(c) Stefan Vieregg |
Bei Marion La Marché [der (Super-)Markt] trifft man wirklich auf ein quirliges Mannheimer Standup-Comedy-Paket, dem die Gags ziemlich leicht und lose über die Lippen kommen. Die gewichtige Lady jenseits der 100 kg hat am 26. April zu ihrem ersten Soloprogramm im Capitol eingeladen, um sich zu versichern, dass man sie allein auf andere Bühnen loslassen kann.
Wir kriegen alles ab an individueller Wahrnehmung und Prägung, was es so gibt zwischen Himmel und Hölle: die Nervosität und die Oma, der wahre Rock'n'Roll und seine Lebenshaltung, Alkoholismus unter Rockmusikern, die doppelte Heimat Weinheim und Wiesloch (Extraplatz in der Psychiatrie :-)) Sie verulkt die Zuschauer mit einer Rotweinnummer, in der sie unmäßig die Gläser wegkippt, bis die Flasche nach kurzer Zeit leer ist. Später hebt sie die Täuschung auf - alles nur Johannisbeersaft, der noch dazu zu Dünnpfifff führt. Auch dieses Tabu wird gekillt, la Marché durchbricht die Schranken und berichtet nach der anfangs oralen Phase von ihrer analen. Aber alles witzig, die Leute lieben es ja, wenn eine(r) so Tabuverletzungen begeht. Hier gehört übrigens auch ihr XXL-Hinterteil her, das sie schon in ihrer Schulzeit unabhängbar verfolgte und nicht erst später wegen ihres Namens tatsächlich bei Unkundigen zum doppeldeutigen LaM ARSCH wurde.
Angesichts dieser Piesackereien malte sie eine Zeitlang den Accent d'aigu dick mit Edding aufs e, damit ja keine Missverständnisse aufkommen. Ganz anders, wenn es um schwarze Musik geht, dann könne tatsächlich ihr big butt in Weiß - und natürlich ihre Stimme - schwarze Soulladys in den Schatten stellen. Was die Schwarzen nie zugeben würden, weil sie noch nie ein Gebet mit ihnen gesprochen hätte. That's life! Wir kommen später auch zum Genitalen, denn wenn man Oma Glauben schenken darf, hat der Odenwälder Kartoffelsalat etwas Erotisches (Er muss klinge wie ...) und das Spargellied deutlich etwas Phallisches und auch was zum Naserümpfen: Oh Spargel, "du machst, dass mein Ur/in-stinkt...".
Aus dem Alltag einer Sängerin hören wir die wahren Hintergründe: Auf- und Abbaustress verlängern den Auftrittsabend mit Feiern auf 5:30 Uhr und die Liebe schläft erst um 7:30 Uhr ruhig ein. Wie ulkig die Nummer des Currywurst-Büffets, die Nöte einer Veganerin (die Menge macht's) im Ruhrpott. Unter jeder Warmhaltehaube C U R R Y W U R S T (iss' doch kein Fleisch!) und Madame ein Stück näher dem Anfall.
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In authentischer Selbst-anders-wahrnehmung liebt sie sich in ihrer kugeligen Fülle mit 95B - die kompakte Form zum Rollen eben, wobei die schmalen Beine lustige Akzente dazu setzen würden. Diese Slapstickeinlagen können auch mal umgekehrt sein, wenn 150 Chinesen in Karlsruhe Trinksprüche in hoher Häufigkeit wie im "Dinner for one" zum Hinunterstürzen von rotem Wein nutzen und sich in ICE-Geschwindigkeit auf einen kollektiven Vollrausch und fixen Abgang zubewegen.
Marion La Marché hat einen deutlichen Bezug zum ziemlich perfekten Covern. Ihre Tributes an Freddie Mercurie, ABBA, Janis Joplin und andere sind sehr bekannt und beliebt. Sie kann nicht nur mit wirklich kräftiger und tragender Stimme Supertramps "Dreamer" komplett für ihre Botschaften persiflieren, sondern auch "Que Sera" zu "Käää Sau da, käää Sau da, wo sinn di all hie, all hie? Es wird Zeit, dass ich mich verzieh ..." verändern. "PayPal, du heiliger Gral" als Ausflug ins Internet, Zahlmethode nicht nur für Pornoseiten, sondern auch ebay natürlich. Die Facebookmüdigkeit deutlich artikuliert, dortige Kommentare auf die Schippe genommen, YouTube dagegen mit ihrer Janis Joplin-Interpretation von "Piece of my Heart" zum Liken empfohlen.
Zwischendurch auch mal unverstellte Stellungnahme: Um den Protestliedermangel anzuprangern dann völlig unverändert einen ordentlichen Hannes Wader mit einem Antikriegslied. Zwei herrliche Hochzeitsepisoden aus der Pfalz, ihre Auftritte betreffend, wieder schön viel Spiegel. Sie lässt uns auch teilhaben an ihrer Abneigung gegenüber Spekulatius, Nichtblinkern im Kreis- und Scheintoten im Straßenverkehr.
(c) Stefan Vieregg |
Brandi Carlile's "The Story" persifliert zu "Die Gschicht - wenn's so weiter läuft, bin ich mit 70 dick im Geschäft" setzt den Schlusspunkt eines lustigen, derben und klangvollen Abends in Mannheim, wo sich Marion La Marché super auf der Bühne machte. Die Gäste lassen sie sicher weiter, stehende Ovationen für ihren local Hero. Wir dürfen gespannt sein auf die nächsten Soloauftritte ...
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