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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Freitag, 14. Juni 2019

Wie war's bei DAS HEERLAGER DER HEILIGEN in den Frankfurter Kammerspielen?

"Das Heerlager der Heiligen", ganz nach ihrer biblischen Definition ein Haufen dekadenter, moralisch verkommener Menschen, die glauben, dass sie gut seien, das Beste für andere, und vor allem sich selbst wollen, wird eines Tages in Jean Raspails gleichnamigem Roman (1975) von 800.000 Indern bedroht, die sich mit einem alten Riesenschiff in Kalkutta aufmachen, den Suezkanal nicht passieren dürfen, und schließlich um das Kap der Guten Hoffnung, wo sie vertrieben werden, über den Atlantik ins Mittelmeer an die Küsten Südfrankreichs gelangen.

In der biblischen Apokalypse, "Die geheime Offenbarung des Johannes", 20. Kapitel, ist die Bedrohung von satanischer Natur. Nach 1000 Jahren losgelassen, kriecht er aus dem Gefängnis und umzingelt und peinigt die Heiligen. Ein krasses Bild für die aktuelle, seit Jahrzehnten in den europäischen Kernländern andauernde Einwanderung, mit kriegsbedingten Höhepunkten zwischen 2015-2018. Die Zahl der Eintreffenden insgesamt ein Mehrfaches von Raspails Vision, die eine starke Bedrohung ausmalt - auf den Schultern eines Inders gelangt eine "Missgeburt" mit der Kapitänsmütze an der Spitze der großen Menge auf französischen Boden und beginnt sich auszubreiten.

Hermann Schmidt-Rahmer führt Regie bei der Frankfurter Inszenierung (2019) und übersetzte zusammen mit Marion Tiedtke den Text. Die Bedrohung wird auf eine Million Einwanderer angehoben und die Zusammenschau der verschiedenen Meinungen im Buch zu der Einwanderung wird in ständig wechselnden Rollen bei gleichbleibendem Schaupielerkontingent recht chaotisch dargeboten. Gemischt werden rechtsextreme, linke, gemäßigte und psychopathologische Stimmen, ein reichliches Durcheinander, eine Orgie nach dem Gemeinsamen geordneten Mahl, ein Verdichten und Näherrücken der Bedrohung draußen, die Reaktionen des französischen Staates, des Präsidenten und der Medien.
Eine Meisterleistung von Katharina Bach, Xenia Snagowski, Michael Schütz, Daniel Christensen, Stefan Graf und Andreas Vögler.

Im gedachten Frankreich ziehen sich die Bürger in Karawanen vom Süden in den Norden vor Angst vor Plünderung und Vergewaltigung zurück, andere bleiben, das Militär wird nur von linken Demonstranten angegriffen. Und über allem die große Botschaft: Wir sind zu schwach, wir sind aus Scham, dass wir die erste Welt nach unserer eigenen wirtschaftlichen Definition sind oder sein wollen, und die restlichen, vor allem dritte und vierte Welt eben am unteren Ende der Hierarchie stehen, voller Mitleid und vor allem Schuldgefühle, denen "unten" etwas zu wenig haben zukommen lassen, nicht mehr in der Lage, die Forderungen abzuwehren. Wir empfangen sie, bewirten sie kostenlos, geben ihnen Wohnung, Kleider und Geld, statt sie zu stoppen! Und das ist erst der Anfang, denn die Weltbevölkerung nimmt zu, sie wird bald 10 Milliarden erreichen, und am Ende des Jahrhunderts eventuell 28 Milliarden!

Alleine die Eingetroffenen werden Fluten von Kindern gebären, während wir, die Besuchten, sie eher wegmachen lassen oder nur 0,75 Kinder wollen, weil der Alltag, das Leben so streng und unerträglich seien. Die Kosten, das Hochdienen und -schleimen, Schwelgen in Genuss und Reichtum, all das geht nicht gut mit kinderreichen Familien. Was für eine Logik! In ihr gedacht ist alle scheinbare Hilfe geheuchelt und gespielt, keiner will wirklich was von seinen Errungenschaften abgeben, sein Essen und Arbeit dauerhaft teilen. Selbst wenn staatliche Integrationsmaßnahmen anlaufen, wollen die wenigsten sie wirklich. Gerade weil unser Staat versagt, zu schwach ist zu handeln, sogar seinen Bürgern verbietet dagegen zu sein, verlieren wir alle Widerstandsstärke und ergeben uns einer aufgezwungenen Willen- und Aktionslosigkeit. Wir müssen wider die Vernunft handeln.

Am Ende nehmen einige Bürger, Staatsorgane, Rechtsextreme, Konservative, Militärs im Stück das Gewehr in die Hand und versuchen sich mit einer Art Hasenjagd gegen Wehrlose im aktiven Abwehren.

Diese Haltung hebt sich ab vom politischen Common Sense zurzeit und wurde sofort in den letzten Jahrzehnten von der europäischen äußersten  Rechten aufgenommen als ein kultiges Zeichen: Ein Literat hat formuliert, was uns schon lange unter den Nägeln brennt.

In diesem Stück wird nicht an Integrationswegen und -möglichkeiten gearbeitet, die Möglichkeiten zur Reintegration in Heimatländern erörtert, zwar das fulminante Überalterungsproblem betrachtet, das Aussterben durch Handlungslosigkeit, sondern vor allem wird orgiastisch gejammert, resigniert und geblockt, fratzenhaft getobt. Wunderbar hier Katharina Bach und Xenia Snagowski als empörte laszive Vamps und Gebieterinnen. Wer einmal die Gegenstimmen deutlich hören will muss auch erkennen, dass die bewahrende Denkweise schon lange obsolet ist, sie hat noch weniger Zukunft als eintreffende Einwanderer auf der Suche nach einem besseren Leben für alle zum Nulltarif.



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