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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Donnerstag, 3. Mai 2012

Für Sie besucht: Sebastian Krumbiegel von den PRINZEN in Rockenhausen



Die PRINZEN, das ist der Inbegriff von Leichtigkeit, Vorwitzigkeit und klugen Texten aus Leipzig. Sie hatten sich vor Jahren getrennt. Sebastian Krumbiegel, Liederschreiber und Sänger des Chors aus ehemaligen Thomanermitgliedern, mit Bezug zur Bachtradition in der schmucken und traditionsreichen Stadt in Sachsen-Anhalt, machte sich solo auf den Weg und war am 27. April 2012 im Roten Saal der Donnersberghalle in Rockenhausen.

Dort hat man übrigens auch Gelegenheit das fotorealistische Bild von Dietmar Gross (*1957 in Bexbach/Saarland, lebt in Dienburg bei Mainz), Kahnweiler-Preisträger 1984, aus dem Jahr 1987 zu sehen. "Das Vermächtnis von Kahnweiler" zeigt Henry Kahnweiler, der der Stadt Rockenhausen seine Bibliothek, Bilder und Material zu seinem Leben hinterließ, und Picasso an einem Tisch. Picasso nackt und mit Stierfuß. Der seit 1981 vergebene Daniel-Henry Kahnweiler-Preis ist mit 15.000 DM dotiert. Er wird im Wechsel für Malerei/Grafik und Bildhauerei/Plastik ausgeschrieben. Kahnweiler hat Picasso und viele andere Künstler ab 1910 in Ausstellungen gebracht, war Mäzen und Freund von Picasso. Er verlegte u.a. Gedichte von Appolinaire und hatte hohe Qualitätsansprüche.

Das Vermächtnis von Kahnweiler, Dietmar Gross, 1987
Die gewitzte Frechheit der Prinzen klingt noch immer durch bei Sebastian Krumbiegel, ist denoch abgemildert, reifer und älter. Er bringt viele Themen zur Sprache, Rassismus, Homosexualität, Extreme Rechte, das Diktat des Geldes, Ausnahmezustände bei Menschen ("Am Limit"), bleibt eher auf der beschreibenden Ebene in seinen Liedern, fordert keine sonderlichen Interpretationsleistungen. Er moderiert, kommentiert und singt 2,5 Stunden und gibt wirklich viel aus seinem Repertoire. Den Überfall 2003 in einem Leipziger Park durch Schläger mit anschließendem Krankenhausaufenthalt hat ihn nicht verunsichert, seine Trauer über diese gewalttätige Dummheit von Menschen hat er mit einem Song weggeblasen und stetig daran gearbeitet, Depression und negativem Denken keinen Platz einzuräumen. Sebastian Krumbiegel spricht viel über seine Vorbilder, die so unterschiedlich sind, wie die Farben auf der Farbskala: Johann Sebastian Bach, die "Beatles", Rio Reiser von "Ton, Steine, Scherben", die "Comedian Harmonists" ... Auch mit Udo Lindenberg verbindet ihn eine Menge, die PRINZEN waren bei Udo Lindenberg im Programm integriert, sie erlebten seine schlimmen Phasen, wo Alkohol und bizarre Allüren den Meister lahmlegten, aber auch seine Triumphe. Krumbiegel war ab der 4. Klasse bis zum Abitur im Thomanerchor Leipzig, bevor die Karriere mit den PRINZEN begann. Und die machen sich tatsächlich dieser Tage wieder auf den Weg und singen vor allem in Kirchen ihre Lieder.

Sa., 02.06., 21:00 Uhr, Coswig
Fr., 08.06., 21:00 Uhr, Leipzig
So., 10.06., 18:00 Uhr, Wedel
Sa., 30.06., Coburg-Cortendorf
Sa., 07.07., 20:00 Uhr, Lauffen
Fr., 13.07., 20:30 Uhr, Senftenberg


Das Ende des Konzerts hatte den größten Drive und steigerte die Stimmung noch mal ordentlich mit Publikumseinbezug. Mit "Ich verweigere mich", "Nüchtern bin ich schüchtern", "Ich will zurück ins Paradies" (eine im wahrsten Sinne des Wortes pfiffige Nummer, es gab sehr gute Pfeifer in Rockenhausen!), "Du und ich lass uns abhauen" in den starken und zufriedenen Applaus. Ein milder, sehr schöner Abend im eher unbekannten Rockenhausen.

Mittwoch, 2. Mai 2012

Comedy: Oliver Polak auf DVD



„Ich darf das, ich bin Jude! Live!“Sony Music/Spassgesellschaft 2012

FSK: ab 12, Laufzeit: ca. 140 Minuten

Set-Inhalt: 1 DVD, PAL 16:9

Bonusmaterial:
- Making Of "The jew must go on"
- Videoclip zu „Lasst uns alle Juden sein“
- Judenspiel
- QCC und RTL2 Funclub Standup
Die Erwartungshaltung war groß, viele zehntausend Einheiten nach seinem deutschlandweit bewegenden Bestseller „Ich darf das, ich bin Jude“ sowie der Kulturnews-Auszeichnung „Bestes Entertainment 2010“ für die Stand-up-Show „Jud süss-sauer“ nun sein neues Programm auf DVD zu sehen!

In seiner Show „Ich darf das, ich bin Jude! Live!“ werden nicht die üblichen Kalauerkonserven aus dem Comedyautomaten gezogen, hier wird eine komplett neue Kunstform aus der Taufe gehoben: Lesung, Stand-up, Show – und das alles mit einer gehörigen Portion Glamour! Heraus kommt eine großartige Leseshow mit den Highlights aus „Ich darf das, ich bin Jude“ und „Jud süß-sauer“ plus brandneuer Stand-ups, Smashhits wie „Lasst uns alle Juden sein!“ und „Ich möchte Teil einer Judenbewegung sein“, exquisite Gäste und dem einzigartigen Judenspiel, bei dem die Zuschauer versuchen zu erraten, welcher prominente Jude ist. Eine kabarettistische Bar Mitzwa - mit schneidendem Humor! Nicht platt - aber ganz sicher auch nicht hochdeutsch. Neben der in Berlin aufgenommenen Show „Ich darf das, ich bin Jude! Live!“ kann sich das werte DVD-Publikum auf weitere Einblicke in Oliver Polaks Schaffen freuen: Ein Making-of rund um die Aufzeichnung, eine zwanzigminütige Dokumentation „The Jew must go on“ über Polaks umtriebigen Alltag als Entertainer, der Videoclip zu seinem Hit „Lasst uns alle Juden sein“ und sein großartiger Ebay-Stand-up beim rtl2 funclub.
 Oliver Polak ist ein Phänomen. Internationale Medien werden auf ihn aufmerksam. Jüngst schrieb der Spiegel in einem fünfseitigen Artikel über seine Kunst, mehrere Artikel erschienen in US-Medien und der französische TV-Sender France 24 produzierte ein Porträt über ihn. Auf dem Kirchentag schaffte Polak es, dass 2000 Christen seinen Hit „Lasst uns alle Juden sein!“ mitsangen. Oliver Polak bringt nicht nur den jüdischen Humor zurück nach Deutschland, nein auch klassischen amerikanischen Stand-up. Authentisch, wahrhaftig und komisch! Eine humoristische Sinuskurve aus lauten „Oohs“ und leisen „Aahs“. Nennen Sie es narrative Passion, nennen Sie es Misstrauen gegen das deutsche Publikum: Er ist persönlich, berührend und gnadenlos jüdisch! Das Tel Aviv der deutschen Comedy – die Pointen-Flak geladen, greift der „Panda aus Papenburg“ an: Polak wundert sich darüber, dass er von Ebay einen gelben Stern zum Anstecken bekommt, während er sich fragt, wie man am selben Tag die Reichspogromnacht und den Mauerfall feiert! Der Entertainer freut sich, dass Hitler den Krieg verloren hat, damit ihm Hits wie wie „KZ-Klo“ oder „Hinterm Holocaust geht’s weiter“ erspart bleiben! Er hat Respekt vor Steve Jobs, der zurückgetreten ist, als er gemerkt hat, dass er dünner wird als die Geräte, die er selber entwickelt hat! Polaks Fazit: Juden waren schon Ghetto, bevor es Rapper überhaupt gab! – Polaks Humor ist mitunter so schwarz wie die Seele eines Waffenhändlers.


25.05.2012 – Mainz Unterhaus
26.05.2012 – Mainz Unterhaus
28.09.2012 – Papenburg Theater auf der Werft
Weitere Termine sind in Planung.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Buchbesprechung: Adam und Evelyn, München 2010

Ingo Schulze
Adam und Evelyn
Roman
320 Seiten, 9,95 €, dtv, München 2010

Beim Deutschen Taschenbuch Verlag ist gerade eine preiswerte und schmucke Fassung des 2008 beim Berlin Verlag erschienen Bestsellers von Ingo Schulze erschienen. Auf dem Cover eine passende Scène de l'amour namens "Dr. Demouchel" von Georg Baselitz, die schon auf der Hardcoverfassung des Berlin Verlages eingesetzt wurde.
Ingo Schulze schreibt schöne Geschichten aus dem Alltag, die immer ein bisschen knistern, ein bisschen wortkarg, aber immer vielsagend sind. Auch in diesem Roman, der im August 1989 bis zum Mauerfall im November spielt, Reiseströme in die CSSR und nach Ungarn, Wartende, auf Freiheit Spekulierende, die Öffnung der Grenzen in Ungarn Richtung Westen und schließlich die Leipziger sanfte Revolution, die die ganze DDR erfasste, der Fall der Mauer, Auflösung der DDR, dient dieser wichtige deutsche Wendepunkt der Geschichte als Hintergrund zu einer Liebesgeschichte zwischen Lutz, dem Damenschneider, und seiner Freundin Evelyn. Die an Arthur Schnitzlers "Liebesreigen" erinnernde Kreisbewegung wird erweitert um Mona, Michael und Katja, sowie andere Frauenfiguren in der Nebensache, darunter auch die Wirtin in Ungarn, bei der sie sich später aufhalten werden. Mit auf dem Weg ist auch Elfriede, die Schildkröte.
Ein ganz wertvolles Buch, es spricht einen an, lässt einen Zeitzeugen hautnah erleben. Es wird wohl seinen festen Platz neben der Chronologie der "sanften Revolution" in Ostdeutschland finden.
Lutz, der von Evelyn Adam genannt wird, wegen seines typischen Markenzeichens, einem ausgeprägten Adamsapfel, der sie magisch angezogen hat, der vor- und zurückweicht, sein Eigenleben hat, obwohl Adam eigentlich klein und hager ist, was sie nicht begeistert hätte. Aber so findet sie ihn schön. Er nennt sie Evi. Evelyn weiß vieles aus seiner Vergangenheit nicht, was am Ende des Romans klar wird, aber sie ist schon länger mit ihm zusammen und liebt ihn. Adam liebt sie auch, aber nicht alleine, denn sein Job hat diese verhängnisvolle Nähe zu Frauen, der er nicht mehr widerstehen kann, wenn er bei der Anprobe den weiblichen Halswirbel sieht, der wie ein Anschaltknopf in seinem Gehirn wirkt, und den Stoff der Kleider fühlt. Seine Kleider machen Frauen erst begehrenswert und der erste größere Test der Attraktivitätswirkung geschieht bei ihm. Die Frauen wissen das und lieben seine Schnitte, der genüssliche Zigarrenraucher ist gefragt.

So auch am 19. August 1989, als Lilly 
auf seine Empfehlung den BH unter dem Stoff weglässt, weil er ihn stört. Adam kann nicht mehr widerstehen... Dummerweise erwischt ihn Evelyn in flagranti und verlässt ihn. Sie entschließt sich mit Freundin Mona und Michael aus dem Westen, der zu Mona kam, nach Ungarn zu fahren. Michael tritt hier pars pro toto gegen Adam an. Auch auf anderer Ebene: Adams 1961er Wartburg, genannt "Heinrich", gegen einen alten roten Passat, Kilometerstand 300.000. Der Vergleich Ost-West beginnt hier auf einfachem Niveau, wird jedoch durchgehalten bis zum Schluss und kehrt in vielen Dialogen wieder. Das Spiel der Liebe, der Reigen geht weiter. Adam kann nicht ohne seine Evelyn und folgt in seinem Auto. Evelyn, Mona und Michael merken es, Evelyn will ihn loswerden, zurückschicken, aber er ist nicht abzuschütteln. Mona ist bald überflüssig, denn Evelyn rückt bei ihrem Freund vor. Sie fährt verärgert in die DDR zurück. 

Zu Adam steigt unterwegs Katja ein, die völlig abgebrannt und abgerissen in Adams Kofferraum über die Grenze geschmuggelt wird und mit ihm bis Budapest reist. Katja hat versucht die Donau zu durchschwimmen, was beinahe schief ging. Adam mag sie, pflegt sie, aber es läuft bis auf kleine Anklänge nichts. Hier ist Adam primär der Retter, nicht der Verführer. Auf dem Weg über Prag nach und in Budapest finden Adam und Evelyn sich immer wieder, wohnen zusammen in einer Budapester Pension. Adam bleibt wie ein Spürhund auf ihrer Fährte, zeltet schließlich im Garten der betreffenden Pension.
Evelyn lässt sich mit Michael ein, verliebt sich, schläft mit ihm, versucht ihren Adam zu vergessen und ist fast geneigt, mit Michael in den Westen zu gehen. Die Botschaft geht um, dass die Grenzen für immer aufgehen werden. Es beginnt eine Wartezeit, die Diskussion für und wider das Abhauen, mit wem und warum. Evelyn  besinnt sich jedoch eines anderen. Michael und sie erleben einen Einbruch in sein Auto, die Scheibe kaputt, alles geklaut, auch ein Wendepunkt in ihrer Freundschaft, sie entfernen sich voneinander.
Adam näht einer Braut und der Wirtin Frau Angyal zwischenzeitlich ein Kleid, was ein ungeheuer großes Geschenk für die Ungarin ist und ihn einige lange Momente in diese typische verführerische Situation des Begehrten und Begehrenden bringt.




Evelyn bewegt sich wieder auf ihn zu, sie reden und verbringen mehr Zeit miteinander. Als die Grenzen aufgehen, fahren Michael und Katja schnurstracks mit dem demolierten Passat mit halber Windschutzscheibe in den Westen, sind bei den ersten Grenzgängern, die mit Kameras empfangen werden. Michael ist schon überfällig am Arbeitsplatz, er hat seine Urlaub bis zum Anschlag ausgedehnt. Er fährt Richtung Hamburg weiter, Katja bleibt in Bayern. Adam und Evelyn erörtern den Ernstfall und fahren dann auch in die Freiheit, über Österreich, Graz, nach Bayern - in die Nähe von Rosenheim. Der Wartburg hat auch einen Macken, der Anlasser ist defekt. Adam möchte seine Freundin heiraten. Sie landen in einer bayrischen Pension, entdecken die westliche Freundlichkeit und finden eine Bibel in der Nachttischschublade. Der Sündenfall Adam und Evas wird hier symbolisch für den Fall der beiden, das Fremdgehen in der Beziehung und das Verlassen der Heimat, von ihnen erörtert. Sie kommen zum Schluss, dass diese Bibellösung, die Verheißung, dass sie in Schuld und verstoßen, außerhalb des Paradieses leben müssen, nur weil sie erkannten, was gut und was böse ist, weil sie sein wollten wie Gott und nur das ewige Leben zur Vollkommenheit noch fehlt, nicht das Wahre sein kann. Adam sieht keine Sünde darin, er empört sich über die Unverschämtheit der Bibelschreiber, den Menschen so etwas zu sagen. Dass sie nie dahin dürfen, wo sie hin wollen. Der ganze Sündenfall unglaubwürdig. Adam und Evelyn gehen zu Verwandten Adams und die Polizei verhört auch unsere beiden Einwanderer, um Spione der Stasi auszufiltern. Adam und Evelyn fühlen sich prompt an Behördenbefragungen im Osten erinnert und verstehen nicht, dass man im Westen auch verhört werden kann. Der Weg führt nach München.


Evelyn trifft sich mit Katja und erzählt ihr, dass sie schwanger ist. Sie weiß nicht, wer der Vater ist, Michael oder Adam. Seit Adam es weiß, spricht er nicht mehr mit ihr, er scheint verdattert über diese Wendung. Katja hat einen neuen Freund, Marek, der abgelegte Züricher Luxusklamotten im München auf dem Flohmarkt verkauft. Es ist November 1989. Der Roman endet mit dem Abschied von der Vergangenheit in einer ungewissen Szene. Adam verbrennt alte Fotos all seiner Geliebten im Garten, die Nachbarn laufen herbei wegen dem Feuer. Evelyn steht alleine mit sich und ihrem Spiegelbild in der Fensterscheibe im Haus und beobachtet Adam, dessen gleichmäßige Bewegungen sie erschrecken ... Als ob sie nicht angekommen wären und alle Entwicklung beendet sei.

Traurigkeit, dass jeder für sich alleine bleiben wird, getrennt, seinem Schicksal ausgeliefert, kommt auf. Ein Roman, der nicht nur die Mentalität der Bürger aus Ost und West beleuchtet, auch ihre Sorgen und Wünsche, ihre Hoffnungen und Zweifel in dieser Zeit, auf ihrem Weg in eine neue Zukunft sehr gut beleuchtet.


(fotos: cover - dtv; andere: privat)
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Donnerstag, 24. September 2009

20 Jahre Mauerfall - Rückblick Buch: Günter Grass: Unterwegs von Deutschland nach Deutschland

(Foto: VivaoPictures, Berlin, November 1989)

Günter Grass: Unterwegs von Deutschland nach Deutschland, Tagebuch 1990

Steidl Verlag, Göttingen 1990

(Günter Grass, 1927 in Danzig geboren, wurde nach einer Steinmetz-, Bildhauer- und Grafikausbildung als freier Schriftsteller tätig. Durch viele seiner Bücher und die Zugehörigkeit zur "Gruppe 47", besonders aber durch die 1959 erschienene „Blechtrommel“ prägte er wesentlich die Literaturlandschaft der BRD mit. Weitere wichtige Werke sind: „Aus dem Tagebuch einer Schnecke“, „Der Butt“, „Die Rättin“, „Unkenrufe“, „Ein weites Feld“, "Mein Jahrhundert“, "Fünf Jahrzehnte", "Im Krebsgang und das grafische Gesamtwerk „In Kupfer, auf Stein“, „Letzte Tänze“, „Beim Häuten der Zwiebel“, „Die Box“ u.v.a.m. 1999 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Damit würdigte die Akademie auch die Verbindung von Politik und literarischem Schaffen in seinen Werken.)

(Leipzig/UA) In die Feiersuppe wolle er ihnen mit dem Buch spucken... In den Taumel, der wegen des Jahrestages der Wiedervereinigung anhob und fortschreitet...

So ungefähr äußerte sich Günter Grass während einer Lesung anlässlich der Leipziger Buchmesse im März 2009 im Oberlichtsaal der Stadtbibliothek auf die Frage, warum er seine Tagebücher von 1990 veröffentlicht hätte. Günter Grass setzt mit seinem Bericht seine autobiografischen Veröffentlichungen wie „Beim Häuten der Zwiebel“ und „Die Box“ fort.

Der Nobelpreisträger beharrt auf seiner Einmischung in politische Fragen des deutschen Landes. Wie ein Seher legt er immer wieder den Finger auf die Wunde... Er erweist sich als genauer Beobachter, nimmt kleine Schwankungen in den Entwicklungen der Ereignisse sofort wahr und analysiert sie in seinen Aufzeichnungen. Am 20. Januar 1990 protokolliert er: "Alle Nachrichten aus der DDR bestätigen die Mühsal des Alltages nach dem großen Aufschwung der Revolution." An mehreren Stellen notiert Grass, dass an der Frage der deutschen Wiedervereinigung alte Freundschaften zu scheitern drohen, "es fiel mir nicht leicht", so berichtet er von der Tutzinger Tagung der Schriftsteller, "Willy Brandt grundsätzlich zu widersprechen."

Er erzählt über einen Besuch bei Christa Wolf und seinen Einsatz für die Schriftstellerin, die sich zu dieser Zeit einer Medienkampagne ausgesetzt sah.

„Unser Besuch bei den Wolfs bestätigt mir, dass es richtig war, in der gegenwärtigen Kampagne für sie Partei zu ergreifen, wie zuletzt in dem „Spiegel“-Gespräch, das morgen erscheinen wird. Merkwürdig, wie sie dominiert, wenngleich Gerhard Wolf den klareren Kopf beweist, doch hält er zumeis seine Meinung zurück; ein eingespieltes Ritual. Zwischendurch Gesprächsfetzen über Träume, Enkelkinder, den Fischer vom nahen See, der seinen Fischfang nicht mehr in der Gaststätte loswird, weil (nach Einführung der DM) keine Gäste mehr kommen...“

In Schwerin 1990 notiert er: „Nach wenig Schlaf: Lautsprecher stehen im Land. Einheit heißt ihr Gebot. Jetzt gilt es leise zu sein, damit wir einander und auch die nächste Sturmwarnung nicht überhören.“

Er ist bei aller Skepsis neugierig auf das neue Deutschland, er fährt nach Leipzig zu Pfarrer Führer, mit dem es auf der Lesung 2009 zur Buchmesse ein Wiedersehen gab, und Dresden. In Altdöbern zeichnet Grass die vom Braunkohletagebau geschundene Landschaft. Er entwirft Reden und gibt Interviews. Die Novelle „Unkenrufe“ nimmt Form an, die Recherchen zur Treuhand finden sich 1995 in „Ein weites Feld“ wieder. Der Schriftsteller unternimmt zahlreiche Reisen nach Kopenhagen, Oslo, Paris und Prag. Der Mittsechziger Grass schont sich nicht, feiert Feste, muss zu einer Operation ins Krankenhaus, erzählt über seine Zeit zu Hause in Behlendorf, pflanzt in Portugal Kakteen und nutzt die Ferienaufenthalte auf der dänischen Insel Møn zum Zeichnen und Schreiben. Im Sommer des Jahres 1990 erhält Grass einen Ehrendoktor der Universität seiner Heimatstadt Danzig. "Unterwegs von Deutschland nach Deutschland" gestattet einzigartige Einblicke in sein Privatleben, seine Arbeitsprozesse und sein politisches Engagement.

Ute Apel

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