Hinter den Märchen steckt recht oft Erotisches, dabei lassen wir die unsere Kinder lesen... Früh übt sich, wer eine gesunde Begehrstruktur braucht. Handelt es sich um heiße Liebesnächte im Rapunzel-Turm? Der lüsterne Verführer vor der Tür der sieben Geißlein? Oder die Gefahr der vorzeitigen Entjungferung im Bett der Großmutter?
Für den Germanisten und Direktor des Instituts für Jugendbuchforschung an der Frankfurter Goethe-Universität, Hans-Heino Ewers, stecken in den "Kinder- und Hausmärchen" der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm mehr als nur schöne Geschichten.
Er wolle sie wieder für erwachsene Leser interessant machen, sagte Ewers. Am Sonntag, 22. Januar, wurde hierzu in Kassel das Grimm-Museum nach einer längeren Sanierung neu eröffnet.
Eigentlich waren Märchen drastische Erotikgeschichten
Das Brüder-Grimm-Museum in Kassel hat wieder geöffnet.
Bis zu den Grimms waren Märchen alles andere als Kinderlektüre gewesen: "Die Aufklärer des 18. Jahrhunderts wollten den Kindern nicht vorgaukeln, dass es Zauberei und Magie gibt. Außerdem waren Märchen eigentlich Liebes-, Heirats- und oft sehr drastische erotische Geschichten.
Und das hatte bei Kindern nichts zu suchen. Dann kamen die Grimms auf den Gedanken, Märchen seien die ideale Kinderlektüre. Alle griffen sich an den Kopf: "Jetzt sind sie übergeschnappt."
Dass die "Kinder- und Hausmärchen" heutzutage dennoch vor allem in den Kindergärten und Grundschulen anzutreffen sind, lasse sich auch auf die Grimms zurückführen: Nachdem einer ihrer Dichterfreunde sie darauf hinwies, dass ihre Storys überhaupt nicht kindgerecht seien, hätten sie bis 1819 die Märchen überarbeitet.
Sie unterdrückten die Liebesthematik und machten aus Heiratsgeschichten in der zweiten Auflage Kinderfreundschaftsgeschichten. Das treibt zuweilen seltsame Blüten. Am witzigsten ist das bei "Rapunzel".
Das Mädchen ist am Ende schwanger und kriegt Zwillinge, aber man ahnt im ganzen Text nicht, wie das kommt. In der ersten Auflage der "Kinder- und Hausmärchen" sind die Liebesnächte im Turm noch angedeutet.
Auch "Rotkäppchen" ist ein Liebesabenteuer
Nach Ewers Schätzung sind ein Viertel bis ein Drittel der rund 200 Texte in der Sammlung Märchen. Der Rest sind Schwänke von der Art des "Tapferen Schneiderleins".
Die Märchen erkenne man aber immer an der Liebes- und Heiratsthematik: Auch "Rotkäppchen" ist ein Liebesabenteuer. Das ist eine sogenannte Tierbräutigamsgeschichte. Rotkäppchen soll sich nicht von irgendeinem jungen Schürzenjäger vorzeitig entjungfern lassen. Bei "Der Wolf und die sieben Geißlein" repräsentiert der Wolf auch den männlichen Verführer, vor dem die Geißenmutter ihre Töchter schützen will.
Im Mittelpunkt der Märchen steht aber laut Ewers nicht etwa ihre Lehre: "Sie sollen in erster Linie unterhalten - Geschichten werden erzählt. Märchen sollen zwar in den Kinderstuben bleiben, aber auch die Älteren sollen sie als das entdecken, was sie immer gewesen sind: Erzählungen für Erwachsene."
Das Grimm-Museum ist übrigens unweit von dem bereits vorgestellten Sepulkralkultur-Museum, siehe zwei Beiträge davor.
Das Grimm-Museum ist übrigens unweit von dem bereits vorgestellten Sepulkralkultur-Museum, siehe zwei Beiträge davor.
das ist gar keine so schlechte Idee, Herr Vieregg, wenn der Maya-Kalender abgelaufen ist, sollte man mit Grimms Märchen weiter machen, die halten sicher noch mal ein paar zehntausend Jahre ... das wäre ganz in meinem Sinn ...
AntwortenLöschenHerzlich ...
Ich mag die "Grimmschen Märchen", seit meinen Kindertagen und Lese immer mal wieder da drin. Auch zum Vorlesen finde ich sie geeignet.
AntwortenLöschenZu dem :-)"erotischen" im Märchen, auch in den "Grimmschen", ist schon so manches gedacht und gesagt worden und wenn man will, kann man in "jedem Text", einen doppelten Boden finden. Dazu fällt mir natürlich : Bruno Bettelheim ein... siehe LINK: und sein Buch: " Kinder brauchen Märchen.. &
http://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Bettelheim
deutsch: Kinder brauchen Märchen, ISBN 3-423-08495-2
Ja, und des weiteren für meine Tätigkeit als Leselernpatin:-)
deutsch: Kinder brauchen Bücher: Lesen lernen durch Faszination,
ISBN 3-423-35026-1
Wo "Bettelheim" irrte, das weiß man aber erst jetzt, war bei der Untersuchung und Beobachtung von autistischen Kindern.
Das kann eben den klügsten Köpfen passieren, das ihre Theorien eines Tages von anderen noch klügeren Köpfen widerlegt werden.
Mein (reales) Buch von "Grimms Märchen" ist in einem erbärmlichen Zustand. Das heißt eigentlich ist mein 8 Jahre jüngerer Bruder daran schuld. ER, benutzte, meinen bis dahin sorgsam gehüteten Schatz, mit kaum 2 Jahren , als Malbuch und hat auch einige Beschädigungen / (Gewalt von Männern) ;-) am Umschlag hinterlassen. Nun habe ich eine Buchbinderin gefunden, die mir dieses Beschädigungen wieder reparieren wird. Ein hoffentlich gutes ENDE. So wie es sich im Märchen gehört! Und wenn sie nicht gestorben sind. So leben sie heute noch.
LG: v. Roswitha Rydl
Es kann auch anders sein, ich besitze eine ganze Reihe von Büchern nur, weil sich in ihnen Kinderhände wunderbar entfaltet haben, unter anderem ein herrliches Architekturbuch aus den Zwanzigern, wo es ganz munter zugeht ... Im Dorf meinerseits war Zeichenpapier rar, wenn ich zeichnen wollte, schob man mir meist die Zeitung hin, hier konnte ich mich auf dem Rand mit kleinen Figuren austoben ... Im Haus der Großeltern gab es zwei Sammelalben, eins aus der Tierwelt, hier durfte ich mich irgendwann auch austoben, es gab aber auch noch ein Märchenbuch, das war tabu, das durfte ich nur anschauen ... es waren Alben mit den Sammelbildern, ich glaube von Haferflocken oder so etwas ... als wir in der dritten oder vierten Klasse Volksschule ein Malheft bekamen, habe ich es am ersten Nachmittag gleich von der ersten bis zur letzten Seite vollgemalt; die Lehrerin war am nächsten Tag entsetzt, da das Heft für das ganze Schuljahr hätte reichen sollen ... zur Strafe schlug sie mir das Lineal über die Hände ...
AntwortenLöschen@Roswitha: Auch Kinder müssen ja irgendwie ahnen lernen, worum sich Erwachsene oft streiten und wie sie miteinander umgehen. Und sicher brauchen Kinder Märchen, dieser Meinung bin ich auch. Sie haben einen Lehr- und Lerncharakter, der bis in die unbewussten Tiefen reicht.
AntwortenLöschen@WB: Merkwürdig dass der Bücherbesitz nicht so wichtig war vor 40/45 Jahren. Das waren auch nur ein paar, die ich geschenkt bekam, allerdings wollte ich sie nicht bemalen bzw. ausmalen. Aber wir hatten ja eine große Stadtbibliothek und da war ich Stammkunde, ich habe die stapelweise mit nach Hause bekommen, durchgeblättert und die interessantesten genauer beäugt bzw. ganz gelesen/verschlungen. Leider macht das Multimediazeitalter lesefauler, ich hole schon lange keine Bücher mehr in der Stadtbibliothek, von dem mal abgesehen, dass in Kusel die ältesten und unmöglichsten Schinken gehalten werden. Einmal im Jahr kriegt man total abgriffene, verdreckte ab 1 EUR im Flohmarkt, auch das interessiert mich nicht die Bohne, weil die immer aussehen wie aus dem Bergwerk.
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