), teilweise in Wuppertal, oft an, in und unter der Schwebebahn getanzt, begeistern eineinhalb Stunden lang. Kontraste von Alltag und Ästhetik im Schwimmbad oder in der Industrieanlage platzieren Tanz als einen Versuch, Realität zu verändern und in Frage zu stellen. So auch eine Performance in der Schwebebahn, zwischen Exorzismus und Monsterauftritt im monotonen Alltag. Zwischen den Tanzszenen werden die Ensemble-Mitglieder und ihre Sicht von Pina Bausch in ihrer Originalsprache mit Untertiteln gezeigt, dabei die Kamera als bezwingende Beobachtungsinstanz, die teilweise den Versuch der Tänzer, dem Betrachtetwerden auszuweichen, zeigt ... In weiteren Ausschnitten konfrontiert Wenders Jugend und Alter in gleitenden Übergängen... Ein schöner Ausschnitt aus dem Schaffen Pina Bauschs, ein seltener, sehr ungewöhnlicher Film. Schade, dass er so früh endet.




Dichterhain: Weingedicht 07 von Peter Reuter

Weingedicht 07

Be Punkt Brecht hat gern gegessen und getrunken Komma
und das wirklich gut Punkt
Ha Punkt Weigel hat nicht gern gekocht Komma
selbst für den Brecht nicht Komma nur für Gäste Punkt

Sie nahm den Wein zum Kochen Komma
er nahm den Wein zum Trinken Komma
gleich Komma sie trank ihn später Punkt

Meist trank er mehr Komma
als sie zum Kochen brauchte Komma
eigentlich nicht meistens Komma
immer Punkt

So haben beide stets Komma auf seine Komma
ihre eigene Weise Komma
das mit dem Wein auf den Punkt gebracht Punkt


                                                    © Peter Reuter

Nettes Spiel für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: Korsaren der Karibik

Voraussetzung für den Spielgenuss: Geduld und Spiellust ...

Sonntag, 26. Februar 2012

Highlight für Kuba-Fans: Pasión de Buena Vista im Bürgerhaus in Neunkirchen


Heute, Sonntag, 26. Februar 2012, 20:00 Uhr, Bürgerhaus Neunkirchen

Konzert
Pasión de Buena Vista
Tour 2012


Am Sonntag, 26. Februar 2012, 20 Uhr, gastiert die Show „Pasión de Buena Vista“ im  Bürgerhaus in Neunkirchen.
Nach über 250.000 begeisterten Besuchern bei mehr als 150 Shows in über 25 Ländern und Liveauftritten in TV-Shows wie „Wetten dass…?“ kommt nun „Pasión de Buena Vista“ im Frühjahr 2011 zurück nach Europa. Heiße Rhythmen, mitreißende Tänze, exotische Schönheiten und traumhafte Melodien entführen in das aufregende Nachtleben Kubas. Eine zehn-köpfige Live-Band, Sänger und Tänzer versprühen ein Feuerwerk an kubanischer Lebensfreude. Wenn es etwas gibt, das die kubanische Mentalität am besten widerspiegelt, so ist es die Musik; eine Verschmelzung von afrikanischen Rhythmen mit spanischen Coplas (Chanson, Schlager). Lieder wie „La vida es un carnaval“ lassen selbst Tanzmuffel, die mit Rumba, Mambo, Salsa und Son eigentlich nichts am Hut haben, im Takt zucken. Abendkasse 25 EUR.

Samstag, 25. Februar 2012

Dichterhain: Der Eiffelturm von Walter Brusius


Der Eiffelturm

Einmal, am Abend, stand der König am Fenster und schaute über seine Länder. Ein Vogel kam, setzte sich neben ihn auf das steinerne Fensterbrett. Der Vogel schüttelte die Federn.
„König, was schaust du?“
„Nun, ich gucke aufs Land, wie du siehst, schau mir die Felder an, die Wege usw.“
Der König stand da und schaute.
„Ja, König, ein schönes Land hast du. Auch mir gefällt es. Aber hast du schon mal was selbst gemacht? Ich meine, das Land, das hast du doch nur geerbt.“
Der König stutzte. Was soll das? Was meint der Vogel? Der König wollte sprechen, er fand jedoch keine Worte, denn ihm war nicht klar, worauf der kleine Vogel da hinaus wollte.
Der kleine Vogel fuhr dann selbst fort: „König, ich meine, die Felder, die Wege usw., das hast du doch alles nur geerbt.“
Der Vogel machte eine kleine Pause. Noch immer war nichts klar, und der König lehnte einen Arm auf das Fensterbrett, sah den Vogel fragend, aber auch stirnrunzelnd an.
"König", sprach der, "ich meine, du verwaltest das Ganze, das alles, doch nur."
Wieder eine Pause. Jetzt öffnete der König den Mund. Aber bevor er sprechen konnte, sagte der Vogel: "Hast du jemals etwas selbst gemacht, ich meine, klar, du verwaltest das Reich, das ist auch Arbeit, ich erkenne das an, sogar verwaltest du mit einem gewissen Erfolg, klar, ich will nicht ungerecht sein, ich erkenne das sogar mit einem - warum nicht? - mit einem dicken Bravo an (der König nickte zustimmend, erleichtert und entspannt), die Frucht deiner Felder gedeiht gut, deine Wege werden, weil sie ohne Löcher sind, gern befahren (der König nickte wieder, entspannt), das Holz deiner Wälder verkaufst du mit Gewinn usw. usw. Aber, mein Lieber, mein König, was Großes, was Eigenes, ein eigenes Königreich, meine ich, ein eigenes Imperium, ich meine nicht geerbt, sondern selbst erarbeitet, allein, von Anfang an, also, ich meine... Was wäre, wenn du noch mal von ganz von vorne anfangen müsstest, so ohne was, ein eigenes Imperium? Ich meine selbst gemacht, von Anfang an, alles, also, so mein ich das.“
Nun wandte sich der König ab. Und lachte in den Himmel.
„Aber, ach“, rief er, „das gibt’s doch heute gar nicht mehr. Die Erde, das Land, das ist doch alles längst verteilt. Wie sollte man da ein neues Reich schaffen?“ Paff! Er schüttelte die Locken und zündete sich eine Zigarette an. Er blies den Qualm in die Luft und schüttelte den Kopf. So stand er und schaute dabei noch immer in den Himmel. Der Vogel, ein kleiner grauer, rückte näher heran, zischte nun mit einer fast schon unsympathischen heißeren Stimme:
„Papperlapapp! Von wegen Paff-Paff! Nichts Paff-Paff! Höre, König, höre! In Südamerika, in einem wilden Land, da gibt es einen Berg, himmelhoch, der ist innen mit Gold und Diamanten gefüllt. Fahre hin, miete dir ein paar Nigger und buddel das Zeug raus. Das wird alles nicht einfach sein, denn die Landschaft ist voller Ameisen, die Frauen höhnisch und die Eisenbahn unpünktlich.“ Der Tabak in der Zigarette des Königs knisterte. Der Vogel setzte nach: „Hier eine Karte, ich hab dir alles angekreuzt.“ Ohne dass der König etwas dagegen tun konnte, er konnte nichts dagegen tun, streckte er die Hand aus, und nahm aus der Hand des Vogels die Karte. Heftig kam der Rauch aus der Zigarette, trieb ihm Tränen in die Augen. Der kleine mausgraue Vogel zischte weiter: „Eins ist klar, König, unweit des Berges strömt der Fluss Urubamba, kurz hinterm siebten Wasserfall, von Norden aus gesehen, liegt eine winzige Insel mit einem Baum drauf. Die Insel ist steinig und der Baum unfruchtbar. Für deine Zwecke also vollkommen uninteressant. Als Lohn und Dank für diesen Tipp, gehört die Insel mir, hörst du, die Insel gehört mir, wenn du da unten dein Imperium baust, dein Reich, dein eigenes, alles kannst du haben, nur die Insel mit dem Baum ... Finger weg, klar?“ – „Klar“, sagte der König, er hustete, er hatte Mund und Nase voll Rauch.

Collage von Walter Brusius
Der König fuhr hin. Er sprach die Landessprache nicht, aber er wurstelte sich durch. Die Frauen, die Ameisen, die Schwarzen und die Eisenbahnen waren eine Qual. Aber der Berg war rasch gefunden und eigenhändig trieb er den ersten Stollen hinein. Auch fuhr er die erste Ladung Schätze selbst mit dem Kanu nach der Hauptstadt Quito. Dann ging alles Schlag auf Schlag, bald baute er seine eigene Eisenbahn, legte überall Gärten an, für die Bergarbeiter am Stollen baute er Schießbuden, Reithallen und eine Oper. Er wurde reicher und reicher, die Schätze des Berges schienen unerschöpflich.

Aber der Vogel. Wo blieb der Vogel, warum kam der Vogel nicht und forderte seinen Teil? Dem König fiel die Insel ein. Als er sie sah, ein Haufen Steine mit Schlamm und Geröll, ein insektenzerfressener Baum, schief, mit dürren Ästen, schien sie ihm schön, wunderbar, als der schönste Teil seines neuen eignen Reichs und Imperiums. Gewiss sie war nicht groß, eher winzig. Ein Schloss hätte da keinen Platz. Selbst wenn er den alten wurmstichigen windschiefen Baum gefällt hätte. Was überhaupt sollte man da bauen. Einen Turm? Eine Jagdhütte? Einen Springbrunnen? Egal. Er wollte sie haben. Sie war schon sein. Mit dem Helikopter ließ er sich rüber fliegen und hängte erst mal eine Hängematte in den Baum. Doch kaum hatte er die erste Schlaufe des Netze gebunden, im alten Geäst verhakt, da tat es einen Paff, es zischte und bruzzelte, und aus einer Rauchschwade trat der kleine Vogel. Er reckte den Hals und mit einer solch lauten und grässlichen Stimme, dass es durch das ganze Tal donnerte, schrie er: „Da, da, hab ich's mir doch gedacht, und da, du Arsch, da hast du schon die Strafe!“
Peng! Und da hatte der König seine Strafe, es war so schnell gegangen, von einer Sekunde auf die andere, ach, was sage ich, so schnell, noch viel schneller, dass der König gar nicht wusste, wie und was ihm geschah. Er fühlte und sah, er steckte da irgendwie als Eisen, als ein Bolzen in einem Gerüst. Ja, er war ein Eisen, in einem Stahlgerüst und auf ihm lastete ein ungeheurer Druck, er stand unter einer entsetzlichen Spannung. Jetzt fühlte er es ganz deutlich, er war eingeklemmt zwischen zwei Eisenträgern, er steckte in diesem Eisen, in dem Stahl, unbeweglich als handlanger Bolzen. Da wurde ihm ganz anders zumute. Es wurde ihm mit Grausen wahr, er steckte in einem Eisengerüst, oben in einem Turm, es war der Eiffelturm. Paris. Verdammt, jetzt sah er es. Er steckte oben, ziemlich oben, oberes Drittel. Der Vogel hatte ihn in einen lächerlichen Eisenbolzen verwandelt, eine Niete, eine Eisenniete, 30 cm lang, 5 dick. Zusammen mit Tausenden von anderen Bolzen, steckte er hier im Eisengerüst, alles Nieten. Der König schüttelte sich, aber er saß fest. Er sah es, auch die andern Bolzen waren alles Könige, Bankdirektoren etc. gewesen, der ganze Eiffelturm wurde von gefangenen, zu Eisen und Stahl verwandelten Königen zusammengehalten. Verdammt, Graus, der ganze Eiffelturm war eine riesige Strafkolonie, überall steckten sie in den Trägern, trugen, hielten, gefangen, reingehämmert, mit Lack und Mennige drüber, wetterfest, trugen die ungeheure, über 200 Meter hohe Last, unbeweglich, hielten das riesige Ding zusammen, Tausende von Tonnen, Stahl, Eisen, in schwindliger Höhe. Tag und Nacht. Nie Feierabend. Immer nur halten. Tag und Nacht. Ewig. In Paris. Und da kamen sie schon. Das war die Strafe: Unser König war gleich neben der Treppe eingenietet. In einer Kurve. Auf der Touristentreppe. 


Collage von Walter Brusius
Da kamen die Frauen nach oben. Aus allen Herren Ländern, schöne, exotische, braune, gelbe, rote, schwarze. Sie schnauften und stöhnten, sie hatten von Anstrengung und Glück gerötete Wangen, Gesichter, ihr Haar hatte sich im Wind gelöst, sie lachten glücklich, denn sie waren in Paris, da waren die Tauben und der Wind, von oben sah der König den Aufsteigenden in geöffnete Mäntel und Blusen, gingen sie an ihm vorbei, roch er Parfüm und Schweiß, Wolken, stiegen sie an ihm vorbei weiter nach oben, sah er Hüften, Röcke, Strümpfe, Fersen, Stöckel, gingen sie noch weiter nach oben, sah er ihnen nach, und er schaute in die Dunkelheit, die Schenkel, er schaute in die dunkle, dunkle Tiefe unter den Röcken. Sie gingen an ihm vorbei. Er sah sie, er roch sie. Aber er war eingenietet in den Eisenbalken. Er kam nicht raus. Er konnte sie nicht anfassen. Er kam nicht an sie ran. Er konnte sich nicht auf sie stürzen. Er konnte sie nicht in eine Hängematte zerren. Aber er hätte es gern. Und es brach ihm das Herz. Aber nur mental natürlich. Denn sein Herz, sein wirkliches Herz, das war jetzt aus Eisen, und unzerbrechbar, auf immer und ewig, unzerbrechbar aus Stahl geschmiedet, prima Bolzeneisen, und wetterfest lackiert. C'est ca.

Ja, das ist schlimm. Deshalb will ich auch noch ein bisschen weitererzählen. Ist der König wirklich einmal müde vom Gucken, und hält er es vor lauter Geilheit nicht mehr aus, und schaut er woanders hin, ganz gequält, um sich abzulenken, dann sieht er durch die Fächer im Gerüst auf die Stadt herab, sieht all die herrlichen Boulevards, die vielen Restaurants, aber er kann ja nirgendwo hingehen. Im Mund, wieder nur mental natürlich, hat er den Geschmack von Wein und Austern, von Lakritzbonbons, mit dem Spazierstock wirbelt er im Wind. Pustekuchen, nichts von alledem. All die bunten Lichter werden nicht für ihn angeknipst. Er hat kein Ticket für den Ausflugsdampfer, für die Metro oder die Pferderennbahn. Er hängt im eisernen Gebälk, der Stift, der Bolzen. Aus ist es mit dem Herrendasein. Jetzt wird gedient. Jetzt wird getragen. Meckern kann er, aber es ändert nichts. Natürlich hat der König noch die Alternative nach oben zu gucken, in den Himmel. Aber da sieht er das Reich der Vögel. Unter den Wolken fliegen sie her, und wenn sie müde sind, hocken sie auf dem Gerüst, kacken ab. Das will der König erst recht nicht sehen. Das bringt unangenehme Erinnerungen. Natürlich hat der König noch die Alternative in sich hinein zu sehen, nur mental natürlich, aber da ist es so dunkel, wie es in Stahl nur dunkel sein kann, und in der trostlosen Dunkelheit hört er unter all der Anspannung sein Eisen knacken, und da wünscht er, dass es noch lauter knackt, dass er auseinanderbricht, in Stücke bricht, dass es aus ist mit ihm, dass er in Stücke bricht, und aus dem Gerüst nach unten stürzt...
Aber das ist nur ein Traum, ein Wunsch, denn das hier ist eine Geschichte, in der die Wünsche nicht in Erfüllung gehen.

Der Autor
Walter Brusius arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier. 
Er hat in Köln studiert. Vor etwa zehn Jahren begann er parallel zur Malerei Geschichten zu schreiben. 
Im Eigenverlag sind bisher einige kleine Bücher erschienen und seit zwei Jahren seine AtelierhefteEr verkauft sie im Atelier an einen kleinen interessierten Kreis und in einer dortigen Buchhandlung. Sie sind auch abonnierbar. Neben seinen Ausstellungen veranstaltet er regelmäßig Lesungen. Ziel ist, die Atelierhefte nicht selbst zu illustrieren, sondern andere Künstler in Form einer Koproduktion dazu einzuladen.

Freitag, 24. Februar 2012

Buchbesprechung von Christiane Bienemann: Auge um Auge (Thriller zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern)


  • Curd Nickel
    Auge um Auge,
    Stuttgart 2011, 250 Seiten, 12,20 EUR,
  • ab 16 Jahren, Südwestbuch

Ich gestehe, ja, ich war skeptisch. Als ich von Kurts - oder besser gesagt Curds - gerade erschienenem Thriller las. Was könnte es zum Thema Kindesmissbrauch zu lesen geben, was in den Medien nicht schon hinreichend erörtert worden ist? Und vor allem - wie packt man als Autor ein solch heikles und brisantes Thema überhaupt an? 

Ich gestehe, ja, ich war überrascht. Und zwar durchweg positiv! Das Buch ist nicht nur dermaßen spannend geschrieben, dass ich es am Wochenende in einem Rutsch ausgelesen habe. Sondern es beleuchtet auch die Gedankengänge und den, sagen wir mal An-Trieb, von Tätern, Opfern, dem Umfeld von Opfern und Tätern, und nicht zuletzt der ermittelnden Kommissare. Wobei es „Otto-Normal-Leser“ (sprich ohne heilpädagogischen Hintergrund), zu denen ich mich bei diesem Roman sicherlich auch zähle, sehr schwer fallen mag, sich mit der Motivation und Brutalität eines Triebtäters zu befassen.

Zur Handlung: Gerhard Berger arbeitet als Pfleger in der Forensik. Er ist glücklich verheiratet und genießt das Familienleben mit seiner Frau Sabine und den Kindern Ronja und Marcus. Doch dann werden die Kinder von den beiden Pädophilen Paul Schurecke und Lothar Utikal aufs Grausamste missbraucht und danach verbrannt. Als die Täter mithilfe Pauls Vater, dem reichen Manager Josef Schurecke, freikommen und sich seine Frau Sabine daraufhin das Leben nimmt, beschließt Gerd Berger, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. 

Das Buch weckt bei dem Leser durch die Bank weg sehr starke Emotionen. Sei es gegen den fahrlässig handelnden Hausmeister Valentin, der den beiden Kindern einen Anruf bei den Eltern verwehrt, als sie den Schulbus verpasst haben. Oder gegen Elvira Schurecke, die blind zu sein scheint gegenüber der Veranlagung ihres Sohnes. Bei der detaillierten Schilderung des Missbrauchs an sich. Dass die beiden Kommissare Popp und Pimpelkamp (ein Schelm, der Übles denkt bei diesen Namen) gegen Windmühlen kämpfen. Und auch, als Sexualtäter Bartsch Einblicke in sein Innenleben gewährt.

Gerd Berger kehrt nach den traumatischen Erlebnissen zum Erstaunen aller schon nach kurzer Zeit in den Dienst auf Station 29 zurück. Warum interessiert er sich plötzlich ganz besonders für die beiden Schwerverbrecher Adolf Bartsch und Egon Schieber? Was hat es mit der Bunkeranlage in der Eifel auf sich? Und den 2 Millionen auf Gerd Bergers Konto? Mein Vorschlag: Buch lesen. Und sich selbst eine Meinung bilden. [...]

Christiane Bienemann, Kleve

Weitere Informationen:
„Während Sabines Blumenschmuck noch frisch war, waren die
Gewächse auf den Gräbern der Kinder bereits angewelkt. Und
so verharrte Berger eine lange Zeit mit gefalteten Händen vor
den drei Grabstätten.“
Gerhard Berger wurde alles genommen, was er liebte. Nachdem
seine beiden Kinder missbraucht und verbrannt wurden, nimmt
sich seine Frau Sabine das Leben. Der Justizapparat erweist
sich als bestechlich und die pädophilen Mörder sind auf freiem
Fuß. Berger schwört vor den Gräbern seiner Familie bittere Rache.
In ihm reift ein Plan heran, ein grausamer Plan. Als Beschäftigter
in einer forensischen Abteilung der Psychiatrie hat
er die Möglichkeit an die schlimmsten Sexualtäter heranzukommen,
was ihm auch gelingt. Er benutzt die zwei grauenvollsten
Monster, um Vergeltung an den Mördern seiner Kinder zu üben.
Dabei lernt er seinen tiefen inneren Abgrund kennen.


Curd Nickel spricht in seinem Thriller ein Thema an, das niemanden
kalt lässt. Sexueller Missbrauch von Kindern. Auch wenn einiges darin
schockiert, so fordert Nickel seine Leserschaft auf hinzuschauen,
den Blick nicht zu verschließen, weiterzulesen. Der seit knapp 40
Jahren in der Psychiatrie und Behindertenpflege tätige Autor spricht
in seinem spannenden Roman zudem viele weitere Gesellschaftsthemen
an, die zum Nachdenken anregen. (Die Redaktion)