In der Neuen Gebläsehalle Neunkirchen wird zurzeit täglich, außer montags, noch bis 04.07.2013 das Musical "SnoWhite" gezeigt, bei dem eine hohe Professionalität zu sehen und zu hören ist. Hervorragende Musik von Frank Nimsgern, der mit diesem Musical im Spätjahr 2012 im Opernhaus des Theaters Bonn Premiere feierte und bereits in der Spielzeit 2007/08 mit der Uraufführung der rockigen Version des Wagner-Opernzyklus: DER RING glänzte. Der Musiker, Komponist und Produzent Frank Nimsgern wurde 2000 mit dem ARD-Fernsehpreis „Die Goldene Europa“ ausgezeichnet. Seine Werke QI, ELEMENTS, HEXEN, POE, PARADISE OF PAIN, ARENA, PHANTASMA und SNOWHITE verschaffen ihm eine hohe Popularität, dazu seine musikalische Präsenz in über zwei Dutzend Filmmusiken, darunter für bisher zehn Folgen des TATORT.
Regie führt Elmar Ottenthal, gebürtiger Innsbrucker, mit Erfahrung aus der Mailänder Scala, der Wiener Staatsoper, dem Liceu in Barcelona sowie dem Théâtre de la Monnaie in Brüssel. Er war selbst von 1992 bis 1999 Generalintendant am Theater Aachen sowie von 1999 bis 2001 Intendant des Theater des Westens in Berlin. Als freier Regisseur inszenierte er mehr als 80 Produktionen und entwickelte bisher sechs Musical-Uraufführungen. So auch das Open-Air-Musical "Wasserphantasie" in Neunkirchen 2012.
Die Choreografie erledigte Brigitte Breternitz und die teilweise verrückten Kostüme stammen von Judith Adam.
Zunächst läuft alles noch annähernd so, wie man es kennt, wenigstens die erste Halbzeit lang. Die klassische Geschichte um Schneewittchen, na ja, der Rahmen ist anders, kein Märchenstündchen, nein, ein rockiges Entrée mit der Königin (wie immer total einnehmend und dominant Aino Laos): "Die Zeit ist reif, die Luft ist bitter", das Trommelfell beginnt schon leicht zu zittern ... Sie fragt ihre Spiegel, die von Hexen dominiert werden, nach der Schönsten im Land und bekommt immer dieselbe, mittlerweile widerwillige Antwort: sie natürlich.
Und schon folgt ein Hexenmeeting, die Hexe Abigail (schön hexig-attraktiv und kratzbürstig Nina Filipp) mit den wuseligen Hexen, die überall sind, sogar einmal völlig überraschend aus dem Bühnenuntergrund hervorschießen und die erste Reihe erschrecken (blutjung und ganz gelenkig, schnell und sicher: Yvonne Braschke, Angelina Curilova, Lara Diez, Yvonne Braschke, Sandra Malik, Kateryna Marozova, Valerie Potozki) - eine wäre mir beinahe auf dem Schoß gelandet.
Der Mörder von SnoWhite, der gedungene und beauftragte Jäger (reichlich verliebt Fabrizio Barile), sucht sie, soll sie ermorden, und da die Königin einen Pakt mit den Hexen geschlossen hat, zeigt Abigail dem Mörder auch den Weg in den Wald ...
Herrlich dargestellt der Wald mit Stecken und den Tänzern, die auch die Zwerge spielen (Frank Felicetti, Maurice Stocsek, Ludwig Mond, Chris Raap, Ken Chi Kien Duong, Young-Jean Maeng, Chris Raab, David Schmidt - die ich mit Felicitas G. vom Verein "Lesen & Kultur für alle e.V." aus dem hessischen Münster nach der Vorstellung als sehr hilfsbereite und nette Tänzer kennen lernte - wir wurden von David Schmidt betreut).
Der Jäger findet SnoWhite (Michaela Kovarikova, ganz brav, naiv und schön, verlegen, unbescholten, unberührt und tiefschwarzes Haar), verschont sie aber, weil er sich in sie verliebt. Auch SnoWhite empfindet Tiefes - war der Weg bisher egal, ab jetzt scheint er eine Richtung zu bekommen ...
Beim Kontakt mit den Zwergen, die allerlei Schabernack mit dem Jäger treiben, witzeln, herumkullern, blödeln und ihn veräppeln, zeigt sich eine lange Strecke Comedy. Ein Transvestit-Zwerg (lebensecht Maurice Stocsek) sorgt für Abwechslung, weil er perfekt auf Frau geschminkt ist und sich auch so bewegt. Frank Felicetti als Stimmimitator, der wie ein Seniorpinguin herumwatschelt, alle 30 Sekunden die Imitation wechseln kann und den Oberzwerg Mintou ganz prima mimt. Von ihm stammen übrigens auch das Buch zum Musical und alle Songtexte!
Der Jäger macht sich auf den Weg zur Königin, um seinen Auftrag als scheinbar erfüllt zu melden, er wird ihr ein Rehherz als SnoWhites Herz überreichen. Die Marionetten der Königin an der Leine (die Hexendarstellerinnen) prägt sich als Bild ein. Die Königin verspricht dem Jäger, ihn zum König zu machen, und möchte ihn besitzen und im Käfig festhalten, wie die alternde Schönheit, die noch einmal reiche Beute machen möchte, das Brandeisen brennt sich in die Brust ...
SnoWhite kommt derweil zu den Zwergen, die gar fürchterlich hausen und sich herrlich erschreckt und aufgeregt gebärden, weil ja nicht jeden Tag - um genau zu sein: noch nie - so eine Schönheit die Höhle betritt. Sie möchte bleiben und bietet ihre Dienste an, Kochen, Haushalt etc. Leider ist SnoWhite ein Dummerchen, sie kann so gut wie nichts, aber aufräumen und einfach dasein reicht ja auch. Singen gehört zu ihren Stärken: "Mein Herz ist frei wie der Wind, du musst nur tief genug ins Herz heineinschauen" heißt es in einem Lied.
Mit dieser Konkurrenz kann die verblühende Herrscherin nicht leben. Als alte Hexe und Bösewichtin verkleidet betritt sie die Höhle, bietet sie SnoWhite einen vergifteten Apfel an - dazu voller Ironie und kräftige Akzente setzend der herrlich rockige Song "Komm, mach dich schön". SnoWhite sinkt vergiftet um. Die Zwerge versuchen sie zu retten, wissen aber nicht wie und müssen wohl oder übel hinnehmen, dass sie tot ist. Im gläsernen Sarg soll sie zu Grabe getragen werden.
Bei der Herrscherin zeigen sich Alterungserscheinungen, es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie nicht mehr edel daherschreiten kann, auch die Spiegel werden sie nicht mehr loben. Der Jäger nimmt Reißaus, verlässt sie und folgt seinem Herz ... "Ich habe einen Auftrag ..., ich soll fürs Leben lernen, mich zu entscheiden lernen ..." Und so stößt er auf den Trauerzug und küsst SnoWhite wieder lebendig. Sie werden zu einem Liebespaar "für immer und immer". Die Zwerge geben ihren Schatz nur ungern auf, aber das Paar lässt sie allein.
Im Finale besingt die Königin in einem ebenfalls starken Lied: "Wer weiß schon, wie schnell ein Augenblick vergehen kann ..." Und ein König ist, "wer sich entscheiden kann".
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