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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Freitag, 10. Juli 2015

Buchtipp: Constructive News – das Journalisten-Buch des Jahres!



Constructive News
Warum bad news die Medien zerstören und wie Journalisten mit einem völlig neuen Ansatz wieder Menschen berühren.

Der Autor ist Ulrik Haagerup, Chefredakteur beim Dänischen Fernsehen. Er wird derzeit am laufenden Band auf dem Silbertablett von einer Fernsehstation zur anderen gereicht, wo er über sein neues, hoch erfolgreiches Konzept in Dänemark berichtet. Die Nachrichten unter Haagerups Verantwortung sind schon lange keine Horrorshow mehr. Seine Redaktion achtet darauf, dass sie den Zusehern selbst bei schrecklichen Nachrichten immer einen konstruktiven Zugang anbieten. Und so eine Perspektive schaffen, die zumindest Hoffnung verspricht. Das Beeindruckende: Alle journalistischen Sendungen mit diesem Ansatz gewinnen Zuschauer. Massiv!

Haagerup zeigt in seinem Buch viele Beispiele, wie das möglich ist.  Armin Wolf, Moderator der renommierten ORF-Nachrichtensendung ZiB 2 hat das Buch in der englischen Version bereits vorab gelesen und kürzlich getwittert: „Sollte Pflichtlektüre in Redaktionen und Journalismus-Schulen sein.“ 

Noch bis 23. August in Kaiserslautern: Irritierendes und Wirres



Irritierend: Christine Fischers 32-teilige Installation „495 Gramm“ von 2012, bestehend aus einem Koffer, Stoff, Glas, Binden, Holz, Knochen und Gummi















Wirr: Raumstrukturen aus der Natur, Michael Dekkers Arbeit „Timeline“ von 2013








Plastiken und Installationen
Preisträgerausstellung zum Pfalzpreis für Plastik im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

Das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) zeigt vom 7. Juni bis 23. August eine Preisträgerausstellung zum Pfalzpreis für Bildende Kunst, den der Bezirksverband Pfalz im vergangenen Jahr in der Sparte Plastik ausgeschrieben hatte. Pfalzpreisträgerin ist die 1950 in Ludwigshafen geborene und heute auch dort lebende Plastikerin Christine Fischer, deren Werk „495 Gramm“ mit der mit 10.000 Euro dotierten Auszeichnung gewürdigt wurde. Ihre irritierenden Objekte, mit denen sie eindrucksvolle Metaphern unserer Zeit schafft, überzeugten die Jury. Gewinner des mit 2.500 Euro dotierten Nachwuchspreises ist Michael Dekker, 1983 ebenfalls in Ludwigshafen geboren und heute in Wuppertal lebend. Er arbeitet mit der Umsetzung von Raumstrukturen aus der Natur und dem urbanen Umfeld und interessiert sich für die Dynamik tektonischer Prozesse. Die Ausstellung wird am Sonntag, 7. Juni, um 11 Uhr in Anwesenheit der beiden Künstler von Museumsdirektorin Dr. Britta E. Buhlmannn und Ausstellungskurator Dr. Heinz Höfchen eröffnet.

Christine Fischer präsentiert unter dem Titel „Dazwischen“ im Labor und im Graphischen Kabinett des mpk eine Suite von rund 15 installativen Arbeiten, die sämtlich im Zeitraum seit 2008 entstanden sind. In ihrer Kunst geht es um existenzielle Themen wie Werden und Vergehen, Verwundbarkeit und Verlust, um Leben und Tod. Für ihre Plastiken verwendet sie textile Werkstoffe, die sie mit gesammelten Gegenständen  und alltäglichen Fundstücken kombiniert. So entstehen Objekte, deren Gestalt fragil und verletzlich wirkt, und die sich trotz ihrer biomorphen Formen keiner bestimmten Gattung zuordnen lassen. Oft verstören sie oder lösen ambivalente Gefühle aus. Sie sind in ihren Missbildungen und Mutationen eindrucksvolle Metaphern unserer Zeit. Viele Arbeiten Christine Fischers sind autobiographisch. Erlebtes und Erfahrenes, aber auch Empfindungen und Gefühle, die Sprache nicht auszudrücken vermag, fließen in ihr plastisches Schaffen mit ein. Die Künstlerin studierte von 2006 bis 2010 Bildende Kunst an der Freien Kunstakademie Mannheim.

Michael Dekker bespielt unter dem Titel „Broken Platforms“ das Obere Foyer des mpk mit seiner zum Pfalzpreis eingereichten Arbeit „Timeline“ sowie einer Auswahl jüngst entstandener Werke. Ihre Formen umschreiben geologische und architektonische Ebenen, die er in seinen Skulpturen aufbricht und in ihrem Raumbezug definiert. Raumstrukturen aus der Natur und dem urbanen Umfeld treten dabei auch in einen gesellschaftsbezogenen Dialog. Ausgangspunkt seiner formalen Entwicklung war die Beschäftigung mit geologischen Schichtungen und der dabei zu beobachtenden Dynamik tektonischer Prozesse. Nach einer Ausbildung zum Landwirt studierte Michael Dekker von 2006 bis 2013 Freie Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf, zuletzt als Meisterschüler von Anthony Cragg.

Zu beiden Ausstellungen erscheinen Kataloge, je 64 Seiten stark, die jeweils zum Preis von 14 Euro an der Museumskasse erhältlich sind. Das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk), Museumsplatz 1, ist mittwochs bis sonntags sowie feiertags von 10 bis 17 Uhr und dienstags von 11 bis 20 Uhr geöffnet.


Donnerstag, 9. Juli 2015

Kommenden Sonntag ab 19 Uhr in Mainz: ITALIENISCHE OPERNNACHT AM DOM

ITALIENISCHE OPERNNACHT AM DOM

Open-Air mit Arien von Rossini, Puccini, Donizetti, Verdi und anderen


12.07.2015, 19 Uhr 



Musikalische Leitung: Hermann Bäumer
Moderation: Markus Müller
Dramaturgie: Lars Gebhardt

Mit: Vida Mikneviciute, Dorin Rahardja, 
Linda Sommerhage, Derrick Ballard, 
Brett Carter, Phillipe Do

Im Schatten des Domes … leben nicht nur die Mainzer, sondern wird an diesem lauen Sommerabend auch ein Programm mit Arien und Duetten aus italienischen und französischen Opern präsentiert. 

Unter der Leitung von Generalmusikdirektor Hermann Bäumer lassen das Philharmonische Staatsorchester und Mitglieder des Opernensembles des Staatstheater Mainz Werke von Rossini über Donizetti und Verdi bis Puccini erklingen. 

Intendant Markus Müller moderiert den Abend, der mit einzelnen Nummern auch bereits Lust auf die kommende Spielzeit macht.

Warum die Einhaltung der Menschenrechte der wichtigste Schritt zur Demokratie ist

(Beirut, Human Rights Watch) - Regierungen begehen einen großen Fehler, wenn sie beim Vorgehen gegen ernste Sicherheitsgefahren die Menschenrechte vernachlässigen, so Human Rights Watch bei der Veröffentlichung des jährlichen World Reports.

In dem 656-seitigen World Report, der 25. Ausgabe, dokumentiert Human Rights Watch die Menschenrechtslage in mehr als 90 Ländern weltweit. In der Einleitung macht Kenneth Roth, Executive Director, auf die Wagenburgmentalität aufmerksam, wenn es um Menschenrechte geht – diese kontraproduktive Haltung haben viele Regierungen in den vergangenen von Aufruhr geprägten Jahren vertreten.

„Menschenrechtsverletzungen spielten eine große Rolle, wenn es um die Entstehung und Verschärfung der heutigen Krisen geht“, sagte Roth. „Die Menschenrechte zu schützen und demokratische Verantwortlichkeit sicherzustellen, sind der Schlüssel zur Lösung dieser Krisen.“

Der Aufstieg der extremistischen Gruppe „Islamischer Staat“ (auch als ISIS bekannt) ist eine der globalen Herausforderungen, die eine Unterordnung von Menschenrechten hervorgerufen haben, so Human Rights Watch. Aber ISIS ist nicht aus dem Nichts entstanden. Neben dem Sicherheitsvakuum, das die US-Invasion im Irak zurückgelassen hat, waren auch die sektiererische und von Menschenrechtsverletzungen geprägte Politik der irakischen und syrischen Regierungen und die internationale Gleichgültigkeit darüber wichtige Faktoren, die zum Aufstieg von ISIS beigetragen haben.

Während der irakische Premierminister Haider-al-Abadi zugesichert hat, alle gesellschaftlichen Gruppen besser integrieren zu wollen, stützt sich die Regierung immer noch hauptsächlich auf schiitische Milizen, die straffrei sunnitische Zivilisten ermorden und ethnische Säuberungen durchführen. Auch Regierungstruppen greifen Zivilisten und Wohngebiete an. Das korrupte und von Missbrauch gepägte Rechtssytem zu reformieren und die sektiererischen Regierungsweise aufzuheben, dies ist in Syrien mindestens eben so wichtig wie Militäreinsätze, um die Gräueltaten von ISIS zu beenden. Bisher ist es al-Abadi nicht gelungen, erforderliche Reformen umzusetzen.

In Syrien haben die Truppen von Präsident Bashar al-Assad vorsätzlich und brutal Zivilisten in Gebieten angegriffen, die von der Opposition kontrolliert wurden. Der Einsatz von willkürlich tötenden Waffen - meist die gefürchteten Fassbomben - hat das Leben für Zivilisten nahezu unerträglich gemacht.

Doch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat weitgehend tatenlos zugesehen, da Russland und China ihr Veto eingelegten haben, wodurch ein gemeinsames Vorgehen gegen das wahllose Töten verhindert wurde. Die USA und ihre Verbündeten haben es zugelassen, dass ihre Militäreinsätze gegen ISIS die Anstrengungen in den Hintergrund gerückt haben, Damaskus zu einem Ende der Menschenrechtsverletzungen zu drängen. Durch dieses selektive Vorgehen kann ISIS bei der Rekrutierung potentieller Unterstützer darauf verweisen, dass ISIS die einzige Kraft sei, die gegen Assads Gräueltaten vorgehe.

Eine ähnliche Dynamik spielt sich in Nigeria ab, wo Menschenrechtsverletzungen eine zentrale Rolle in dem Konflikt einnehmen. Die militante islamistische Gruppierung Boko Haram greift sowohl Zivilisten als auch nigerianischen Sicherheitskräfte an, bombardiert Märkte, Moscheen und Schulen und entführt Hunderte Mädchen und junge Frauen. Nigerias Armee hat oft mit Menschenrechtsverletzungen darauf geantwortet: Hunderte Männer und Jungen wurden unter dem Verdacht, Boko Haram zu unterstützen, zusammengetrieben, verhaftet, misshandelt und sogar getötet. Aber um die „Herzen und Köpfe“ der Bürger zu gewinnen, muss die Regierung die mutmaßlichen Menschenrechtsveretzungen durch die Armee transparent untersuchen und die Täter bestrafen.

Dass Menschenrechte aus Gründen der Sicherheit ignoriert werden, dies ist ein Problem, das in den letzen Jahren auch in den USA aufgetreten ist. Ein Ausschuss des US-Senats hat einen belastenden Bericht über Folter durch die CIA herausgegeben. Während Präsident Barack Obama Folter unter seiner Führung eine Absage erteilte, hat er es abgelehnt, die Rolle derjenigen zu untersuchen, die die Folter angeordnet haben, die in dem Senatsbericht detailliert beschrieben wird – von einer strafrechtlichen Verfolgung ganz zu schweigen. Dadurch dass diesen rechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen wird, wird es wahrscheinlicher, dass zukünftige Präsidenten Folter als politische Option anstatt als Straftat betrachten. Dies schwächt auch sehr die Möglichkeit der US-Regierung, andere Länder zur Verfolgung ihrer eigenen Folterer zu drängen.

In zu vielen Ländern, etwa in Kenia, Ägypten und China, haben Regierungen und Sicherheitskräfte auf realen oder mutmaßlichen Terrorismus mit Menschenrechtsverletzungen reagiert, die die Krise letztlich angeheizt haben. In Ägypten vermittelt die Zerschlagung der Muslimbruderschaft durch die Regierung die zutiefst kontraproduktive Botschaft, dass wenn politische Islamisten die Macht durch Wahlen erlangen, sie ohne Protest wieder abgesetzt werden. Das könnte weitere Gewalt begünstigen. In Frankreich besteht die Gefahr, dass die Antwort der Regierung auf die Angriffe gegen „Charlie Hebdo“ die Meinungsfreiheit beeinträchtigen könnte. Mit Antiterrorgesetzen könnte gegen Aussagen vorgegangen werden, die nicht zu Gewalt aufrufen. Dadurch könnten auch andere Regierungen ermutigt werden, solche Gesetze zu verwenden, um Kritiker zum Schweigen zu bringen.

Gefahren für die Sicherheit kann nur dann erfolgreich begegnet werden, wenn nicht nur gegen bestimmte gefährliche Einzelpersonen vorgegangen wird. Auch muss die moralische Grundlage wieder geschaffen werden, welche die soziale und politische Ordnung begründet.

„Einige Regierungen begehen den Fehler, Menschenrechte als ein Luxusgut für bessere Zeiten zu halten. Sie sind jedoch ein wichtiger Kompass für politisches Handeln,“ sagte Roth. „Statt die Menschenrechte als lästige Einschränkung zu betrachten, sollen die politischen Entscheidungsträger sie als moralischen Wegweiser anerkennen, der einen Weg aus Krisen und Chaos bietet.“

Mittwoch, 8. Juli 2015

Wie war's bei MÉDÉE im Staatstheater Mainz?

Créon lässt Médée verhaften.   (c) Andreas Etter
           
Wer sich einmal intensiv mit der antiken Figur der Medea, einer durchaus blutrünstigen und grausamen Figur aus der griechischen Mythologie (mit Mördern, Rächern, Menschenfressern etc. pp.)  beschäftigen möchte, der sollte sich auch die Oper in drei Akten MÉDÉE von Luigi Cherubini (1760-1842) mit französischsprachigem Libretto von Francois-Benoît Hoffmann in Verbindung mit der aktuellen Asylantenproblematik unter der Regie von Elisabeth Stöppler im Staatstheater Mainz anschauen. Eine überaus spannende, verfremdende und doch sehr nah an der Mythologie sich bewegende Deutung, die uns auch in der Gegenwart erlebbar vorkommt.

Die Geschichte um Medea beginnt damit, dass sie Jason und den Argonauten, die im Auftrag des Pelias von Iolkos das Goldene Vlies, das Fell des fliegenden Widders, rauben sollen, hilft. Gedacht war die Mission von Pelias, seinen Neffen Jason loszuwerden, da dieser laut Prophezeiung ihn ermorden würde. Da aber Medea ihm hilft, das Vlies im Besitz ihres Vaters des Königs Aietes von Kolchis (an der Ostküste des Schwarzen Meeres) zu stehlen, ihre Familie, den Vater dabei hintergeht und obendrein noch ihren Bruder opfert (sie zerreißt ihn in Stücke und streut die Teile ins Meer, um die Spur für die Soldaten ihres Vaters zu verwischen, was gelingt), kehren alle zu Pelias zurück. Medea will Jason zum Mann, bestraft aber Pelias für seinen Hochmut und seine Hinterlist, indem Sie seinen Töchtern weismacht, dass er zerstückelt im Kessel gegart daraus wieder verjüngt auferstehen könnte. Naiv folgen sie dem Rat. Da sie danach nicht mehr in Iolkos bleiben konnten, flohen Medea und Jason nach Korinth zu König Kreon. Unterwegs gebar sie ihm zwei Söhne. In Korinth angekommen, begehrt Jason nun die Tochter Glauke des Kreon (die bei Cherubini Dircé heißt), will mit seinen Söhnen bleiben und Medea loswerden. Medea ist bereits in der Heimat geächtet und und wird noch einmal von Kreon verstoßen. Sie bereut, dass sie Jason aus Liebe gefolgt ist, ihre Familie verriet und den Bruder opferte. Medea beschließt, sich zu rächen. Sie ermordet Glauke, König Kreon und ihre eigenen Kinder, um Jason, den sie am Leben ließ, kinderlos zu machen. 


Dircés Brautdilemma zwischen dem väterlichen Wunsch
und Médées Schicksal.           (c) Andreas Etter

Die Geschichte ist insgesamt sehr detailreich und wird bei Euripides, Aristoteles, Apollonios Rhodios, Ovid, Seneca, Valerius Flaccus beginnend bis zu der filmischen Interpretation Pier Paolo Pasolinis unterschiedlich ausgelegt.

In der Mainzer Inszenierung von Elisabeth Stöppler beginnt das Spiel mit den Sorgen der Dircé (lebensmüde leidend Dorin Rahardja) im väterlichen Palast des Créon von Korinth (zwischen Cocktailpartylook und korinthischer Tradition Peter Felix Bauer), die vermutet, dass Jason (unheldenhaft umhergetrieben Philippe Do) sich ihr gegenüber ebenso verhalten wird, wie er es bei Médée getan hat, wenn sie mit ihm verheiratet werden würde. Sie ist eindeutig depressiv, hat sich die Pulsadern bereits verletzt, weil sie diesen Mann oder gar die ganze Existenz eigentlich gar nicht will! Ihre Zofen (modern südeuropäische Eleganz) stimmen sie optimistisch und verheißen ihr eine paradiesische Zukunft. Zur Sicherung ihrer Jungfräulichkeit bekommt sie einen Kusskorb übergestülpt. Jason versucht ihr zu erklären, wie verhängnisvoll seine Ehe mit Médée war und dass er wieder glücklich sein möchte.

Das Goldene Vlies als Brautgeschenk wird hier ersetzt durch ein Nashorn, dessen großes Horn für das Vlies steht. Das Zeichen der Macht hier ein phallisches Symbol, das die Macht an Créon und seinen Staat weitergeben soll. Gleichzeitig ist das Horn pulverisiert seit Jahrhunderten ein afrikanisches Potenzmittel, das auch phallische Machtausübung verheißt. Jason arbeitet mit diesem Brautgeschenk, das ganz anderen Zwecken dienen sollte, im Prinzip ja doppelt entwendet wurde, an seiner Zukunft, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Natürlich aus Eigennutz, denn er will potenter Mann und Vater, auch Vize-Herrscher, später gar König sein, und Créon soll sich ebenso durch einen Zauber bestärkt fühlen. Während Créon dem Paar Glück wünscht, der Hofstaat den zärtlichen Hymen herbeiwünscht, das ist einerseits ein Hochzeitsruf  und wohl -gott, andererseits spielt die Bezeichnung auch auf die Zeugung von Nachkommen, Beendigung der Jungfräulichkeit Dircés hin (Hymen = Jungfernhäutchen). Die Söhne Jasons sind bereits anwesend, werden von Créon und Jason jedoch abgelehnt. Sie bleiben allein ein Zeugnis der Potenz des Vaters. Zuwendung scheint kaum möglich.


Als Médée (über Leichen gehende, rachsüchtige und fest entschlossene Dramaqueen Nadja Stefanoff), auftaucht, alles bereut, ihr Land, ihre Untertanen, ihre Familie betrogen zu haben, ihren Bruder geopfert zu haben für einen, der sie verlässt: "Ich habe alles geopfert, gib mir meinen Mann zurück!", fordert sie von Jason. Ein wirkliches Beziehungsdrama - sie fühlt sich betrogen , verraten und verkauft ... Auch er bereut und verdammt den Feldzug wegen des Vlieses, das Blut und die Tränen, aber er will die Mutter seiner Söhne, die er auf der Flucht, um überleben zu können, notheiratete, nicht mehr. Bereits hier schon droht Médée ihm mit einer ewigen Erinnerung an alles. Die Regie schaltet schon zuvor bei Dircés Zweifel noch einen zweiten Handlungsort dazu: Auf einer zweiten Bühne in der Rückwand der Hauptbühne kommentiert ein zweiter Handlungsstrang oder besser ein Geschehen, das vordergründige. Waren es zuvor Créon und Jason abgewandt sowie Médée Dircé zugewandt, taucht hier Créon und seine Tochter in Erwartung der Hochzeit auf.



Néris erkennt den fürchterlichen Plan der Médee.    (c) Andreas Etter

Créon erlebt Médée und erinnert sich an eine Opferszene, wo sie einen Stier schlachtete und Médée von allen Frauen zuerst von seinem aus der Kehle schießenden Blut trank. Er weiß, was in dieser Frau steckt, sucht Schutz vor diesem unmenschlichen Wesen. Er verweist sie des Landes, lässt sie von seiner Garde, die an eine aktuelle Antiterroristeneinheit erinnert, inhaftieren, aber Médée überredet ihn listig zu einer weiteren Tagesfrist, um sich von ihren Kindern verabschieden zu können. Im Gefängnis trifft sie Néris (aufmerksam und wach Geneviève King), die auch aus Kolchis stammt und mit ihr leidet, ihr ewige Treue bis in den Tod schwört und versteht, was Médée vor hat. Diese entwickelt teuflische Pläne, das Spiel einer Puppe wie beim Analytiker (der Zuschauer darf in diese Rolle schlüpfen) verrät alles. Man erinnert sich an die mythologische Urtat, die Zerstückelung des Körpers gleichzeitig auch menschliches Urtrauma, der Verlust der Ganzheit, die Reduktion auf den Rumpf, der gerade beim Medea-Mythos eine mehrfache Rolle spielt. Der Bruder, Pelias und die eigenen Söhne zerstückelt, mit deren Blut das Brautgeschenk getränkt wurde, auch ihr Anschlag auf die Braut in Form eines vergifteten Brautkleides mit tödlicher Folge wird in der "Box" auf halber Höhe der rückwärtigen Wand gezeigt. 


Die Illusion der Sage ist auf der zweiten Bühne zu sehen, realiter lässt Elisabeth Stöppler jedoch etwas anderes passieren. Médée wütet in einem Asylantenlager, wird beobachtet, sie ist wie die anderen zum Verlassen des Landes verurteilt. Médée hat jedoch einiges auf dem Kerbholz, der Diebstahl im Elternhaus, das Beseitigen des Pelias, und noch kein Ende. Also eigentlich ein gerechtfertigtes Aufenthaltsverbot! Aber sie müsste theoretisch irgendwo Asyl beantragen, hätte die Vorsehung nicht schon lange ein Schicksal für sie parat. Hier lässt sich die Frage "Asyl für Kriminelle?" mit herauslesen.

Dass nun Dircé hier auftaucht und in ihrer Depression Suizid begeht (sie schneidet sich selbst die Kehle durch, Médée versucht gar es zu verhindern), weiß nur der Zuschauer und Néris, alle anderen halten es für Mord ... Die Asylanten fliehen aus der Umgebung. Néris wiederum ist in der Lage zu prophezeien, was passiert, weil sie mit Médée zusammen im Gefängnis war. Und während Créon seine tote Tochter findet, hat Médée im Hintergrundgeschehen schon alles vorbereitet, der Mord steht bevor. Bezeichnenderweise geschieht der Mord am Nashornkadaver. Die Kinder Jasons, seine Macht und Potenz werden durch ihre Mutter, die den handelnden Part, die Phallusrolle für kurze Zeit innehat, getötet. Sie steht auch genau da, wo das Horn zuvor war, bevor es von Jason abgesägt wurde.
 Médée ist zwar eine Kindermörderin, aber in metaphorischer Hinsicht die starke, kastrierende Frau, die Ödipus Spielchen abstellen würde. Sie als Frau zu haben, bedeutet Macht zu haben, die sie mit Mafiamethoden verteidigt.


Psychoanalytisch kommt die Tat einer Kastration Jasons und Créons gleich. Und die Verfremdung geht noch weiter in die Gegenwart hinein. Nach dem Erstechen von Jasons Söhnen, seiner Mitgift, bereitet der König dem Treiben ein Ende, auch um seine Tochter zu rächen, aber er verwendet weder Pfeil noch Wurfmesser oder -axt, sondern eine Pistole! Mittendrin im antiken Gegenwartskrimi hallt ein Schuss, und Médée ist tot, nicht in der Mythologie, da geht's noch weiter mit einem neuen Gemahl. Créon überlebt, ebenfalls anders als in der Mythologie, und Jason steht kurz vor einem Selbstmord durch Erschießen. Schicksal mal andersrum, gerechter verteilt? Die Einsicht und unerträglichen Schmerzen eines Vaters? Créon als der Bezwinger Médées und noch ein Stückchen stärker? Er nimmt ihr den Phallus wieder ab.


Zeitenwechsel, Irrtum und grenzenloser Hass mischen sich hier zu einem großen Stück Tragödie. Ein spannender Opernabend mit Raffinesse, der nichts von der Brutalität weglässt, die die historische Medea auszeichnet.


Weitere Termine:

10.07.2015, 14.07.2015

Freitagabend am Edesheimer Schloss (Südpfalz): DIE SCHÖNE MANNHEIMS

Schöne Mannheims
"Ungebremst"
Endlich: Das zweite Programm des quirligen Kleeblatts!
Freitag, 10. Juli 2015, 20:00 Uhr

Volle Häuser und ein begeistertes Publikum - seit dem Frühjahr 2011 bereichert das quirlige Kleeblatt Schöne Mannheims die hiesige Kulturlandschaft. Ihr kometenhafter Aufstieg bescherte den Schönen innerhalb kürzester Zeit Auftritte in Fernsehen (u.a. „Ladies Night“, WDR) und Radio, sowie in einigen der renommiertesten Kabarett-Theater von München bis Kiel. Nun endlich ist es soweit - nach dem fulminanten Erfolg ihres Erstlingswerks „Hormonyoga" legt das Quartett nach: stimmgewaltig, ausdrucksstark, und immer mit einem Augenzwinkern widmen sich die vier Powerfrauen auch in ihrem zweiten Programm „Ungebremst“ den kleinen und den großen Themen, dem Alltäglichen und Skurrilen, dem Naheliegenden und dem Abseitigen.

Auch diesmal nehmen sie auf musikalisch-szenische Art allerlei Sprachen in den Mund und vor allem sich selbst nicht allzu ernst.

Ob klassische italienische Arie, hebräischer Folk, Aretha Franklin oder – zunehmend mehr – Selbstgeschriebenes, die Schönen Mannheims „können alles und das auch noch gut“ (Wiesbadener Tageblatt).

„Ungebremst“ gelingt es ihnen, heiratswillige Damen zum Anbandeln auf den Friedhof zu schicken, ein Loblied dem Navi zu singen, online einen Flug für sensationelle 50 Cent zu buchen und zwischendurch noch eben Werbung für Damenwäsche zu betreiben – denn von irgendetwas muss der Künstler ja leben!

Die Schönen Mannheims (nur eine ist DIE Schöne), das sind die Sängerinnen Anna Krämer, Smaida Platais und Susanne Back – stets getragen von der moralischen Stütze, dem Fels in der Brandung, dem Anker am Klavier: Stefanie Titus.

„Hinreißende Stimmen und umwerfende Szenen, bei denen sich die Schönen auch als großartige Komödiantinnen zeigen“, so urteilte der SWR, als er in seiner Reihe „Nachtkultur“ das Künstlerinnenquartett portraitierte.

22,00 € bis 26,00 € (ermäßigt 19,00 € bis 23,00 €)


Kaiserslautern: Kunstgriff-Events im Juli 2015

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Vis á Vis

Hommage an Hildegard Knef
11. Juli - CJD Wolfstein - 20 Uhr
Ab 18.00 Uhr gibt es auch Flammkuchen und Wein im Innenhof des CJD Wolfstein.
Vis a Vis mit  Liedern und Chansons von Hildegard Knef. 
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Martin Haberer
Guitar Excellence
24. Juli - Mühle am Schlossberg

Musikalische Sommernächte mit exotischem BBQ Buffet und Martin Haberer
Bach, Beatles oder Flamenco? 
Preis für das Buffet: 30,00 € (Vorbestellungen für das Buffet erforderlich unter 06302 92340)
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 ROCK am Brunnen

Dorffest 2015 in Grosssteinhausen

mit SOULDIVERS und Teresa Kästel & Band
am 04. Juli ab 19.00 Uhr
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Bremerhöfer Musiksommer

!!! EINTRITT FREI !!!


Wie wir inzwischen gelernt haben, kann auch der Donnerstag ein Feiertag sein. Ein Feiertag für Musikfreunde und Freunde gepflegter Gastlichkeit. Der Überbegriff „Bremerhöfer Musiksommer“ steht seit nun mehr 10 Jahren, für anspruchsvolle, handgemachte, sehr unterhaltende Musik und ist natürlich vom Livemusik geprägt, vielfältige Musikrichtungen sind wieder im Programm.
Wie im letzten Jahr bietet der Bremerhof einen besonderen Service:
Der Bus bringt Sie vom Parkplatz Bremerstraße zum Bremerhof und zurück – umweltfreundlich und die Verkehrs- und Parksituation rund um den Bremerhof entlastend.
Tischreservierungen an den Veranstaltungen sind 
nicht möglich. Bitte kommen Sie rechtzeitig! 
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The Simply Blues Band 

jeden 2. Mittwoch im Monat
Blues Reihe mit MYK SNO & Gästen
08. Juli - 20.00 Uhr
Eintritt: 9,00 € 
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Internationale METAL NIGHT 2

** Set before us  ** TERRA **  
** Pray  for  Sanity  **
** When we  collide  **

09. Juli - 21.00 Uhr
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Weitere Events und aktuelle Informationen unter

www.kunstgriff-event.de

Dienstag, 7. Juli 2015

Alpen: Naturunglücke durch schlechteres Wurzelwerk und Starkregen

Am Sonntag, 14. Juni 2015, kam es zu chaotischen Verhältnissen nach Abgang einer Schlammlawine in Oberstdorf, Landkreis Ostallgäu, Bayern. Tonnen von Schlamm und Geröll setzten sich nach starkem Dauerregen in Bewegung, sodass mindestens 300 Bewohner evakuiert werden mussten. 15 Häuser wurden durch die Mure beschädigt, es bildete sich ein instabiler Stausee aus den Fluten. 350 Helfer waren im Großeinsatz. Die Bewohner halfen selbst mit, ihr Hab und Gut vom Schlamm zu befreíen. 

Über 100 Liter Regenwasser pro Quadratmeter ließen den Oybach sowie den Falkenbach oberhalb von Oberstdorf extrem anschwellen, wodurch sich Tonnen von Geröll und Schlammmassen lösten, die sich als Mure ins Tal schoben und alles wegspülten, was im Weg stand. Holzhütten und Bäume wurden komplett überrollt und zerstört. Vor der Arena der weltberühmten Oberstdorfer Skisprung-Anlage stand nach Polizeiangaben der Schlamm mindestens acht Meter hoch.

Betonblöcke und spezielle Sperrschläuche sollten eine eventuell weitere Schlammlawine kontrolliert umleiten. Der Schlamm war in die Keller und Wohnräume von Wohnhäusern gedrungen und hatte die Gebäude im Erdgeschoss bis zur Decke geflutet. Hinzu kam die Entstehung von Sturzbächen.

Ein klassisches Phänomen in den Alpen, seit die Wälder kleiner werden und die Bäume kränker. Die Wasserrückhaltekraft der Wurzelbereiche ist extrem geschrumpft, sodass bei Sturzregen genau solche Phänomene gehäuft auftreten.

FOTOS 1               FOTOS 2

(Spät-)Sommer-Treiben am Westrand der Republik: Losheim, Trier, ESCH/ALZETTE

+++ Am Sonntag, 6. September steigt zum ersten Mal das elektronische LUCKY LAKE FESTIVAL im Strandbad Losheim. Die Kooperation der Veranstalter Popp Concerts, Timeless Events, trick17 und der Berliner Labels Formatik und Upon.You bringt die angesagtesten DJs auf diese Freiluftparty.
Auf zwei Floors spielen u.a. ANDHIM, OLIVER KOLETZKI, FORMAT:B, KLAUDIA GAWLAS und SVEN SCHALLER den Soundtrack des Sommers!

+++ Und schließlich steigt unter dem Motto „Love gets dangerous“ am Samstag, 12. September auf der Sommerbühne im Exhaus eine Punk-Rock-Hip Hop - Sause der besonderen Art. Bei diesem musikalischen Familienfest treffen Geheimtipps auf Senkrechtstarter, trifft Punkrock auf Rüpel-Rap, Mecklenburg Vorpommern auf Nordrhein Westfalen und St. Wendel auf Stockholm.

Das Line-Up liest sich wie folgt:
Feine Sahne Fischfilet, Antilopen Gang, Love A, The Baboon Show, Giulio Galaxis!
Los geht´s ab 17.00 Uhr, Einlass ist ab 16.00 Uhr.

+++ im Und dann folgt nun noch eine wichtige Mitteilung für alle DIE TOTEN HOSEN-Fans :

„Brüder und Schwestern,
der Sommer ist da und so steigt auch die Vorfreude auf die Open Air-Konzerte im August. Natürlich ist auch hier die richtige Vorbereitung wichtig, deshalb haben die Hosen zwei Aufwärmrunden angesetzt: Auf dem Weg zu den beiden Konzerten in Zürich machen sie unplanmäßig Halt in Luxemburg und Kempten!"

DIE HOSEN MACHEN SICH WARM:
KONZERT AM 11.8. ESCH/ALZETTE (LUXEMBURG) in der Rockhal:
VORVERKAUF STARTET AM 2.7. UM 17 UHR“

Die Tickets sind ab morgen Donnerstag, 02.07.2015, 17.00 Uhr über den Online-Shop der Hosen, www.dietotenhosen.de erhältlich.
Ab Freitag, 03.07.2015 sind dann auch Hard-Tickets unter www.kartenvorverkauf-trier.de sowie bei den folgenden ausgewählten Vorverkaufsstellen in Deutschland & Luxemburg erhältlich:

Aussicht auf September im Schauspiel Frankfurt

Alfred Döblin hat 1930 seinen Jahrhundertroman »Berlin Alexanderplatz« als Hörspiel bearbeitet. Stephanie Mohr bringt die Fassung unter dem Titel »Die Geschichte vom Franz Biberkopf« erstmals auf die Bühne. Der geläuterte Ex-Häftling Biberkopf (Sascha Nathan) ringt vergeblich um ein aufrichtiges und besseres Leben. Mohr stilisiert den Kampf des Underdogs zu einem Totentanz. Die englische Band »The Tiger Lillies« spielt dazu bitter-komische Lieder. Premiere ist am 17. September im Schauspielhaus.

Der belgische Künstler Hans Op de Beeck hat für das Schauspiel Frankfurt sein erstes Theaterstück verfasst. Die Uraufführung von »Nach dem Fest« setzt er am 19. September in den Kammerspielen selbst in Szene. Ähnlich wie in seinen Installationen und filmischen Arbeiten schafft er auch auf der Bühne entrückte, magische Räume. Sie bilden die Kunstwelt ab, in die sich die Zwillinge Lauren (Franziska Junge) und Anton (Torben Kessler) sowie deren Vater (Peter Schröder) zurückgezogen haben. Alle drei fliehen vor der bitteren Wahrheit, die im Laufe des Abends ans Licht gezerrt wird.

Am 26. September finden im Chagallsaal die 43. Römerberggespräche zum Thema »Heilige Familie – Homoehe, Partnerliebe, Kinderkult« statt. Und am 29. September eröffnet Michel Friedman die fünfte Runde seiner philosophischen Reihe »Friedman im Gespräch« mit einer Diskussion über »Religion!«. Zu Gast ist der ehemalige Präsident der Allgemeinen Gesellschaft für Philosophie Herbert Schnädelbach. Er sorgt mit seinen Thesen zum Christentum für eine kontroverse Debatte.

Montag, 6. Juli 2015

Zwischenspiel (Video): ALPHORNING

Alphorning 00267 

Wie war's bei Anna Seghers KOPFLOHN in Mainz?


Johann   (c) Bettina Müller

Im Mainzer Staatstheater ist die Aufführung von KOPFLOHN eines von mehreren Tributes to Anna Seghers! Ein besonderes Entgegenkommen des Theaters: Zum Programmheft gibt es den ganzen Text auf 64 kleinformatigen Seiten gleich zum Lesen dazu. Der Roman erschien 1933 in Amsterdam. Johann Schulz' (David Schellenberg) Steckbrief hängt öffentlich in der Kreisstadt Billingen aus, einen Fußmarsch entfernt von einem rheinhessischen Dorf namens Oberweilerbach, wo er bei Verwandten, sehr armen Leuten, den Bastians, Ende Juli 1932 Zuflucht sucht. Man beschuldigt den Leipziger Arbeiter, bei einer Demonstration einen Polizisten getötet zu haben. Der ausgesetzte "Kopflohn" wird für die Dorfbewohner zum Anreiz, auf die 500 Mark Belohnung zu spekulieren, aber keiner zeigt ihn an. 

Der Leser/Zuschauer lernt Leute aus dem Dorf kennen, die Struktur verstehen. Der arme Bauer Algeier (Martin Herrmann) sieht den Steckbrief, erkennt Johann und könnte seine Zentrifuge bezahlen und behalten, die Arbeitslosigkeit seiner Tochter Marie (Kristina Gorjanowa), die ihre Dienstmädchenstelle verlor, leichter verkraften, er zeigt nicht an. Marie und Johann verlieben sich. Der unmenschliche, despotische Bauer Schüchlin, der seine Frau zur Gebärmaschine und Zwangsarbeiterin machte, sie wegen des zu erwartenden Erbes in den Selbstmord trieb, sieht nach der Identifikation des Leichenfundes den Steckbrief und ignoriert ihn aus Genugtuung über den Tod seiner Frau. Der Jude Naphtel und der alte Merz (Armin Dillenberger) entdecken den Steckbrief auch, im Vordergrund steht allerdings das Provisionsgeschäft durch einen Immobilenverkauf für Merz. Merz ist auch Amtsleiter und stellte Johann ungeprüft eine Anmeldung im Dorf aus, zu Hause bereitet er eine gepfefferte Anzeige für die Schublade vor. Schließlich denunziert Kößlin (Sebastian Brandes), ein Bekannter Johanns ihn bei seinem Naziverband, der SA. Die Folge: schwere Körperverletzung durch die SA und alle Beteiligten wohl bis zum Tod ... Im Original war nur die stumme Hinnahme und Tolerierung der Bestrafung vorgesehen, in der Aufführung ein kollektives Bestrafungsritual.

Anna Seghers erzählt hier absolut in der Tradition der sozialkritischen Dramen der Geringverdiener und des Proletariats das Leben der kleinen Leute, der Lohnarbeiter, Andersdenkenden, Unterdrückten im Kontrast zur oft nicht feinen Bürgerlichkeit - zumeist mit schicksalhafter Ergebenheit bis auf wenige Ausnahmen: Die Rendel (Anika Baumann) ist eine Aktivistin, im Dienste des Kommunismus und Stalins warnt sie vor Hitler, der Verblendung, dem Faschismus und vergisst ganz die Grausamkeit des anderen Diktators. Stalins Zwangskollektivierung ab 1928, Überführung in Kolchosen und Genozid an den Kulaken (vormals Bauern mit eigenem Land) war ein Holodomor ungeheuren Ausmaßes mit mehreren Millionen Opfern. 1932 Anna Seghers offensichtlich noch nicht bewusst, wird hier ein einseitiger Mythos gepflegt, der von der Aufklärung nach 1945 beiderseits Lüge gehießen wurde. 

Die Rendel wird zum Vergewaltigungsopfer der SA-Schergen. Daneben Johann als ungelerntes Ex-Mitglied der SPD, nun Kommunist ohne Zukunft, der gegen die Herrenrige ankämpfen will. Die Figuren pflegen den restringierten Code der Underdogs, Bauern, Arbeiter und Ausgebeuteten. Klar in der Tradition von J.M.R. Lenz, Georg Büchner, Arno Holz (Familie Selicke) und Gerhard Hauptmann (Die Weber, Vor Sonnenaufgang), später Franz Xaver Kroetz, werden die Alltagsprobleme ausgewälzt, der schöne Schein desavouiert. Das proletarische Ausgebeutetsein wird gepflegt. Die SA-Vertreter ganz in der aufkommenden Naziideologie demagogisch, herrisch, unterwerfend, erniedrigend, brutal, besitzergreifend, zerstörend in propagandistischer Agitation. 


Die Rendel   (c) Bettina Müller

Dirk Laucke (Regie) hat wirklich mit Geschick den 250 Seiten starken Roman-Tobak auf immerhin auch noch zwei Stunden Theater heruntergebrochen, ohne Substanz zu verlieren. Mit "beschleunigenden" Übergängen, hektische Musik, schnelle Bewegungen, sich im Kreis drehende Darstellung in der Videoprojektion, wird in Zeitraffer Handlung nachgeholt oder weitergespult. Anderes wird nur erzählt, nicht gespielt. Stilmittel, die das Geschehen der realen Historie schnell näher kommen lassen. Ein Jahr danach beginnt die deutsche Extremdiktatur, die vieles an Verbrechen in den Schatten stellte. Der ungeheure Rassismus und Kommunistenhass legten Deutschland und Europa in Schutt und Asche. Der deutsche Gutmensch dachte noch an eine sinnvolle Mission, bis ihm Auschwitz klar wurde. Und da war es schon zu spät! Die Tötungsmaschine Hitlers auf vollen Touren! Laucke analysierte als Sachse auch in seinem Schaffen die unerfreuliche Gegenwart der Pegida-Bewegung, die konfus und diffus Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes heraufbeschwört. Gerade im Licht der zunehmenden und geplanten Internationalisierung der Bevölkerung, um schnell den Einwohnerrückgang von prognostiziert 16 Millionen aufzufangen, wird nationale Zukunft auf der einen Seite irrational mit Überfremdung, Islamisierung, frauenbevorzugendem Gendermainstream und intolerant in Frage gestellt, auf der anderen Seite euphorisch und euphemistisch im bunten Zusammen gesehen. Dass dazwischen eine stark familienbejahende und -unterstützende Infrastruktur und Anschauung auch seitens der Arbeitgeber fehlt oder zu wenig ausgebaut und verwirklicht wurde (die Ursache der Geburtenschwäche), bleibt ja oft auf der Strecke.

Die Liebeleien des jungen Merz mit der 16-jährigen Sophie Bastian (Ulrike Beerbaum) unglücklich, aber er setzt sich durch, die Zeugen bei der Hochzeit stumm dabei. Der Lehrer Rifke, handicapped, als anpassungsfähiges Gewächs, seine Luise Merz liebend. Beide zusammen: Merz und Sophie, Rifke und Luise, feiern eine Parallelhochzeit, Marie und Johann bleiben nicht zusammen. Maries Devise: "Wenn man heutzutage nicht stark ist auf Erden, kann man sich gleich drunterlegen." 

Die SA kontrolliert bereits die Wahlen. Parteigenosse Zillich, Sturmführer, und Kunkel unterziehen Johann nach Denunziation durch Kößling einer schweren Prüfung. Seine Stärke wird getestet, währenddessen ihm nicht nur Sophie an die Kleider geht, seine Stärke mit zerstört, sondern auch das halbe Dorf. Das angebliche Verbrechen an einem Polizisten scheint gesühnt, aber vielmehr ist alles ein Zeichen der heraufdämmernden Unterdrückung und der Entfesselung des groß und tödlich angelegten arisch-rassistisch-politischen Mobbings. Die mehrfache Wiederholung der Misshandlung deutet hin auf Rachegelüste, Lust am Zerstören und Töten, Ausleben eines Wiederholungszwangs und tatsächlich auch der Bereitschaft zum grausamen Ritual, als wiederholbarer Lustgewinn und Zeichen der Macht.


KOPFLOHN (UA)
Von Dirk Laucke nach dem Roman von Anna Seghers
Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
Uraufführung in Recklinghausen: 4. Juni 2015
Premiere in Mainz: 12. Juni 2015
Aufführungsdauer: ca. 120 Minuten - keine Pause
Kleines Haus

TERMINE
11.07.2015, 16.07.2015, 18.07.2015