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Dienstag, 23. Dezember 2025

Schule und Rechtsradikalismus (Teil II) - Vom Schulproblem über die Radikalisierung zum Drogendeal


Schulschwierigkeiten, Rechtsradikalisierung und der Weg in den Drogenmarkt

Radikalisierung ist selten ein linearer Prozess. Zwischen schulischem Scheitern und politischem Extremismus liegt häufig ein sozialer Zwischenraum, den Sicherheitsbehörden und Jugendforschung seit Jahren beschreiben: "informelle Ökonomien", Schwarzeinnahmen in diversen Bereichen, hier insbesondere der lokale Drogenhandel und/oder Schwarzarbeit und/oder Sozialgeldbezug. Dieser Raum wirkt weniger als Ursache, sondern als Beschleuniger von Radikalisierung, indem er ökonomische Teilhabe, Status und Gewalt normalisiert (BKA 2024; bpb 2023).

Schulversagen und der Verlust institutioneller Bindung

Empirische Studien zeigen, dass Jugendliche mit instabilen Bildungsbiografien ein erhöhtes Risiko haben, sich dauerhaft von staatlichen Institutionen zu entfremden (DJI 2021; bpb 2022). Schulabbrüche, wiederholtes Sitzenbleiben oder frühe Aussonderung in wenig durchlässige Bildungsgänge erzeugen nicht nur Qualifikationsdefizite, sondern auch biografische Kränkungen.

Verfassungsschutzberichte verweisen darauf, dass rechtsextreme Milieus gezielt an diese Erfahrungen anknüpfen, indem sie Schule als Symbol eines „ungerechten Systems“ deuten (BfV 2024). Radikalisierung beginnt hier nicht mit Ideologie, sondern mit dem Gefühl, strukturell ausgeschlossen zu sein.

„Gescheiterte Schüler mit Geschäftssinn“

Polizeiliche Lagebilder zur Rauschgiftkriminalität beschreiben seit Jahren ein wiederkehrendes Muster: Im unteren bis mittleren Drogenhandel finden sich überdurchschnittlich häufig junge Männer mit abgebrochener Schullaufbahn, aber ausgeprägtem praktischem Organisations- und Geschäftssinn (BKA 2023).

Diese Akteure sind nicht primär suchtgetrieben. Sie handeln rational, nutzen lokale Netzwerke, digitale Kommunikationswege und informelle Vertriebsstrukturen. Der illegale Markt bietet ihnen etwas, das Schule und regulärer Arbeitsmarkt nicht mehr leisten: Anerkennung, Einkommen und Handlungsmacht (DJI 2021).

Schnittstellen zwischen Drogenmilieu und rechtsextremer Szene

Verfassungsschutzberichte und investigative Recherchen zeigen, dass sich in strukturschwachen Regionen zunehmend Mischmilieus bilden, in denen Drogenkonsum, gelegentlicher Handel, Kampfsport und rechtsextreme Radikalisierung überlappen (BfV 2024; Correctiv 2023).

  • Dabei geht es weniger um organisierte Kriminalität als um lokale Kleingruppen, die:
  • Drogenhandel zur Lebensfinanzierung nutzen,
  • Gewaltbereitschaft normalisieren 
    und ideologische Versatzstücke funktional einsetzen.

Ideologie wirkt hier häufig nachgeordnet. Sie liefert nachträglich eine moralische Rechtfertigung für einen bereits etablierten Lebensstil jenseits legaler Normen (bpb 2023).

Drogen als soziales Bindemittel

In diesen Milieus fungieren Amphetamine, Cannabis und zunehmend Kokain nicht nur als Konsumgüter, sondern als soziale Währung. Sicherheitsbehörden beschreiben Drogen als Mittel zur Herstellung von Loyalität, Abhängigkeit und Hierarchie (BKA 2024).

Rechtsextreme Akteure profitieren davon, weil sie:
  • Konsum rhetorisch externalisieren („entartet sind die anderen“),
  • Handel pragmatisch tolerieren,
  • und Gewalt als notwendiges Mittel der „Selbstbehauptung“ legitimieren (BfV 2023).
So verwischen die Grenzen zwischen politischer und krimineller Szene – insbesondere bei Jugendlichen ohne stabile Bildungs- und Erwerbsperspektive.

Regionale Beobachtungen: Westpfalz und Saarland

Lagebilder aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland zeigen keine großflächigen Strukturen, wohl aber kleine, mobile Gruppen, die zwischen Drogenhandel, Gelegenheitskriminalität und politischer Radikalisierung wechseln (Verfassungsschutz RLP 2024; Saarland 2024).

Treffpunkte sind selten formale Orte wie Schulen oder Parteibüros, sondern:
  • Bahnhofsbereiche,
  • Parks,
  • private Wohnungen,
  • Fitnessstudios und informelle Treffpunkte.

Auffällig ist, dass der Einstieg meist ökonomisch erfolgt. Politische Radikalisierung folgt der sozialen Integration in ein Milieu – nicht umgekehrt (Correctiv 2023).

Prävention: Wo Bildung versagt, übernimmt der Markt

Der zentrale Befund ist unbequem: Wo Schule keine Perspektiven eröffnet und Übergänge in Ausbildung scheitern, entsteht ein Vakuum, das informelle Märkte füllen. Rechtsextremismus dockt dort an, wo ökonomische Rationalität ohne demokratische Einbettung entsteht (bpb 2023).

Wirksame Prävention muss deshalb Bildungs-, Sozial- und Sicherheitspolitik zusammendenken:
  • frühe Intervention bei Schulabbrüchen,
  • realistische Übergänge in Ausbildung,
  • Schulsozialarbeit mit Zeit und Handlungsspielraum,
  • gemeinsame Betrachtung von Extremismus und Kriminalität (BKA 2024).

Schluss

Schulschwierigkeiten, Rechtsradikalisierung und Drogenhandel sind keine identischen Phänomene, aber sie teilen strukturelle Ursachen: Exklusion, Anerkennungsdefizite und fehlende Perspektiven. Der Drogenmarkt wirkt dabei als Bindeglied zwischen gescheiterter Bildung und politischer Radikalisierung.

Wer Rechtsextremismus wirksam bekämpfen will, muss daher nicht nur Ideologien analysieren, sondern auch die sozialen und ökonomischen Zwischenräume, in denen sie anschlussfähig werden.


Quellen

Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).
(2023–2024). Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder.
https://www.verfassungsschutz.de

Bundeskriminalamt (BKA).
(2023). Rauschgiftkriminalität – Bundeslagebild.
https://www.bka.de

Bundeskriminalamt (BKA).
(2024). Lagebild Politisch motivierte Kriminalität.
https://www.bka.de

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
(2022–2024). Jugend, Radikalisierung und soziale Exklusion.
https://www.bpb.de

Deutsches Jugendinstitut (DJI).
(2021). Übergänge Schule–Beruf und soziale Exklusion.
https://www.dji.de

Correctiv.
(2023). Recherchen zu Mischszenen aus Extremismus und Kriminalität.
https://correctiv.org

Ministerium des Innern Rheinland-Pfalz.
(2024). Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz.
https://mdi.rlp.de

Ministerium für Inneres, Bauen und Sport Saarland.
(2024). Lagebild Politisch motivierte Kriminalität.
https://www.saarland.de/innenministerium