Jeanne d'Arc als Medium zwischen Himmel und mittelalterlicher Grausamkeit
(c) Barbara Aumüller |
Wie gut Debussy und Honegger in einer Oper vereint werden können zeigt die Inszenierung des Katalanen Àlex Ollé in der Frankfurter Oper. Beide Opern haben das Thema wahre Religiosität sowie den Gegensatz Gutes im Himmel, Böses auf Erden gemeinsam. Es ist fast ein bisschen viel in Zeiten der orientalischen Religionskriege und mit unserer eigenen Kirchengeschichte das so fast schon kitschig erscheinende Bild vom heiligen Himmel im Kontrast zum gemeinen Leben 90 Minuten auszuhalten. Es ist dann wohl die Aura der Reinheit der beiden Heldinnen Die Auserwählte bei Debussy und Jeanne d'Arc bei Honegger, die uns im Siebten-Opern-Himmel schweben lässt, ohne an Langeweile zu denken. Bei Jeanne kommt noch der große Ruf als Heilige und Märtyrerin Frankreichs dazu, die durch ihren heldenhaften politischen und militärischen Einsatz Frankreich im Krieg gegen England auf Gottes Geheiß hin einen entscheidenden Sieg weiterhalf und Karl VII. (fünfter Sohn des mit 25 Jahren völlig schwachsinnigen und handlungsunfähigen Karls VI.), zur Krönung nach Reims führte, auch wenn sie dann einfach fallen gelassen wurde. Ein weiblicher Jesus.
Die Auserwählte (Debussy) (c) Barbara Aumüller |
Die bühnenbildnerische Lösung der himmlischen Ebene und auf Erden unten wird hier begonnen und später übernommen, das ganze Stück hindurch bleibt sie formgebender Rahmen.
Das Geschehen geht nahtlos über in die Opernwelt Honeggers, die von Ollé hier weitreichend verändert wird. Honeggers JEANNE D’ARC AU BÛCHER ist ein dramatisches Oratorium in 11 Szenen von Paul Claudel, der den Text schrieb, und Arthur Honegger. Das Oratorium erlebte seine konzertante Uraufführung am 12. Mai 1938 im Musiksaal des Stadtcasinos Basel. Die Mischung aus mittelalterlichem Mysterienspiel, Tragödie, Oper, Oratorium, barockem Theater und Rückblicken fesselt, auch wenn der extreme schwarz-weiße religiöse und konservative Ansatz stört.
Bischof Cauchon / Porcus, im Hintergrund Jeanne am Pfahl (c) Barbara Aumüller |
Der Schreiber / Esel (c) Barbara Aumüller |
Porcus, das Schwein, hat den Vorsitz des Prozesses (herrlich schmierig, eklig Peter Marsh im Sautrog), gemeint ist der historische Bischof von Beauvais Pierre Cauchon, der tatsächlich als Berater des neunjährigen englischen Königs Heinrich VI. den Prozess gegen Johanna leitete. Seine Arie ist eine Persiflage auf die Jazzmusik, sie wird zur Musik der "Untermenschen" und Mörder. Schafe sind die Beisitzer und ein Esel wird Schreiber (Etienne Gillig), der die Wahrheit zum Geständnis und Todesurteil zurechtbiegt. Hier wird ganz eindringlich Kirche und Justiz karikiert zu einem korrupten verdreckten Haufen. Den politischen Hintergrund, dass der König von Frankreich sie fallen ließ, weil Paris doch nicht erobert werden konnte, und der Herzog von Burgund sie für 10.000 Franken dem König von England verkaufte, wird mit einem einprägsamen Kartenspiel dargestellt, bei dem keiner verlieren und gewinnen kann, weil immer das Gegenteil des Erreichten eintritt. Im Hintergrund Foltergerüste, Kinderkönige, Autowracks, die eindeutig an die Straßenkriege in den Vororten von Paris erinnern. Der Tod als hocherotisches BDSM-Wesen und die Wollust an seiner Seite verfolgen lüstern das Spiel. Das Spiel geht um Jeanne, England gewinnt durch Verlieren. Ihre Schutzheiligen Katharina und Margarethe werden stellvertretend im Hintergrund geschändet und gefoltert.
Jeanne d'Arc wird zur Abschreckung und zur Lustgewinnung als Ketzerin den Massen geopfert. (c) Barabara Aumüller |
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