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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dienstag, 27. Juni 2017

Wie war's bei LA DAMOISELLE ÉLUE/JEANNE D’ARC AU BÛCHER in der Frankfurter Oper?

Jeanne d'Arc als Medium zwischen Himmel und mittelalterlicher Grausamkeit
(c) Barbara Aumüller

Wie gut Debussy und Honegger in einer Oper vereint werden können zeigt die Inszenierung des Katalanen Àlex Ollé in der Frankfurter Oper. Beide Opern haben das Thema wahre Religiosität sowie den Gegensatz Gutes im Himmel, Böses auf Erden gemeinsam. Es ist fast ein bisschen viel in Zeiten der orientalischen Religionskriege und mit unserer eigenen Kirchengeschichte das so fast schon kitschig erscheinende Bild vom heiligen Himmel im Kontrast zum gemeinen Leben 90 Minuten auszuhalten. Es ist dann wohl die Aura der Reinheit der beiden Heldinnen Die Auserwählte bei Debussy und Jeanne d'Arc bei Honegger, die uns im Siebten-Opern-Himmel schweben lässt, ohne an Langeweile zu denken. Bei Jeanne kommt noch der große Ruf als Heilige und Märtyrerin Frankreichs dazu, die durch ihren heldenhaften politischen und militärischen Einsatz Frankreich im Krieg gegen England auf Gottes Geheiß hin einen entscheidenden Sieg weiterhalf und Karl VII. (fünfter Sohn des mit 25 Jahren völlig schwachsinnigen und handlungsunfähigen Karls VI.), zur Krönung nach Reims führte, auch wenn sie dann einfach fallen gelassen wurde. Ein weiblicher Jesus.


Die Auserwählte (Debussy)
(c) Barbara Aumüller
LA DAMOISELLE ÉLUE, 1893 in Paris uraufgeführt, mit Texten von Dante Gabriel Rossetti, ist ein Poème lyrique von Claude Debussy. Die Auserwählte im Himmel (Elizabeth Reiter) beobachtet auf eine goldene Ballustrade gelehnt ihren Geliebten auf Erden, mit dem sie eine sehr erfüllte, aber kurze Zeit erleben durfte. Der Gute liegt schlafend und schwerkrank bei einer anderen Frau, während sie Maria und Jesus anruft, ihr zu helfen, den Geliebten wiederzutreffen.
Die bühnenbildnerische Lösung der himmlischen Ebene und auf Erden unten wird hier begonnen und später übernommen, das ganze Stück hindurch bleibt sie formgebender Rahmen.

Das Geschehen geht nahtlos über in die Opernwelt Honeggers, die von Ollé hier weitreichend verändert wird. Honeggers JEANNE D’ARC AU BÛCHER ist ein dramatisches Oratorium in 11 Szenen von Paul Claudel, der den Text schrieb, und Arthur Honegger. Das Oratorium erlebte seine konzertante Uraufführung am 12. Mai 1938 im Musiksaal des Stadtcasinos Basel. Die Mischung aus mittelalterlichem Mysterienspiel, Tragödie, Oper, Oratorium, barockem Theater und Rückblicken fesselt, auch wenn der extreme schwarz-weiße religiöse und konservative Ansatz stört. 
Bischof Cauchon /  Porcus,
im Hintergrund Jeanne am Pfahl
(c) Barbara Aumüller
Die Stimmen des Himmels rufen nicht nur den Geliebten der Auserwählten, sondern auch Jeanne (jugendlich angsterfüllt und entsetzt Johanna Wokalek) zu sich. Die Lebensgeschichte Jeanne d'Arcs wird hier im Moment des bevorstehenden Todes 1431 durch den Scheiterhaufen rekapituliert. Im Dialog mit Bruder Dominik (konservativ französisch in grauer Strickweste Sebastien Dutrieux), der ihr aus dem Buch ihres Lebens vorliest, entwickelt sich ein Rückblick. Ganz krass setzt Ollé eine schmutzige (Gesamt-)Welt des Lumpenproletariats, niedriger Kreaturen, aller Scham und Schönheit beraubt, gegen die Reinheit des Himmels. Durch und durch verdreckt, verdorben und amoralisch, bis hinauf zu den Königen und wieder runter - deutliches Zeichen ist die Nacktheit aller Unterkörper, die das schamlose Tierisch-Viehhafte betonen sollen. Wie aus der Hölle kommend kriechen diese Menschen hervor und verwünschen Jeanne. Diese Bestien fordern den Prozess gegen Jeanne. Claudel/Honegger verwenden hier das mittelalterliche Tiergericht aus der Literatur, das über ihr Schicksal entscheiden soll.
Der Schreiber / Esel
(c) Barbara Aumüller
Porcus, das Schwein, hat den Vorsitz des Prozesses (herrlich schmierig, eklig Peter Marsh im Sautrog), gemeint ist der historische Bischof von Beauvais Pierre Cauchon, der tatsächlich als Berater des neunjährigen englischen Königs Heinrich VI. den Prozess gegen Johanna leitete. Seine Arie ist eine Persiflage auf die Jazzmusik, sie wird zur Musik der "Untermenschen" und Mörder. Schafe sind die Beisitzer und ein Esel wird Schreiber (Etienne Gillig), der die Wahrheit zum Geständnis und Todesurteil zurechtbiegt. Hier wird ganz eindringlich Kirche und Justiz karikiert zu einem korrupten verdreckten Haufen. Den politischen Hintergrund, dass der König von Frankreich sie fallen ließ, weil Paris doch nicht erobert werden konnte, und der Herzog von Burgund sie für 10.000 Franken dem König von England verkaufte, wird mit einem einprägsamen Kartenspiel dargestellt, bei dem keiner verlieren und gewinnen kann, weil immer das Gegenteil des Erreichten eintritt. Im Hintergrund Foltergerüste, Kinderkönige, Autowracks, die eindeutig an die Straßenkriege in den Vororten von Paris erinnern. Der Tod als hocherotisches BDSM-Wesen und die Wollust an seiner Seite verfolgen lüstern das Spiel. Das Spiel geht um Jeanne, England gewinnt durch Verlieren. Ihre Schutzheiligen Katharina und Margarethe werden stellvertretend im Hintergrund geschändet und gefoltert. 
Jeanne d'Arc wird zur Abschreckung und
zur Lustgewinnung als Ketzerin
den Massen geopfert.
(c) Barabara Aumüller
Jeanne d'Arc erinnert sich an die Krönung des Dauphin, den sie als 17-Jährige am Zügel unter Jubel und Musik Wochen und Monate nach Reims zur Krönung führte. Das Volk randalierende und saufende Hooligans/Fußballfans, die schon all das haben, was die Verurteiler später noch mehr auszeichnet. Sobald Jeanne ihre Erfolge feiert, sich darüber freut, kommen die schmierigen Zombies und fordern neiderfüllt ihren Tod. Auf dem Scheiterhaufen wartend erinnert sie sich an ihre Kindheit, an die Zeit, als ihr das Schwert, mit dem sie Frankreich befreite, übergeben wurde und sie mit den anderen Kindern ein besonderes Lied sang. Dieses Lied versucht sie nun noch einmal zu singen, aber ihre Stimme versagt. Die neunzehnjährige Jeanne leidet, verbrennt in den Flammen des Scheiterhaufens. In einer gewaltigen Schlussapotheose stärken die Heiligen Katharina und Margarethe sowie Engel und andere Himmelsbewohner ihre Auserwählte in der Stunde ihres Todes und leiten sie zu sich.








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