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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Sonntag, 12. Januar 2014

Serie: (2) Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein. Von Friedrich Baron de la Motte Fouqué





Zweites Kapitel

Yolande wußte dem einförmigen Tanze durch unterschiedliche sinnreiche und dennoch leicht zu fassende Wendungen mannigfachen Reiz einzuhauchen, daher sich seine Schwingungen auch immerfort erneuerten und auf's freudigste fortwährten, ohne daß Alethes nöthig gehabt hätte, seine schöne Tänzerin vom Arme zu lassen. Er fühlte wohl, daß jenseit dieses Tanzes vielerlei liege, das ihn auf lange, ja, für alle Zeit von Yolanden entfernen könne, und doch war ihm diese holde Gestalt bereits unendlich lieb geworden, und ward es ihm in jedem Augenblick mehr, daher er sich gern, wie in geflissentliche Vergessenheit, in die üppig spielenden Wogen des Reigens untertauchte.

Er stand eben in süßer Umschlingung mit Yolanden in Mitten des Saales still, die andern Paare wanden sich reich verschränkend um die zwei hohen Gestalten her, – da sprangen die Thüren auseinander, eine bleiche, ganz verstörte Jünglingsgestalt flog herein, und lag im Augenblick vor Yolandens Knieen, sie wie zu ängstlicher Bitte umfassend. Erstaunt hielten die Tanzenden umher in ihrem Fluge, die seltsame Gruppe zu beschauen.

O nun, o nun, meine Schutzgottheit, rief der zitternde Jüngling, nun ist es an der Zeit! Sie entführen sie mir, die Wagen sollen im Hofe stehn, der alte treue Kurt, vorgestern von dort entsprungen, sagte mir es an. Nun hilf'! Denn es giebt viele Klöster den Strom hinunter, und ich habe nichts, als diesen Arm und diesen Degen allein. Dazu sind die Mauern der Veste stark, der gehässigen Geleiter Viele. Nun hilf!

Yolande sah mit einem flammenden Blicke im Saal umher. – Ein rühmliches Heer von jungen Rittern! sagte sie. Und dieser ihr Führer, der tapfre Graf Alethes von Lindenstein! – Nur getrost, mein armer Eugenius, fuhr sie fort, dem Knieenden die Hand reichend, und ihn aufrichtend. Hier wird Euch zweifelsohn geholfen. – Ihr andern, jungen Männer kennt ja diesen Euern ehemaligen lieben Gefährten wie auch das Unheil, so ihn bedroht. Euerm Anführer, – dazu ernenn' ich ihn für diese That, – dem edeln Grafen hier bin ich allein noch Rechenschaft schuldig über das, was durch seinen Heldensinn und Heldenarm um so sichrer gelingen soll.

Sie lehnte sich vertraulich und höchst anmuthig auf Alethes Schulter, und indem sie den fremden Jüngling, welchen sie noch an der Hand hielt, dicht vor den Grafen hinstellte, sprach sie folgendergestalt weiter:

Dieser edle Ritter ging (ein Knabe noch damals) in den Wald, sein leichtes Geschoß auf der Schulter. Da kommt ihm ein kleines Jungfräulein entgegen, um Hülfe schreiend, – der böse Wolf sey ihr im Nacken. Aus dem Tannendickicht kommt Wolf, der Knabe schießt, und stürzt das Unthier in sein Blut. Nun geht es Frag' um Frage; das Jungfräulein heiße Bertha, erfährt er, ein Ritterskind, zerstört vom Feind der Eltern Burgen, die Eltern todt, und sie durch Kurt, einen vielgetreuen Diener, verpflegt; dessen Mooshütte stehe hier nahe bei. Die zwei artigen Kinder wandeln in süßer Eintracht alsbald dahin, Kurt freut sich, und dankt; nach kurzen Tagen hat Eugenius mit seinen Eltern gesprochen, und Bertha und Kurt wohnen fortan in deren kleiner Burg. Sie müssen miteinander wie die Engel gelebt haben, die beiden Kinder, nach dem, was mir Eugenius davon erzählt hat. Späterhin aber kommt ein alter Oheim auf Bertha's Spur, er reclamirt – so heißt man's ja wohl? – die Güter in ihrem Namen, gewinnt sie für die holde Waise, die holde Waise leider sich selbst für seine Vormundschaft. Nun nimmt er sie von Eugenius Eltern fort, mit in diese Gegend, Eugenius folgt ihr, dienend der Schönen mit so anmuthigen Rittersitten, daß er sich ihr holdes Herz bewahrt, und sich zugleich das Herz aller hiesigen Burg- und Landbewohner mit jedem Tage mehr zu eigen gewinnt. Des zürnen die Alten, der Ohm und die Base zugleich. Sie drohen, Bertha in's Kloster zu sperren, und die Erfüllung ihres Drohens – Ihr hört es so eben, mein edler Graf Alethes, – steht vor der Thür. Der Hauptmann des Zuges für Bertha's und Eugenius Rettung seyd Ihr; und ohne Widerrede doch? – Alethes verbeugte sich einwilligend vor Yolanden, und alsdann nach den jungen Edelleuten, die sich ihm in einem dichten Kreis nahe gedrängt hatten, umschauend, sagte er: ich bin stolz auf die Ehre, mich Euern Commandanten nennen zu dürfen, Ihr Herr'n. Eile scheint unserm Geschäft das nöthigste. Rüstet Euch schnell zu der ritterlichen Fahrt, Ihr braven Söhne braver Väter; wer mir folgen will, findet mich in der nächsten Viertelstunde bereit. – Damit neigte er das Haupt freundlich und doch wie gebietend gegen die edle Schaar, die plötzlich auseinander flog, sich für den verheißnen Zug fertig zu machen.

Wo ist denn Euer getreuer Kurt? fragte hierauf Alethes, sich gegen Eugenius wendend.

Ich denke, er ist mir nachgerannt, entgegnete dieser, als ich in wilder Verzweiflung hierher lief, Hülfe bei meinem Heiligenbilde zu erflehn.

Was das für Ausdrücke sind! sagte Yolande. – Rufe doch wer den Kurt herein, wofern er im Vorgemache steht! – Was das nur wieder für Ausdrücke von Euch sind, Eugenius! Ich freue mich Eures Vertrauens, aber unbegreiflich ist mir seine Quelle.

Ach, rief Eugenius, wenn Euch eine ganze Gegend als Heilige verehrt, wie sollt' ich nicht –

Yolande legte ihre Hand auf seinen Mund, und sagte: Ihr kommt schon wieder in das unverständliche Geplauder, das mir Grauen erweckt, und in dessen Schlünde ihr mich mit Euern Erklärungen nur noch labyrinthischer hineinführt. Schweigt, wofern ich Euch nicht für wahnwitzig halten soll, und laßt uns Beide damit froh seyn, saß Ihr mir traut, und ich Euch wohl will.

Kurt war indessen hereingetreten, und erzählte auf Alethes Befragen, wie er seiner jungen Dame auf des Oheims Schloß gefolgt sey, streng bewacht in den letzten Zeiten, damit er den armen Eugenius keine Bothschaft bringen dürfe. Erst vorgestern habe er sich los gemacht, und erst Heute gegen Abend den jungen Herrn auf dessen hoffnungslosen Irrfahrten durch Wald und Bergesschluft angetroffen.

Die Pferde stampften bereits und wieherten lustig auf dem Schloßhofe, viele junge Edelleute, glänzend bewaffnet, füllten den Saal. – Marsch, Ihr braven Kriegskameraden! rief Alethes, und sah sich vergeblich nach Yolanden um, die, während seines Gesprächs mit Kurt, zu den versammelten Damen geredet hatte, und gleich darauf verschwunden war. Unsre schöne Wirthin fehlt, sagte Alethes. Wir wollen ihr die Kunde der ausgeführten That zurückbringen. Bis dahin Lebewohl den andern schönen Frauen; und folgt mir, Ihr Herrn'n.

Die Damen standen überrascht umher, in manchem holden Auge funkelten Thränen um die Gefahr, der sich irgend ein geliebter Freund so unerwartet dahin gab; Grüße und Winke, offenbar und heimlich, wurden gewechselt, und die junge Ritterschaft eilte bereits nach des Saales Pforten, als Yolande plötzlich herein trat –

Alethes hätte sie fast nicht wieder erkannt; ein Barett, mit vielfarbigen Federn prangend, deckte ihr Haupt, um den schönen Leib schmiegte sich ein dunkelsammtnes Reitkleid, mit vielem Golde geschmackvoll gestickt, goldfarbige, zierlich geschnürte Halbstiefeln zeichneten den kleinen Fuß, in der Hand trug sie einen glänzenden Jagdspieß. Doch auch diese Verkleidung ließ ihr den süßen Liebreiz zu eigen, der sie, meinte Alethes, vor allen Frauen der Welt auszeichnete, wie Elfen, auch wenn sie in verstellender Bildung vor den Leuten umhergehn, oftmals durch ein spielendes Licht aus ihren Augen verrathen werden.

Ich will mit Euch auf die Fahrt, Ihr edeln Ritter, sagte Yolande. Die andern Damen erwarten hier unsre hoffentlich baldige Heimkehr, und werden die Tapfersten und Glücklichsten mit Kränzen schmücken. Auf dann! Hinaus!

Einige junge Männer bemerkten, Yolande setze sich unnöthig in Gefahr; auch könne sie der Schaar in mancher kecken Bewegung hinderlich werden durch die Sorgfalt, mit der man ein so edles Pfand bewachen müsse. Sie aber wandte sich zu den Sprechenden, und sagte: Ihr Herr'n, es hat noch nie ein tapfrer Heerhaufen seine Standarte zurückgelassen, aus Furcht, sie zu verlieren. – Die Zweifler schwiegen erröthend, und Alethes erwiederte: er getraue sich wohl das holde, begeisternde Bild zu schützen, welches sich wie ein himmlisches Palladium in seine Schaar herabsenken wolle.

Man fand im mondhellen Schloßhofe die Rosse gesattelt, und nachdem Alethes Yolanden auf ihren weißen Zelter gehoben hatte, ordnete er einige junge Edelleute zu ihrem besondern Schutz, und bestimmte alsdann den ganzen Marsch des Zuges, den Berichten gemäß, die er durch Kurt eingezogen hatte. Diesen und Eugenius behielt er zu seiner Seiten, damit ihm der alte erfahrne Mann die erforderlichen Fragen beantworte, und auch zugleich der ungestüme Liebhaber an jedem zu früh unternommnen Wagestreich verhindert werde.

Man ritt anfangs den im Mondlicht dahin gleitenden Rhein entlängst, in froher, erwartungsvoller Stille. Allen war die Fahrt, wie eine kühnere Wendung des Tanzes, und die jungen, kampflustigen Herzen schlugen hoch gegen die goldnen Ketten und Wehrgehänge. Alethes sprengte oftmals den Zug auf und ab; wo Thäler seitwärts hinein gingen, sandte er kleine Partheien zu Absuchung des Weges, und zu Umlagerung der bezielten Burg aus, und erhielt durch sein stetes Aufmerken den Marsch in Ruhe und Ordnung. Jedesmal, wenn er an Yolanden vorüber flog, gewann er einen freundlichen Gruß oder sonst ein deutungsvolles Zeichen ihrer Aufmerksamkeit.

Eine ziemlich wegsame Felsschluft führte zur Linken aufwärts. Dort ging es nach der Burg, und der Zug wandte sich hinein. Große Schatten lagerten sich oftmals von den buschigen Höhen her über die Bahn, dann streckte sie in einer andern Wendung sich wieder hell und weiß vor den Reitenden fort. Von den nächsten Thälern herüber vernahm man als verabredete Signale der ausgesandten Partheien jetzt den Laut eines Hornes, jetzt einen kecken Waidmannsruf, alles vom Haupttrupp aus beantwortet, um die Richtung anzugeben, in welcher sich der Zug fortbewege.

Dort, o dorten! rief Eugenius plötzlich, und deutete nach den Zinnen der Burg, welche so eben über den Baumwipfeln gegen den blauen Nachthimmel sichtbar wurden. Alethes erzählte dem ungeduldigen Jüngling, wie nun durch die ausgesandten Posten alle Wege bereits umstellt seyen, und machte ihm begreiflich, daß nichts mehr aus dem Schlosse fortschleichen könne, ohne Einem der Ihrigen in die Hände zu laufen. Kurt hörte diesen Reden mit freundlichem Gesicht und billigendem Kopfnicken noch zu, als ihn Alethes beorderte, mit zwei bis drei Andern auf Kundschaft den Schloßberg hinauf zu reiten, und Nachricht zu bringen, ob man sich bereits zur Abfahrt rüste, und ob wohl gar ein dreistes Beginnen schon früher zum glücklichen Ende gedeihen könne. Kurt that, wie ihm geheißen war, und indeß er abwesend blieb, trafen Berichte von den andern Partheien ein, die nichts Fremdes angetroffen, auch keine Bewegung in der Burg bemerkt hatten, alle Zugänge indeß wohl umstellt hielten.

Yolande erzählte zwischendurch wunderliche Mährchen, die so lieblich von ihren zarten Lippen durch Haindunkel und Wiesenduft hinglitten, daß Aller Sinnen sich gern von den lieblichen Banden umstricken ließen, und selbst Eugenius in seiner bangen Ungeduld nicht ohne Wohlgefallen auf ihre Reden zu hören vermochte.

Noch ehe man es gemeint hatte, vernahm man den Hufschlag der Rosse Kurts und seiner Gefährten. Der alte Diener kam sehr freudigen Angesichts, und sagte: wir können vielleicht die schöne Bertha mit guter Bothschaft aus ihrem Morgenschlaf wecken, ohne sie erst die Angst des Einsteigens in den traurigen Wagen und des Fechtens auf der Straße überstehn zu lassen. Man scheint im Vertrauen auf die nahe Reise nachlässig geworden zu seyn; die Zugbrücke ist nieder, die Thorflügel nur angelehnt.

Auch so gut, und besser; sagte Alethes, und seinen Befehlen zufolge rückte man von allen Seiten leise den Schloßberg hinauf, bis alle Ausgänge der Burg dicht von der ritterlichen Schaar besetzt waren. Vor dem nur angelehnten Thor, die Brücke hinter sich, stand Alethes, Yolande an seiner Seite; doch mußte sie auf sein Bitten etwas rückwärts treten, zu denen, welche die Brücke hüteten: es könne, meinte er, eine Nachstellung hinter dieser scheinbaren Sorglosigkeit lauern.

Der alte Kurt faßte nun, so gebot es ihm Alethes, die wohlbekannten Thorflügel, und bog sie leise auseinander, daß man nach und nach die volle Ansicht des Schloßhofes gewann, auf dem man nichts wahrnahm, als einige hohe Linden, die im feuchten Nachthauche ihre Zweige auf und nieder wiegten. – Daß Gott! rief Kurt, die Hände zusammenschlagend; wir sind zu spät gekommen! Da sieht man nicht Wagen, nicht Gepäcke mehr; sie sind fort!

Eugenius starrte wild über den Burgplatz hin, alsdann nach einem Fenster hinauf, und seufzte: Fort! Ach ja freilich! Dort oben waren ihre Zimmer, und ein schöner Vogel hing in seinem blanken Bauer davor. Fort! –

Das Alles beweist noch nichts, sagte Alethes. Wählt Euch Eure Begleitung, Eugenius und Kurt, und sucht im Schloß. Auf allen Fall treffen wir doch wohl Jemand, der uns über die Richtung der Reise Auskunft geben kann.

Nach ihren Zimmern hinauf! den ganzen Flügel dort hindurch! rief Eugenius, und winkte einigen jungen Männern, die auf's bereitwilligste folgten, und bald mit ihm in eine Thür des Gebäues verschwanden. Kurt und Berthold, dessen Meinung von Allen sehr geachtet ward, und der hier schon öfters gewesen war, theilten unter sich die zwei andern Abtheilungen des Schlosses, während Alethes außerhalb eine Runde um die Mauern ging, wobei er die geordneten Posten wachsam, und alle Ausgänge vortrefflich besetzt fand.

Beim Zurückkommen in den Schloßhof traf er Yolanden an, die sich herein gewagt hatte, und auf einer verwitterten Steinbank saß, um sich her die zu ihrem Schutze bestellten Jünglinge. Wir scheinen hier vollkommen sicher, sagte sie zu dem nähertretenden Alethes, sichrer als mir lieb ist, und das Warten auf der luftigen Brücke draußen, ohne auch nur einen halberträglichen Sitz, ward mir gar zu widrig. Hier ist es nun freilich auch nicht besonders angenehm. Ich wollte, die ganze Geschichte wäre zu Ende, und wir schon wieder daheim.

Eure Begeistrung, entgegnete Alethes, weckte die unsrige. Ihr müßt nicht mit heiterm Lichte geizen, o schöner Stern, wenn wir bleiben sollen, wie Ihr uns wolltet.

Ach was hilft Einem das Alles, sagte Yolande, wenn man friert, und anfängt, müde zu werden, und das Abentheuer, um dessentwillen man auszog, sich in den allerlangweiligsten Gang von der Welt einzuleiern beginnt.

Eugenius trat aus dem Schlosse, langsam, gesenkten Hauptes. Keine Spur! sagte er, und setzte sich still zu Yolandens Füßen nieder. – Die jungen Männer, welche ihm gefolgt waren, wollten ihn mit Berthold's und Kurt's Nachforschungen trösten; er aber entgegnete nur immer: ihr Gemach hab' ich gesehn, so öde, ach, so öde! Da hat es mir mein Herz gesagt, und log mit Nichten! – Indessen bemerkte man ein schwaches Licht, das sich an einigen Fenstern vorübergleitend wahrnehmen ließ, und gleich darauf in einem gewölbten Gange, der auf den Hof heraus führte, zum Vorschein kam. Yolande zeigte mit einigem Grauen dahin, und Allen ward seltsam zu Muth, als sie deutlich erkannten, wie Berthold eine kleine, misgestalte Figur, die eine Laterne vor sich her trug, heranführe. – Wen bringst du uns da, Berthold? riefen ihm Einige entgegen. – Weiß ich's selbst! kam die Antwort zurück; vermuthlich doch das einzige lebende Wesen im Schlosse, wofern es anders lebt. Ich fand's zusammengekauert im Winkel eines großen verfallnen Saales, und daß ich's Euch hier heraus bringe, ist nicht sonder Anstrengung meines Muthes geschehn. Unterweges krächzte es, und murmelte und zischte, und schneuzte seine Laterne, ich aber fand, aufrichtig gesagt, nicht Lust daran, ihm seine Kappe vom Antlitze zu reißen, so lange wir einander ganz allein gegen über waren.

Damit war er gegen sie heran gekommen, und ließ das häßliche Bild los, welches darob zu schwanken anfing, und in ein Getön auszubrechen, von dem man nicht recht unterschied, ob es ein Husten, oder ein heisres Gelächter war.

Indem Alle noch unentschlossen umherstanden, erhob sich Eugenius, obgleich von demselben Grauen wie die Uebrigen ergriffen, und schritt auf die Gestalt los, ihr die schwarze Kappe vom Haupte reißend. Das häßliche, ganz verzerrte Gesicht eines alten Weibes grinzte daraus hervor; man hätte es für eine Larve angesehn, nur daß die furchtbaren Züge sich auf eine drohende und doch zugleich auch scheue Weise bewegten. – Nachdem man sich von dem ersten Staunen über einen solchen Anblick erholt hatte, drang jedermann mit vielfachen Fragen auf die Alte ein, ohne daß sie jedoch etwas anders dabei that, als die rollenden Augen rings im Kreise umher werfen, und dazu bisweilen lachen, oder husten, oder murmeln, wofür man es nun halten mochte. Alethes gebot Stillschweigen, und befragte sie mit Ernst und Milde nach dem Wege der Reisenden und der Zeit ihrer Abfahrt. Die Alte aber blieb bei ihren wunderlichen Gesichtsverzerrungen, ohne auch nur das geringste verständliche Wort zu entgegnen. Einer der jungen Männer, hierdurch zur höchsten Ungeduld gereizt, stieß einige Drohworte aus, und schwang die Klinge plötzlich über ihr Haupt. Wie ein Kind, dem man etwas Blankes vorhält, begann die Alte nach dem hellen Stahle hinauf zu lachen, und sprang mit einer unvermutheten Leichtigkeit in die Höh, mit der rechten Hand grade in die Schneide fassend, und sich dadurch um so mehr verletzend, da der Jüngling, durch ihre häßliche Geberde erschreckt, seine Waffe schnell zurückzog. Die Alte schien aber nichts von ihrer Wunde zu empfinden, vielmehr strich sie sich ganz unbefangen mit der blutigen Hand das greise Haar zurück. Als sie aber das warme Blut über ihr Antlitz laufen fühlte, hob sie den rothgefärbten Finger drohend in die Höhe, wobei sie ein so furchtbares Aussehn gewann, daß sich die Nächststehenden um einige Schritte zurückdrängten, und Yolande, die sich nur bisher zitternd an Alethes Arm gehalten hatte, plötzlich lautschreiend ihr Gesicht in seinen Mantel verbarg.

Während dessen war auch Kurt mit seiner Begleitung herangekommen, der ihnen schon aus der Entfernung sehr betriebt zurief: kein Mensch im Schlosse zurückgelassen! Alles fort! Wo sollen wir nun die Spur finden? – Wo? antwortete Eugenius, seinen Blick auf den Grund heftend; hier unten! Und dann auch wieder dort! Wobei er die Augen nach dem Sternenhimmel empor schlug, wie er denn überhaupt das tolle Treiben mit der Alten seit ihrer ersten Enthüllung wenig beachtet hatte.

Kurt aber sagte, indem sich der Kreis vor ihm öffnete, und er die häßliche Gestalt gewahr ward: die laßt nur gehn. Sie ist toll, und taub außerdem. Bisweilen spricht sie wohl, aber es kommt nichts heraus, als gräßliche Dinge, so, daß man versucht wird an das Mährchen von dem gottlosen Weibsbilde zu glauben, der Kröten und Schlangen aus dem Munde fielen, so oft ihr das Sprechen ankam. Laßt sie in Ruh. Man könnte mit toll werden vor ihren bösen Worten.

Wie kommt sie aber so einsam hier in's Schloß? fragte Alethes.

Sie gab oftmals zu verstehen, die Burg gehöre eigentlich ihr, sagte Kurt, und hat sich nun aus dem Walde, wo sie gewöhnlich ganz in der Wildniß haust, und nur manchmal mit dieser Laterne, ihrer einzigen Geräthschaft, heraufgeklettert kam, vermuthlich hier bei der Abreise eingeschlichen, der Meinung, sie könne jetzt ungestört als rechte Schloßbesitzerin hier wohnen.

Die Alte hatte sich während dieser Reden einigemal rund umher gedreht, ungeduldig, schien es, daß ihr der Kreis so vieler Menschen den Ausgang versperre. Jetzt öffnete sie den Mund, als wolle sie sprechen, und Alle, der Warnung des alten Kurt eingedenk, machten ihr mit einem heftigen Erschrecken Platz, worauf sie mit großer Eile und Behendigkeit, wodurch ihre Gestalt noch grausiger erschien, nach dem gewölbten Gange zurücklief, und in demselben verschwand.

Yolande, noch immer ihr Gesicht verhüllend, faßte Alethes Arm fester, ihn mit sich nach dem Ausgang ziehend, die Uebrigen folgten schweigend. Als sie schon auf der Brücke waren, schlug das Burgthor schmetternd hinter ihnen zu. Der Zugwind! sagten Einige; Andre murmelten davon, es sey die tolle Alte, und man höre ja, wie sie die Riegel von innen vorschiebe; auf Yolandens Gebot aber, dessen nicht mehr zu erwähnen, was ihr ganzes Gemüth mit verwirrendem Grausen durchdringe, schwieg man über diesen Gegenstand.

Während man indeß den Schloßberg hinabschritt, unter blühenden Bäumen fort, welche das furchtbare Gebäu dem Auge mehr und mehr verbargen, und von deren Aesten bereits unterschiedliche Vögel dem nahenden Morgen entgegen zu singen begannen, gewann auch die schöne Frau den Muth und die Heiterkeit wieder, daran sich früher dieser ganze Heerzug entzündet hatte. Sie sprach zwar wenig; jedoch blickte sie frei und froh um sich her, auf eine Weise, daß man wahrnehmen konnte, nur ein äußres, zufälliges Band hindre sie, der lustigsten Laune Raum zu geben.

Unten am Fuße der Höhe, wo die Knechte mit den Pferden herbeikamen, trat Eugenius mit einem Male vor Yolanden hin. – Ich dachte, Ihr wär't meine Heilige, sagte er, wie Ihr die Heilige jener feindlichen Brüder war't. – Ich weiß schon wieder nicht, was Ihr wollt, entgegnete Yolande, und ich glaube, lieber Eugenius, wenn man es recht betrachtet, wißt Ihr es unter solchen Reden selber nicht. – Wenn ich begriffe, sagte dieser, was Ihr Euch bei dem steten Abläugnen denkt! Doch laßt nur. Das, wie vieles Andre, wird sein Gewicht für mich verlieren. Ich glaube, den schweren Tritt meines bösen Schicksals durch diese Waldstille hin zu vernehmen, und wenn Ihr Jenen halft, mir könnt Ihr nicht helfen. Empfangt jedoch meinen treuen Dank für Euern guten Willen! Euch jungen Rittern gilt er auch, die Ihr mit ausgezogen seyd! Mit mir ist es vorbei. Die ferne, kleine Burg meiner Väter ruft mich in ihre beschränkenden Mauern zurück. Wenn Ihr's recht gut mit mir meint, so betet, daß Alles wieder zurück mit mir gehe, auf daß ich dorten auch wieder zum Kinde werde. Gute Nacht für mich! Oder guten Morgen für Euch!

Er ging in das dichteste Gebüsch hinein, und Kurt, ohne sich weiter sonst um etwas zu bekümmern, folgte ihm schweigend nach.

Der Abschiedsgruß des armen Eugenius, schien es, lagre sich wie ein düstres Thaugewölk über die Gemüther der jungen Männer umher. Sie standen still und nachdenklich im Kreise. Niemand wagte einen Versuch den Scheidenden zurückzuhalten, Niemand öffnete den Mund über sein hartes Geschick, oder gar über Mittel diesem abzuhelfen. Man starrte zu Boden, wie man in das frühe Grab eines blühenden Jünglings hineinstarrt.

[Da lachte Yolande plötzlich hell auf.]

*




Ueberrascht und erschreckt wandten sich alle Blicke nach ihr hin, und sie sprach: glaubt doch nicht, daß mir sein Schicksal minder zu Herzen geht, als Euch. Aber was hilft das Sauersehn! Ihm schafft es die Braut nicht wieder, uns hingegen verdürb' es nur allen Spaß, den wir aus allen unsern eignen Fehlschlagungen ziehn können. Sagt mir, liebe Herr'n, ist Euch jemals so ein alberner Ausgang eines vornehmen, höchst pomphaft angefangnen Unternehmens zu Ohren gekommen? Die Damen warten nun daheim in meinem Schloß der Sieger, und halten Wundsalbe in Menge bereit für die rühmlich Verletzten, und fangen schon an, einander zu trösten über die Gefallnen, welche einem so edeln und rühmlichen Kampfe zum Opfer wurden. Derweile setzen wir uns unverrichteter Sachen, frisch und gesund, zu Pferd, und lassen den schönen Weinenden nichts übrig, als sich an uns durch ein helles Gelächter für ihre unnöthigen Thränen zu rächen. Laßt Jene nicht länger in der Besorgniß, uns aber nicht länger in der Entbehrung des Spaßes, zu dem wir selber die Kosten hergeben, und den man uns daher wohl billig gönnen kann.

Sie nahte sich, lieblich lachend, ihrem weißen Zelter, und trabte, von einigen jungen Männern in den Sattel gehoben, das Thal hinab, der ganze Zug, plötzlich umgestimmt, ihr unter Scherz und Gelächter nach.

Alethes aber war zurückgeblieben. Er lehnte sich an sein getreues Roß, und hätte wohl so im tiefen Sinnen noch lange schweigend verharrt, nur daß Jemand, dicht neben ihm, fragte: Ihr wollt nicht mit, edler Graf?

Aufblickend, und den jungen Berthold erkennend, der, sein Pferd am Zügel, auf ihn zu warten schien, antwortete er: nein; laßt mich nur, und empfehlt mich der Gräfin. Meine Geschäfte dulden kein längres Verweilen. – Hiermit wollte er sich abwenden, aber Berthold's treuherziges Gesicht, die innige Theilnahme, die edle Ehrerbietung, welche aus dessen Zügen sprach, entbanden Alethes Zunge, so, daß er, im Wunsche, sein gepreßtes Herz zu erleichtern, und im wohlthätigen Gefühle, zu einem wackern, verwandten Gemüthe zu sprechen, folgendergestalt fortfuhr:

Es ist dabei nichts zu verhehlen, am wenigsten Euch, der Ihr wohl meine Empfindung theilen mögt. Dieses wechselnde Spiel in Yolandens Gemüth, die heitersten Regenbogenfarben dem kalten Nachtgrau'n nah', und das wieder verschwimmend in ein friedeverheißendes, wehmüthiges Abendroth – es verstört mich, es thut mir weh, und alle Bewunderung vermag nicht, mir die quälende Angst der innern Irrungen zu vergütigen. Und dieses letzte Gelächter trieb mich vollends unwiderruflich aus dem wunderlichen Frientempel hinaus, und über alle die geheimen Künste hinweg, die sich zu Lokkungen rings umher verzweigen mögen. Nein, Berthold, mir misfällt das herzlose Spiel. Ich möchte lieber der minnekranke Eugenius seyn, als Einer aus der Mückenschaar, welche in so unzuverlässigem Glanze Kopf und Flügel an den Tanz wagt. Lebt wohl!

Von hier gleich wollt Ihr fort? Und so allein? fragte Berthold.

Diener und Gepäck warten meiner im nahen Städtchen, entgegnete Alethes. Ich wollte sie erst nach Yolandens Schloß kommen lassen. Nun ist es besser, ich suche sie selbst auf. – Damit stieg er zu Pferd, und reichte Bertholden mit einigen freundlichen Abschiedsworten die Hand. Eine glühende Thräne im Auge sah Berthold zu ihm empor, und seufzte endlich aus tiefer Brust: ach edler, hoher Graf! – Wie ist Euch, mein junger Freund? sagte Alethes mit milder Stimme. Wünschtet Ihr etwas von mir? Haltet es nicht für Zudringlichkeit, rief Berthold, innerlich getrieben, aus, wenn ich in meiner Einfalt ohne Umschweif zu Euch rede. Was Ihr wollt, edler Alethes, mit Eurer Pariser Fahrt, ich weiß es nicht, aber für Deutschlands Freiheit und Ehre, für Erweckung des Entschlafnen, für Entfaltung der heiligsten Knospen zu freudiger Blüthe, für Heraufbeschwörung unvergänglicher Lichter, – für das Alles vereint muß es gelten. So viel weiß man, wenn man die letzten Jahre hindurch mit Ehrfurcht und Liebe, wie ich, Euern Pfaden nachgespäht hat; und was braucht man mehr zu wissen, um aus Herzensgrunde zu seufzen: o, dürft' ich ihn geleiten auf seinen rühmlichen Bahnen! – Der Jüngling hatte bis hierher mit feuriger Stimme und begeistertem, kühn erhobnem Angesicht gesprochen; nun senkte er mit einem Male die Stirn, während eine helle Schaamröthe über seine Wange flog, und mit leiser, verhallender Stimme fügte er hinzu: ich habe schon wieder zu viel und zu dreist gesprochen, wie mir das öfters begegnet. Verzeiht mir, edler Graf, und laßt meine thörichte Dreistigkeit in Vergessenheit untergehn. – Er wandte sich ab, und schien die Mähne seines Pferdes fassen zu wollen, um den Rückweg alsbald in Beschämung anzutreten, als der erfreute Alethes ihn bei der Hand faßte, und sagte: nicht also. Eure Innigkeit erquickt mich, und wenn Ihr bei mir bleiben wollt, nehme ich Euch gern zum Begleiter an. – Ueberallhin? rief Berthold entzückt. Nicht nur nach Paris? Auch von dort in den Krieg? – Wenn's dergleichen geben sollte, recht gern; entgegnete Alethes, und der rasche Jüngling saß mit Einem Sprunge zu Rosse. – Wo treffen wir uns, fragte Alethes? – Wenn Ihr's erlaubt, bleib' ich alsbald bei Euch, antwortete Berthold. Mein Pferd hab' ich, Geld auch vor der Hand zur Gnüge, und was ich sonst daran und an Kleidern brauche, schickt mir ein Freund in Kurzem auf meine Fordrung nach. – Kommt dann mit, wenn es Euch so gefällt, sagte Alethes, und die zwei neuen Gefährten ritten zufrieden dem anbrechenden Tage entgegen.

Freitag, 10. Januar 2014

Good Sounds: SEBASTIAN HÄMER, Dieses Mal


Heute Abend in Mainz: Crémant & Chardonnay - Bar der Träume. Im Unterhaus im Unterhaus


Crémant & Chardonnay - Bar der Träume


10.01.2014 - 11.01.2014, unterhaus im unterhaus, Münsterstraße 7, 55116 Mainz, (06131) 23 21 21


An der Hotelbar lernen sie sich kennen, er poliert Gläser, sie wartet auf ihr Date. Bei immer mehr Drinks kommen sich Crémant & Chardonnay näher, sprechen über ihre Vergangenheit, ihre Sehnsüchte, ihre Leidenschaften, verflossene Liebschaften... und beschließen, sich regelmäßig zu treffen, um zu spielen, zu singen, zu lachen, zu schwärmen, zu versinken in ihrer Bar der Träume.

Wünsche werden wahr. Für einen Augenaufschlag verwandeln sie sich in Filmstars, Helden, Draufgänger, Millionäre. Aber schließlich geht es doch wieder nur um das eine: die Liebe.

Dafür mixen sie bitter-süße und feurig-erotische Wort-Musik-Cocktails, süffig und prickelnd, aus trockenem Wortwitz, heißen Rhythmen, kühl-spritzige Chansons, kultige Schlager, erotisch-eindeutige Zweideutigkeiten aus dem Nähkästchen oder Knisterndes um raschelnde Dessous.

Lassen Sie sich verführen, von Crémant & Chardonnay, Pascal Nöldner (Gesang) und Corinna Fuhrmann (Piano), von Klassikern wie Tim Fischers "Rinnsteinprinzessin", von Barsongs, französischen Chansons oder Liedern aus dem Berlin der 20er Jahre, von Evergreens der amerikanischen Kinogeschichte oder Hits wie "Paparazzi" von Lady Gaga. Ein wahrer Genuß für Auge und Ohr.

Karten: € 17,- / ermäßigt € 12,- (zzgl. VVK-Gebühr)

www.cremant-chardonnay.de

Good Sounds: THE KILLERS, Read my Mind


Serie: FLUCH DER KARIBIK als Hörbuch, Intro und Kapitel 1




Good Sounds: CALVIN HARRIS, Green Valley


Fantasien zur Nacht: Was bist du glücklich ... von Louise Labé

Tizian, Venus von Urbino, 1538



Was bist du glücklich ...

Was bist du glücklich, Sonnengott, du hast
die liebste Freundin stets in Sicht, und deine
leisere Schwester findet in die Haine,
wo sie Endymion umfasst.

Mars sieht die Venus oft. Der Gott Merkur
schwärmt in den Himmeln und an andern Orten,
und Jupiter gewahrt noch da und dorten
die Jugend seiner hurtigen Natur.

Im Himmel hat ein großer Einklang recht,
in dem die Göttlichen getrost sich rühren.
Doch wäre, was sie lieben, plötzlich weit,

sie widersprächen ihrer Herrlichkeit
und wüssten sich so groß nicht aufzuführen
und mühten sich wie ich: umsonst und schlecht.

Louise Labé (1525-1566)
(aus dem Französischen von Rainer Maria Rilke)

Good Sounds: ANDREAS BOURANI, Nur in meinem Kopf


Heute Abend in Mainz: Kabarett Allerhand: Wechsel-Jahre plus im Unterhaus


Kabarett Allerhand:
Wechsel-Jahre plus


10.01.2014, 20:00 Uhr/Öffnung: 19:00 Uhr, Showbühne Mainz, Große Bleiche 17, 55116 Mainz, 06131 211 64 44


Seit März 2009 stehen „Allerhand! zwischen comedy und kabarett“ mit ihrem ersten Programm „Wechsel-Jahre, es trifft jeden auch den Mann“ mit großem Erfolg auf der Bühne. Allein sieben Zusatzvorstellungen mussten wegen der großen Nachfrage in Idstein gegeben werden. Das Programm ist in den vergangenen Monaten um einige Sketche und Soli ergänzt worden und nennt sich jetzt kurz: „Wechsel-Jahre plus“!

Und wer steckt hinter Allerhand!? Zwei erfahrene Schauspielerinnen, Christina Ketzer und Carola von Klass, die als flotte Fuffziger noch einmal so richtig durchstarten mit eigenen Texten und eigenen Arrangements. Kennen gelernt haben sich die Beiden in den Achtziger Jahren an der „Kleinen Komödie“ in Wiesbaden. Danach ging jeder seinen eigenen künstlerischen Weg. Jetzt haben sie sich wieder zusammen getan, unterschiedlich wie sie sind und ein freches, kritisches und unterhaltsames Programm zusammengestellt.
Mal mit hintergründigem Humor und scharfem Witz, mal mit liebevoller Beobachtungsgabe werden die zeitgeistlichen Trends, Zwänge und Neurosen unserer Gesellschaft aufs Korn genommen. Ob im Sketch „Bei der Religionsberaterin“ (…welche Religionsmischung hätten Sie denn gern…?) oder „Bei der Sextherapeutin (…gibt´s vielleicht auch noch Varianten, bei denen man sich nicht gleich den Hals bricht?) bis hin zu nachdenklichen Tönen wie beim „Blues mit Rotwein“, dem „Gleichbehandlungsgesetz“ oder der „Dauertouristin“, bestechen die Beiträge durch ihre Vielfalt.

externer Link:
www.showbuehne-mainz.de

Good Sounds: MAX RAABE, Als ich dich wollte


Heute Abend im Pfalztheater: Der Pagodenprinz. Ballett von Stefano Giannetti, Musik von Benjamin Britten



Der Pagodenprinz

Ballett von Stefano Giannetti, Musik von Benjamin Britten
Nach einem Libretto von John Cranko
Premiere 13|10|2013 | Werkstattbühne, 20:00 - 21:30 Uhr

Eine märchenhafte Reise ins Land der Pagoden

Benjamin Brittens op. 57 wurde am 1. Januar 1957 am Londoner Opernhaus Covent Garden uraufgeführt. Der Komponist selbst leitete die Vorstellung seines ersten abendfüllenden Werkes, das er eigens für das Tanztheater komponiert hatte. Librettist und Choreograph der Uraufführung war der weltberühmte John Cranko. In keinem anderen Werk hat Britten seiner Phantasie so freien Lauf gelassen. Die einzelnen Nummern bestechen durch einen überwältigenden Reichtum an Klang und entfalten ein außerordentlich breites Stimmungs- und Ausdrucksspektrum. Der Kaiser des „Königreichs der Mitte“ will seine Tochter Belle Epine verheiraten. Vier Könige reisen an, um sie zu freien. Doch der Plan des Kaisers scheint zu misslingen, als die Könige seine jüngere Tochter Belle Rose erblicken. Erst als der Kaiser Belle Epine zur Thronerbin macht, wenden sich die vier Freier ihr zu. Sie jedoch weist alle vier ab. Ein Bote des Pagodenprinzen tritt ein und bringt ein Kästchen mit einer Rose des Prinzen. Nur Belle Rose gelingt es, dieses Kästchen zu öffnen, woraufhin der Bote sie mitnimmt in das Land des Prinzen. Belle Rose erkundet das Land der Pagoden. Es nähert sich ihr ein grüner Salamander, der plötzlich menschliche Gestalt annimmt und sich als der Prinz entpuppt. Als Belle Rose sich die Augenbinde wegreißt, versteckt er sich und verwandelt sich zurück in den Salamander, Belle Rose flieht. Inzwischen herrscht Belle Epine als tyrannische Kaiserin über das Land ihres Vaters, den sie gefangen genommen hat. Belle Rose kommt zurück und will ihrem Vater helfen, ihr folgt der Salamander. Beide werden von Belle Epine ebenfalls festgesetzt. Dank seiner Zauberkräfte befreit der Salamander alle Eingesperrten und nimmt seinerseits Belle Epine gefangen. Zum Dank umarmt ihn Belle Rose, er wird zum Prinzen. Das „Reich der Mitte“ versinkt und Belle Rose und der Pagodenprinz kehren, begleitet vom Vater, in das Land der Pagoden zurück, wo ihre Hochzeit stattfindet.
Die Märchenwelt der Pagoden bietet dem Tanz ein breites Spektrum an originellen Charakterbewegungen und verspricht eine spannende Reise in eine ferne, geheimnisvolle und unbekannte Welt.

Inszenierung und Choreographie Stefano Giannetti
Bühne und Kostüme Julia Buckmiller und Barbara Kloos
Dramaturgie Tanja Hermann

Donnerstag, 9. Januar 2014

Good Sounds: BRYAN ADAMS, Back to you


Am Samstag in Trier: Belcanto, Gourmet Opera


Samstag, 11. Januar 2014 · 20:00 Uhr · Kasino, Am Kornmarkt 1-3, 54290 Trier

Belcanto
Gourmet Opera

Zu italienischen Opernarien gesungen von Gor Arsenyan, Joana Caspar und Laszlo Lukacs serviert die Schlemmereule ein italienisches Vier-Gang-Menü inklusive begleitender Weine, Mineralwasser, Espresso und verschiedener Grappa (jn).

Ticket-Info:
Vorverkauf: € 105,00 (!)

Good Sounds: BRYAN ADAMS, Run to You (Live)


Morgen Abend in Trier: SAITENSPRUNG, Tanz-Musik-Duo


Freitag, 10. Januar 2014 · 20:00 Uhr · Tuchfabrik (Großer Saal), Wechselstrasse 4-6, 54290 Trier, Telefon: 0651/7182412

Saitensprung
Tanz-Musik-Duo

In dem Moment, in dem Maria Kulowska und Reveriano Camil sich kennen lernten, verliebten sie sich - künstlerisch- ineinander, ihr Saitensprung begann.

Zusammen bauen sie die maximalen Möglichkeiten innerhalb ihrer künstlerischen Verbindung auf und zerstören sie wieder durch Improvisation von Spiel, Tanz und gegenseitiger Inspiration.

Ein intimer Abend mit lebhaftem Cello-Spiel und energischem Tanz, verschmelzend in Leidenschaft.

Ticket-Info:
Vorverkauf: € 12,00 (10,00 ermäßigt)
Abendkasse: € 13,00 (11,00 ermäßigt)
Externer Link:
http://www.tufa-tanz.de


Jazz bei ECM: IL Pergolesi, Pergolesis Stabat Mater aus dem 18. Jahrhundert neu koloriert


Absolute Seltenheit am Samstag in Heidelberg: Deutschlandpremiere - Il Pergolese im Rahmen des Enjoy Jazz Neujahrskonzerts 2014


Enjoy Jazz Neujahrskonzert 2014




Samstag, 11. Januar 2014, 20.00 Uhr, Peterskirche Heidelberg - Plöck 70


Deutschlandpremiere:
Il Pergolese

Maria Pia de Vito (Gesang), François Couturier (Klavier), Anja Lechner (Cello), Michele Rabbia (Percussion, Electronics)

‚Il Pergolese’ ist ein Tribut an Giovanni Battista Pergolesi (1710 – 1736), der die Beziehung dieses Komponisten zur Kunst- wie zur volkstümlichen Musik Neapels von einer heutigen Warte aus betrachtet.

Der Text des ‚Stabat Mater’ – von Maria Pia De Vito ins Neapolitanische übersetzt – und die Opernarien werden in Songs und eine lebendige Erzählung verwandelt, wobei hier sehr offene Rahmen den Schlüssel zur Pergolesi-Interpretation liefern. François Couturiers Arrangements erweitern Pergolesis Strukturen und schaffen so Raum für die Interaktion der Improvisatoren.

Es ist dies ein wirkliches Gruppenprojekt, ein Diskurs von akustischen Klängen mit gesampelten Sounds und Echtzeit-Elektronik, bei dem das Cello zur Stimme oder die Stimme zum Instrument wird. Das Projekt geht ursprünglich auf eine Kommission des Festival Pergolesi-Spontini of Jesi im Jahr 2011 zurück, und wurde in seiner heutigen Form im Dezember 2012 in Lugano mit Manfred Eicher als Produzent aufgenommen.

„Die vier Musiker begegnen den technischen Herausforderungen von Pergolesis Musik nicht nur mit Selbstbewusstsein und absoluter Perfektion, vor allem zelebrieren sie ihren Einfallsreichtum und ihre Schönheit.“ (Desirée Löffler, WDR 3)



Beginn 20:00 Uhr / Einlass 19:00 Uhr
VVK 22 € zzgl. Geb. / AK 26 €
http://player.ecmrecords.com/il-pergolese


History Music: ULTIMA THULE, Bla Blagader (6. Nov. 1632)



Serie: Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein. Von Friedrich Baron de la Motte Fouqué



Friedrich Baron de la Motte Fouqué

Die wunderbaren Begebenheiten des Grafen Alethes von Lindenstein


Vorbericht

In der trüben Zeit, wo durch Gottes damals unerforschlichen, jetzt aber wohl Allen, die Augen haben, klargewordnen Rathschluß ein dumpfzerdrückendes Band über unserm deutschen Vaterlande lag, und es mir beinahe vorkam, als seye für Männer von gesetzlichem Sinn die Bahn zu ächten Thaten durch ehrne Riegel verschlossen, – in der Zeit, wo ich die Lust und das Vertrauen für das Erdenleben nur durch die Aussicht auf beglücktere Nachkommen zu erhalten wußte, – in Mitten all dieses ängstigenden Leidens geschah es, daß ich die vorliegende Geschichte zu schreiben begann. Ich that es nicht eben für ein Publikum, ich müßte denn allenfalls das ganz kleine darunter verstehen, dem ich alle Abende etwas vorzulesen pflegte, bald von mir gedichtet, bald von Andern. Diese befreundeten Menschen sollten denn allenfalls auch den Alethes hören, und sich daran ergötzen, aber eigentlich strömte ich ihn hin, um dem Andrange des wildverstörten, bald klagenden, bald sehnenden, bald zürnenden Herzens irgend ein Genüge zu thun.
Da begannen denn nach und nach solche Zeichen der Zeit innerlich und äußerlich merkbar zu werden, daß auch ich auf ganz andre Gedanken und Bestrebungen gerieth. Die ersten drei Bücher des Alethes waren geschrieben. Ich ließ ihn liegen, und schenkte die Handschrift einem Freunde, und verordnete in meinem letzten Willen, dies Fragment solle nie gedruckt werden dürfen.
Jetzt, im Jahr 1816, kam auf einer heitern Reise mir die Kunde zu, Alethes habe in all seiner Verlassenheit sich Freunde und Freundinnen gewonnen, und zwar Freunde und Freundinnen, wie man sie sich nicht eben alle Tage zu gewinnen pflegt. Da ging er mir wieder in aller frühern Vertraulichkeit und Liebe auf; das zweite Buch des zweiten Theiles stand als Beendung des Ganzen noch immer klar und hell, obwohl kein Wort davon aufgeschrieben war, vor meinem Innern, ja wohl noch klarer und heller, als vordem, denn da der Mensch immer nur vorwärts oder rückwärts geht, und ich durch Gottes Gnade in der ganzen Zwischenzeit nicht rückwärts gekommen war, sah ich Vieles aus unendlich besseren Standpunkten, als sonst.
So entschloß ich mich denn, das letzte Buch dazu zu schreiben, – nicht ohne recht ernste, ja, recht sehr schwere Kämpfe, – und hier ist es. Finde man einen andern Geist darin, als in den ersten drei Büchern, – ich muß es mir gefallen lassen, denn man hat Recht. Daß aber die Einheit des Kunstwerkes dadurch zerstört sey, kann ich nicht glauben. Vielmehr bin ich überzeugt, daß ich grade nach Gottes wunderbarer und herrlicher Leitung nicht ehr dies letzte Buch schreiben und an das frühere Werk die vollendende und reinigende Hand legen durfte, als eben jetzt.

Nennhausen, am 5. October, 1816.
L. M. Fouqué.



Erstes Kapitel
Es war an einem sehr erquickenden Frühlingsabend, als der Graf Alethes von Lindenstein durch ein schönes Thal hinab ritt, welches seinen Ausgang nach dem Gewässer des Rheines hindrehte, und sich dorten in die weinbepflanzten Hügel, so den Strom umkränzen, verlor. Der Reisende hatte seinen Weg durch unterschiedliche Dörfer genommen, die in der Heiterkeit des wieder entblühenden Friedens (der dreißigjährige Krieg war so eben erst beendet) zu neuen Hoffnungen und Lebensgenüssen aufzuwachen begannen. Alethes sah ernsten Blickes auf all das vergnügliche Treiben um ihn her; ihm war zu Muth, wie Einem, der in die unterirdischen Gänge, darin das Centralfeuer sich ergoß, hineinzuschauen die Gabe hat, und der, einen nahen Ausbruch vorherwissend, das Anbauen zutraulicher Menschen über der gefährlichsten Stelle wahrnimmt. In der Vollkraft männlicher Jugend drückte er jedoch alle betrübten Gedanken unter sich, entschlossen, das Rechte für deutsche Freiheit und Ehre durchführen zu helfen, was auch der ungewisse Erfolg gewagter Thaten ihm für ein Antlitz entgegenstrecken möge. Seine Aufträge führten ihn zu der schönen Gräfin Yolande, welche in diesen Gegenden wohnte, und deren Schloß er noch diesen Abend zu erreichen wünschte, begierig, eine Frau kennen zu lernen, von deren himmlischen Reizen, von deren ränkevollem Geist, und seltsamer Lebensweise, darin sie als eine junge, unermeßlich reiche Wittwe verharre, er so Vieles gehört hatte.
Der Rhein hauchte bereits duftigere Kühle herauf, das Nachtdunkel lagerte sich tiefer und gewaltiger über den einsamen Weg, als die Lichter aus Yolandens Schloß von einer nahen Anhöhe herab blitzten. Im Näherkommen vernahm Alethes Musik, und alles Getümmel eines reichen Festes, sein Roß tanzte lustig unter ihm, indem er durch die Thorhallen der Burg ritt, und reich gekleidete Diener sprangen ihm freundlich entgegen, ihm vom Pferd helfend, ohne erst nach seinem Namen zu fragen, und den Schloßhof mit zahlreichen Fackeln erhellend. Er freute sich über diese Gastlichkeit, gegen einen unbekannten, die ihm einen glücklichen Erfolg seiner Entwürfe zu verheißen schien, und folgte einem schönen Edelknaben die erleuchteten Treppen hinan.
Oben befand sich eine zahlreiche und sehr zierlich geschmückte Gesellschaft von Frauen und Männern, meistens in einem fröhlichen Tanze begriffen, dessen Lebhaftigkeit die Wangen der Damen mit höherm Roth schmückte, während seine Windungen deren schlanke Gestalten in den lieblichsten Verschränkungen darstellten. Alethes nannte seinen Namen Einem der ihm zunächst stehenden jungen Männer, mit der Bitte, ihn der Wirthin des Festes vorstellen zu wollen. Der Angeredete, ein schöner, goldhaariger Jüngling in reichem Anzug, erwiederte: Ihr werdet erstaunen, mein vielgeehrter Graf, wenn ich Euch sage, daß bei diesem Feste, welches die Gräfin Yolande giebt, zwar alles nahwohnende Schöne und Vornehme gegenwärtig ist, aber mit Ausnahme der Gräfin Yolande selbst. Sie ist auch nicht etwa krank, auch nicht etwa durch eine wichtige Angelegenheit abgehalten; – sie ist nicht erschienen, weil ihr vermuthlich eben eine ihrer wunderlichen Launen durch den Sinn zog. Und weil diese Launen nicht etwa Kinder des Hochmuths oder der Geringschätzung Andrer, oder sonst aus einer widerwärtigen Quelle entsprungen sind, sondern sich vielmehr unendlich liebreizend in Yolandens schöner Gestalt darstellen, indem es nun einmal, scheint es, nicht anders seyn könnte, – eine Zugabe mehr anlockend, als verdrießlich, – so findet sich auch Niemand dadurch beleidigt, und es bleibt uns nur die Sehnsucht nach Yolandens erfreulichem Anblick im Gemüth. Vielleicht indeß erscheint sie noch Heut Abend; es wäre nicht das erstemal, daß sie überraschend, wie ein plötzlich aufleuchtendes Meteor durch die Nacht unter uns träte. –
Alethes hatte diesen Reden mit Verwunderung zugehört, um so mehr, da der, welcher sie aussprach, auf keine Weise gewöhnt schien, sich unterzuordnen, vielmehr durch Anstand und Schmuck hohe Gesinnung und hohe Herkunft verrieth.
Indessen war ein Flüstern durch den Saal gelaufen: Graf Alethes von Lindenstein befinde sich in der Gesellschaft. Manche kühne Waffenthat, manche wichtige Sendung hatte diesen Namen während der letztvergangnen Kriegsjahre für die damalige Zeit berühmt gemacht, und ihn mit noch erhabnern und herrlichern Namen in nahe Verbindung gestellt.
Es richteten sich daher viele Augen auf den Ankömmling, so jedoch, daß die Art und Weise, welche vornehme Gesellschaften in solchen Fällen als Sitte bestimmen, unverletzt blieb. Also geschah' es auch, daß Alethes, schon durch sein Nichtannähern dahin gelangte, in Mitten der reichen Umgebung dem Gespräch auszuweichen, ja sich auch gänzlich von dem jungen Manne losmachte, den er zuerst angeredet hatte, und der, wie er aus den Worten der Umstehenden vernahm, ein Edelmann war, Berthold geheißen. Diesen, und fast die ganze Gesellschaft, verschlang nach der kurzen Pause das Fest alsbald wieder in seine zierlichen Wirbel, aus denen nur hin und wieder ein neugieriger Blick auf den gedankenvollen Alethes traf, in dessen Gemüth sich Yolandens wunderliches Betragen und seine Aufträge an sie zu gestaltungsreichen Vermuthungen bildeten. Er ging schweigend die vielen, prächtigen Zimmer durch, an deren Ende ihn ein minderbeleuchtetes Kabinet anzog, wo er Einsamkeit zu finden hoffte, und außerdem weiterhin eine sanfte Illumination wahrnahm, die mit ihren silbernen Bäumen, hochbunten Blumen und zierlichen Springbrunnen seinen Sinnen auf das liebreichste schmeichelte. In das Kabinet tretend, bemerkte er, wie die vermeinte Illumination der mondbeschienene Schloßgarten selbst sey, der mit so vielfachen Reizen zu einer hohen Glasthüre herein blicke. Alethes schritt in die warme, duftige Nacht hinaus, auf eine weite Terrasse, von deren Höhe er ein reiches und doch sehr mildes Gewirr verschiedener Pflanzungen überschaute. Wie auf leisen Flügeln des nächtigen Frühlingsothems gelangte er die Stufen hinab in schattige Irrgänge, auf hellgrüne Rasenplätze, über zierliche Brücken hin, silberne Teiche entlängst, immer tiefer in das duftende Gartenleben hinein, welches eine holde Feenhand zur Feier ihrer lieblichsten und heimlichsten Feste bereitet zu haben schien.
Von jenseit eines klaren Weihers glaubte er ein leises Singen zu vernehmen, die Töne einer Zither zwischendurch. Eingeladen durch so gefälligen Ruf, sprang er in eine Barke, die sich zu seinen Füßen in den kühlen Gewässern wiegte. Er lenkte sein Fahrzeug (doch behutsamen Ruderschlag's, um keinen der schmeichelnden Klänge zu verlieren) nach dem umzweigten Ufer hin, von wo der süße Laut immer vernehmlicher herdrang. Endlich gewahrte er im hellen Mondglanze ein wunderschönes Frauenbild. Es saß zu den Wurzeln einer hohen Linde, welche jedoch ihre Blätter geflissentlich auseinander zu beugen schien, um den Strahlen des blauen Nachthimmels ihr Spiel auf einem so himmlischen Antlitze zu vergönnen, als Alethes nur jemals eines erblickt hatte. Der Jugend linde Freudigkeit regte sich auf diesen regelmäßigen Zügen, doch wie umschleiert von jungfräulich holder Scheu, welche auch die ganze schlanke Gestalt umschwamm, das weiße weite Gewand in vielen sittigen Falten um sie her lagernd. Alethes ließ das Ruder sinken, und sein Nachen stand auf dem unbewegten Weiher still, während die schöne Frau, auf der Zither spielend, ein schon angefangnes Lied in folgenden Worten weiter sang, die so eben einen Vers beschlossen:

Das sind die lieben Quellen
Aus heißer Wüste Sand. –
Komm Wandrer, fromm und traurig,
Komm Wandrer, treu und weich!
Sie duften wohl was schaurig,
Doch bester Labung reich.
Was du aus ihnen trinkest,
Trinkt man im Himmel auch;
Wenn Du in sie versinkest,
Thust Du nach Himmels Brauch.

Tief, tief nach innen grabe,
Weil Dir ihr Licht entquillt,
Befrein aus ird'schem Grabe
Dein eignes Engelsbild.
Dein Herz aus hartem Steine,
Sie schwelgen's lieb und lind;
In ihrem Dämmerscheine
Wirst für die Welt Du blind;

Nicht blind dem –

Ein Lüftlein, über den See hinspielend, trieb den kleinen Nachen, worin Alethes wie verzaubert stand, eben jetzt dem Ufer näher. Die Sängerin schaute empor, blickte, sich aufrichtend, nach dem Fremden auf dem Gewässer, und verschwand unmittelbar darauf in's Gebüsch.
Wohl empfand Alethes, wie sein bestes Daseyn, von diesem Augenblick an, derjenigen verknüpft sey, welche so eben vor seinen Augen unsichtbar geworden war. Auch machte er einige Versuche, den Nachen vorwärts zu treiben, zu Erreichung des Liebsten, was er auf der Welt hatte kennen lernen. Aber es war, als lähme ein geheimes Beben seinen Arm, – Gedanken an die schauerliche Geisterwelt, dem rüstigen Kriegs- und Geschäftsmann bis dahin wenig bekannt, zogen durch seinen aufgeregten Sinn, und er wandte die Barke zur Rückfahrt; im Umschau'n, wie es ihm dünkte, noch bemerkend, daß sich ein feuchter Nebel zwischen ihn und das Ufer, wo die Schöne saß, zu lagern beginne.
An den Strand zurückgelangt, von dem er abgefahren war, schalt er beim Aussteigen sich selbst über sein thörichtes und höchst unsichres Betragen. Es könne wohl Yolande selbst gewesen seyn, meinte er; und welche bess're Gelegenheit habe er denn abwarten wollen, sich ihr darzustellen, sie vielleicht alsbald für die Entwürfe, welche sein ganzes Herz erfüllten, gewinnend? – Und doch, indem er unter solchen, halb laut gesprochnen Worten, durch die Gebüsche hinging, kam es ihm bisweilen vor, die holde Gestalt, welche unter der Linde gesessen, streife gespenstisch um seine Pfade her, davor ihn ein kaltes Grauen zu erfassen begonnte.
Er schritt eiliger nach dem Schlosse hinauf; die Terrassen, welche er vorhin im süßen Traum hinabgewandelt war, thürmten sich nun dunkel, unsicher, hoch, wie Berge vor ihm empor, es war, als verlegten Lüfte, von schlimmen Geheimnissen flüsternd, ihm seinen Weg. Mit einiger Anstrengung seiner Kräfte gelangte er in das Kabinet zurück, und dort die behaglichen, weiblich zierlichen Umgebungen beschauend, die süßen Gedüfte einathmend, welche zwischen den geschmückten Wänden auf und nieder wogten, entlastete er sich alsbald der schauervollen Ahnungen, die ihn vorher verfolgt hatten; nur eine unendliche Sehnsucht nach dem schönen Frauenbild unter der Linde blieb wach in seinem Herzen, und trieb ihn eilig in den Tanzsaal, um dorten vielleicht zu erfragen, ob diese Zauberin Yolande, oder wer sie wohl sonst gewesen seyn könne.
Gleich beim Eingange kam ihm Berthold wieder entgegen, sichtlich erfreut, daß Alethes das Gespräch mit ihm abermals anknüpfe. Nach einigen Wendungen der Worte, wie sie Alethes, geübt in höfischer Geschicklichkeit, leicht zu lenken wußte, kam man alsbald auf die liebliche Erscheinung im Garten zu sprechen. – Es war ohne Zweifel Yolande, sagte Berthold. Eben wie Ihr sie beschreibt, diese Reinheit in den regelmäßigen Gesichtszügen, dieses kraus und doch so mild sich ringelnde Haar, diese siegende Anmuth in allen Bewegungen, – es kann keine andre Schöne gewesen seyn, die Euch, dem vielgereisten, weltkundigen Mann, auf eine so ausgezeichnete Weise bemerklich geworden wär'. – Aber Yolande so allein im Gebüsch? sagte Alethes; – so fern dem heitern Prunk ihres eignen Festes, und ein Entsagung athmendes, wehmüthiges Lied auf den Lippen? – Alle Gestalten sind ihr eigen, antwortete Berthold. Warum sollte ihr nun diese Eine nicht auch angehören, gleich den übrigen? – Habt Ihr sie bereits so gesehn? fragte Alethes; – habt Ihr sie demüthig, still und sehnsuchtsvoll gesehn, wie Ich Euch sage, daß sie mir am Weiher erschien? – Keineswegs; entgegnete Berthold. Aber das beweist nichts dagegen, daß sie nicht auch eine Solche seyn könne, und es vielleicht schon vieltausendmal gewesen sey.
Alethes wollte weiter fragen, aber eine Bewegung, die sich in der ganzen Gesellschaft mit einem Male kund gab, zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Die Musik schwieg, die Tänzer und Tänzerinnen näherten sich insgesammt der einen Hauptthüre des Saales, und ohne daß es ihm Berthold erst zu sagen brauchte, verstand Alethes aus allen diesen Anzeigen, Yolande sey erschienen.
Er gesellte sich mit Berthold zu der Menge, welche sich eben um die Königin des Festes sammelte, jedoch dem vornehmen Fremden auf eine sittige und ehrerbietige Weise Raum ließ. Die Erscheinung vom Weiher strahlte in sein geblendetes Antlitz: eine ganz andre zwar in diesen reichen Lichtern der kostbarsten Juwelen, in diesen sie üppig umschmiegenden Gewändern aus fremden, hellfarbigen Zeugen, von goldnen Spangen und anderm edeln Geschmeide wunderlich, aber unendlich reizend umgürtet. Dennoch erkannte er sowohl die holden Züge ihres Gesichts, als auch die Anmuth ihrer, wenn gleich hier ganz veränderten Bewegungen. Sie hingegen heftete alsbald einen festen, durchdringenden Blick auf ihn, worauf sie, noch bevor Berthold dahin gelangen konnte, seinen neuen Bekannten vorzustellen, sagte: ich müßte mich sehr irren, oder der Graf Alethes von Lindenstein steht vor mir. – Alethes erwiederte ihre Anrede mit verbindlichen Worten, worauf sie sagte: Ihr kommt nicht unerwartet, mein edler Graf, und was wir von Geschäften abzumachen haben, soll gleich vorgenommen werden, damit es nachher unsre festliche Lust nicht unterbreche. – Damit wandte sie sich zu der übrigen Gesellschaft, die Damen und Herr'n mit einigen sehr lieblichen Reden bittend, ihren Tanz nicht zu unterbrechen, und eilte sodann, Alethes Hand fassend, mit ihm in das Kabinet, aus welchem er vorhin in den Garten getreten war. Er hoffte aus solchem Empfang mit voller Sicherheit auf einen günstigen Erfolg seiner Sendung bei ihr, nur einzig misbilligend, daß sie ein Geschäft, welches so viele Verschwiegenheit erfordre, so offen vor den Augen möglicher Laurer behandle.
Wenn er jedoch wegen Yolandens Gesinnung über diese Angelegenheit im Irrthum stand, ward er sehr bald aus demselben gezogen, indem sie ihn neben sich auf ein Sopha des Kabinet's nieder sitzen ließ, und folgendergestalt zu reden begann: Wie ich Euch vor meinen Augen sehe, so jung, und männlich, und vieler freudigen Gaben reich, wird es mir ganz verständlich, mein edler Graf, daß Ihr nichts lieber und inniger wünschen dürft, als ein Leben voll mannigfacher Anklänge im Guten und Bösen, die aus Euch das herrliche Feuerwerk, nur zum Theil noch erst entwickelt, zu seiner vollkommnen Pracht und weitstrahlenden Heiterkeit herausrufen. Vor Allem müßt Ihr dem freudigen Kriegsgott nachstreben, der schon oftmals gern und stolz von Euern Brauen, von Eurer Stirne herabgebot, über Eure Lippen hin seine Schlachtendonner versandte. –
Alethes blickte die Rednerin mit einiger Verwirrung an. Er war gewarnt worden, den Ergüssen ihres reichen Gemüthes nicht allzufrüh treuen Glauben zu schenken, indem es damit eben so oft auf Hohn als auf Ernst angesehn sey, und eben jetzt ließ ihn die schwache Erleuchtung des Kabinettes in großer Ungewißheit, ob das Blitzen der schönen Augen dem neckenden Witz oder der Begeisterung angehöre.
Yolande aber fuhr fort: ich selbst möchte Euch gern in einer Schlacht sehn, wenigstens in einem Gefechte; und wer weiß, wie bald sich das herbei führt. Ihr seyd gewiß, all' Eurer artigen Gewandtheit zum Trotz, in zierlichen Gesellschaften nur halb zu Haus. Dem Feind gegenüber ist nur der Mann erst recht von seiner vollen Glorie umstrahlt, und daß auch Ihr Euch dessen bewußt seyd, zeigt die Sorgfalt, mit welcher Ihr Euch dieses schöne Schwerdt an einem so herrlichen Wehrgehänge umgegürtet habt. Euer übriger Schmuck erscheint im Verhältnisse nur als entbehrliche Nebensache dazu. Ja, der Krieg ist Euer Leben, tapfrer Graf, und Ihr thut Recht, ihm nachzujagen auf einer so ritterlichen Jagd, als Ihr treibt, ja, ihn wieder aufzujagen, wo er sich einmal unter des Friedens Palmengebüsche versteckt haben sollte.
Lustiger Trompetenklang wirbelte während dieser Worte aus dem Tanzsaal herüber, und erschloß des Grafen kriegerisches Gemüth in Verbindung mit den Reden der schönen Frau für alle begeisternde Erinnerungen seiner edlen Bahn, und für alle noch begeisterndern Hoffnungen derselben. Yolande aber sagte plötzlich mit einem fast schmerzhaften Seufzer und leise lispelnder Stimme: o die häßlichen Trompeten! Sie lassen mich sagen, was ich eigentlich gar nicht will. Lenkt Ihr den Tanz doch, Ihr lieben, begütigenden Flöten. – Mit den letzten Worten trat sie in die Thür, den wunderschönen Arm zu einer halb schmeichelnden, halb gebieterischen Bewegung ausstreckend, und plötzlich verstummte das jubelnde Geschmetter, die weichsten Blasinstrumente führten die Melodie des Reigens in zärtlichen Schwingungen fort.
Zurückkommend, und sich wieder neben Alethes niederlassend, sagte Yolande: Gottlob! Nun ist es doch vergönnt, zu reden, wie es ein weibliches, leicht zagendes Gemüth gebeut. Ach, lieber Alethes, ich will keinen Krieg. Ist es nicht so hübsch im Leben? Wir könnten allesammt eine rechte Fülle von schönen Blumen pflükken, (denn an schönen Blumen für alle Menschen fehlt es nicht), nur daß wir so zänkisch sind, und uns gar nicht genügen lassen, Einer den Andern ungezogen gegen den Arm anrennend, welcher eben die holde Erndte trägt, so, daß diese alsdann in wilder Zerstreuung auf die Erde hinflattern muß.
Der Vorwurf trifft aber nur den ungezognen Angreifer, sagte Alethes. Daß sich der arme Verletzte nach allen Kräften wehrt, ist doch wohl recht.
Ja, wer verletzt ist, entgegnete Yolande. Ich aber bin reich, jung, geistvoll und sehr schön. Mir kann nichts daran liegen, daß meine Güter zerstört werden, meine blühende Jugend festlos unter mannigfachem Gewirr dahin flieht, mein Geist sich erschöpft in schlauen Anordnungen gegen von allen Seiten drohendes Uebel, und endlich die Rosen dieser Wangen, die Lichter dieser Augen in Schrecken erbleichen und ersinken.
Ihr, schöne Gräfin, sagte Alethes, habt zwiefach Unrecht, dem Kriege so schonungslos Krieg zu erklären. Mir ist bekannt, wie, zwischen allen den Unruhen der letztern Jahre, Ihr Euer heitres Leben ungestört zu erhalten wußtet, siegreich, unverletzlich sogar, durch die Gewalt Eurer Schönheit und Eures Verstandes.
Das sind doch immer nur Nothbehelfe, seufzte Yolande. Besser lebt sich's in den Armen des Friedens, wo Lieblichkeit und Erfindsamkeit einzig im Dienste des Vergnügens stehn. Ueberhaupt, lieber Graf, wollte ich Euch mit diesem Gerede nur begreiflich machen, daß Ihr vielleicht nicht Unrecht habt, den Krieg zu wünschen, daß man aber sehr Unrecht hatte, Euch hierherzusenden, damit ich Euerm Geschäfte Vorschub thun solle. Es ist wahr, ich habe viele Verbindungen am französischen Hofe, wo Ihr hinwollt, und reise vielleicht selbst in Kurzem nach Paris, aber grau und schielend mögen diese meine leuchtenden Augen werden, welk und alt meine zarten, runden Arme, eingeschrumpft meine blühenden Lippen, zusammengekrümmt und schief meine ganze Nymphengestalt, wofern ich irgend etwas zum Besten Eurer unruhigen Pläne thue. Ihr seht, ich weiß Alles, auch die hochtönenden Worte, dahinter Ihr Eure Kriegslust versteckt, als da sind: Selbstständigkeit der deutschen Lande, – und doch sucht Ihr Hülfe in Paris – Sicherstellung der Glaubensfreiheit, – eignes, politisches Leben der ganzen Nation, welches dieser Friede gefährde, – und wie es weiter heißt. Wenn Ihr gescheut wär't, bliebt Ihr hier.
Alethes staunte schweigend vor sich hin, wie sie so Alles erfahren habe, was ihm und vielen edeln Deutschen sonst das Herz bewege, und war fest entschlossen, hier kein Wort mehr zu verlieren, vielmehr wo möglich durch ein anscheinend leichtsinniges und sorgloses Betragen die Wahrheit zur Lüge zu verkleiden. Bevor er noch aber ganz mit sich einig war, sagte Yolande: Ihr tanzt gewiß sehr gut, und ich möchte gern walzen.
Er umschlang den schöngeformten Leib, und beide traten als ein herrliches Paar in den Saal. Ihr habt ja den bösen Degen noch um, sprach Yolande, und indem sie ihm Schwerdt und Wehrgehäng sehr geschickt von der Hüfte gürtete, fuhr sie fort: eine gute Vorbedeutung! Da lieg', du schlimme Geräthschaft! – Die Waffe floh auf einen reichen Sopha hin, und Alethes, sich zum leichten Scherz umstimmend, und bald von Yolandens, ihm so nahen Reizen in ein Meer der süßesten Trunkenheit gewiegt, schwebte mit ihr durch den hell tönenden und hell erleuchteten Saal.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Good Sounds: ANTONIN DVORAK, "New World" Symphony


Samstag, den 11.01. in Neunkirchen / Saar: Neujahrskonzert: Prager Charme & Wiener Schmäh


Prager Philharmoniker unter der Leitung von Markus Korselt
Neujahrskonzert: Prager Charme & Wiener Schmäh
Samstag - 11.01.2014 20:00 - Neue Gebläsehalle

Im Januar 2013 setzte das erste Neujahrskonzert mit der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg ein frühes Highlight in der noch jungen Veranstaltungsgeschichte der Neuen Gebläsehalle.

Dieses Mal sorgen die Prager Philharmoniker für den schwungvollen musikalischen Start in das neue Jahr. Das geschichtsträchtige Orchester gilt als Ausnahmeerscheinung im europäischen Musikland.

Gegründet wurde das anfangs verstaatlichte Orchester bereits 1948. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde es jedoch umgehend von der Regierung als nicht ökonomisch tragbar aufgelöst. Von diesem Zeitpunkt an verselbstständigte sich das große und ehrwürdige Sinfonieorchester und ist seitdem ohne jegliche staatliche und kommunale Zuwendung eigenständig und erfolgreicher denn je aktiv.

Die Leitung der Prager Philharmoniker übernimmt, wie schon 2013, Markus Korselt, der sich u. a. auch für die Homburger Meisterkonzerte verantwortlich zeichnet. Der Titel des Neujahrskonzert „Prager Charme und Wiener Schmäh“ wurde nicht zufällig gewählt, denn musikalisch orientiert sich das Prager Neujahrskonzert an dem traditionellen aus Wien: Viel Strauss-Dynastie und der Radetzky-Marsch zum krönenden Abschluss. Die böhmische Eigennote bringen Dvorak und Smetana hinein.

Freuen Sie sich auf einen wunderbaren, feierlichen musikalischen Start in das Jahr 2014!

www.prager-philharmoniker.de
Eintrittspreise
VVK: VVK: 27 € (PK1) / 25 € (PK2) zzgl. Geb.
AK: AK: 32 € (PK1) / 30 € (PK2)

Good Sounds: GENETIC DRUGS, Olololae Africa Club


Freitag, den 10.01. in Neunkirchen / Saar: AFRICA IMPRESSIONS


Freitag - 10.01.2014 20:00 - Neue Gebläsehalle

Ein visuelles Live-Konzert mit Chris Hinze und Kai-Uwe Küchler
Africa Impressions


Am Freitag, 10. Januar 2014, präsentiert die Vortragsreihe „Saar-Pfalz-Lichtblicke“ von Andreas Huber eine außergewöhnliche Veranstaltung in der Gebläsehalle in Neunkirchen. Bei „Africa Impressions“, einer Kombination aus inspirierender Live-Musik und brillant projizierten Fotos auf einer Großbildleinwand, entführen Sie der niederländische Spitzenmusiker und Komponist Chris Hinze und der bekannte Berliner Fotograf Kai-Uwe Küchler mit einer musikalischen Leinwandreise nach Afrika.
Zu den einfühlsamen Melodien von Chris Hinze, der sich „World Music“ auf die Fahnen geschrieben hat, spannt Kai-Uwe Küchler einen faszinierenden Bilderbogen der schönsten Landschaften von Südafrika, Namibia, Botswana und Simbabwe. Genießen Sie traumhafte Reiseimpressionen, magisches Flötenspiel und viele unterhaltsame Geschichten. Dieses Fest der Sinne ist ein absolutes Muss für jeden Musik- und Reise-Fan.

Good Sounds: EMMA6, Soundtrack für dieses Jahr


Prosa: TEUFELSKINDER (16) - Vom Mahle der Lästerer (3) - von Jules Amedée Barbey d'Aurevilly

Vom Mahle der Lästerer


3

Akt um 1860
»Eigentlich war es gar keine Ironie«, fuhr Mesnilgrand fort, »daß wir die Rosalba Pudika nannten, denn dieser Name stand ihr auf der Stirn. Die Schöpfung hatte ihn mit Rosenschrift darauf geschrieben. Sie machte nicht nur in Anbetracht dessen, was die doch war, einen zum Verwundern keuschen Eindruck. Es schien, als hätte sich die Natur in ihr den Scherz gewagt, Wollust und Keuschheit zu mischen und mit dieser himmlischen oder teuflischen Mischung die höchste Sinnenfreude, die ein Weib einem Mann zu gewähren vermag, in die Welt zu setzen. Es war keine Heuchelei dabei. Die Rosalba war keusch wie sie wollüstig war, und das Allermerkwürdigste: sie war beides zugleich. Sie konnte die gewagtesten Dinge sagen oder tun, es war etwas entzückend Verschämtes in ihrem Wesen, etwas in hohem Grade Rätselhaftes. Das ist mir unvergeßbar. Sie ging aus dem tollsten Bacchanal hervor wie Eva vor dem ersten Sündenfall. Dieses nach grenzenloser Hingabe kaum mehr lebende, zu Tod erschöpfte Weib war dann wieder die unberührbare Jungfrau, voll von neuem Zauber holdester Verwirrung und rosiger Schamhaftigkeit. Dieser Wandel machte einen rasend vernarrt in sie. Die Sprache hat nicht die Mittel, dies in die rechten Worte zu fassen.«

Der Erzähler machte eine nachdenkliche Pause. Keiner der ganzen Tafelrunde brach das Schweigen.

»Ihr könnt euch denken«, fuhr Mesnilgrand fort, »daß diese Seltsamkeit erst nach und nach bekannt wurde. Zunächst sah man an ihr nichts als ein hübsches junges Mädchen. Hätte der Major, als er zum Regiment kam, sie uns als seine rechtmäßige Frau oder als seine Tochter vorgestellt, so hätten wir es ihm ruhig geglaubt. >Ein verteufelt schönes Weib!‹ flüsterten die Weiberkenner. ›Aber eine Zierpuppe !‹ Damals lagen wir an der Grenze zwischen Spanien und Portugal. Wir waren hinter den Engländern her und rasteten in Orten, die unserem König Joseph nicht ganz feindselig waren. Der Major und die Rosalba lebten wie in einer heimatlichen Garnison.

Gewiß erinnert ihr euch, mit welcher Erbitterung der Krieg in Spanien geführt wurde, dieser langwierige Krieg, dem kein anderer glich. Aber zwischen den heißen Kämpfen und blutigen Schlachten gab es doch Zeiten, wo wir uns mitten in dem halberoberten Lande damit belustigten, den nicht ganz ›Afrancesadas‹ unserer Standorte Feste zu geben. In jenen Tagen war es, wo die Rosalba, die längst die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hatte, allgemein berühmt wurde. Sie leuchtete unter den dunkelhäutigen Schönheiten des Landes wie ein Diamant in einem Diadem von Similisteinen, wie eine echte Perle an einer Perlmutterkette. Und es dauerte nicht lange, so waren alle Offiziere in sie verschossen, vom jüngsten Leutnant bis zum Divisionsgeneral. Sie war mit einem Male zum Mittelpunkt eines Kreises zügelloser Männer geworden. Wie ein Sultan warf sie ihr Taschentuch dem zu, der ihr gefiel – und es gefielen ihr viele. Der Major tat, als sähe er nichts von alledem. War er zu selbstgefällig, um eifersüchtig zu sein, oder schmeichelte es ihm, seine Kameraden, die ihn, wie er wohl wußte, verachteten oder haßten, unter dem Bann dieses Weibes zu sehen, deren Herr und Gebieter er war? Manchmal sprühte dunkles Feuer in seinen smaragdgrünen Augen, wenn sie sich auf einen unter uns richteten, von dem man gerade munkelte, er sei der Auserkorene seiner Gefährtin. Und da man immer das Niederträchtigste annahm, so legte man seine Gleichgültigkeit oder Blindheit in der für ihn übelsten Weise aus. Man meinte, sie sei weniger das Aushängeschild seiner Eitelkeit als vielmehr ein Köder, den sein Ehrgeiz auswarf. Dies und ähnliches ward gesagt, wie derlei eben gesagt wird. Er wußte davon nichts. Mir, der ich Anlaß hatte, ihn zu beobachten, war die unerschütterliche Haltung dieses Mannes, der Tag für Tag von seiner Geliebten betrogen wurde, ein Rätsel.

Bei der Zügellosigkeit, die sie in die Arme so vieler in Liebesdingen nichts weniger als heiklen Offiziere trieb, war Rosalba sehr bald im ärgsten Ruf, aber vor der Welt vergab sie sich nichts. Man gestatte mir diesen spitzfindigen Unterschied.

Wenn sie einen Geliebten hatte, war dies für sie ein Geheimnis ihres Schlafzimmers. Ob ihres Benehmens vor der Welt hatte der Major nicht den geringsten Anhalt, der Rosalba Vorwürfe zu machen. Wenn sie gewollt hätte, wäre es ihr wohl möglich gewesen, ihr Geschick an einen andern zu ketten. Einmal war ein Marschall so vernarrt in sie, daß er ihr aus seinem Marschallstock einen Sonnenschirmstock machen ließ. Aber wie die Frauen nun einmal sind. Die Karpfen sehnen sich nach ihrem Schlamm zurück, sagt Frau von Maintenon. Die Rosalba brauchte sich gar nicht erst zurückzusehnen. Sie blieb gleich drin, und ich sprang auch hinein ...«

»Bis dahin aber?« warf Mautravers wißbegierig ein.

»Wahrlich, da gibt es nicht viel zu berichten. Ihr kennt alle das schöne Lied aus der Regentschaft:

Quand Boufflers parut à la cour,
On crut voir la reine d'amour.
Chancun s'empressait à lui plaire,
Et chacun lavait... à son tour.

Eines Tages kam auch ich an die Reihe. Ich hatte bis dahin schon Weiber gehabt die schwere Menge. Das kann ich wohl sagen. Aber daß es solche wie die Rosalba gab, hatte ich mir nicht träumen lassen. Der Schlamm war ein Paradies. Ich bin kein Romanschreiber. Also kann ich es euch nicht bis eins einzelne schildern. Ich war ein Mann der Tat, der die Weiber nahm wie der Graf Almaviva – brutal. Ich war auch bei der Rosalba kein Romantiker. In dem Glück, das sie mir gewährte, spielten Seele, Geist, Eitelkeit nicht die geringste Rolle. Und doch hatte auch diese Liebe ihre Tiefe. Den Abgrund der Sinnlichkeit. Wie soll ich das deutlicher machen? Ich finde kein einigermaßen passendes Bild.

Ihr könnt euch vorstellen, daß ein Weib, das schon bei dem flüchtigsten Blick erglüht, vor Wollust lodert, wenn man es nicht bloß mit den Augen reizt. Ihr Leib war im Genuß ein Erlebnis. Und mit diesem, Leibe bereitete sie mir eines Abends ein Fest. Sie hatte die Kühnheit, mich zu empfangen, angetan nichts als ein durchsichtiges Gewand aus indischem Musselin. Ihr Körper schimmerte durch diesen Schleier, der zart wie ein Hauch war, dem Beben, mit seinen reinen Linien, mit dem Rosenrot der Scham und der Wollust. Sie sah in ihrer wolkigen Hülle aus wie ein lebendiges Bildwerk aus mattem Korall. Seitdem habe ich keinen Gefallen mehr an der weißen Haut der andern Weiber. Sie reizen mich nicht...«

Er warf eine Orangenschale, mit der er gespielt hatte, mit der Gebärde der Geringschätzung von sich.

»Unser Verhältnis dauerte einige Zeit«, fuhr Mesnilgrand fort, »ohne daß ich es satt bekam. Man kriegt solch ein Weib nicht satt. Sie verstand es, in das Erdenhafte etwas Überirdisches zu bringen. Trotzdem gab ich sie auf. Aus Selbstachtung. Aus Verachtung ihres Stolzes, der sogar in der tollsten Raserei jedwede Liebe und Achtung zu mir leugnete. Sie war eine Sphinx. Ein unerforschbares Rätsel. Aber eine glühende Sphinx. Ihre Doppelnatur reizte und verdroß mich. Überdies hatte ich die Gewißheit, daß sie sich gleichzeitig noch andere Seitensprünge erlaubte. Das alles gab mir die Kraft, mit einem Ruck die Zügel zu zerreißen, durch die mich diese Sirene an sich gefesselt hatte. Ich verließ sie, oder besser gesagt, ich ging nicht mehr zu ihr. Ich mied sie mit der Überzeugung, daß es kein zweites Weib wie sie gab. Das feite mich vor allen Weibern. Erst jetzt ward ich Soldat im eigentlichen Sinne. Ich lebte nur noch für den Krieg. Die Rosalba hatte mir das Wasser der Vergessenheit gereicht...«

»Und so bist du ein Achill geworden!« sagte der alte Mesnilgrand voll Stolz vor sich hin.

»Ein paar Monate, nachdem ich mit ihr gebrochen hatte«, erzählte der Rittmeister weiter, »setzte sich der Major Ydow im Kaffeehaus an meinen Tisch, und ich erfuhr von ihm beiläufig, daß seine Geliebte Gefährtin einem gewissen Ereignis entgegensah. Die Herren, die mit am Tisch saßen, blickten einander bedeutungsvoll an. Man lächelte. Aber der Major merkte es nicht oder wollte es nicht bemerken. Als er gegangen war, fragte mich einer meiner Regimentskameraden: ›Ist das dein Kind?‹ Heimlich hatte ich mir bereits die nämliche Frage vorgelegt. Ich getraute mir weder laut noch leise eine Antwort. Die Rosalba hatte mir nie eine Andeutung davon gemacht, auch nicht in der vertrautesten Stunde, und so konnte das Kind von mir, vom Major, von wer weiß wem sein ...«

»Das Kind des Regiments!« warf Mautravers dazwischen.

Mesnilgrand fuhr fort:

»Wie schon gesagt, die Rosalba war eine Sphinx, die ihre Geheimnisse wahrte. Sie in anderen Umständen zu wissen, machte einen merkwürdigen Eindruck auf mich. Ein paar Tage dachte ich an nichts anderes als daran: Ist dies Kind von mir? Schließlich aber legte sich diese kleine väterliche Beunruhigung. Es kamen Dinge, die mich stärker in Anspruch nahmen als der Zustand der Rosalba. Wir schlugen uns bei Talavera. Der Eskadronchef Titan fiel, und ich übernahm seine Schwadron.

Das wüste Gemetzel jener Tage steigerte die Feindseligkeit des Landes auf das äußerste. Wir kamen keinen Augenblick zur Ruhe. Die Rosalba folgte dem Regiment auf einem der Gepäckwagen, und dort kam auch ihr Kind zur Welt. Wenige Tage alt starb es. Der Major, der das kleine Geschöpf abgöttisch liebte – er glaubte offenbar, es sei unbedingt sein Kind –, war tiefbetrübt darüber und zeigte seinen übertriebenen Schmerz derartig aller Welt, daß man das Lächerliche daran übersah. Man vergaß, daß er unbeliebt war. Man bedauerte ihn. Die Rosalba hatte nichts an ihrer Schönheit eingebüßt. Sie trotzte jedwedem Angriff des Lebens. Bei dieser ihrer Natur hätte sie uralt werden können...«

»Sie ist also nicht uralt geworden, die Landstürzerin?« unterbrach ihn Ranconnet, den das Schicksal dieser Frau in Spannung versetzt hatte. Die Begegnung in der Kirche hatte er für den Augenblick vergessen. »Und du weißt etwas von ihrem Ende?«

»Etwas, ja!« erwiderte der Rittmeister mit eigentümlicher Betonung, wie um darauf zu deuten, daß er jetzt zum Kern seiner Geschichte gelange.

»Alle Welt hat geglaubt, und du auch, daß sie zusammen mit dem Major in den wilden Tagen von Talavera umgekommen sei. Es sind damals so viele verschollen. Aber das Schicksal der Rosalba war besonders seltsam. Ich will es erzählen.«

Mesnilgrand stützte die Ellbogen, auf den Tisch. Der Rittmeister Ranconnet umfaßte mit der Rechten den Stengel seines Weinglases wie den Griff seines Säbels.

Mesnilgrand begann von neuem:

»Der Krieg nahm kein Ende. Die wütenden Spanier, die fünfhundert Jahre darauf verwendet haben, die Mauren aus dem Lande zu vertreiben, hätten die gleiche Zeit auch uns gewidmet, wenn es hätte sein müssen. Wir drangen nur schrittweise vorwärts. Die eroberten Ortschaften mußten wir sofort befestigen und als Wall gegen den Feind verwenden. So kamen wir in den kleinen Ort Alcudia und blieben dort eine Zeitlang. Das große Kloster ward zur Kaserne verwandelt. Die Offiziere des Regiments lagen in den Häusern. Der Major beim Dorfschulzen. Da das Haus geräumig war, kamen die anderen Herren manchmal hin. Mit den Einwohnern verkehrten wir nicht. Der Franzosenhaß war zu toll geworden.

Die Rosalba war an diesen Empfangsabenden die Dame des Hauses und bewirtete uns mit einem Glas Punsch in ihrer unnahbaren Haltung, die mich immer ein Witz des Teufels dünkte. Draußen krachten die Schüsse der Vorposten.

Ich kümmerte mich nicht darum, wer meine Nachfolger in ihrer Gunst waren. Ich hatte mich völlig von ihr befreit und empfand weder Groll noch Eifersucht, noch die Bitternis der verletzten Eitelkeit. Ich war Zuschauer geworden. So scheute ich auch nicht das Haus des Majors. Die Rosalba unterhielt sich mit mir im Kreise der ändern, als hätten wir einander nie nahegestanden. Der Sinnenrausch von ehedem war verweht. Mitunter aber verspürte ich doch leise Sehnsucht nach dem Nocheinmal, ähnlich wie vor einem letzten Glas Sekt, das man schon beiseite geschoben hat, das man aber doch wieder ergreifen möchte, weil irgendein Lichtschimmer den Rest verlockend durchfunkelt.

Dies sagte ich ihr eines Abends, als ich einmal allein mit ihr war. Früher denn sonst hatte ich das Kaffeehaus verlassen, wo die Offiziere zusammensaßen beim Billard- und Kartenspiel. Es war ein heißer, beinahe afrikanischer Abend. Die glühende Sonne wollte sich nicht losreißen vom Himmel. Ich fand die Rosalba, kaum bekleidet, mit nackten Schultern, die schönen Arme bloß. Das Haar fiel ihr schwer in den Nacken, der in der Abendbeleuchtung erdbeerfarben schimmerte. Sie war verführerisch wie eine Teufelin.

So halbnackt saß sie am Tisch und neigte sich über einen Brief, den sie schrieb. Wenn sie etwas zu schreiben hatte, war es natürlich an einen Liebhaber zwecks erneuter Untreue. Als ich eintrat, war der Brief gerade fertig. Rosalba siegelte ihn zu und hielt eben die blaue silbergesprenkelte Siegellackstange in die Flamme einer vor ihr brennenden Kerze. Ich sehe alles das noch deutlich vor mir. Warum, das werdet ihr nun hören. ›Wo ist mein Mann?‹ fragte sie mich, in jener merkwürdigen Verwirrung, in die sie stets geriet, wenn sie in Gegenwart eines Mannes war.

›Beim Jeu. Er spielt wieder einmal wie wahnsinnig‹, berichtete ich ihr, die goldige Locke in ihrem Nacken betrachtend, die ich so oft geküßt hatte, und fügte scherzend hinzu: ›Irgendeine Tollheit ergreift an solch einem Abend jeden ...‹

Sie verstand mich, ohne davon überrascht zu sein. Sie war an die Lüsternheit der Männer genugsam gewöhnt. ›Torheit!‹ erwiderte sie langsam, während sich das heiße Rot ihrer Wangen zu Purpur wandelte. ›Ihre Tollheit ist vorüber.‹ Während sie dies sagte, drückte sie das Siegel auf das siedende Wachs, das alsbald erstarrte. ›Sehen Sie da‹, fuhr sie im Ton der Herausforderung fort. ›Ein Gleichnis Ihres Herzens! Im Augenblick noch siedend heiß und gleich darauf starr und kalt!‹

Damit drehte sie den Brief um und wollte die Aufschrift beginnen. Ich war wahrlich nicht eifersüchtig, aber doch begehrte ich zu wissen, an wen der Brief gerichtet sei. Ich beugte mich von rückwärts über sie. Indem ich sie dabei berührte, lehnte sie sich zurück und sah mich ver- wirrt-lüstern an, wie einen die Rosalba anzusehen pflegte, mit halbgeöffneten Lippen...

Da hörten wir den Major die Treppe heraufkommen.

Die Rosalba sprang auf.

›Er wird uns eine schreckliche Szene machen! Sicherlich hat er viel verloren, und dann ist er immer eifersüchtig und heftig. Schnell! Verstecken Sie sich in dem Schrank da!‹

Sie öffnete einen großen Kleiderschrank und drängte mich ohne weiteres hinein. Was sollte ich tun? Übrigens glaube ich, es gibt kaum Männer, die nie in ihrem Leben in einem Kleiderschrank oder in etwas Ähnlichem gesteckt haben, um dem Ehegatten oder dem rechtmäßigen Eigentümer eines weiblichen Wesens zu entgehen...« »Ich hab' einmal in einen Kohlenkasten kriechen müssen!« warf Selune lachend ein. »Ich war damals weißer Husar. Man stelle sich vor, wie ich ausgesehen habe, als ich wieder heraus durfte.« »Ja«, nahm der Rittmeister Mesnilgrand wieder das Wort. »Unter gewissen Umständen sind die verwegensten Kerle Feiglinge, einer zitternden Frau zuliebe. Wenn ich an den Schrank denke, wird mir noch heute übel, nach so vielen inhaltsreichen Jahren. Den Säbel an der Seite, in einem Kleiderschrank zu stecken, das ist der Gipfelpunkt der Lächerlichkeit! Noch dazu eines Frauenzimmers wegen, die gar keine Ehre zu verlieren hatte!

An derlei zu denken, hatte ich natürlich keine Zeit. Der Major war inzwischen in die Stube getreten. Die Rosalba hatte richtig vorausgesehen. Ydow befand sich in rasender Stimmung. Seine Anfälle von Eifersucht waren um so maßloser, gerade weil er sie vor uns zu verbergen ängstlich bemüht war. Offenbar fiel sein erster Blick auf den Brief, der auf dem Tisch liegengeblieben war und dank unserer verliebten Anwandlung noch keine Aufschrift trug. ›Was ist das für ein Brief?‹ fragte er mit rauher Stimme. ›Ein Brief nach Italien!‹ gab die Rosalba gelassen zur Antwort. Mit diesem Bescheid gab er sich nicht zufrieden. ›Das ist nicht wahr!< rief er grob. Seine Gemeinheit trat zutage. An diesem kurzen Wortwechsel erkannte ich den Ton, der zwischen den beiden Eheleuten herrschte. Sie hatten tagtäglich derartige Auftritte. Ich in meinem Schrank sah nichts, hörte aber alles. Ich vernahm sozusagen aus ihren Worten ihre Gesten, aus dem Klang ihrer Stimmen den Ausdruck ihrer Wut. Der Major verharrte dabei, den Brief lesen zu wollen, aber Rosalba weigerte sich hartnäckig, ihn herzugeben. Nun wollte er ihn mit Gewalt entreißen. Die Tritte der Füße und das Rascheln der Kleider zeigten mir an, daß sie miteinander rangen. Natürlich war der Major stärker als sie. Er entwand ihr den Brief und las ihn. Er ersah daraus, daß sie einen Liebhaber zu einem Stelldichein einlud, daß der Betreffende bereits beglückt worden war und daß er abermals von neuem beglückt werden sollte. Nur war der Name des Geliebten nicht genannt. Maßlos neugierig wie alle Eifersüchtigen war der Major auf den Namen dessen erpicht, mit dem er betrogen wurde. Aber umsonst. Das war die Vergeltung für den rohen Raub des Briefes und die vielleicht blutige Mißhandlung der Hand, die ihn festhalten wollte. Rosalba hatte im Kampf geschrien: ›Lump, du reißt mir die Hand ab!‹ In Ungewißheit gelassen, vernarrt, verhöhnt durch diesen Brief, der ihm nichts verriet, als daß Rosalba einen Liebhaber hatte – einen mehr –, geriet der Major in rasende, würdelose Wut und überschüttete seine Geliebte mit gemeinen Schimpfworten, mit groben Landsknechtsflüchen. In den rohesten Worten warf er ihr vor, sie sei – nun, was sie ja war. Er fand kein Maß. Auf alles das antwortete sie als echtes Weib, das keine Rücksicht mehr nimmt, das den Mann, an den sie gekettet ist, bis in die Eingeweide kennt und das längst weiß, daß in der Tiefe solch tierischen Zusammenhalts der ewige Krieg lauert. Sie war nicht so gemein wie er in seiner Wut, dafür aber grausamer, höhnischer. Sie lachte mit dem wahnsinnigen Lachen des erbittertsten Hasses und warf ihrem Beschimpfer Worte entgegen, wie sie die Frauen zu finden wissen, wenn sie einen Mann um den Verstand bringen wollen, Worte, die in die Fülle seines Ingrimms einschlagen wie Handgranaten in ein Pulverhaus. Mit eiskalten Worten schrie sie ihm ins Gesicht, sie liebe ihn nicht, habe ihn nie geliebt: ›Nie! Nie! Nie!‹ rief sie ihm zu, wild und frohlockend, als tanze sie auf seinen Nerven. Der Gedanke, daß dies wahr sein könne, war ihm das Schrecklichste, das Grausamste, das ihn am tiefsten Verwundende, denn im Grunde war seine Leidenschaft nichts als Eitelkeit. ›Und unser Kind!‹ warf er ein, als müsse dies ein Beweis ihrer Liebe zu ihm sein. ›Ach, unser Kind!‹ rief sie aus und begann höhnisch aufzulachen. ›Das war nicht von dir!‹ Der Major fauchte wie eine wilde Katze. Ich konnte mir deutlich vorstellen, wie unheimlich seine grünen Augen dabei funkeln mußten. Er stieß einen tollen Fluch aus und fragte: ›Na, von wem denn? Ich will den Kerl wissen, du verdammte ...‹ In seiner Stimme klang nichts Menschliches mehr. Sie lachte von neuem auf wie eine Hyäne. ›Das wirst du nicht erfahren!< erklärte sie und wiederholte diese Worte immer wieder. Und als sie ihn genugsam damit verhöhnt und gepeitscht hatte, begann sie eine lange Reihe von Namen aufzuzählen, deren Träger allesamt ihre Liebhaber gewesen waren. Jedem fügte sie den vollen Titel bei. Es war das ganze Regiment. ›Alle diese Herren habe ich gehabt! Aber keinen habe ich geliebt. Nur einen einzigen. Und von dem war mein Kind, das du so töricht bist, für deins zu halten! Den einen habe ich geliebt! Vergöttert! Hast du es nicht geahnt? Weißt du nicht, wer es ist?‹ Sie log. Nie hatte sie einen geliebt. Aber sie wußte, daß dieses falsche Bekenntnis den eitlen Major wie ein Dolchstoß treffen mußte. Sie stieß ihm die grausame Waffe tiefer und tiefer in den Leib, und zuletzt drehte sie sie gleichsam in der Wunde noch um, indem sie ihm die Worte zuzischte: ›Du Esel, da du es nicht herauskriegst, will ich's dir gestehen. Es war der Mesnilgrand!<

Nach diesem angeblichen – oder wirklichen? – Geständnis trat Totenstille ein.

›Hat er sie als stumme Antwort einfach erdrosselt?‹ fragte ich mich.

Da vernahm ich das Klirren von Glas, das in tausend Scherben bricht, mit aller Macht zu Boden geschleudert.

Wie schon erzählt, hielt der Major das Kind der Rosalba für das seine. Er hatte es maßlos geliebt und war über seinen Tod tief betrübt. Da es ihm im Bewegungskrieg, wo man jeden Tag an einem anderen Ort lebt, unmöglich war, dem Kind ein Grabmal zu errichten, um aber doch eine Art Totenkult zu treiben, hatte er das Herz des kleinen Toten einbalsamieren lassen und führte es in einer kleinen Glasurne überall herum. Es pflegte in einer Ecke des Schlafzimmers seinen Platz zu haben.

Diese Urne war in Scherben gegangen.

›Es war also nicht mein Kind!‹ schrie er. ›Du verruchte Metze!‹

Ich hörte, wie er mit seinen schweren Reiterstiefeln über die knirschenden Scherben trat. Er zertrat das Herz, das sein Abgott gewesen. Wahrscheinlich wollte Rosalba es der Vernichtung entreißen und es retten. Ich vernahm, daß die beiden abermals wild gegeneinander rangen. Ich hörte Schläge fallen.

Dann erscholl wieder die rauhe Stimme des Majors: ›So, wenn du ihn haben willst, hier hast da deinen Wechselbalg, alte Kokotte!«

Damit warf er ihr das Herz, das einst zärtlich geliebte, an den Kopf. Rosalba tat offenbar das nämliche. Eine Schandtat erzeugt die andere. Etwas Unerhörtes! Ein Vater und eine Mutter, die sich einander das Herz ihres toten Kindes in das Gesicht warfen!

Der ruchlose Kampf dauerte einige Minuten. Er war so erschütternd, daß ich zu keinem Entschluß kam. Ich hätte mich gegen die Schranktür stemmen, sie aufsprengen und in den Auftritt eingreifen können. Da erscholl ein Schrei, wie ich nie einen vernommen, und Sie, meine Herren, gewiß auch nicht – und wir haben doch genug Entsetzliches auf den Schlachtfeldern gehört! Jetzt hatte ich die Kraft, aus dem Schrank hervorzubrechen, und ich sah ... Unglaubliches! Die Rosalba war bezwungen über den Tisch gefallen, an dem sie ihren Brief geschrieben hatte. Der Major hielt ihren aller Hülle beraubten nackten Körper mit der einen Hand nieder. Sie wand sich unter dem ehernen Griff hin und her. Und was tat er mit der ändern Hand? Der Schreibtisch, die brennende Kerze und die Siegellackstange daneben hatten ihn auf den satanischen Einfall gebracht, sich mit diesen Dingen zu rächen: die Untreue zu besiegeln, wie sie den Brief gesiegelt hatte! In tollem Eifer vollzog er die entsetzliche Rache!

›Du Hure verdienst keine andere Strafe«, rief er aus, ›als an deiner gottverdammten.. .‹

Der Major bemerkte mein Erscheinen nicht. Über sein verstummtes Opfer gebeugt, drückte er eben den Säbelknauf als Siegel auf die Stelle mit dem siedenden Wachs. Ich ging auf ihn los und stieß ihm meinen Säbel von hinten in den Rücken, tief hinein, bis zum Korb, ohne ihn vorher anzurufen.«

»Das hast du recht gemacht!« rief Sélune. »So ein Kerl verdient es nicht anders!«

»Die umgekehrte Geschichte von Abälard und Heloise!« spottete der Ex-Pfaffe.

»Ein ebenso merkwürdiger wie seltener Fall!« bemerkte der Doktor Bleny. Ohne darauf, einzugehen, fuhr Mesnilgrand in seiner Erzählung fort: »Der Major sank tot auf die Ohnmächtige. Ich riß ihn weg und warf ihn zu Boden. Inzwischen war die Dienerin herbeigekommen, ebenfalls auf den grellen Schrei hin.

›Holen Sie sofort den Feldscher!‹ rief ich ihr zu.

Ich hatte aber nicht die Zeit, sein Erscheinen abzuwarten. Das Alarmsignal erklang. Ich mußte zu meiner Schwadron. Der Feind hatte den Ort überfallen. Die Posten waren meuchlings niedergestochen.

Ehe ich zu meinen Pferden ging, warf ich einen letzten Blick auf den schönen starren mißhandelten Weibeskörper und hob das Herz auf, das im Staub lag. War es doch das Herz meines Kindes! Ich steckte es in die Feldbinde.«

Mesnilgrand hielt inne. Es klang etwas wie leise Rührung aus seiner weltmännischen Stimme.

»Und die Rosalba?« fragte Ranconnet.

»Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört«, erwiderte der Rittmeister.

»Ist sie daran gestorben? Ist sie am Leben geblieben? Hat der Feldscher noch kommen können? Ich weiß es nicht. Nach dem Gefecht – es war der Überfall von Alcudia, der uns so verhängnisvoll ward! – suchte ich ihn, vermochte ihn aber nicht zu finden. Er wurde vermißt wie damals so viele andre. Unser Regiment hatte schlimme Verluste.«

»Die Geschichte ist famos!« erklärte Mautravers. »Schade, daß sie zu Ende ist! Aber gestatte eine Frage! Sie wäre eigentlich Sache Ranconnets; aber ich sehe, er sitzt traumverloren hinter seinem Humpen. Sage einmal, in welchem Zusammenhang steht deine Geschichte nun zu deinem Beichtgäng am vergangenen Sonntag? Das möchten wir doch alle gern wissen.«

»Gewiß! Das soll nicht vergessen werden!« antwortete Mesnilgrand. »Also hört! Jahrelang habe ich das Herz bei mir herumgeschleppt wie eine Reliquie. Ich war abergläubisch. Seit ich aber nach Waterloo nicht mehr Soldat bin, wollte ich immer und immer das schon arg geschändete Herz nicht länger schänden. Doch es verging Zeit um Zeit. Schließlich hab' ich mich hier an einen Priester gewandt und hab' es ihm am vergangenen Sonntag in seinen Beichtstuhl gereicht. Er wird es in geweihter Erde zur Ruhe bestattet haben.«

Der Rittmeister Ranconnet blieb still und stumm. Auch die andern hatten nichts zu fragen. Dachten sie insgeheim nach, wie gut und schön es wäre, wenn die Kirchen keinen andern Zweck hätten, als dann und wann ein totes oder auch ein lebendiges Herz in ihrem Dämmerdunkel aufzunehmen, das sonst nirgends in der Welt eine Zufluchtsstätte fände?

»Der Kaffee soll aufgetragen werden!« befahl der alte Herr von Mesnilgrand mit dürrer Stimme. »Wenn er wie deine Geschichte so stark ist, wird er gut sein!«

Dienstag, 7. Januar 2014

Good Sounds: KING'S COLLEGE CHOIR, Zadok the Priest


Zurzeit in Saarbrücken: "2 Minuten" - Ausstellung zum Filmfestival Max Ophüls Preis


Bis 31.01.2014, SaarLB, Ursulinenstraße 2, 66111 Saarbrücken

"2 Minuten" - Ausstellung zum Filmfestival Max Ophüls Preis

Aus Anlass seines 35. Jubiläums widmet das Filmfestival Max Ophüls Preis zusammen mit der Saar LB seinen Wegbegleitern eine Fotoausstellung.

Künstler-Portraits aus 34 Jahren Max-Ophüls-Preis

Die Ausstellung „2 Minuten“ zeigt 19 Künstler-Porträts, darunter von Anna Maria Mühe, Alice Dwyer und Nora von Waldstätten, die während der Festivalwoche entstanden sind – in nur zwei Minuten, spontan und unverfälscht.
Ausstellungsmotiv

Sie ist ein Dankeschön an die vielen Nachwuchsschauspieler und Filmschaffenden, die in Saarbrücken den Grundstein ihres Erfolgs gelegt und ihren Teil dazu beigetragen haben, dass das Festival Max Ophüls Preis zu einem der wichtigsten Nachwuchsfestivals des deutschen Films geworden ist.

Die Ausstellung wurde von Marisa Villareale kuratiert und findet in Zusammenarbeit mit der SaarLB statt.

Die Ausstellung kann während der Öffnungszeiten in der Kundenhalle der SaarLB besucht werden.