Die zwölf Bücher
Ein Fantasyroman von Rolf Glöckner
LESEPROBE 4
Kapitel 3
Was passiert hier?
Überraschendes
„So, da wären
wir!“, flüsterte Carolyn. „Und nun?“
„Ach“,
antwortete Tom, „ganz einfach, wir steigen jetzt durch den Spiegel
und schauen uns auf der anderen Seite um, bevor wir uns zu der Burg
oder was auch immer dieses alte Gebäude sein mag, auf den Weg
machen.“
„Du solltest aber
vorher noch einmal hindurchschauen, damit wir auch sicher sind,
dieses fremde Land ungefährdet betreten zu können. Vielleicht ist
es dort inzwischen ja dunkel“, wisperte Carolyn und schüttelte
sich. „Schau auch mal nach unten, wir wissen ja noch gar nicht, ob
wir nicht herunterfallen oder vielleicht sogar ein Seil brauchen, um
in diese fremde Welt hinab zu gelangen. Etwas Angst habe ich schon
und wenn unsere Eltern zurückkommen und wir dann nicht in unseren
Zimmern sind, was werden sie dann wohl denken, wo wir uns gerade
aufhalten.“
Tom versuchte,
Carolyn wieder etwas zu beruhigen und meinte deshalb ganz lässig:
„Wird schon nichts passieren. Ich stecke zu deiner Beruhigung erst
noch einmal den Kopf durch das Licht, bevor wir tatsächlich durch
den alten Spiegel hindurchgehen.“
Er bewegte sich auf
die leuchtende Stelle zu, legte seinen Rucksack ab, nahm die
Taschenlampe in die Hand, hielt erst vorsichtig einen Finger in das
wabernde Licht des Spiegels, und als bis auf ein leichtes Kribbeln
nichts geschah, steckte er, wie er es ja schon einmal getan hatte,
seinen Kopf hindurch. Er zog ihn mit einem lauten Aufschrei jedoch
sofort wieder zurück.
„Was ist?“,
fragte Carolyn nun äußerst beunruhigt.
„Das ist nicht
das, was ich vorhin gesehen habe. Komm, schau du doch einmal
hindurch, und dann sag mir, was du siehst.“
„Nein“, jammerte
Carolyn, „ich habe Angst, lass uns lieber nicht alleine gehen. Was
hast du denn überhaupt dort gesehen?“
„Ich sah eine
Stadt, wie ich noch nie eine in meinem Leben kennengelernt habe, mit
hohen Türmen, Flugwagen, die sich zwischen den Türmen hin und her
bewegten, einem großen See am Rande der Stadt und so etwas ähnlichem
wie einen Park voll seltsamer Bäume, Pflanzen und Tiere.“
Carolyn begann zu
schluchzen. „Ich habe schreckliche Angst, lass uns lieber damit
aufhören, du!“
Ein seltsam
schmatzendes Geräusch unterbrach Tom, der seiner Schwester gerade
eine Antwort geben wollte. Das Licht verdunkelte sich und eine große
Gestalt stand plötzlich vor ihnen. Aus der Brusttasche der Jacke
dieser Gestalt schaute ein kleiner Kopf mit großen runden Augen
hervor, der mit piepsiger Stimme sprach:
„Ich glaube, sie
haben uns und unseren Weg in die Welten des Spiegels entdeckt!“
„Onkel Hans!“,
stöhnte Carolyn auf. „Wie kommst du denn hierher?“
Hans, ein Bruder
ihrer Mutter und zugleich ein wenig auch das schwarze Schaf der
Familie, nahm sie beruhigend in den Arm, strich ihr über den
unbändigen Haarschopf und antwortete leise:
„Das ist eine
lange Geschichte, Carolyn, ich glaube, es ist an der Zeit, euch
einiges davon zu erzählen. Lasst uns also nach unten gehen. Ihr
schildert mir, wie ihr den Spiegel gefunden habt, und ich werde euch
dazu einige Erklärungen liefern. Und sagt doch bitte einfach ‚Hans‘
zu mir, das ‚Onkel‘ könnt ihr getrost weglassen.“
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