Im Windschatten der Corona-Krise hat die Agrarlobby einen echten Erfolg erzielt – zu Lasten von uns allen. Es geht um Nitrat, um unsere Gesundheit und um ein schamloses Lobbymanöver, um aus einer Pandemie Nutzen zu ziehen, die uns allen große Sorgen bereitet.
Aber der Reihe nach: Seit langem ist bekannt, dass unser Grundwasser zu stark mit Nitrat belastet ist. Gelangt es ins Trinkwasser, kann das für Menschen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben – vor allem für Säuglinge. Besonders in intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen ist Nitrat ein Problem, wo massenhaft Tiere auf engstem Raum gehalten werden und viel zu viel nitrathaltige Gülle auf den Äckern ausgebracht wird und ins Grundwasser sickert. Wasserwerke müssen hohen Aufwand betreiben, damit wir sauberes Trinkwasser bekommen. Das Geld dafür bezahlen wir alle über unsere Wasserrechnungen. Seit langem gilt daher das Ziel, den Nitrateintrag ins Grundwasser zu senken. Deutschland ist der einzige EU-Staat, der seit 29 Jahren (!) die europäischen Nitratvorgaben nicht einhält. Erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs musste die Politik jetzt endlich handeln.
Bauernverbände jedoch wehren sich seit langem gegen schärfere Düngevorgaben zum Schutz des Wassers. Durch die Corona-Krise sah mancher Agrarfunktionär nun offenbar die Chance gekommen: Eine Bauern-Lobbyorganisation drohte im Falle von neuen Vorgaben sogar allen Ernstes mit einer Gefährdung der Lebensmittelversorgung in Deutschland – aber nicht etwa, weil dies eine zwangsläufige Folge der Düngevorgaben wäre, sondern weil neue Auflagen den Bauern „jegliche Motivation“ nehmen würden – und dies sei doch „fatal in Krisensituationen wie der aktuellen“… Doch so niveaulos die Verknüpfung wirtschaftlicher Interessen einzelner Gruppen mit der Corona-Notlage auch war: Die Lobby-Aktivitäten bewirkten etwas. In der vergangenen Woche erlaubte der Bundesrat, dass Bauern noch über Monate hinweg viel zu viel Gülle auf die Felder ausbringen und somit Nitrat ins Grundwasser eintragen dürfen. Schärfere Regeln wurden auf nächstes Jahr verschoben.
Die schlimme Corona-Krise darf nicht auch noch zu Einschränkungen beim gesundheitlichen Verbraucherschutz führen, liebe foodwatch-Interessierte! Die Aufgabe von foodwatch ist es, genau hinzusehen und nicht nachzulassen bei unserem Einsatz für die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wir versprechen Ihnen das auch und gerade in der jetzigen Situation zu tun. Aber ohne Sie wäre das nicht möglich. Deshalb: Vielen Dank, dass Sie uns dabei unterstützen!
Zurecht wird dem neuartigen Corona-Virus eine hohe Priorität eingeräumt. Die allermeisten Menschen sind mehr oder weniger stark von der Pandemie betroffen und uns allen werden viele Veränderungen abverlangt. Sorge bereitet uns jedoch, dass die Krise politisch missbraucht wird, um alles Mögliche zu rechtfertigen. Beispiele gibt es dafür bereits. Aus den Niederlanden hören wir, dass wichtige Klimaschutzmaßnahmen verschoben werden – vorgeblich wegen Corona. Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich berichten uns, dass die Lebensmittelbehörden bei der Nicht-Einhaltung mancher Kennzeichnungsvorgabe nicht mehr so genau hinsehen sollen – wegen Corona.
Und auch Deutschland ist leider nicht außen vor. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat sich dafür stark gemacht, die Zahl der Lebensmittelkontrollen zu reduzieren – wegen Corona. Und tatsächlich fallen derzeit die meisten Kontrollen aus. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Dass Personal der Lebensmittelbehörden in der Corona-Krise in den Gesundheitsämtern aushilft und dass Kontrolleure nur dann in die Betriebe gehen sollten, wenn sie angemessene Schutzausrüstung haben, ist natürlich völlig richtig. Frau Klöckner aber will mit der Verringerung der Kontrollen etwas anderes erreichen, wie sie in einem Brief ans Kanzleramt schreibt: Sie will die Land- und Ernährungswirtschaft von vermeintlich belastendem „Verwaltungshandeln“ befreien – obwohl sie selbst betont, dass die Lebensmittelversorgung überhaupt nicht gefährdet sei. „Endlich“, mag sich manch Branchenlobbyist denken, der jetzt vielleicht darauf setzt, dass staatliche Vorgaben und Kontrollen vielleicht sogar dauerhaft gelockert werden könnten. Wir meinen: Nicht nur die Lebensmittelwirtschaft, sondern auch wirksame Lebensmittelkontrollen sind systemrelevant! Denn gerade jetzt muss die Einhaltung von Hygienestandards durchgesetzt, muss verhindert werden, dass es zusätzlich zu Corona auch noch zu lebensmittelbedingten Gesundheitsgefahren durch Salmonellen, Listerien oder anderen Keimen kommt. Das „Verwaltungshandeln“ ist aktiver Verbraucher- und Gesundheitsschutz, und unbedingt nötig. Alles andere also als überflüssige Bürokratie!
Denn gerade in dieser Krisenzeit dürfen wir nicht vergessen, dass es Missstände und Probleme gibt, die schon vor Corona da waren und die weiter bestehen. Und die wir keinesfalls aus den Augen verlieren dürfen. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
Bund und Länder verhandeln weiter darüber, ob die grausame Zwangsfixierung von Muttersauen in engen Kastenständen endlich beendet wird – oder noch für viele Jahre weiter erlaubt bleibt, obwohl Kastenstände höchstrichterlich als tierschutzwidrig eingestuft wurden.
Die undemokratischen Geheimgremien, die mit dem europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA eingeführt wurden, haben längst ihre Arbeit aufgenommen. Beeinflusst von der Agrarindustrie arbeiten sie daran, unsere Standards bei Pestiziden abzusenken und Rückstände verbotener Mittel zu erlauben, die aus gutem Grund in der EU bislang verboten sind.
Wir dürfen davon ausgehen: Industrielobbyisten werden ihre Ziele nicht vergessen, weil die Welt in Sorge vor dem Corona-Virus ist. Im Gegenteil: Sie werden versuchen es auszunutzen, dass fast die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit auf die Pandemie gerichtet ist.
Aber der Reihe nach: Seit langem ist bekannt, dass unser Grundwasser zu stark mit Nitrat belastet ist. Gelangt es ins Trinkwasser, kann das für Menschen schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben – vor allem für Säuglinge. Besonders in intensiv landwirtschaftlich genutzten Regionen ist Nitrat ein Problem, wo massenhaft Tiere auf engstem Raum gehalten werden und viel zu viel nitrathaltige Gülle auf den Äckern ausgebracht wird und ins Grundwasser sickert. Wasserwerke müssen hohen Aufwand betreiben, damit wir sauberes Trinkwasser bekommen. Das Geld dafür bezahlen wir alle über unsere Wasserrechnungen. Seit langem gilt daher das Ziel, den Nitrateintrag ins Grundwasser zu senken. Deutschland ist der einzige EU-Staat, der seit 29 Jahren (!) die europäischen Nitratvorgaben nicht einhält. Erst nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs musste die Politik jetzt endlich handeln.
Bauernverbände jedoch wehren sich seit langem gegen schärfere Düngevorgaben zum Schutz des Wassers. Durch die Corona-Krise sah mancher Agrarfunktionär nun offenbar die Chance gekommen: Eine Bauern-Lobbyorganisation drohte im Falle von neuen Vorgaben sogar allen Ernstes mit einer Gefährdung der Lebensmittelversorgung in Deutschland – aber nicht etwa, weil dies eine zwangsläufige Folge der Düngevorgaben wäre, sondern weil neue Auflagen den Bauern „jegliche Motivation“ nehmen würden – und dies sei doch „fatal in Krisensituationen wie der aktuellen“… Doch so niveaulos die Verknüpfung wirtschaftlicher Interessen einzelner Gruppen mit der Corona-Notlage auch war: Die Lobby-Aktivitäten bewirkten etwas. In der vergangenen Woche erlaubte der Bundesrat, dass Bauern noch über Monate hinweg viel zu viel Gülle auf die Felder ausbringen und somit Nitrat ins Grundwasser eintragen dürfen. Schärfere Regeln wurden auf nächstes Jahr verschoben.
Die schlimme Corona-Krise darf nicht auch noch zu Einschränkungen beim gesundheitlichen Verbraucherschutz führen, liebe foodwatch-Interessierte! Die Aufgabe von foodwatch ist es, genau hinzusehen und nicht nachzulassen bei unserem Einsatz für die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Wir versprechen Ihnen das auch und gerade in der jetzigen Situation zu tun. Aber ohne Sie wäre das nicht möglich. Deshalb: Vielen Dank, dass Sie uns dabei unterstützen!
Zurecht wird dem neuartigen Corona-Virus eine hohe Priorität eingeräumt. Die allermeisten Menschen sind mehr oder weniger stark von der Pandemie betroffen und uns allen werden viele Veränderungen abverlangt. Sorge bereitet uns jedoch, dass die Krise politisch missbraucht wird, um alles Mögliche zu rechtfertigen. Beispiele gibt es dafür bereits. Aus den Niederlanden hören wir, dass wichtige Klimaschutzmaßnahmen verschoben werden – vorgeblich wegen Corona. Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich berichten uns, dass die Lebensmittelbehörden bei der Nicht-Einhaltung mancher Kennzeichnungsvorgabe nicht mehr so genau hinsehen sollen – wegen Corona.
Und auch Deutschland ist leider nicht außen vor. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hat sich dafür stark gemacht, die Zahl der Lebensmittelkontrollen zu reduzieren – wegen Corona. Und tatsächlich fallen derzeit die meisten Kontrollen aus. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Dass Personal der Lebensmittelbehörden in der Corona-Krise in den Gesundheitsämtern aushilft und dass Kontrolleure nur dann in die Betriebe gehen sollten, wenn sie angemessene Schutzausrüstung haben, ist natürlich völlig richtig. Frau Klöckner aber will mit der Verringerung der Kontrollen etwas anderes erreichen, wie sie in einem Brief ans Kanzleramt schreibt: Sie will die Land- und Ernährungswirtschaft von vermeintlich belastendem „Verwaltungshandeln“ befreien – obwohl sie selbst betont, dass die Lebensmittelversorgung überhaupt nicht gefährdet sei. „Endlich“, mag sich manch Branchenlobbyist denken, der jetzt vielleicht darauf setzt, dass staatliche Vorgaben und Kontrollen vielleicht sogar dauerhaft gelockert werden könnten. Wir meinen: Nicht nur die Lebensmittelwirtschaft, sondern auch wirksame Lebensmittelkontrollen sind systemrelevant! Denn gerade jetzt muss die Einhaltung von Hygienestandards durchgesetzt, muss verhindert werden, dass es zusätzlich zu Corona auch noch zu lebensmittelbedingten Gesundheitsgefahren durch Salmonellen, Listerien oder anderen Keimen kommt. Das „Verwaltungshandeln“ ist aktiver Verbraucher- und Gesundheitsschutz, und unbedingt nötig. Alles andere also als überflüssige Bürokratie!
Denn gerade in dieser Krisenzeit dürfen wir nicht vergessen, dass es Missstände und Probleme gibt, die schon vor Corona da waren und die weiter bestehen. Und die wir keinesfalls aus den Augen verlieren dürfen. Um nur zwei Beispiele zu nennen:
Bund und Länder verhandeln weiter darüber, ob die grausame Zwangsfixierung von Muttersauen in engen Kastenständen endlich beendet wird – oder noch für viele Jahre weiter erlaubt bleibt, obwohl Kastenstände höchstrichterlich als tierschutzwidrig eingestuft wurden.
Die undemokratischen Geheimgremien, die mit dem europäisch-kanadischen Handelsabkommen CETA eingeführt wurden, haben längst ihre Arbeit aufgenommen. Beeinflusst von der Agrarindustrie arbeiten sie daran, unsere Standards bei Pestiziden abzusenken und Rückstände verbotener Mittel zu erlauben, die aus gutem Grund in der EU bislang verboten sind.
Wir dürfen davon ausgehen: Industrielobbyisten werden ihre Ziele nicht vergessen, weil die Welt in Sorge vor dem Corona-Virus ist. Im Gegenteil: Sie werden versuchen es auszunutzen, dass fast die gesamte öffentliche Aufmerksamkeit auf die Pandemie gerichtet ist.
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