SV Verlag

SV Verlag mit Handy oder Tablet entdecken!
Die neue Generation der platzsparenden Bücher - klein, stark, leicht und fast unsichtbar! E-Books bei viereggtext! Wollen Sie Anspruchsvolles veröffentlichen oder suchen Sie Lesegenuss für zu Hause oder unterwegs? Verfolgen Sie mein Programm im SV Verlag, Sie werden immer etwas Passendes entdecken ... Weitere Informationen

.

.
Dichterhain, Bände 1 bis 4

.

.
Dichterhain, Bände 5 bis 8

Übersetze/Translate/Traduis/Tradurre/Traducir/переводить/çevirmek

Montag, 1. Dezember 2025

„Wir sind die Gegenwart“ – Stimmen aus der Jugendgewalt

 

Sie heißen Malik, Aylin, Jamal, Leonie, Cem, Ronny und Amina. Sie leben in Berlin, Stuttgart, Bremen, Leipzig oder irgendwo dazwischen. Sie sind jung, wütend, bewaffnet – und sie sind nicht allein. Ihre Geschichten sind keine Ausnahmen, sondern Symptome einer Gesellschaft, die an ihren Rändern bröckelt.

Malik, 16, aus Berlin-Neukölln, trägt ein Messer in der Jackentasche. „Nicht, weil ich jemandem was tun will. Aber weil ich weiß, dass mir jemand was tun will.“ Er gehört keiner Gang an, aber er kennt sie alle. Die „K47“, die „36er“, die „Schattenfront“. Sie kämpfen um Straßen, um Respekt, um Drogenumschlagplätze. „Die Polizei kommt nur, wenn’s knallt. Davor sind wir uns selbst überlassen.“

Berlin-Neukölln, im November. Die Straßen sind feucht, die Laternen werfen milchiges Licht auf die Pflastersteine. Hier lebt Aylin, 17 Jahre alt, Tochter kurdischer Eltern, aufgewachsen zwischen Shisha-Bars, Spielhallen und dem ständigen Summen der Polizeisirenen. „Ich wollte nie dazugehören“, sagt sie, „aber wenn du jeden Tag hörst, dass du eh nichts wirst, dann willst du wenigstens Respekt.“ Aylin ist Teil einer Clique, die sich „K47“ nennt. Sie dealen mit Cannabis, manchmal Ecstasy. Die Jungs tragen Messer, die Mädchen halten Wache. Ihre Welt ist ein Revierkampf – nicht um Geld, sondern um Würde.

In Hamburg, am Rand von St. Pauli, sitzt Jamal, 19, auf einer Parkbank. Er ist müde. „Ich hab mit 14 angefangen, für die Großen zu laufen. Kokain, Ecstasy, was halt ging. Die Polizei kennt uns alle beim Namen.“ Jamal stammt aus einer libanesischen Familie, seine Eltern sprechen kaum Deutsch. Die Schule war nie ein Ort der Sicherheit. „Ich war der Ausländer, der Störfaktor. Jetzt bin ich der Dealer. Wenigstens bin ich jemand.“ Hamburgs Hafen ist Umschlagplatz für Drogen – und Jamal ist ein Rädchen im System.

In Bremen spricht Ahmed, 16, aus Syrien. Er kam 2015 als Flüchtling. „Ich wollte einfach nur Frieden. Aber hier gibt es andere Kriege.“ Ahmed wurde von älteren Jugendlichen in eine Bande gezogen, die sich „Die Straße“ nennt. Sie kontrollieren Teile des Viertels, vertreiben Konkurrenten mit Gewalt. „Ich habe Angst, aber ich habe auch Familie in Aleppo. Ich muss Geld schicken.“ Seine Geschichte ist eine von vielen, die zwischen Migration, Trauma und Überlebensdruck verlaufen.

Cem, 18, aus Bremen, ist in einer Clique mit anderen Jugendlichen aus arabischen und türkischen Familien. „Wir sind nicht kriminell, wir wurden übersehen.“ Doch die Polizei sieht sie, aber ganz anders. Die Gruppe wurde mehrfach wegen Drogenhandel und Körperverletzung angezeigt. „Wir haben keine Perspektive. Die Schule war ein Witz. Die Lehrer haben uns aufgegeben, bevor wir angefangen haben.“

Leonie, 17, aus Stuttgart, ist Teil der „Südfront“. Ihre Gruppe hat sich mit der „Nordcrew“ zerstritten. „Die haben uns beleidigt, online. Dann haben wir sie auf dem Platz gestellt.“ Es ging um ein Revier, um Cannabis, um Status. „Ich hab keinen Abschluss. Ich war auf drei Schulen. Jetzt bin ich hier.“ Leonie weiß, dass sie später Bürgergeld beziehen wird. „Was soll ich sonst machen? Ich hab keine Ausbildung, keine Wohnung, keine Ruhe.“

Stuttgart, Einkaufszentrum Milaneo. Kevin, 17, deutsch-türkisch, steht mit seiner Gang „Südfront“ am Eingang. „Wir sind keine Kriminellen, wir sind Brüder“, sagt er. Doch die Polizei sieht das anders. Zwei rivalisierende Jugendbanden liefern sich regelmäßig Schlägereien, teils mit Waffen. „Es geht um Respekt, um unsere Hood. Die anderen sind die Feinde.“ Kevin kennt die Namen der Sozialarbeiter, aber er vertraut ihnen nicht. „Die reden viel, aber sie kommen nie allein hierher.“

Ronny, 16, aus Leipzig, ist Teil einer rechtsextremen Jugendgruppe. „Wir sind die letzte Verteidigung gegen die Überfremdung“, sagt er. Seine Gruppe nennt sich „Deutsche Jugend Voran“. Sie vernetzen sich über Telegram, trainieren in Kellern, hassen alles, was anders ist. „Wir kämpfen gegen die, die uns unser Land nehmen.“ Ronny ist in der Hauptschule gescheitert, lebt bei seiner Großmutter, hat keine Ausbildung. Seine Zukunft ist eine Akte beim Jobcenter.

Amina, 15, aus München, lebt in einer betreuten Wohngruppe. Ihre Eltern sind aus Syrien geflüchtet. „Ich wollte Ärztin werden. Jetzt bin ich auf Bewährung.“ Sie war in eine Schlägerei verwickelt, bei der ein Mädchen schwer verletzt wurde. „Ich war nicht allein. Wir waren fünf. Wir wollten nur zeigen, dass wir nicht schwach sind.“ Amina hat Angst vor der Zukunft. „Ich werde Bürgergeld bekommen. Vielleicht irgendwann eine Maßnahme. Vielleicht irgendwann vergessen.“


Laut Polizeistatistik wurden 2024 über 13.800 Kinder und Jugendliche als Gewalttäter registriert – doppelt so viele wie 2016. Die Waffen reichen von Messern bis zu Schusswaffen. Die Konflikte sind territorial, ideologisch, ökonomisch.

Die rivalisierenden Gruppen sind regional organisiert: Jugendgangs wie die „Südfront“ oder „K47“ kämpfen um Straßen und Drogenmärkte. Neonazistische Gruppen wie „Active Clubs“ oder „Deutsche Jugend Voran“ bekämpfen Migranten und politische Gegner.

Die Jugendlichen stammen oft aus bildungsfernen Haushalten. 15,2 % aller Kinder und Jugendlichen gelten als armutsgefährdet. Viele haben unterbrochene Bildungsbiografien, leben in prekären Verhältnissen, sind sozial isoliert.

Ein erheblicher Teil wird später Sozialleistungen beziehen – Bürgergeld, Eingliederungshilfe, Jugendhilfe. Nicht weil sie faul sind, sondern weil sie früh verloren wurden.

Die Gewalt unter Jugendlichen ist kein Zufall. Sie ist das Echo einer Gesellschaft, die ihre verletzlichsten Mitglieder nicht schützt. Die Waffen sind Symptome, die Konflikte sind Spiegel, die Biografien sind Warnungen.

Malik, Leonie, Cem, Ronny und Amina sind nicht nur Täter oder Opfer. Sie sind die Gegenwart. Und wenn wir sie nicht hören, wird ihre Zukunft unsere Vergangenheit sein.




Kriminelle Jugendbanden in deutschen Städten

Berlin, Hamburg, München, Bremen und Stuttgart sind die wichtigsten Hochburgen krimineller Jugendbanden.


Berlin

  • Historie: „36 Boys“ (1980er/90er, migrantisch geprägt) in Kreuzberg.
  • Delikte: Drogenhandel (Cannabis/Kokain), Waffen (Messer, teils Schusswaffen), Umfeld von Zwangsprostitution.
  • Zusammensetzung: Türkisch-, kurdisch-, arabischstämmige Jugendliche; auch deutsche rechtsextreme Cliquen.
  • Berlin heute: Seit 2024/25 treten zunehmend neonazistische Jugendbanden auf („Active Clubs“, „Deutsche Jugend Voran“). Gewalt richtet sich gegen Migranten, queere Menschen und politische Gegner.
  • Migrantische Gruppen & Ausschreitungen: Massenschlägereien in Parks und Einkaufszentren, Konflikte mit Polizei nach Drogenkontrollen, territoriale Kämpfe zwischen Cliquen.
  • Berlin gilt als eine der schwer kriminellen Hochburgen für Jugendbanden in Deutschland.


Hamburg

  • Strukturen: Hafenlage begünstigt Drogenumschlag; Jugendbanden eng mit Dealerstrukturen.
  • Delikte: Kokain/Ecstasy (Partyszene), Messerkriminalität, vereinzelt Schusswaffen; Randbereiche der Prostitution (St. Pauli).
  • Zusammensetzung: Multiethnisch: deutsche, türkische, arabische, osteuropäische Jugendliche.
  • Ausschreitungen: Wiederholte Massenschlägereien zwischen rivalisierenden Cliquen, teils mit Messern.
  • Hamburg ist eine Schwerpunktstadt für Drogenhandel und Jugendbanden.


München

  • Strukturen: Jugendbanden mit Drogenhandel, Erpressung, Gewalt dokumentiert.
  • Delikte: Crystal Meth/Ecstasy (Partyszene), Messer/Schlagwerkzeuge, selten Schusswaffen; Umfeld von Menschenhandel.
  • Zusammensetzung: Türkischstämmige, osteuropäische und deutsche Jugendliche.
  • Ausschreitungen: Schlägereien in der Innenstadt, Konflikte im Partymilieu.
  • München gilt als Hotspot für Partydrogen und Jugendbanden im süddeutschen Raum.


Bremen

  • Strukturen: Senatsberichte nennen „ausländische Jugendbanden“ mit Taten im Stadtgebiet/Umland.
  • Delikte: Cannabis/Kokain, verbreitete Messerkriminalität; Berührungspunkte zu Zwangsprostitution.
  • Zusammensetzung: Minderjährige mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten sowie deutsche Jugendliche.
  • Ausschreitungen: Wiederkehrende Konflikte zwischen Gruppen unterschiedlicher Herkunft, oft mit Bezug zu Drogenhandel.
  • Bremen zählt zu den kleineren, aber stark belasteten Hochburgen für Jugendbanden.


Stuttgart

  • Strukturen: Rivalität zweier großer Jugendgangs mit zahlreichen Mitgliedern.
  • Delikte: Drogen (Cannabis/Kokain), Waffen (Messer/Schusswaffen), teils Kontakte zu organisierten Strukturen.
  • Zusammensetzung: Multiethnisch; deutsche und migrantische Jugendliche.
  • Ausschreitungen: Wiederholte Massenschlägereien und bewaffnete Konflikte im öffentlichen Raum.
  • Stuttgart gilt als zentrale Hochburg für Jugendbanden im Südwesten.


Quellen:
📊 BKA – Polizeiliche Kriminalstatistik 2024

Offizielle Zahlen zu Straftaten, Tatverdächtigen und Jugendgewalt in Deutschland.

📈 Statista – Jugendkriminalität in Deutschland

Daten & Fakten zu Jugendgewalt, Tatverdächtigen und Entwicklung seit 2016.

⚠️ Verfassungsschutz – Warnung vor neonazistischen Jugendbanden

Bericht über neue rechtsextreme Jugendgruppen („Active Clubs“, „Deutsche Jugend Voran“).

🧮 Statistisches Bundesamt – Armutsgefährdung von Kindern 2024

15,2 % aller Kinder und Jugendlichen (2,2 Mio.) gelten als armutsgefährdet.

💶 Destatis – Sozial- und Eingliederungshilfe

Über 1 Mio. Menschen beziehen Leistungen nach SGB II/XII, darunter viele Jugendliche.