Zwei Premieren, ein Festival mit Bühnenarbeiten aus Mexiko und vieles mehr stehen im November auf dem Programm der Münchner Kammerspiele.
Gleich zu Beginn des Monats, am 04. November, findet in Kammer 2 die Uraufführung von „8 ½ Millionen“ nach dem Roman von Tom McCarthy, inszeniert von Alexander Giesche statt.
Wiederholung, Vervielfältigung und Remontage sind zentrale Methoden in Tom McCarthys vielgelobten und bei der Berlinale auch als Film präsentierten Roman „8 ½ Millionen“. Er erzählt von einem Mann, der endlich wieder den einen echten Moment erleben möchte. Er investiert sein gesamtes Vermögen in ein himmelstürmendes Projekt: die perfekte Wiederholung vergangener Ereignisse seines Lebens. Es spielen: Maja Beckmann, Lázlo Branko Breiding, Max Krause, Christian Löber, Anna Katharina Platen und Franz Rogowski. Mit „8 ½ Millionen“ läutet die Gruppe GIESCHEand die zweite Spielzeit des Projektes „Future Shock“ an den Münchner Kammerspielen ein und befasst sich weiter mit der Frage nach den Auswirkungen von Fortschritt und Technologie auf unser Welterleben.
Die am 19. November in Kammer 1 angekündigte Premiere „Unterwerfung / Plattform“ nach den Romanen von Michel Houellebecq in der Inszenierung des französischen Regisseurs Julien Gosselin entfällt wegen seiner Regieabsage. Houellebecqs zur Jahrtausendwende erschienener Roman „Plattform“ ist die Liebesgeschichte zweier Menschen, die an die Liebe schon längst nicht mehr glaubten. Kurz bevor sich ihr unerwartetes Glück Dank einer cleveren Geschäftsidee richtig entfalten kann, wird es jedoch durch einen islamistischen Terroranschlag brutal zerstört. 16 Jahre später erscheint Houellebecqs jüngster Roman „Unterwerfung“. Die Welt ist in den dazwischen liegenden Jahren eine andere geworden. Jetzt entwirft Houellebecq das Szenarium einer nahen Zukunft, in der eine islamische Partei die französische Präsidentschaftswahl gewinnt und dem zerstrittenen Land Frieden bringt. Dass Frauen in diesem Frankreich keine öffentlichen Ämter annehmen dürfen und Juden das Land verlassen, sind die beiden Schönheitsfehler dieser scheinbar perfekten Welt.
Angesichts der Entwicklung an den Grenzen innerhalb und an den Rändern der EU erscheint es sinnvoll, den durch die Krise Europas bedingten Tunnelblick hinter sich zu lassen, die Perspektive historisch und geographisch zu weiten und auf eine Region zu schauen, in der das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd, Flucht und Migration, eine zentrale Rolle spielen. Es geht um Mexiko und um die vielfältigen Demarkationslinien, die das Land symbolisch, politisch und kulturell von den USA trennen:
„Endstation Sehnsucht. Theater in Mexiko: Ein Festival über Flucht, Identität und die Darstellbarkeit von Gewalt“ gibt vom 22. – 27. November Einblicke in die gesellschaftspolitische Situation des Landes und stellt ausgewählte Produktionen aus dem Bereich des Freien Theaters vor, überwiegend als europäische Erstaufführungen. Neben Gastspielen etablierter Gruppen wie Lagartijas Tiradas al Sol oder Antonia Salinas liegt das Augenmerk auf jungen Regisseuren und Performerinnen wie Alberto Villareal und Laura Uribe oder Mariana Villegas, Ángel Hernández und Lukas Avendano.
Neben der Beschäftigung mit Fragen von Herkunft und Identität, die häufig in postkolonialen Gesellschaften artikuliert werden, sind viele der hier zu zeigenden Arbeiten von einer Auseinandersetzung mit der in Mexiko allgegenwärtigen Gewalt geprägt – und werfen so die Frage nach ihrer Darstellbarkeit mit den Mitteln des Theaters auf. Lassen sich diese künstlerischen Entwicklungen mit den hierzulande geführten Debatten um einen neuen Realismus und interventionistische Kunst kurzschließen?