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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Samstag, 10. Juni 2017

Wie war's bei RAUSCH von Strindberg im Schauspiel Frankfurt a.M.?

Strindberg, das ist uns immer der Vater des "Totentanzes", das Vorbild der kritischen Zerfleischer und blutigen Analytiker in der Literatur. Natürlich haben es die antiken Dichter auch schon gewusst. Von ihm führt eine Fährte über Samuel Beckett und Tennessee Williams mitten rein zu Thomas Bernhard.

August Strindberg war ein eigenwilliger Zeitgenosse - viele Dramen, Romane, Schriften, wissenschaftliche Arbeiten, Ausflüge in die Kunst und Fotografie bezeugten seine Geistesstärke - seine schizophrenen Eskapaden waren der Gesellschaft bekannt, seine kritischen Schriften beliebt. Was er nicht gut fand war Emanzipation, Ibsens Vorstöße in diese Richtung mit "Nora oder Ein Puppenheim" entsetzten ihn. Seine drei Ehen misslangen dementsprechend, Machtkämpfe und Geschlechterkrieg mit dabei. Was er gut fand war Selbstzelebrierung und -inszenierung. Er lud z.B. die Presse mehrmals zu seinem Todestag ein und litt, obwohl es nicht seine Todestage waren.

In Frankfurt war einmalig das recht häufig gespielte Stück "Rausch" - im Original "Verbrechen und Verbrechen" - zu sehen. Es hinterlässt eine gewisse Leere, weil nichts tief Bewegendes erlebt wird. Natürlich gibt es genug Schlimmes, den Freund Adolphe, zuvor noch der Galan der männertollen Henriette, und die Freundin Jeanne hintergehen, der Tod der gemeinsamen Tochter Marion, ein Absturz in der Karriere von Maurice und ein trauernde Jeanne, aber es wird einfach alles "künstlich" und theoretisch erlebt, die Figuren beleuchten sich und ihr Verhalten selbst, was ist jetzt, was würde passieren wenn, am Ende alles Drama der vergangenen zwei Tage einfach von Maurice weggewischt. Heute Abend Kirche zur Besinnung, morgen wieder Theater.

Eine schwerwiegende Oberflächlichkeit der Bohemians, zu denen Strindberg sich selbst gesellte, als er in Paris lebte, auch Lächerlichkeit, vor allem jeder Ernsthaftigkeit im Leben abgeneigt. Die "Komödie" war eine Gemeinschaftsproduktion der Ruhrfestspiele Recklinghausen, Nationaltheater Luxembourg und Staatstheater Hannover, Regie führte Frank Hoffmann, die Hauptrolle Maurice, der Schriftsteller, wird sprunghaft und impulsiv von Robert Stadlober gespielt, die Freundin Jeanne reizend und verliebt von Sinja Dieks, das langbeinige Abenteuer in rotem Hosenanzug Henriette steil, lasziv, verführerisch sexy auf High Heels interpretiert von Jacqueline Macaulay. Witzig wirkt die Orientierungslosigkeit der Protagonisten, sie wissen gar nicht, wo sie bei dem Geschehen genau stehen. Auch ihre Gefühle sind nicht echt. Es wird zwar nachgedacht und analysiert, aber es gibt keine Entwicklung. Die einzige Entwicklung ist die Rehabiliation von Maurice, dass er nicht, wie seine 2-Tages-Geliebte Henriette bestätigt, seine Tochter alleine besucht hätte und dann der Tod eingetreten sei, was er im Übrigen auch von ihr behauptet, der "Mörder" sei, auch Henriette nicht, sondern eine Krankheit.

Das spontane Liebespaar spritzt in Angst, unter Mordverdacht zu stehen, oder bei Henriette auch die Angst vor der Sittenpolizei, auseinander.  Dieser schwarze Humor Strindbergs führt am Ende zu diesem schwarzen Loch, in dem alles verschwindet. Maurice' Theaterstück wird wieder gespielt, ihm winkt sogar ein Preis von über 100.000 Francs, aber seine Kleine ist halt gestorben. Als ob nichts gewesen wäre. Natürlich spürt man hier auch eine krasse Kritik an den ethischen Werten der Künstler, ihr dominantes Ego ist ihnen die einzige Sonne am Himmel, inhaltsarme, armselige Menschen für Strindberg, wie die Hülsenmenschen in der isolierten Großstadtmentalität eines Botho Strauß.

Der einzige Mahner unter den Egoistensonnen ist der Abbé Wolfram Koch, der auch den Kommissar spielt. Im Rock und auf Spinnenbeinen und mit Spinnenarmen und Stock in der Luft herumfuchtelnd rast der Geistliche wie besessen von hier nach dort und sorgt für Stimmung und Aufruhr. Was hier von Strindberg "komödiantisch" als ein Aufbau von schwarzen Schicksalswolken fast schon symbolistisch konstruiert wurde, soll am Ende ein unglücklicher Zufall im Leben gewesen sein, das Symbolistische wird karikiert. Religion und Amoralität nebeneinander, Theater über allem. Alle Verdächtigungen weggeweht, das Leben geht weiter. Eigentlich kaum zum Lachen. Man schüttelt eher den Kopf, und es stellt sich die Frage nach dem höheren Sinn, was sich ja durchaus aufs Existenzielle übertragen lässt. Absurd - es gibt keinen. Der Letzte macht das Licht aus, und es war nichts. Es ist halt alles Theater.

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