Im letzten Jahr wurde ich ein paar Wochen vor meinem Geburtstag mit der spannenden Frage konfrontiert, ob ich mir vorstellen könnte, ein Ina-Müller-Konzert zu besuchen, und ob ich mir darüber hinaus gefallen lassen würde, mir dieses Ticket schenken zu lassen.
Da fackelt Frau doch nicht lang! Ina Müller war mir bisher nur durch die Sendung „Inas Nacht“ geläufig, die ich aber auch nicht regelmäßig verfolge. Und ab und zu habe ich mir ein Video angeschaut, wenn mir ein Duett, wie zum Beispiel das mit Jan Josef Liefers, besonders gut gefiel. Bei Ina Müller ist es wohl so wie bei vielen Künstlern, die Kabarett machen: Man mag sie oder man mag sie eben nicht. Schwarz oder Weiß. Ganz oder gar nicht. Es gibt keine Grauzonen dazwischen. Sie ist laut, sie ist rotzfrech, sie schleudert ihre Gedankengänge mit einem Karacho ins Volk, dass man spürt, wie das absolut authentisch und ungefiltert aus ihr raussprudelt.
Und ich mag das! Insbesondere das Rotzfreche.
Und ihre wirklich schöne Stimme, die zwischen laut und leise daherkommt, und die wirklich guten Texte, die einen oft in den tiefsten Tiefen der eigenen Seele treffen, die mag ich auch!
Einen Tag, bevor das Konzert dann endlich losgehen sollte, überfielen mich doch ein paar leise Zweifel. Ich hatte zugegebenermaßen noch nie eine CD komplett durchgehört. Außerdem zog sich mein Januar-Blues in diesem Jahr bis in den Februar und mir war bei der Affenkälte eher nach „Decke über den Kopf“ als nach einem Konzertbesuch zumute. Doch wenn ich der Decke über dem Kopf den Vorzug gegeben hätte, wäre mir tatsächlich ein norddeutscher Vulkanausbruch in Düsseldorf-Oberbilk entgangen und ich hätte das schwer bereut.
Ich finde Künstler so angenehm, die ihr Publikum nicht lange warten lassen und ohne Vorband auskommen. Kurz nach 20 Uhr legte die Band los und Ina Müller kam auf ihren High Heels eine unprotzige Showtreppe herunter gewackelt. Warum die Mädels auf der Bühne immer diese fürchterlichen Schuhe tragen müssen, die ihnen schon mit dem Satz „Die sind nur zum Sitzen“ verkauft wurden, das wird mir wohl für immer ein Rätsel bleiben.
Ina Müller fetzte los. Und brachte überwiegend Songs von ihrer neuen CD „Das wäre dein Lied gewesen“, die ich vorher nicht kannte, die ich mir aber jetzt schleunigst zulegen werde, denn fast jedes Lied hat mich irgendwie angesprochen und teilweise auch das Tränenventil geöffnet. Zwischen den Liedern erfolgte jedes Mal ein kleiner bis größerer Ausflug in die Welt des Kabaretts. Wenn Frau Müller über die Vorzüge eines Mittzwanzigers parliert, dann nimmt man ihr ab, dass ihr die Jungs reihenweise zu Füßen liegen. Sie kokettiert zwar gerne mit ihrem Alter, aber sie kommt mit einer jugendlichen Frische und einer Energie bei ihrem Publikum an, dass man sich als fast Gleichaltrige fühlt, als wäre man ihre Oma.
Die Zugabe kredenzt Frau Müller ihrem Publikum in weißem Bademantel nach bester Udo-Jürgens-Manier und vor allem: barfuß! Und wenn man meint, dass nach zweistündiger Dauerpower nicht mehr viel gehen kann, dann hat man sich getäuscht! Sie rennt über die Bühne, sie hüpft auf das Klavier, sie geht über Tische und Bänke und übergießt ihr Publikum mit ihrer Ina-Lava.
Diese Frau ist Energie pur!
Und außerdem eine hervorragende Sängerin, Kabarettistin und Entertainerin.
Und ich? Ich bin jetzt tatsächlich Ina-Müller-Fan und würde es jederzeit wieder tun: ein Konzert dieser Frau in vollen Zügen genießen!
© Annette Kallweit, Düsseldorf