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Samstag, 10. November 2012

HEDWIG UND DIE NATURGEWALTEN - eine unglaubliche Geschichte von Karin Michaeli

(c) ornauer
























Hedwig und die Naturgewalten


Es war ein stürmischer Abend in dem kleinen Küstendorf auf den Hebriden, als Hedwig sich entschied, nochmal ins Internetcafé zu gehen. Dort gab es einen guten Whiskey in einer kleinen Flasche zu kaufen, den sie gerne bei ihrer Arbeit am Computer schluckweise zu sich nahm. Auf diese Art und Weise kamen ihr immer die besten Ideen.

Seit drei Wochen war sie nun schon hier auf der kleinen Insel, deren Bewohner sich hauptsächlich vom Fischfang ernährten. Es gefiel ihr ausgesprochen gut hier. Sie war alleine unterwegs und hatte ein Zimmer gefunden in einem Gasthaus direkt am Hafen gelegen. Nachts schlich sich das Geklapper der Schiffsmasten und der Takelage in ihre tiefen Träume, in denen sie die letzten Monate in ihrer Heimat Köln verarbeitete.
Viel gab es zu verarbeiten. Sie war in ihrer Werbeagentur aufgestiegen zur Creative-Director und war nun verantwortlich für die Werbeeinfälle von Kreativen aus drei Abteilungen. In einer Abteilung kriselte es zwar ein wenig zwischen ihr und dem Abteilungsleiter Sam Duwe – aber das würde sie schon in den Griff bekommen. Sie begehrte Sam Duwe schon seit dem ersten Tag, an dem sie dort arbeitete. Das war immerhin schon 20 Jahre her. Sie träumte oft von ihm und seinen sehnigen Muskeln und war manchmal versucht, ihm von ihrer Begierde Mitteilung zu machen – aber eine natürliche Scham hielt sie davon ab. Sam Duwe war glücklich verheiratet und machte keinerlei Anstalten, sich ihr zuzuwenden. Im Gegenteil: er behandelte sie eher kühl und distanziert.

Sie eilte durch den immer stärker werdenden Sturm, der schon Orkan-Ausmaße anzunehmen drohte, hin zum Internetcafé und nahm dort Platz an einem halbwegs neuen Computer in der Ecke neben dem Fenster. Hier konnte sie neugierig zum Fenster hinaus schauen auf die Hafenkulisse und konnte sehen, wer ankam und wer abfuhr. Ihr Motto war: „Wenn man sich im fremden Land erstmal dafür interessiert, wer ankommt und wer abfährt, dann ist man endgültig von zu Hause weg.“ An diesem Abend kam niemand an und niemand reiste ab. Der Sturm fegte die Boote an den Kai, wo sie teilweise zerschellten und riesige Monsterwellen schwappten über die Ufer und rissen alles mit sich, was nicht tief in den Boden eingelassen war.

Hedwig bekam Angst. In dem Internetcafé gingen die Lichter an und aus und der Besitzer bekreuzigte sich hinter seinem Kontor. „Hier kommen wir nicht mehr lebend heraus“ meinte er mit sicherer Bestimmtheit. Und schon schwappten riesige tosende Wellen an die Fenster des Cafés und krachend zerbarsten die Fensterscheiben und das Wasser trat ein in den kleinen Raum.
Hedwig saß mit den Füßen im Wasser an ihrem immer noch funktionierenden Computer und die Katastrophe vor Augen hatte sie plötzlich eine Idee.

Sie schrieb Sam Duwe eine Mail. Jawohl, die letzte Mail sollte an Sam Duwe gehen. Ihm wollte sie sich nun erklären und sein Bild vor Augen nahm ihr jede Angst. Zwischen zischenden Wassermassen, berstenden Fensterscheiben und kreischenden Stimmen saß sie mit ihrem kleinen Whiskeyfläschchen am immer noch funktionierenden Computer und teilte Sam Duwe ihr sexuelles Begehren mit. Sie ließ bei der Vorstellung, mit ihm eine Nacht verbringen zu können, kein Detail aus, schilderte in allen Einzelheiten wie sie sich vorstelle ihn am ganzen Körper zu verwöhnen, baute Rollenspiele mit ein, Dirty Talk und alles was je ein menschlicher Geist an sexuellen Phantasien sich ausgedacht hatte. Dann drückte sie mit einem tiefen Seufzer auf „senden“ und sah sich im Geiste mit der nächsten großen Monsterwelle aus dem Internetcafé in den Tiefen des Hafenbeckens verschwinden.

Doch dann geschah ein Wunder. Zwei kräftige Männerhände zogen sie an den Armen aus der Tür heraus, als die Wellen eine kleine Pause machten und brachten sie in Sicherheit. Treppen hoch wurde sie gezogen nach oben in einen trockenen Raum, der von den tosenden Wellen nicht erfasst wurde und hier wurde ihr warm, als man ihr Whiskey einflößte. Es wurde ihr aber auch sehr, sehr heiß bei dem Gedanken, das sie das Inferno entgegen ihrer Vorstellung überlebt hatte und das Sam Duwe nun von ihr eine e-mail erhalten würde, die jedem Menschen die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
Hedwig dachte über das Malheur intensiv und beschämt nach und dann fingen ihre Mundwinkel plötzlich an zu zucken und sie lachte lauthals und befreit, ja sie schrie vor Lachen, klatschte sich immer wieder auf die Oberschenkel und begrüßte sich zu ihrer Neugeburt.

Was war ihre e-mail an Sam Duwe gegen ihre Wiedergeburt ? Ein Nichts.



(c) Karin Michaeli, lesezeichen.blogspot.de

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