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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 4. Dezember 2012

Dichterhain: MEERESWELLE von Karin Michaeli
















Meereswelle

Nacht für Nacht
und Tag für Tag
laufe ich weit aus
bis in die Dünen
und rolle von dort
Tag für Tag
zurück in die tiefe See
die mit tosendem
Donnergrollen
mich niemals
zu halten vermag.

Ich bäume mich auf
im brausenden Sturm
und treibe immer wieder
aufs neue an Land -
und suche dort nach etwas
was ich in den Tiefen
des Meeres nie fand.

So rolle ich
jahrein und jahraus
seit Millionen von Jahren.
Ich komme an
und geh wieder zurück -
das ist der Meereswelle Glück.

(c) karin michaeli

Montag, 12. November 2012

Die beliebtesten Gedichte der KW 45

Letzte Woche besuchten meine Leser besonders folgende Gedichte:


1  Dichterhain: ERSTARRTE ORDNUNG von Ljiljana Graffé

2  Fantasien zur Nacht: FEENHAAR von Harma-Regina Rieth
3  Dichterhain: DELFINTRÄUME von Karin Michaeli

Montag, 5. November 2012

Dichterhain: DELFINTRÄUME von Karin Michaeli





Delfinträume

Ein kleines Segelboot
auf dem blauen Meer -
ein Delfin begleitet mich,
springt über Wellen hinaus.

Ich fliege mit den Möwen
über das Wasser dahin -
bis zum lilablauen Abendrot,
am Horizont werde ich ankern.

Häuser, Menschen, Sorgen -
alles liegt weiter hinter mir.
Weiter geht die Reise morgen -
mit einem unbekannten Ziel.

(c) Karin Michaeli, Düsseldorf

Freitag, 5. Oktober 2012

Dichterhain: NACHTFLÜGE von Karin Michaeli

Nachtflüge

In tiefer Nacht
streift ein Flügel
mein Gesicht.

Eine Möwe
sitzt neben mir -
macht eine Pause

auf ihrem Flug
über die Meere
auf meinem Bett.

Ein Glas Wein
reicht sie mir.
Sie schreit, lacht.

Schaut mir in
die Augen frech -
ich trinke durstig,

bekomme Flügel,
erhebe mich trunken
und fliege mit.


(c) Karin Michaeli
, Düsseldorf

Samstag, 15. September 2012

Stell' Dir vor es ist Abend und Du hast den ganzen Tag weder E-Mail noch SMS bekommen... von Karin Michael


Was machst Du denn dann mit dieser Erkenntnis ? Niemand denkt an Dich – „Keine Sau ruft Dich an, kein Schwein will was wissen von Dir“ sang dereinst schon Max Raabe. Und nun bist Du selbst der arme von der Welt gemiedene Tropf.

Fängst Du an E-Mails zu schreiben ? Auf dem Handy rumzusimsen ? Oder greifst Du entschlossen zum Telefon ?

Oder ziehst Du Dich zurück in Deinen eigenen inneren Paradiesgarten und fängst an, Dich zu beschäftigen ? Stricken, bügeln, Rumtopf ansetzen, malen, zeichnen, TV glotzen – oder gar lesen ?

Oder hörst Du Musik, spielst bei Beethovens Eroica den Dirigenten ?

Oder hörst Dir vielleicht deutsche Schlager an ? Wenn schon keiner was wissen will von mir, so höre ich aus Trotz gerne mal die in meinem Bekanntenkreis viel mißachteten deutschen Schlager. Sollen sie doch sehen, was sie davon haben ! Jawoll !

Mit Freddy Quinn begebe ich mich erstmal auf die Reise nach Tampico und kehre über Hongkong wieder zurück an den Hafen, um sogleich mit Lolitas „Seemann“ wieder in See zu stechen. Auf See besinge ich den „Drunken Sailor“ und beweine mit dem „Ring mit zwei blutroten“ Steinen das wieder ankommen an Land.

Weiter geht es mit „Good by my love good by“ - aber auf Deutsch ! Da kann ich so schön mitsingen und ich habe die nächsten alten Scheiben schon parat liegen. Es wird ein lustiger Abend werden mit Gitte, Wencke Myrrhe, Peter Kraus und der unvergesslichen Caterina Valente.

Heute morgen im Frühstücks-TV fragte der Moderator seinen Gast, ob er gerne Schlager höre. Er habe da so etwas vernommen. Nachdem der Gast dies eher als „Gag“ hinstellte, zeigte sich der Moderator beruhigt. Ja, er sagte: „Da bin ich ja beruhigt“.

Was ist so schlimm daran, wenn jemand gerne deutsche Schlager hört – zumal wenn er die aussterbende Sprache Deutsch soeben noch beherrscht ?

Mein Freund Gauri aus Indien hört so gerne deutsche Schlager, wie wir indophilen GenossInnen den Ravi Shankar hören. An einem Ayurveda-Wochenende hatte er für den Abend mantras mitgebracht – aber auf seinen besonderen Wunsch, ihm doch einmal „La Paloma“ vorzusingen, sangen wir den ganzen Abend nur noch deutsche Schlager und der Abend war wunderschön und lustig.

Also wisst Ihr Freunde meiner virtuellen WG was Ihr zu tun habt, um mich glücklich zu machen. Meldet Euch nicht, zeigt mir die kalte Schulter und ich lebe meinen Trotz aus auf dem Plattenspieler mit den alten Kumpels von damals.

Freitag, 7. September 2012

Dichterhain: NACHTGEDANKEN von Karin Michaeli

















Nachtgedanken

Nachts nicht schlafen können -
vom Surfbrett gesprungen
bevor der Wind mich treibt
ins Land der Unwissenheit.

Es sollte ein Dampfer sein
der uns mit seiner Schubkraft
in die Ewigkeit entführt -
das Schiff war für uns zu klein.

Nachts nicht schlafen können,
die Sterne spucken mir ins Gesicht,
der Mond nimmt Drohgebärden an,
der Nachtwind kühlt mich nicht.

Das Herz schlägt langsam nun -
nicht mehr im Dreivierteltakt
der schillernden Liebesillusionen.
Wer wird mit dir nun wohnen

Auf dem alten rostigen Kahn ?
Springt der Motor nochmal an ?
Ist vielleicht Sand im Getriebe
auf dem Dampfer der Liebe ?

Die Sonne wird mich wecken
nach der langen schlaflosen Nacht.
Wird mich hüllen in ihre Strahlen -
Tagwind wird meine Wunden lecken.


(c) Karin Michaeli

Dienstag, 15. Mai 2012

Mein Notquartier in einem Hotel für Haus- und Kleintiere in der Bretagne (von Karin Michaeli)


Auf meiner Reise durch die Bretagne gelange ich eines schönen Abends nach Roscoff, einer kleinen Hafenstadt von der sich das Meer soeben zurückgezogen hat, um nach 6 Stunden Ebbe umso gewaltiger wieder zurückzufluten.

Ich bin auf der Suche nach einer Unterkunft und werde, wie seinerzeit das himmlische Paar, überall abgewiesen mit abschätzigen Blicken. Nun, ich entspreche vielleicht nicht den landläufigen Vorstellungen von einem zahlungskräftigen Touristen.

Meine Schuhe sind ziemlich verdreckt, der fleckige Rucksack sah ebenso wie der zerknautschte Anorak schon mal bessere Zeiten und das mir wirr vom Kopf stehende Lockenhaar kann den ersten Eindruck auch nicht verbessern.

Traurig schlendere ich durch den Ort und gelange plötzlich an ein Haus mit einem Schild „Hotel für Haus- und Kleinsttiere“. Hier klingele ich in der Hoffnung, wenigstens einen Platz in einer Hundehütte zu bekommen für die Nacht. Ein Schäferhund mit Pförtneruniform und der entsprechenden Kappe dazu auf dem Kopf öffnet mir die Tür. „Menschen nehmen wir hier nicht auf“ sagt er in einem bellenden Ton. Ich schaue ihn an, traurig wie ein Dackel und das scheint sein Herz zu erweichen. „Na, kommen Sie mal rein und trinken Sie wenigstens mal einen Grog – Sie sind ja völlig durchnässt“, brummt er vor sich hin.

Ich folge ihm in die Hotelhalle und hier liegen lasziv dahin geräkelt mehrere Katzen in aufregend erotischer Unterwäsche mit Strapsen und Stöckelschuhen. Sie deuten mir an, zwischen ihnen Platz zu nehmen und fangen auch sogleich an, mir die Finger zu lecken. Es ist mir unangenehm und sanft setze ich sie zur Seite.

Ein Graupapagei schreit mich an: „Katzenfeind, Katzenfeind !“ Ich rechtfertige mich, sage dem Papagei, das durch leckende Katzen Würmer übertragen werden und der Papagei meint, ich sei wohl schwer am spinnen. So etwas habe er noch nie gehört und außerdem sei das hier ein Hotel, in dem auch Kleinsttiere willkommen sind.

Es dauert nicht lange und ein Kaninchen steht vor mir in Dieneruniform und deutet mir, ihm zu folgen. Mit dem Lift fahren wir in den dritten Stock und hier bekomme ich mein Zimmer zugewiesen. Irgendwie geht es hoch her in den Zimmern um mich herum. Quaken, Stöhnen, Brummen, Fiepen und Piepsen sind nur einige der Klänge in dem Orchester, das sich meinen Ohren kundtut.

Mitten in der Nacht werde ich geweckt von einer nachtaktiven Tanzmaus im Tüttü, die unbedingt mit mir nach Maurice Ravels Bolero tanzen möchte. Um meine Ruhe zu haben, tue ich ihr den Gefallen. Als ich erschöpft auf mein Bett falle, bitten mich zwei nachtaktive Goldhamster, mit ihnen Skat zu spielen – brauchen noch einen dritten Mann. Auch hier kann ich nicht nein sagen.

Als ich endlich morgens gegen fünf Uhr in meinen wohlverdienten Schlaf fallen möchte, werde ich geweckt vom Zwitschern der soeben erwachenden Nymphen- und Wellensittiche, die sich lautstark darüber zanken, ob man sich mit einem Graupapagei anfreunden sollte oder nicht. Sie trauen dem Coco wohl nicht so ganz, weil er ihnen immer die Traubenbeeren wegschnappt.
Gegen sechs Uhr kommt ein Putztrupp voller fleißiger Bienen in Arbeitskleidung an mit kleinen Eimerchen und Besen und begibt sich an die Zimmerreinigung. Es ist wie im menschlichen Leben: die Kleinsten müssen am meisten schuften.

Völlig übernächtigt nehme ich im Frühstückssaal Platz und ein großer Bernhardiner führt mich zu meinem Frühstückstisch, den ich mit zwei Rauhhaardackeln und einem afghanischen Windhund teilen darf. Während die Bellos ihr Schappi schlabbern, esse ich mein Baguette mit Camenbert, welches der Bernhardiner eigens für mich auf dem Markt besorgt hat. Sogar eine große Tasse Kaffee wird mir gebracht aus dem kleinen Café von nebenan.

Geld möchte der Portier, der Schäferhund, nicht annehmen. Es sei ihnen eine Ehre gewesen, mich zu Gast zu haben in diesem Hotel. Mit meinem zerzausten Haar hätten mich alle erst für ein verirrtes Schaf gehalten und man sei sich mitleidig einig geworden, mich als Gast zu beherbergen. Schafe seien nun mal blöd und da könne man nicht erwarten, das da auch noch Geld zu holen sei.

Erstaunt trete ich meinen Weg in den Hafen von Roscoff an, nicht ohne noch mehrmals hinter mich zu schauen, ob mir jemand folgt. Als ich endlich auf meinem Fährschiff sitze, kneife ich mich fest in den Arm und spüre: Ich bin noch da. Ich bin es wirklich und habe übernachtet in einem Hotel für Haus- und Kleinsttiere.

(c) Karin Michaeli, Düsseldorf 

Dienstag, 7. Februar 2012

Jeht et Ihnen nit juut ? - Ein Düsseldorfer im Kölner Swinger-Club von Karin Michaeli

Erwin, ein rüstiger Endvierziger, wollte es schon immer mal tun und hatte sich nun endlich ein Herz gefasst, um sich auf den unaussprechlichen Weg zu machen - den Weg in einen Swingerclub am Rande von Köln-Porz.

Seiner Lebensgefährtin hatte er von seinem kleinen Ausflug keine Mitteilung gemacht aus politischen Gründen. Er wollte schon seit langem mal Sex haben mit mehreren Frauen gleichzeitig, hatte sich aber noch nie getraut, dies in die Tat umzusetzen. Nach Maniküre, Pediküre und mehreren Packungen auf Gesicht, Brustkorb und Haar zog er frische Unterwäsche an und stieg dann in seine flotten Markenjeans, zog ein blütenweißes Hemd an und legte sein kleines Goldkettchen um den Hals.

Sein Navi brachte ihn von Düsseldorf-Oberkassel ohne Umwege zum Club am Rande von Köln-Porz und aufgeregt zahlte er die 180,- Euro Eintrittsgeld.

Der Club war untergebracht in einem Zweifamilienhaus, das umgeben war von einem großen Garten mit einer Grill-Sitzecke, auf der sich die Aufhängevorrichtung für eine Hollywoodschaukel befand. Erwin fragte sich, ob hier im Sommer auch orgiastische Begegnungen stattfinden würden.

Beim Betreten des Clubs wurde er gebeten, bis auf die Unterwäsche die Garderobe abzulegen und diese einzuschließen in einen Spind, der sich, wie man unschwer übersehen konnte, im ehemaligen Partykeller befand, der nun ausgebaut war zu einer Art Waschraum mit Kleiderspinden - ähnlich wie beim Kieser-Training.

Er schritt die Treppen hinauf in den Empfangsraum. Hier befand sich eine große hufeisenförmige Bar. Ein riesiges Salatbüffet lud zum Schlemmen ein. Garniert war das ganze mit Essiggurken und Radieschen.

An der Theke saßen einige Frauen in Unterwäsche und schauten gelangweilt Bundesliga, die auf Großbildschirmen von drei Seiten ausgestrahlt wurde. 

Männer waren in dem Raum nicht zugegen. Erwin fühlte sich seltsam geborgen inmitten so vieler williger Frauen. Er ging zielstrebig auf eine brünette Mitvierzigerin zu mit seinem Salatteller in der Hand. Auf seine Frage, ob er neben ihr sitzen dürfe, rückte sie beiseite und er erahnte ihren zarten Moschus-Ochsen-Duft.

Die Dame nuckelte an einem Strohhalm, der in einer Latte steckte. Seine Frage, ob er sie einladen dürfe zu einem Gläschen Sekt, verneinte sie und lachte dabei laut auf. Sie müsse ja noch Auto fahren, wenn ihr Mann sich genügend umgesehen habe im Haus. Aha, ihr Mann war also auch dort. Ja, er liebe es, Menschen heimlich beim Sex zuzuschauen und deshalb komme er mit ihr alle 6 Wochen mal hierher. Sie aber mache sich nichts aus Swingerclubs und lasse ihrem großen Jungen gerne die Freiheit mal zu gucken. Wenn es ihm dadurch besser gehe, warum nicht ? Sie gehe allerdings hin und wieder mal hoch, um zu schauen, ob er auch brav sei und dann setze sie sich wieder gemütlich an die Bar und verfolge das TV-Programm.

Erwin war verblüfft - er konnte nicht glauben, was er hörte und schaute in die Runde. Alle Frauen saßen dort mit ihrer Tasse Latte oder Kaffee. Hin und wieder ging eine mal raus, schaute, ob ihr Männlein auch brav sei und kehrte zufrieden wieder zurück, um sich der TV-Sendung hinzugeben.

Erwin verging langsam die Lust auf erotische Abenteuer und plötzlich begann er zu frieren. Er wurde etwas blass um die Nase und die Herrin des Hauses, die in schwarzen Straps hinter der Theke Gläser schrubbte, bis sie blitzten wie ein Diamant, sagte mitfühlend: "Jeht et Ihnen nit juut ? Leeefje wat hässde denn ?"

Erwin antwortete im besten Hochdeutsch: "ooch, ich weiß nicht - ich fühle mich etwas deplaziert so alleine zwischen so vielen schöen Frauen. Vielleicht sollte ich mal nach oben..."
Er hatte es kaum ausgesprochen, da meinte die Herrin des Hauses "Jonk de Trepp eropp no links - do luuren se ens alll de Schportschau...“

Mit letzter Kraft wankte Erwin die Treppen hoch und kam in einen Raum mit bengalischer Beleuchtung, ausgestattet mit Tigerfell-Liegen, auf denen sich Herren mit riesigen Kölschgläsern im Feinripp tummelten und wie gespannt auf drei Großbildschirme starrten, auf denen 23 Männer hinter einem kleinen Ball her liefen.

Dem Stimmengewirr konnte er zwischen gellenden und basstiefen Tönen nur so etwas entnehmen wie "EFFZEH Kölle, EFFZEH Kölle, jaaaaa !" Mehr Verständigung war nicht möglich.

Zwischen Köln und Düsseldorf liegt seit jenem Abend irgendwo am Wegesrand der Autobahn ein Navigationsgerät mit einer kleinen Blessur und blinkt still vor sich hin...



Karin Michaeli, Düsseldorf

Samstag, 31. Dezember 2011

Dichterhain: Sylvester-Seelensäuberungs-Moritat von Karin Michaeli

Der letzte Tag in diesem Jahr
soll sein mein Seelen-Dreck-Weg-Tag.
Hineinleuchten in die Seelentiefen,
dorthin, wo träge schlafende Hunde
ihre Wacharbeit verschliefen.

Am großen Seelen-Sauber-Tag
darf ich diese faule Meute hassen,
darf sie verjagen von Hof und Haus.
Schaffe Platz mir für neue Wächter,
schaue weit ins neue Jahr hinaus.

Sehe mit offenen Augen weit hinweg
in glasklare heimelig einladende Weiten.
Bitte das Vertrauen, das mich verlassen will
noch ein wenig Hilfe mir zu schenken
und bei der Wahl der Wächter mich zu leiten.

Sehr wachsam und klug müssen sie sein,
meine lauernden Seelenhunde mit Zottelfell,
müssen unterscheiden können ganz fein,
ob jemand Freund mir ist oder mich benutzt -
müssen mich warnen vor dem üblen Gesell.

Zum Jahresende wird die Seele geputzt -
das neue Jahr soll frisch und sauber beginnen.

Die neuen Wächter werden mutig und keck
mit wachen Augen und allen Sinnen
die Tore öffnen für das, was mir nutzt!



Karin Michaeli, Düsseldorf

Donnerstag, 10. November 2011

Ein Besuch im Seniorentheater Düsseldorf von Karin Michaeli


Foto: Božica Babić


Das Seniorentheater Düsseldorf – kurz SETA genannt – wurde 1989 gegründet von Ernest Martin, dem ehemaligen Leiter des Jungen Theater in der Altstadt (JuTa) und dem Regisseur Wolfgang Caspar. Das SETA e.V. ist Mitglied des Bundes Deutscher Amateurtheater und firmiert als Gemeinnütziger Verein mit zurzeit 35 Mitgliedern. Jedes Jahr inszenieren sie ein neues Stück, wie z.B. die „Kleinbürgerhochzeit“ von Bert Brecht oder „Bernarda Albas Haus“ von Frederico Garcia Lorca, um nur einige zu nennen.

Bei der diesjährigen Premiere am 26.10.2011 zu den „Bremer Stadtmusikanten“ hatte ich die Ehre, am Premierenabend im JuTa dabei sein zu können und hatte sehr berührende Eindrücke. Es ist mit Sicherheit nicht leicht, das Märchen der Gebrüder Grimm auf der Bühne umzusetzen. Hierbei sei erwähnt, dass die Mitwirkenden des SeTa sich im Alter von Mitte 50 bis Mitte 80 befinden und dass es müßig ist zu erkunden, wer denn letztlich Mitte 50 oder Mitte 80 ist. Sie sehen alle gleichermaßen neugierig, jung und gut aus – das nur am Rande erwähnt.

Voller Spannung fahre ich zum Premierenabend in die Altstadt zum JuTa und genieße vorher im Carsh-Haus in der wunderbaren Delikatessenabteilung noch einen Cappuchino Italiano, da ich
 vor Beginn des „Spektakels“ noch etwas Zeit habe.

Im Wilhelm-Marx-Haus bringt mich der Aufzug in die 2. Etage, wo im Vorraum des JuTa schon leichte
 Theaterluft meine Nase reizt. Herzlich werde ich willkommen geheißen von den jungen Mitarbeitern, die die Karte abreißen und an der Bar stehen schon die ersten Besucher bei Altbier oder Sekt und plaudern angeregt. Es gibt keine Sitznummerierung. Wer zuerst in der Schlange steht, hat den Platz seiner Wahl. Alles sehr gemütlich und ohne Gedränge. Freundliche Besucher aller Altersklassen warten auf das große Ereignis.
Foto: Božica Babić

Endlich ist es so weit: Wir werden eingelassen in den Theaterraum, wo die Sitzreihen übersichtlich und gut aufsteigend angeordnet sind, so dass jeder Besucher seinen eigenen Bühnenüberblick hat. Vor uns eine riesige Bühnenfläche, die bis zur ersten Reihe reicht. Das verspricht ja ein guter Abend zu werden. Hoffentlich muss ich da nicht mitspielen...

Ein erster Stadtmusikant, der Hahn, betritt den Raum und setzt sich auf die Treppe. Sanfte Streichelheinheiten seiner Bekannten ignoriert er professionell – er konzentriert sich auf seine Rolle, ist nur noch Hahn.

Dann öffnet sich ein Vorhang, der kein eigentlicher Vorhang ist, sondern nur in unserer Phantasie existiert und der Esel betritt die Bühne. Klagt, dass er viele Jahre bei DEMAG arbeitete und in einer kleinen Wohnung in Oberbilk lebt, ein lahmes Bein hat, nun arbeitslos ist und irgendwie einfach nur weg will – nach Bremen. Bremen kennt er aus den Erzählungen seines Onkels und Bremen erscheint ihm wie das Licht am Horizont. Es muss einfach nur wunderschön sein.

Der Esel bleibt nicht lange alleine auf der Bühne – alsbald schon gesellt sich zum ihm ein Hund mit schwerem Schicksal, eine Katze, die ebenfalls im Aufbruch ist mit ihrem Fahrrad sowie der bunte Hahn, der endlich weg will von der alten Henne. Nun stehen sie da, die drei taffen Kerle mit dem süßen, aber sehr starken Kätzchen und proben den Aufbruch. Kätzchen nimmt aus dem Rucksack einige Fahradteile und schon sind sie sich einig, gemeinsam nach Bremen zu radeln und flitzen über die Bühne – und raus aus dem Raum und rein in den Raum und wir Zuschauer erleben echtes plastisches Theater.



Plastisches Theater erschafft eine Welt zwischen der Poesie und den Emotionen, der Illusion und der Realität. Die Darsteller erschaffen eine abstrakte zweite Ebene, lassen Metaphern ohne Worte sprechen, formen Symbole und dreidimensionale Erzählungen. Und das geschieht hier in der Aufführung der „Bremer Stadtmusikanten“ nach meiner Meinung. Die sich im Aufbruch befindlichen Tiere gelangen in ein Räuberhaus – und herrlich dargestellt wird hier die Räuberszenerie von einer großen Gruppe gar schrecklich vermummter Gestalten, die letztlich vertrieben werden von einer kleinen Gruppe, die familiär zusammenwuchs – aus dem Nichts heraus – und nun eine Heimat findet. Von mir aus eine Senioren-WG oder was auch immer sich der Zuschauer dabei denken mag. Aber wenn die smarte Katze sagt, hier sei es gut sein und hier könnten ja die Männer für das Grobe sorgen, während sie für das gute Essen zuständig sein könne, spätestens dann wird doch der Wunsch nach „Miteinander Wohnen“ im Alter nur allzu deutlich zum Ausdruck gebracht.

Ein lang andauernder tosender Applaus am Ende des Stückes zeigt jedenfalls auf, dass die Aufführung des SETA Düsseldorf mal wieder die Herzen der Zuschauer berührt hat und wie liebenswert Theater sein kann. Theater, in dem auch mal ein Witzchen gemacht wird wie: Sagt die Holzwurmmama zu ihrem Kind „Ab ins Brettchen“. Na, das hat doch was, Ihr gestandenen Leser, die Ihr schon lange über ganz andere Witze lacht...!
Im Anschluss an die Aufführung bestand Gelegenheit mit den Schauspielern zu plaudern bei Knabbereien und Getränken im Foyer. Die Idee, hierüber zu schreiben, wehrt einer der Darbietenden ab mit der freundlichen Bemerkung: „Ach was, erst gehen wir alle mal einen trinken in die Altstadt und danach wird geschrieben“.Na, das hat doch was sehr Symphatisches und so bleibt mir an dieser Stelle nur noch übrig, dem Seniorentheater von ganzen Herzen zu danken für einen wunderschönen Abend im JuTa.
Karin Michaeli, Düsseldorflesezeiten.blogspot.com