Xaverl hat der ganze Trubel um
seine Person sehr mitgenommen. Er liegt fast den ganzen Tag nur noch
im Bett und liest Bücher. Die Tante bringt ihm öfters Leckereien,
wie Schokolade und Zuckergebäck vorbei. Aber wenn sie dann ein paar
Stunden später nachsieht, sind die Köstlichkeiten unangetastet. An
einem anderen Tag macht sie den Vorschlag, mit der Kutsche nach
Mautdorf zu fahren. Der Xaver sollte von Schneidermeister Birgel
einen neuen Anzug bekommen, aber der Junge weigert sich strikt, das
Bett zu verlassen. Der Pfarrer möchte das nicht länger mit
anschauen:
»Xaverl, ich weiß, das
Verhalten der Erwachsenen hat dich verletzt. Aber wenn du dich jetzt
verkriechst, haben die Leute erreicht, was sie wollten.«
Xaverl
kann im Augenblick mit gut gemeinten Ratschlägen überhaupt nichts
anfangen:
»Wissen Sie Herr Pfarrer, mein
ach so toller Namenspatron, der Franz-Xaver von Navarro hat immer
bedingungslos an das Gute im Menschen geglaubt und wurde verraten. Er
hat dadurch sein Ziel, China zu bereisen, nie erreicht und ist vor
Gram und Enttäuschung gestorben. Vielleicht ist es besser, wenn ich
auch sterbe!«
Der
Pfarrer schreckt auf, ermahnt den Jungen:
»Xaverl zügle deine Worte.
Das ist eine Todsünde! Zieh dich jetzt an. Ich sehe dich in einer
halben Stunde in der Kirche zum Beichten.«
Dörflinger
schüttelt den Kopf und verlässt Xaverls Zimmer. Mit Drohungen
erreicht man bei Xaverl zweimal nichts. Wütend nimmt er das Buch
über China und schleudert es mit voller Wucht in die Ecke. Sein
Blick wandert zum Tisch, wo ein Messer neben dem Apfel auf dem Teller
liegt. Xaverl rafft sich auf, robbt auf dem Bett Richtung Teller,
nimmt das Messer in die Hand. Er spielt mit dem Gedanken, sich das
Leben zu nehmen:
»Wie wäre es, wenn ich es mir
in das Herz rammen würde?«
Plötzlich
klopft es am Fenster. Erschrocken zuckt er zusammen und lässt das
Messer wieder auf den Teller fallen. Maries Kopf ist am Fenster zu
sehen. Bei ihrem Anblick verlassen ihn die dunklen Gedanken sofort.
Behände robbt er zum Fenster und öffnet den Flügel:
»Der Vater hat mich
eingesperrt. Der Schmied, dein Vater und all die anderen Männer im
Dorf wollen nicht, dass du die Kinder unterrichtest.«
Xaverl
beruhigt sie:
»Ist gut Marie, komm erst mal
rein!«
Marie
klettert durch das Fenster herein, dabei verrutscht der Rock und gibt
den Blick zu ihrer Unterwäsche preis.
»Du hast schöne Beine.«
Marie
errötet leicht. Xaverl zieht die hübsche junge Frau an sich, küsst
sie vorsichtig. Marie ist aufgeregt, küsst ihn kurz zurück,
klettert dann wieder aus dem Fenster und verschwindet. Xaverl merkt,
dass sein Glied hart geworden ist. Er hat sich bisher mit dem Thema
Sexualität nicht beschäftigt. Marie kommt wieder ans Fenster
zurück:
»Bin ich nun schwanger?«
»Marie, ich weiß nicht! Komm
morgen noch mal um die gleiche Zeit vorbei, ich mach mich in der
Zwischenzeit schlau.«
Xaverl ist dann doch zum
Beichten gegangen bzw. mit dem Rollstuhl gefahren. Er dachte sich,
vielleicht sei es doch keine so gute Idee gewesen, das mit dem
»Nicht-mehr-Leben-wollen«. Schließlich gibt es mit Marie doch eine
Person, die ihn dringend braucht.
Nachmittags ist er alleine im
Pfarrhof. Der Pfarrer ist mit der Tante und Franz nach Mautdorf
gefahren um das neue Messgewand bei Schneidermeister Birgel abholen.
Xaverl sollte ursprünglich mit, doch er täuschte Rückenschmerzen
vor. Da die Erwachsenen schon froh sind, dass er überhaupt wieder
aus seinem Zimmer gekommen ist, lassen sie ihn in Frieden. Daher kann
er jetzt in Ruhe seinem Vorhaben nachgehen. Xaverl fährt mit dem
Rollstuhl in die Bibliothek, auf direktem Weg zu dem Geheimfach des
Pfarrers. Dort, wo die verbotenen Bücher lagern. Xaverl betrachtet
die Buchtitel. Bei einem bleibt er hängen. Er zieht ein lateinisches
Werk mit dem Titel »Der Mensch – Entstehung und Entwicklung«
raus. Interessiert blättert er und liest darin. Es sind auch
Zeichnungen der männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane zu
sehen. Und die Beschreibung des Zeugungsaktes. Xaverl ist kurzzeitig
fasziniert, denkt an die Begebenheit mit Marie. Doch dann kommen ihm
vergangene Bilder seiner Eltern hoch und es überfällt ihn ein
Gefühl der Traurigkeit. Jetzt versteht er das Ganze. Xaverl will so
schnell als möglich mit dem Pfarrer reden.
Fortsetzung folgt ...
(c) Alfred Franz Dworak (aus: Der LeiterwagenXaverl)
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