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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Samstag, 21. Januar 2012

Dichterhain: SCHLIMM von Andreas Noga


schlimm

wenn man schlafen will
ein bett sehen in das man sich
nicht legen darf

freie tage wollen
und nicht bekommen

einen wecker haben der nicht
im kühlschrank steht wie es manchmal
in gedichten vorkommt

nachts den sekunden beim kreislauf zuhören
und wissen dass es bald morgen ist

schlimmer: zur arbeit fahren
wenn zuhause die nacht länger
der tag friedlicher
und kein termin nötig ist

am schlimmsten:
im autoradio kein lied hören
das im kopf den morgenhimmel aufreißt
und bis zum abend klingt



nach gottfried benn „was schlimm ist“

                      (c) Andreas Noga (aus Poesie Agenda 2011, orte Verlag, CH)

Freitag, 6. Januar 2012

Dichterhain: "Am Grab meines Vaters" von Heidi Huber


Am Grab meines Vaters

Auf starken Stielen
machen Blüten
sich bereit

Dein Zuspruch


                Heidi Huber (* 1945)

aus: Die besten Gedichte 2011/2012, 
Frankfurter Literaturverlag 2011

Donnerstag, 5. Januar 2012

Dichterhain: "Kaum glaubst du noch" von Willi van Hengel

Kaum glaubst du noch, 
aus welchen Gründen auch immer, 
Zeichnung von Willi van Hengel
dass unsre Lust an
der Verunsicherung nachlassen wird. 
Verlier dich weiter in deinen Texten.
Wie an klaren Tagen, umsunkenen Nächten. 
Trächten. 
Dächte dich deine Gabe zuende/zünde mich an. 
Dochgeborn. 
Hochwohl kompromisslos. 
Du wolltest dich
nie verleihn, 
das war ein Fehler. 
Wir schulden uns kein Geschenk. 
An unseren Geburtstagen schon gar nicht, 
hast du immer gesagt. 
Also kannst du jetzt schon so tun, 
als wär’n deine Hände 
vom symbolischen Zirkel durchstochen. 
Du blutest auch in deinen frei erfundenen Hängen, 
die Satzfetzen purzeln hinter dir her.

                                                      Willi van Hengel

Montag, 19. Dezember 2011

Hörbuch: Poetry Tapes - Der Slam Sampler


Nico Semsrott   Foto: Johannes Henseler
Patrick Salmen        Foto: Fabian Stürtz
Seit einigen Jahren erfreut sich Poetry Slam in Deutschland einer immer größer werdenden Fangemeinde. Mit über 100 Veranstaltungen pro Monat im deutschsprachigen Raum und mehreren regelmäßigen Fernseh- und Radioformaten, ist diese literarische Bewegung von enormer Popularität. Der Höhepunkt der Szene ist die jährliche deutschsprachige Meisterschaft. Nachdem die letztjährigen Meisterschaften im Rahmen der Ruhr.2010 einen neuen Besucherrekord verbuchen konnten, fand im Oktober 2011 Europas größtes Bühnenliteratur-Festival in der Poetry-Slam-Hochburg Hamburg mit rund 15.000 Besuchern statt. Ein neues Kulturgenre ist schon länger geboren, jetzt auf den eigenen Füßen!


Poetry Slam - Das ist Bühnenliteratur live
Gegen und gemeinsam mit den Poeten aus unterschiedlichsten Gattungen treten die Slammer im freundschaftlichen Wettstreit gegeneinander an. Der Inhalt bestimmt den Vortrag: Es wird gedichtet, gerappt, erzählt! Vom brüllend komischen, bis hin zum tiefsinnigen, sozialkritischen Spoken Word Text wird unter tosendem Applaus des Publikums alles auf die Bühne gebracht.

Poetry Tapes - Der Slam Sampler (Feez/Sony)
Florian Cieslik   Foto: Fabian Stürtz
Gemeinsam mit etablierten Slampoeten und Newcomern zusammengestellt, lernen wir kennen: Julian Heun (U20 Meister 2007), Nico Semsrott (Publikumspreis Stuttgarter Besen 2011, NDR Comedy Contest Gewinner), Laurin Buser (U20 Meister 2010), Florian Cieslik (Veranstalter NRW Meisterschaft, Finalist 2008), Sebastian 23 (Deutscher Meister 2008) sowie den amtierenden Deutschen Meister Patrick Salmen und den neuen NRW Meister 2011 Andy Strauß.



Mittwoch, 7. Dezember 2011

Heidis Gedichtetipps: Goethe

(Ohne Titel)

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh' man es denkt' gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!
Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden
Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,
Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

So ists mit aller Bildung auch beschaffen:
Vergebens werden ungebundne Geister
Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

Wer Großes will, muss sich zusammenraffen;
In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,
Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

                            Johann Wolfgang von Goethe (um 1800)

Mittwoch, 30. November 2011

Dichterhain: Der Nussbaum von Heidi Huber


Nussbaum
im November

Befreit
von Laub
und Last
wirst würdig
den Winter
durchstehen
knospenbereit

Wie weise

Heidi Huber (*1945)

Dienstag, 22. November 2011

Dichterhain: Die Kokosnuss von Alois Hatter

Der Tag ging, der Abend kam.
Die Auster,
die eigentlich eine Miesmuschel war,
spielte Trompete.
Daraufhin wurde sie gezangst.
Und das mit Recht,
sagte der Katzenaugenmund.
Und das mit Recht,
sagte der Kammerjäger.

Und das undank mir brecht,
sagte der Hutmacher.

Keiner verstand ihn.

Und das mit Recht,
flüsterte die Kokosnuss.


Alois Hatter

Mittwoch, 11. Mai 2011

Liebesgedichte von Erich Fried: Nachtlied

Nachtlied  

Auf deine Brüste zwei Sterne
auf deine Augen zwei Küsse
in der Nacht
unter dem gleichgültigen Himmel

Auf deine Augen zwei Sterne
auf deine Brüste zwei Küsse
in der Nacht
unter den mundlosen Wolken

Unsere Küsse
und unsere Sterne müssen
wir selbst einander geben
unter wetterwendischen Himmeln

oder in einem Zimmer
eines Hauses das steht
vielleicht in einem Land
in dem wir uns wehren müssen

Doch in den Atempausen
dieses Sichwehrens
Brüste und Augen für uns
Himmel und Sterne und Küsse.



Erich Fried
[(* 6. Mai 1921 in Wien; † 22. November 1988 in Baden-Baden) war ein österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist. der vor allem auch durch seine engagierte politische Stellungnahme auffiel. Fried war in der Nachkriegszeit ein Hauptvertreter der politischen Lyrik in Deutschland. Gleichzeitig gilt er vielen als bedeutender Shakespeare-Übersetzer, dem es als erstem gelungen ist, die Sprachspiele des englischen Dramatikers ins Deutsche zu übertragen. Er übersetzte außerdem u. a. T. S. Eliot, Dylan Thomas, Graham Greene, Sylvia Plath und John Synge. Zudem verfasste Fried einen Roman (Ein Soldat und ein Mädchen, 1960) und Kurzprosa.]

Mittwoch, 20. April 2011

Ankes Fundstücke - Liebesgedichte von Erich Fried: Dich

Dich

Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist

Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter

Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist.


Erich Fried
[(* 6. Mai 1921 in Wien; † 22. November 1988 in Baden-Baden) war ein österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist. der vor allem auch durch seine engagierte politische Stellungnahme auffiel. Fried war in der Nachkriegszeit ein Hauptvertreter der politischen Lyrik in Deutschland. Gleichzeitig gilt er vielen als bedeutender Shakespeare-Übersetzer, dem es als erstem gelungen ist, die Sprachspiele des englischen Dramatikers ins Deutsche zu übertragen. Er übersetzte außerdem u. a. T. S. Eliot, Dylan Thomas, Graham Greene, Sylvia Plath und John Synge. Zudem verfasste Fried einen Roman (Ein Soldat und ein Mädchen, 1960) und Kurzprosa.]

Samstag, 1. Januar 2011

Minutentraum mit Pablo Neruda

Foto: viereggtext

Sterbe ich, will ich deine Hände auf meinen Augen:
ich will das Licht und den Weizen deiner geliebten Hände,
einmal mehr sollen sie mit ihrer Kühle über mich streichen:
spüren will ich die Sanftheit, die mein Schicksal änderte.


Ich will, daß du lebst, indes ich schlafend auf dich warte,
ich will, daß deine Ohren noch immer den Wind hören,             
daß du den Geruch des Meeres riechst, das wir geliebt,
und daß dein Fuß den Sand betritt, den wir betreten.
      
Das, was ich liebe, soll am Leben bleiben,
und dich hab ich geliebt und besungen über alles,
deshalb, Blütenreiche, blühe weiter,


auf daß dir alles werde, was meine Liebe dir aufgibt,
damit mein Schatten berühre dein Haar,
damit jeder meines Liedes Grund erkennen kann.
                                    
Pablo Neruda


Neruda hat seine Frau Matilde Urratia zweimal geheiratet, 
das erste Mal auf Capri mit dem Mond als Trauzeugen ;-)
(Quelle: Poesie-Agenda 2010, orte verlag, Schweiz)

Freitag, 24. Dezember 2010

Minutentraum mit Jolanda Fäh

                         "und hoffe auf
                          eine positive Antwort"


                          von dir
                          der du da oben sitzt
                          und selten antworten schickst
                          am allerwenigsten positive
                          höchstens durchhalteparolen
                          und versprechen
                          vermittelt von anderen
                          blinden und tauben
                          könntest du nicht
                          wenigstens die selbstgefälligen
                          befördern, weg.
                          von mir aus himmelwärts, amen.

                                                        Jolanda Fäh
                                  
                                   (Quelle: Poesie-Agenda 2010, orte verlag, Schweiz)

Donnerstag, 18. November 2010

Minutentraum mit Klabund

Winterschlaf


Indem man sich nunmehr zum Winter wendet,
Hat es der Dichter schwer,
Der Sommer ist geendet,
Und eine Blume wächst nicht mehr.


Was soll man da besingen?
Die meisten Requisiten sind vereist.
Man muß schon in die eigene Seele dringen
- Jedoch, da haperts meist.


Man sitzt besorgt auf seinen Hintern,
Man sinnt und sitzt sich seine Hose durch,
~ Da hilft das eben nichts, da muß man eben überwintern
Wie Frosch und Lurch.


                                                              Klabund

(Quelle: Poesie-Agenda 2010, orte verlag, Schweiz)

Samstag, 13. November 2010

Buchbesprechung: Der Pilot in der Libelle beim Wallstein Verlag (Unabhängige Verlage in Deutschland)

Hendrik Rost
Der Pilot in der Libelle
Gedichte
Göttingen 2010, 112 Seiten, Hardcover
18 €, Wallstein Verlag

Der Autor ist Jahrgang 1969, hat bislang vier Gedichtbände und eine Übersetzung aus dem Niederländischen vorgelegt und veröffenlicht Lyrik und Essays in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Neuen Zürcher Zeitung, Jahrbuch der Lyrik, ndl und Sprache im technischen Zeitalter. Der studierte Philosoph und Literaturwissenschaftler hat bereits acht Literaturpreise erhalten, so zuletzt den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für Literatur 2004 (mehr siehe bei Wikipedia).
In sieben Schritten gruppiert Hendrik Rost seine Gedichte, die Einblicke und Interpretationen seiner und fremder Lebenssituationen geben, mitunter eine strenge Brisanz bekommen wie "400-Euro-Job", und seine Tochter und ihr/sein Welterleben thematisieren.
Der erste Schritt heißt "Mnemosyne", das gleichnamige Gedicht darin der Besuch bei der Großmutter im Rollstuhl, umgeben von Erinnerungen, Dinge und Sachen des Lebens, "Gesammelt, gestapelt und faulend". Das Absterben als ein Vergeben, Vergessen der Erlebnisse, der Modergeruch als Auflösung ... Oder ein Bild aus Hamburg-Altona, eine Plastiktüte im Unwetter wie eine Qualle im Wasser vor den Fenstern im 2. Stock im Regen tanzend ...


Aquatisches Altona


Eine Scheibe im Hausflur fällt dem Sturm zum Opfer.
Eine schwarze Plane, gegen Regen im Fensterrahmen,
schlagt im Wind wie Segel eines Havaristen.

Wenn das Wetter der nächsten Tage so wird
wie der hektische Ansager bei der Vorhersage,
werden wir untergehen.

Oder wir sind es längst. Vorm Schlafzimmerfenster

im zweiten Stock treibt eine Plastiktüte, Qualle im Strom.
Wolken brechen am Riff der Mietshäuser gegenüber.

In Gruppe 2 "Recherche" das Ergründen des Gewesenen, das Vergangene als ein inhaltsarmes und sinnentleertes Leben im Zeichen des verlorenen Arbeitsplatzes, den Kopf jedoch voll damit. In "Fraktur" das Erlebnisses eines Unfalls, ein Kieferbruch lähmt, vieles vergessen aus dieser Zeit, ein Verlust. Die Fraktur machte handlungsunfähig, Halt gab nur der Anblick eines gesunden OP-Schwestern-Kinns... Später Vermissen, Hingezogensein, immer dieses Bild und die nachfolgende Schwärze der Narkose, die alles ausblendete. "Die Libelle" als ein Vergleich mit der persönlichen Entwicklung, die Notizen aus der Larvenzeit, tausend Seiten vernichtet, verbrannt, als nichtig erklärt, bevor der Flug begann. Hier weiß der Pilot genau, dass er das zukünftige Leben steuert ...
"Aus alten Heften" thematisiert im nächsten Schritt die Liebe, den Liebestaumel, den Zeitausschalter (oder den Zeitvertreiber?), im sich wiederholenden Ritual des Davonfließens den anderen als Quelle wahrnehmen, ihn nutzen: "Sei Dieb, damit die Dinge endlich Wert bekommen, zur Quelle bringt man leere Gefäße mit."
In der Gruppe "Meditation" scheint mir das Eindringen der Außenwelt in verschiedenen Perspektiven thematisiert. Laut und eindringlich, einen Bruch mit den Ideen und Empfindungen hervorrufend, eher zu einem Rückzug veranlassend. Hier singende Kegelschwestern, die allzu zotig, zu derb, etwas ansprechen, das so nicht bei jedem funktioniert ...
"Für Solostimmen. Schuhmann-Korrespondenz" fokussieren das Gefangensein im Begehren und Zurückstoßen der Geliebten aus Pflichtbewusstsein, Schutzangebot für den anderen, hier eingefangen im Krankheitsbild des syphillitischen Robert Schumann, der aus Schaffensdrang in der Endphase seiner Lebenszeit Städtenamen aus dem Atlas abschrieb ...
Die "Blindbewerbung" eine ungewöhnliche, eine menschliche Bewerbung auf eine Stelle, die noch nicht ausgeschrieben ist. Man liest nichts über das Prahlen mit Fertigkeiten und Wissen, sondern nur über das Menschsein an sich. Sie bekommen einen Menschen, mit allen Vorzügen und ... sterblich. Und ganz überraschend in "Gebrechen": Demenz ist überall und die höchste Form davon die Liebe. Das Vergessen, das Versiegen von Sprache, das Ende?
In der letzten Gruppe dann der Namensgeber "Deutschlandradio". Ein Aufruf, auszusteigen, wenn "der Wagen liegen geblieben ist." In Mut zu investieren und große Gedanken zu pflegen, um Gewinne machen zu können, denn alles kann immer "noch billiger" angeboten werden. Qualität eher selten.
Im "400-Euro-Job" gekonnt eingefangen die Betrachtung des langzeitarbeitslosen Geisteswissenschaftler durch Arbeitskollegen im Minijob-Milieu... "Was ihr könnt, will keiner wissen oder haben." Was bleibt ist Literatur schaffen, Gedichte schreiben, die sich mehr oder weniger leicht verkaufen ...


4oo-Euro-Job

Wer "wird denn jetzt Millionär? Und kannst du
Heckeschneiden? Das Problem mit euch
Studierten ist, man muss euch alles erklären.
Was ihr könnt, will keiner wissen oder haben.
Ein Pfund Versuchen wird ein Gramm Gelingen.
Sommer, unter den Silberlinden verhungern
die Hummeln an Nektar ohne jeden Nährwert.
Warst du so klug, wärst du gar nicht hier,
oder willst du nichts erreichen? Zwei Tage
halten die meisten aus, dann sind sie weg.
Willst du nicht reich werden? Die paar Fragen.
Du sitzt doch den ganzen Tag über Büchern.
Davon vergreist du auch nur oder du willst
auswandern oder wirst auf der Stelle depressiv.
Krieg ich was ab von deiner Million? Hol mal
Mettbrötchcn. Überall diese krepierten Bienen.


Ein Gedichtband, den man mehrmals lesen will, Deutungen suchen und immer wieder neue Aspekte hinzufügen. Hendrik Rost hat uns vieles zu sagen, den nächsten Band erwartet man mit großer Neugierde.

Drei Gedichte von ihm selbst vorgetragen.

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Freitag, 29. Oktober 2010

Sonntag, 24. Oktober 2010

Buchbesprechung/Autorenlesung (26./27.10.10): Kim Kwang-Kyu (Unabhängige Verlage in Deutschland)

Kim Kwang-Kyu
Botschaften vom grünen Planeten
Gedichte
Aus dem Koreanischen von Chong Heyong  und Birgit Mersmann,
Nachdichtungen  von Heinz Ludwig Arnold.
Göttingen 2010, 96 S., Hardcover mit Schutzumschlag,
18,- €, Wallstein Verlag
            
Charakteristisch für Kim Kwang-Kyus Gedichte ist die moderne unverschörkelte Sprache mit großer Nähe zur Prosa. Thematisch drehen sich seine Gedichte um Menschliches - um die Beziehungen von Menschen untereinander, von Menschen  zu Göttern und zur Natur.
In dem Titelgedicht »Botschaften vom grünen Planeten« geht es um die Vergänglichkeit des Menschen. Die Natur hingegen wird ihn überdauern: Denn so hochmütig der Mensch  ist, so blind ist er auch für seine Umgebung.
Der Autor liebt die Natur, beschreibt sie als das schneller als die Erddrehung sich entwickelnde Grün im Frühjahr - eine Metapher für die schnell vergehende Zeit des beschäftigten oder nicht mehr viel wahrnehmenden Menschen. Er verbindet Naturbilder auch mit Zerstörung, so die Wüste und der Völkermord, die Verwüstung des Menschlichen. Unter der geschickten Verwendung von ironischen und lakonischen Elementen spricht er Kritik an falschen Entwicklungen der Gesellschaft, an Unterdrückung, Leid und Erpressung aus. Hier kann Zeit bedrohlicher sein als normal, eine Todesdrohung in falschen politischen Verhältnissen, so in dem Gedicht "Unaufhaltbare Zeit".
In den Anmerkungen  finden sich Erläuterungen zu einzelnen Begriffen sowie eine Notiz
zur Vorgehensweise der Übersetzer: Heinz Ludwig Arnold hat nach Rohübersetzungen
Nachdichtungen unternommen. Eine interessante Begegnung über Ländergrenzen hinweg ...

Habenichtse
Sie besitzen nichts
nur Gummischuhe an den nackten Füßen
Jacken und Hosen Blusen und Röcke
aus Baumwolle
Aber sind sie nicht liebenswert
wie sie so dasitzen, nebeneinander
Jungen und Mädchen
auch wenn  sie nichts besitzen?
Diese Habenichtse
haben ein gutes Herz, sind kräftig
und arbeiten fleißig
Unter ihren Händen                                         
sprießen bunte Blumen aus der Erde                      
gedeihen prächtige Kürbisse auf dem Dach                 
Der frische Wind kühlt ihren Schweiß
und am  Himmel leuchten Sonne Mond und Sterne
Arm  in Arm
gehen sie als vertraute Freunde
Wange an Wange
werden sie ein zärtliches Paar
Erinnern wir uns:
Haben  unsere Eltern
mit klugem Kopf und kräftigen Händen
nicht viel erreicht
obwohl  sie nichts besaßen
als sie geboren wurden?
Da  sitzen sie nun
unsere lieben Töchter und Söhne

Unaufhaltbare Zeit                                 
Es war falsch, dass ich zur Rinderlende und zum Salat
eine ganze Flasche Rotwein getrunken habe.
Nun  sind sie gekommen.
Sie knallten mir eine Liste mit den Namen meiner noch
lebenden Schulfreunde unter die Nase und verlangten,
ich solle zehn davon ausstreichen.
Ein Zehntel meiner Schulfreunde hatte bereits die Welt
verlassen, doch sie verlangten von mir, dass ich noch
zehn streiche. Das konnte ich nicht.
Und musste es doch.
Ich strich mich selbst, weigerte mich aber, noch neun an-
dere zu streichen. Obwohl sie mich unter Druck setzten,
strich ich keinen mehr.
Die Zeit, die unaufhaltbare, rückt naher.
Für einen Augenblick wusste ich nicht, ob ich schlief
oder wachte.


Der Autor:
Kim  Kwang-Kyu,  geb. 1941, Studium der Germanistik in Seoul ab 1960; in den 1970er Jahren längere Deutschlandaufenthalte. Promotion über Günter Eich; bis 2006 Professur für Germanistik an der Hanyang-Universtität Seoul. Er ist einer der wichtigsten Kulturmittler und  Übersetzer aus dem Deutschen. Seit 1979 veröffentlichte er acht, auch international viel beachtete Gedichtbände sowie einen Band mit Prosa.

Heinz Ludwig Arnold ist seit 1995 Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen und hat sich mit etlichen Herausgeberschaften und Buchveröffentlichungen, vor allem im Zusammenhang mit Gegenwartsliteratur einen Namen gemacht. 1963 gründete er die Zeitschrift für Literatur "text + kritik", seit 1978 ist er außerdem Herausgeber des "Kritischen Lexikons zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG)" und von 1983 bis 2008 des "Kritischen Lexikons zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur (KLfG)". Von 1995 bis 2000 gab er die elfbändige Anthologie "Die deutsche Literatur seit 1945" heraus.    

+++ AKTUELL +++ AKTUELL+++AKTUELL +++ AKTUELL+++AKTUELL 

Lesung mit Kim Kwang-Kyu Moderation: Sylvia Bräsel
Termin:26.10.2010 um 11:30 Uhr
Leipzig, Gutenbergschule, Gutenbergplatz 8

Lesung mit Kim Kwang-Kyu Moderation: Sylvia Bräsel
Termin:26.10.2010 um 20:00 Uhr
Halle, Raum Hellrot, Mühlweg 22

Dialogische Lesung mit den Lyrikern Kim Kwang-Kyu und Jan Volker Röhnert Moderation und Einführung: Sylvia Bräsel und Chong Heyong
Termin:27.10.2010 um 19:00 Uhr
Jena, Schiller-Gartenhaus in Jena

Weitere Informationen finden Sie unter http://www.wallstein-verlag.de/9783835307476.html

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Donnerstag, 21. Oktober 2010

Unabhängige Verlage in der Schweiz: Die Geschichte hinter dem Gedicht - orte 164

orte - Schweizer Literaturzeitschrift 
(hrsg. von Werner Bucher, seit 1975, bis dato 164 Nummern, zzt. 5-mal jährlich)



 orte 164:


Der Augenblick, in dem ein Dichter den Einfall zu einem Gedicht hat, gehört, so schreibt Erwin Messmer  in der Einführung zum neusten orte-Heft, zu den intimsten, mit niemandem zu teilenden in seinem Leben überhaupt. Mindestens für den Moment. Denn anders sieht es im Nachhinein aus, da erzählen die Poeten sehr gerne, wie sie dazugekommen sind, diesen oder jenen Text zu schreiben. Nur bleiben derartige Geschichten meist als Anekdoten den persönlichen Freunden vorbehalten. orte-Heft 164 macht solche Berichte von 14 Lyrikerinnen und Lyrikern auch den Lesenden zugänglich. Da erfahren wir, wie ein Hirsch in die Strassen von Paris kommt und welche Beziehungen eine Coloradokröte zur Musik unterhält, wir sehen, wie die Lyriker sich mit Kunstwerken auseinandersetzen, mit den Resultaten einer Tomographie, mit einer Flasche Absinth oder mit einer unscharfen alten Foto, die tief in die Abgründe des eigenen Herkommens  zurückführt. Und je weiter man liest, desto deutlicher wird, dass hier nicht einfach private Episoden zum Besten gegeben, sondern grundsätzliche Fragen des Dichtens, der „Poetik" für einmal anders behandelt werden: ohne theoretischen Ballast, sondern erzählend und ganz aus der unmittelbaren Erfahrung der Autoren heraus, orte 164 eröffnet damit einen faszinierenden neuen Zugang zu lyrischen Gedichten von heute.





"Schreiben Sie Gedichte? Wenn ja, dann kennen Sie den Moment. Einen der
geheimsten und verschämtesten Augenblicke, die es im Leben eines schrei-
benden Menschen gibt, einen, der zum Glück immer wieder mal eintritt!
Sie sind in Gesellschaft. Man isst und trinkt, plaudert und diskutiert.
Und Sie haben einen Einfall!
Paul Klee 1938: Anfang eines Gedichtes
Oder Sie sitzen mit Ihrer Liebsten oder ihrem Liebsten beiTisch, sie oder er liest die Zeitung. Sie schielen über ihre Brillengläser, vergewissern sich,
dass Sie unbeobachtet sind, zücken den Stift, haben die Papierserviette oder den Bierdeckel zum Notat bereit, vielleicht sogar auf ihrem Knie.
Denn Sie haben einen Einfall!
Der Anfang eines Gedichts ist immer ein intimer Moment. Mit keinem Menschen zu teilen, auch nicht mit dem vertrautesten." 


Erwin Messmer in orte 164

Dienstag, 12. Oktober 2010

Unabhängige Verlage in Deutschland: Unterschiedliche Arten von Mut beim Engelsdorfer Verlag

Ute Apel
Unterschiedliche Arten von Mut
Gedichte und Kurzprosa
Leipzig 2010, 82 Seiten,
Paperback, 8,50 €, Engelsdorfer Verlag




Die Autorin, die mir freundlicherweise immer wieder eine Buchbesprechung zur Verfügung stellt (siehe ihre Besprechungen hier), hat nun einen Schritt nach vorne gemacht und ihr erstes Bändchen mit Gedichten und Geschichten auf den Markt gebracht. Schon immer eine begeisterte Literaturanhängerin entwickelte sich in ihrer Jugendzeit dennoch alles anders und ging nicht in Richtung Verlage, Kultur, Buch. Von der Marktsituation her betrachtet war es vielleicht eher zu ihrem Vorteil, denn heute verdient sie als Erwachsenencoach für Berufsqualifikationen kontinuierlicher. 
Besonders aufgefallen sind mir die herrliche Beschreibung eines Gewitters im Gedicht "Fenster", das als befreiend erlebt wird. Nicht durch das Verdrängen der Schwüle, der erlösende Regen, der an die Scheibe prasselt, lange ersehnt von den Vögeln, die sich endlich satttrinken können, sondern auch als eine Befreiung für Menschen. Junge Männer, fliehen paradoxerweise aus einer Enge, vielleicht auch vor dem Regen, der Weg scheint frei, allerdings führt er ins Nass hinein oder durch es hindurch.


Fenster

Nach blutroten Sonnenflammcn
komm du, befreiendes Gewitter
mit trommelndem Hagel.
Peitsche den Regen gegen das Glas,
damit die winzigen Vögel ihre durstigen Schnäbel
schließen
und schließlich anheben zu singen.
In dunklen, nassen Scheiben spiegelt sich so klar
der vergangene Tag.
Wicken umwehen die Brennnesseln am Damm.
Aus der Enge geflohen,
jagen junge Männer mit Mopeds durch die Nacht.


Verstehen

Zuhören kann der Taube.
Er will verstehen.

Sprechen kann der Stumme.
Er ringt ums Wort.

Laufen kann der Lahme.
Er stolpert Schritt für Schritt.



In "Verstehen" zeigt die Autorin, dass jeder die Fähigkeit, die ihm durch ein Gebrechen scheinbar fehlt, dennoch innehat, jeder kann das, was ihm fehlt, auf eine andere Art und Weise.
Die Geschichten vom grünen Männlein und der kleinen Unglückshexe sind schöne kleine Metaphern für die Sehnsucht raus aus dem Zwang, der dominanten Einheitlichkeit der grünen Welt - und wieder ein Paradoxon - hinein in eine blaue Welt, allerdings als Bürgermeister. Ob dies jedoch eine Veränderung nach sich ziehen wird, bleibt offen.
Die kleine Hexe ist immer dabei, hat Schuld an Pech, Pleiten und Pannen. Weil sie so unbezwingbar auf der linken Schulter sitzt, leidet die Trägerin, sie wird krank und schief, muss sich verbiegen, um diesem Biest zu entkommen, und doch wird sie es nicht los.
Zu ihren literarischen Projekten zählen außerdem Gedanken zum alljährlichen Hiddenseeaufenthalt, die wir eventuell auch in Buchform erwarten können.


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Mittwoch, 22. September 2010

Unabhängige Verlage in der Schweiz: orte verlag, Oberegg, AI, Schweiz

Vor einiger Zeit habe ich schon auf Werner Buchers Verlag in den Schweizer Alpen hingewiesen. Nun möchte ich ihn in der Reihe der Unabhängigen Verlage genauer betrachten, denn seine Impulse sind mehr als stark. Der geneigte Leser findet jede Menge moderne Lyrik, moderne Weltsicht und unermüdliche Förderung der jungen Schweizer Literatur. So ruft es mal schräg, mal tiefgründig, mal schrill, mal hochpoetisch, aber immer ansprechend aus dem wohl höchstgelegenen literarischen Verlag in Oberegg wie vom Muezzin auf dem Minarett zum täglichen Umgang mit Literatur ... So in seiner Poesie-Agenda, einem Taschenkalender, der einem die Wartezeit am Bahnhof oder im Wartezimmer mehr als versüßt. In der Ausgabe 2010 eine große Zahl an interessanten Gedichten, lyrischen Fetzen, Haikus und Bildern, die mit Sicherheit in der neuen Ausgabe 2011 auch zu erwarten sind. Eine Besprechung folgt, ebenso seiner Jazz-CD und der aktuellen orte-Ausgabe 164.


NEUERSCHEINUNGEN IM SOMMER / HERBST 2010

MORD IN WALD AR
Jon Durschei
orte-Krimi
226 Seiten, broschiert
CHF 26.00 / EUR 15,00
ISBN 978-3-85830-157-4
Endlich — der achte Krimi von Jon Durschei! Und wieder gerät Pater Ambrosius in eine Geschichte, bei der es einen Mord aufzuklären gibt, diesmal im Appenzellerland ...

HOL DEN MOND AUF DEINEN TELLER
Esther Thormann
Gedichte, fund-orte 34
Herausgegeben von Werner Bucher und Virgilio Masciadri
86 Seiten, limitierte und numerierte Auflage, von der Autorin signiert
CHF 28.00 / EUR 19,00
ISBN 978-3-85830-158-1
Die Bernerin Esther Thormann ist längst ein Geheimtip der Schweizer Lyrikszene — ein Band, der zu ihrer Entdeckung einlädt.

POESIE-AGENDA 2011
Herausgegeben von Werner Bucher, Virgilio Masciadri und Jolanda Fäh
Mit Kalendarium, Eintragungen, Adressverzeichnis und vielen Gedichten.
256 Seiten, broschiert
CHF 16.00 / EUR 10,00
ISBN 978-3-85830-153-6
Erscheint Ende September 2010
„Nirgends sonst gibt es Lyrik und Humor in einer so anregenden Verbindung. ‚Poesie-Agenda’ ist das Gegenteil von Langeweile.“ (Andreas Noga auf „lyrikzeitung.de“)

SPAZIEREN MIT DEM GELBGRÜNEN PUMA
Werner Bucher / Malcolm Green
Lyrik & Jazz, Audio-CD, 70 Min.
CHF 28.00 / EUR 19,00
ISBN 978-3-85830-159-8
Der Poet Werner Bucher und der St. Galler Jazzer Malcolm Green haben sich zu einer Session zusammengetan — eine CD mit Sounds und Gedichten im Originalton.


In Vorbereitung auf den Herbst:

KEIN FALL IN DISENTIS?
Duri Rungger
orte-Krimi
220 Seiten, broschiert
CHF 26.00 / EUR 15,00
ISBN 978-3-85830-161-1
Disentis im Jahr 1955: eine Gemeinde gerät in Unruhe, als einer ihrer Bewohner erschlagen wird — ein subtiler Dorf-Krimi.

DAS LIED VOM KNARRENDEN PARKETT
Virgilio Masciadri
Gedichte, fund-orte 35
Herausgegeben von Werner Bucher
74 Seiten, limitierte und numerierte Auflage, vom Autor signiert
CHF 28.00 / EUR 19,00
ISBN 978-3-85830-152-9
Die neuen Gedichte von Virgilio Masciadri: nachdenklich und beschwingt, transparent und eng verwoben zugleich.


Und fünfmal jährlich neu:

orte — Schweizer Literaturzeitschrift
Seit 1974 die farbigste Literatur- und Lyrikzeitschrift der Schweiz!

Die Themen 2010:
orte 162 – Georges Haldas, Poète (erschienen)
orte 163 – Neue Texte von Frauen (erschienen)
orte 164 – Die Geschichte hinter dem Gedicht (erscheint 2. Hälfte August 2010)
orte 165 – Appenzeller Autorinnen und Autoren (erscheint im Herbst 2010)
orte 166 – Erika Burkart (erscheint im Winter 2010)

Jedes Heft ca. 68 Seiten, Einzelheft CHF 14.00/EUR 8,00; Jahresabo Schweiz CHF 60.00; Ausland Europa CHF 72.00/EUR 41,00; ISSN 1016-7803

Werner Bucher bei viereggtext
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Montag, 26. Juli 2010

Fundgrube Gedichte: Werner Bucher - Ein Sommer wird sein

Werner Bucher, geb. am 19. August 1938 in Zürich, ist ein wichtiger Schweizer Schriftsteller, Herausgeber und Verleger der Gegenwart. Er arbeitete früher als Kultur- und Sportjournalist, blickt heute auf eine stattliche Veröffentlichungsliste zurück: ein rundes Dutzend Lyrikbände, acht Prosawerke, sieben Kriminalromane, drei Sachbücher und seine Herausgebertätigkeit. Er leitet den orte verlag in Oberegg, Appenzell, und lebt zusammen mit Irene Bosshart dort. Frau Bosshart betrieb zunächst von 1989-2006 das historische Restaurant "Kreuz" in Wolfhalden, das letztes Jahr abgerissen wurde. Seit 2006 bewirtschaftet sie die wunderbar gelegene "Wirtschaft 'Rütegg' über Oberegg AI, wo in schönster Lage auf 1060 Meter über Meer neben einer herrlichen Aussicht der vielleicht höchstgelegene literarische Verlag Westeuropas auf Sie wartet." Die Gäste kennt Werner Bucher zumeist persönlich und man findet ihn sehr häufig an deren Tisch in einem vertieften Gespräch.



Ein Sommer wird sein

Wach
durchstreifst du 
die Wälder der 
gutgelaunten Bäume
im Gesicht
spiegelt der Morgenkaffee
& die Heiterkeit des Gähnens.
Komm mit, öffne das zugeriegelte
Herz, die Nacht, das Schweigen. Die
Schattenmünder verschwinden
im See, ein
Sommer wird sein
& ein sanftes Erschüttern.
Nicht Muscheln suchst du, nicht Wasserpfützen, das Offene
weit vorn, das zitternde
Bild, dies
willst du erobern. Keine
& keiner wird je
die goldene Knarre
auf dich richten, &
den Dreck überspringst du
- wie eh & je - mit Eleganz. Gewalt
gegen Menschen
ist nur ein Slogan, nie
möchtest du wissen, was Liebe ist. Dir genügt
dieser Morgen & der krähende Hahn.

Unten am Fluss taucht der Retter. Er
ahnt, dass du Hilfe nicht brauchst.

(Wenn der Zechpreller gewinnt. Gedichte, Pendo Verlag, 1997)


orte verlag

Werner Buchers Internetpräsenz


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Donnerstag, 10. Juni 2010

3x Lyrik: Der Garten der Poesie + Zu mir oder zu dir? + SMS-Lyrik

A.G. Leitner und Gabriele Trinkler (Hrsg.)
Der Garten der Poesie
Gedichte
München Neuausgabe 2010, Hardcover, dtv, 8,90 €

Anton G. Leitner, geboren 1961 in München, ist Verlagsleiter und Publizist. Seit 1993 gibt er die Zeitschrift »DAS GEDICHT« heraus, deren ›Erotik Special‹ im »Focus« auf die Bestenliste gelangte. Anton G. Leitner wurde mit vielen Förder- und Kulturpreisen ausgezeichnet.

Gabriele Trinckler, geboren 1966 in Berlin, lebt als Lyrikerin und Verlagsmitarbeiterin in München. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift ›Das Gedicht‹ und gibt zusammen mit Anton G. Leitner Lyrik-Anthologien heraus.

Die Herausgeber laden ein, sich in den Garten zu begeben, ihn zu suchen, vielleicht den verlorenen, das Paradies, vielleicht den noch nicht geschaffenen. Dichter über die Jahrhunderte, vom Barock bis in die Gegenwart, führen durch die Jahreszeiten des Lebens, vom Sprießen und Blühen bis zum Welken und Vergehen. Umrahmt von einer Einstimmung und einem Ausklang ...
Im Garten treffen wir über 100 Dichter, so unterschiedliche wie Ulla Hahn, Heinrich Heine, Karl Krolow, Hölderlin und Goethe. Wir machen uns auf den Weg vom Eingang über die Ernte bis zum Ausklang, wohl wissend, dass da noch einiges vor uns liegt  ...

Eingang

Einst waren wir alle im glücklichen Garten ...
 Peter Huchel

Vom Reifen und Ernten

 Glückwunsch

die äpfel waren reif
als du zur Welt kamst
und das licht machte sie durchsichtig
wie dein schwarzes haar
die wolken liefen fröhlich und leicht
wie von pferdchen gezogen
schneller rief ich ein neuer mensch kommt
die äpfel blummsten ins gras
ich teilte sie mit den vögeln
und erzählte von dir und dem schneiderlein
bald sitzen wir untern baum
essen lichtäpfel
die angepickten sind süßer
und die wolken laufen uns davon

Dorothee Sölle (1929-2003)

 Ausklang
Neuer Frühling gibt zurück,
Was der Winter dir genommen.
Heinrich Heine




 
Anton G. Leitner (Hrsg.)
Zu mir oder zu dir?
Verse für Verliebte
München 2008, 128 S., Broschur, Reihe Hanser bei dtv,  6,95 €

Vita zu Anton G. Leitner, siehe oben

Wer nicht recht weiß, wie er es dem oder der Geliebten sagen soll oder wie er es neu und immer wieder sagen soll, greift gerne zu Liebesgedichten. A. G. Leitner hat davon 100 Stück aus 250 Jahren gesammelt und zusammengestellt, dabei die 15-jährige Schülerin Marina Elsner um ihre Stimme gebeten. Heraus kam dieses reizvolle Bändchen, das alle Phasen der Liebe begleitet, vom Vorspiel, zum Flirt und Liebesschwur, vom Kuss zum Liebespiel, vom Liebesschmerz zum neuen Glück und ein Nachspiel ... Hier ein kleiner Spaziergang über den Höhepunkt...

Vorspiel 
Das Lieben macht schön /Das Lieben macht klug. 
Es braucht sehr wenig. /Zwei sind genug.
Das Lieben macht krank. /Das Lieben macht matt. 
Es braucht sehr wenig. /Weh, wer es hat. 
                                                             Peter Maiwald

Vom Kuss zum Liebesspiel

Annette an ihren Geliebten

Ich sah, wie Doris bei Damöten stand,
Er nahm sie zärtlich bei der Hand;
Lang sahen sie einander an,
Und sahn sich um, ob nicht die Eltern wachen,
Und da sie niemand sahn,
Geschwind - Genug, sie machtens,
wie wirs machen.

Johann Wolfgang von Goethe

satzzeichen

wir entworten
entsilben
buchstabieren uns

fallen ohne komma
und fragezeichen
übereinander her

punkt

Claudia Angerer

Nachspiel
Vergißmeinnicht
Ein Blümchen ist so wunderschön, /Gelobt von allen, die es sehn, 
Es ist das Blümchen, welches spricht: /Vergißmeinnicht. 
Dies Blümchen hab ich oft gepflückt, /Die Farbe hat mich stets entzückt, 
Weil jedesmal sie zu mir spricht: /Vergißmeinnicht.

Annette von Droste-Hülshoff




Anton G. Leitner (Hrsg.)
SMS-Lyrik
160 Zeichen Poesie
München 2002, 100 S., Broschur, Reihe Hanser bei dtv,  6,00 €

Vita zu Anton G. Leitner, siehe oben


Das klassische Handy erlaubt 160 Zeichen, die aktuelle Generation der Handys gar Power-SMS mit 300 Zeichen, um anderen wichtige und weniger wichtige Botschaften zukommen zu lassen. A. Leitner hat in diesem Bändchen 160 poetische Kurzbotschaften von 87 bekannten Autoren, zu denen Erich Fried, Gottfried Benn, Reiner Kunze und Christian Morgenstern gehören, und Slammern zusammengestellt, mit denen man nicht nur Liebesausbrüche, sondern auch dezente Verzückung, Verwunderung, immer aber Lesen hervorruft. Alle Gedichte hochgradig SMS-tauglich und dringend weiterzugeben... Der Simser findet etwas über das Handy, Liebeserklärungen, Absagen, Ratschläge und Wortwitz.

2 Kostproben der "modernen" Simser:

Sie sagte nichts
und gab sich dazu her.
Ich erklärte sie
zu einer Magnolie
und bog sie zurecht -
für meine Hände.
Sie nahm die Huldigung an.

                                 SAID

genium sos
solaris zelle mutter fernbedienung
vater salz + pfeffer sexkrieg halleluja
roh stoffe leid + software salsa
effexive hiphop sos mix punkt
byebye my love

Augusta Laar



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