Ana Moura gastierte am 16.02.2013 in Trier, die letzte Station in Deutschland im Rahmen dieser Tournee. Sie spielte Fado und vor allem Desfado, wie auch ihr letztes Album von 2011/12 heißt. Vielen ist Fado bekannt, aber bei Desfado runzeln sich die Stirnen.
"Fado (portugiesisch Schicksal; v. lat. fatum = Schicksal, göttlicher Wille) ist ein portugiesischer Musikstil und Vortragsgenre, der vor allem in den Städten Lissabon und Coimbra beheimatet ist. Werke dieses Stils handeln meist von unglücklicher Liebe, sozialen Missständen, vergangenen Zeiten oder der Sehnsucht nach besseren Zeiten, und vor allem von der saudade. Der Fado beinhaltet unter anderem arabische Elemente, viele verschiedene Tonhöhen und viele Molltöne, und drückt jenes Gefühlsleben aus, das die Portugiesen miteinander verbinden soll." Wikipedia
Es gibt nur zwei große weibliche Stimmen des Fado, die die Welt erfassen, Mariza und Ana Moura. Eine Stimme, die leise, zärtlich, zerbrechlich, aber auch nachdrücklich, voller Vehemenz und aufkommender Kraft sein kann. Sie besingt die Liebe, die unerfüllte Liebe und das melancholische Verweilen. Ana Moura verkörpert jedes einzelne Lied mit jeder Faser ihres Empfindens. Sie spricht eine emotionale Sprache, klagend, erhöhend und tief in sich absinkend, die jeden erfasst und fesselt, ob er Portugiesisch versteht oder nicht. Ihre Bewegungen zurückhaltend, grazil, erotisch, theatralisch - Vornehmheit und Würde vermittelnd. Ana ist die ruhigere Interpretin der beiden Fado-Königinnen.
Fausto, José Afonso, Ruy Mingas, angolanische Musik und Fado sang ihre Familie in den Abendstunden, und sang auch Ana Moura schon in ganz jungen Jahren mit. Kein Familientreffen ohne Musik, und so entwickelte sie auch eine besondere Vorliebe für Fado. Mit sechs Jahren sang Ana bereits ihren ersten Fado " Dapple Horse". In der Pubertät kamen andere Arten von Musik zum Tragen. Im Alter von 14 wurde sie in der Hochschule für Musikamateure eingeschrieben. Später ging es mit hartem Pop bzw. Rock mit dem Musiker Luis Oliveira weiter. In einer Bar in Carcavelos sang Ana Moura eines Abends einen Fado. Der Gitarrist Anthony Parreira war so beeindruckt, dass er sie in mehrere renommierte Fado-Häuser einführte. Sie lernte am meisten von Maria da Fé und Jorge Fernando, der auch 2003 das erste und auch die weiteren Alben mit ihr produzierte. Ihre Elastizität lässt auch Zigeuner- und Flamencoeinflüsse zu, was den Darbietungen einen großen Reiz verleiht. 2004 folgte ein Doppelalbum. Der Weg führte sie 2005 in die Carnegie Hall in New York. Der Rolling Stones-Saxophonist Tim Ries entdeckt den Fado mit ihrer Stimme und es kommt zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die sich im Album Beyond Nostalgia 2007 niederschlägt. Dieses Album bleibt 70 Wochen in der Bestenliste! 2009 folgt das Album "Fado" zusammen mit der Platinauszeichung für Beyond Nostalgia. Dies ist auch das Jahr, in dem Prince den Kontakt zu Ana Moura sucht. Er möchte sie für sein Konzert haben und zusammen interpretieren sie auf dem Super Rock Festival in Meco eine portugiesische Version von "Walk in Sand", außerdem traditionelle Fados. 2010 tritt Ana mit der HR-Bigband in Deutschland auf, so in St. Wendel und in Darmstadt. Im Jahr darauf erhält sie den Golden Globe Award, zeigt Top-Umsätze, auch bei Amazon, und wird zum Artist of the Year des britischen Magazins Songlines gekürt. Das fünfte Album ist 2012 schließlich "Desfado", eine ganz neue Art von Fadomusik bei Ana Moura.
Desfado heißt soviel wie "Auflösung /Dekonstruktion des Fado/Entfadoisierung", und so werden die Grenzen auch aufgelöst und mit anderen Assoziationen versehen, ohne die Fadosprache ganz aufzugeben. Das Schlagzeug wirkt bisweilen militärisch, wie bei einem Angriff von Soldaten in vergangenen Jahrhunderten, es klingt nach Exerzieren der alten portugiesischen Erobererzeit, dann wieder ganz weich jazzig und rhythmisch zu Klängen der Liebe, begleitet von einer starken Basslinie auf der Bassgitarre, einer begleitenden und interpretierenden Akustikgitarre und einer dominanten, Melodie gebenden und akzentuierenden portugiesischen Gitarre. Das Keyboard wirklich gut bedient, tatsächlich aber zwischendrin wie eine Pop-Reminiszenz an die 70er-Jahre klingend. Für den neuen Sound zeichnet der US-Amerikaner Larry Klein verantwortlich, der bereits Herbie Hancock, Joni Mitchell oder Tracy Chapman sein akustisches Design verpasst hat. Er war Ana Mouras Wunschkandidat.
Desfado war neben einigen anderen Liedern, unter anderem eines von Joni Mitchell, die Hauptsache in Trier. Die Entfadoisierung drückt sich am ehesten spürbar in einem heiteren Grundton aus, der das Klagen, Lamentieren und Leiden hinter sich lässt, aber nicht vergisst. Eine eindrucksvolle Mischung und ein einprägsamer Abend mit einer charismatisch fesselnden, anziehenden Künstlerin, die man kaum von der Bühne in der stattlichen, hohen und weiten ehemaligen Reichsabteikirche St. Maximin aus dem 17. Jahrhundert in damaligem Benediktinerbesitz gehen lassen will. Unbarmherzig ist nach eineinhalb Stunden Schluss.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen