Alfred de Musset: Gamiani
1 Die erste Nacht
Von den Klängen einer berauschenden Musik erregt, gaben sich die Gäste der Lust des Tanzes hin. Von Geschmeide und Edelsteinen funkelten die prachtvollen Toiletten der Damen. Anmutig und liebenswürdig stand die Gräfin als Königin des Balles in der Mitte ihrer Gäste; man sah ihr den Triumph über das Gelingen ihres mit verschwenderischer Pracht veranstalteten Festes an, von dem schon wochenlang vorher ganz Paris gesprochen hatte. Mit freundlichem Lächeln hörte sie allen den schmeichelnden Komplimenten zu, womit die Anwesenden ihr den Zoll für die Einladung entrichteten.
Meiner Gewohnheit gemäß stand ich abseits, um Beobachtungen zu machen, und da war mir bereits manches aufgefallen, was mir allerlei Zweifel an der Gräfin erweckte. Daß sie eine vollendete Weltdame war, konnte ich nicht bestreiten. Aber wie stand es mit ihren moralischen Qualitäten? Es reizte mich, ihr Herz mit dem Seziermesser des Forschers zu untersuchen. Doch etwas Befremdliches, mir Unerklärliches hinderte mich daran, der Sache wirklich auf den Grund zu gehen. Aus dem Lebenswandel dieser Frau ließen sich keine Schlüsse ziehen; es schien mir daher unendlich schwer, das Rätsel ihres Daseins aufzuhellen. Daß ein solches Rätsel vorhanden sein müsse, sagte mir eine bestimmte Ahnung.
Sie war jung, Besitzerin eines riesigen Vermögens, eine Schönheit nach dem Geschmack der Durchschnittsmenschen. Trotzdem stand sie allein in der Welt; sie hatte keine Freunde. Ihr mochte ihre Individualität genügen, aber die Gesellschaft fragte sich verwundert, warum ein solches Weib unvermählt bleibe.
Böse Zungen hatten sich eifrig mit diesem Thema beschäftigt. Man erzählte sich viel, aber zu beweisen war nichts. Die Gräfin Gamiani blieb undurchdringlich.
Einige nannten sie eine Foedora, [Fußnote] ein Weib ohne Herz und ohne Temperament, andere sprachen die Vermutung aus, ihr Herz müsse einmal eine tiefe Wunde empfangen haben, und sie sei auch deshalb so kalt, weil sie neue Enttäuschungen vermeiden wolle.
Diese Fragen beschäftigten mich lebhaft; ich strengte alle meine Geisteskräfte an, um ihre Lösung zu finden. Aber vergeblich – eine befriedigende Antwort kam mir nicht in den Sinn. Ich wollte meine unfruchtbaren Bemühungen gerade aufgeben, da hörte ich plötzlich hinter mir den spöttischen Ausruf eines alten Lebemanns: »Bah! Sie ist eine Tribade!« Dies Wort erleuchtete wie ein Blitz die Dunkelheit, die mich umgab. Jetzt war alles klar – in der Kette der Schlußfolgerungen fehlte kein Glied mehr; alle Widersprüche waren gelöst. Eine Tribade! Oh, dieses Wort schlägt mit seltsamem Klange an unser Ohr! Es ruft in unserer Phantasie eigentümlich verschwommene Bilder unerhörter Sinnenlüste hervor. Wir denken an eine Raserei der Wollust, an eine sinnlose Trunkenheit des Geschlechtstriebes, an ein furchtbares Genießen, das ewig unvollkommen bleibt. Vergeblich suchte ich diese Gedanken mir fernzuhalten; im Nu hatten sie meine geschlechtliche Phantasie in Feuer und Flammen gesetzt. Schon sah ich die Gräfin mit aufgelösten Haaren, nackt in den Armen eines anderen Weibes – keuchend, von Wollust erschöpft und trotzdem immer noch von unbefriedigten Begierden gepeinigt. – Mein Blut war siedend heiß, es wirbelte mir vor den Augen – halb betäubt sank ich auf ein Sofa.
Als ich mich wieder erholt hatte, stand in mir der Entschluß fest, um jeden Preis der Gräfin ihr Geheimnis zu entreißen. Mit nüchterner Überlegung erwog ich die Mittel und Wege, um zu diesem Ziele zu gelangen.
Ich beschloß endlich, Gamiani während der Nacht zu beobachten und mich zu diesem Zweck in ihrem Schlafzimmer zu verstecken. Gerade ihrem Bett gegenüber befand sich die Glastür des Ankleidezimmers. Ich erkannte sofort, daß dies der beste Beobachtungsposten sei. Einige Kleidungsstücke, die an der Wand hingen, boten ein leidliches Versteck. Ich verbarg mich hinter ihnen und beschloß, die Stunde des Hexensabbats zu erwarten. Kaum war ich in meinem Versteck, da erschien die Gräfin. Sie rief nach ihrer Kammerzofe, einem jungen Mädchen von dunkler Hautfarbe und mit üppigem Busen.
»Julie«, sagte sie, »ich brauche dich heute abend nicht. Du kannst zu Bett gehen... Ach, und was ich noch sagen wollte – solltest du in meinem Zimmer Geräusche hören, so kümmere dich nicht darum. Ich will allein sein.« Diese Worte ließen dramatische Ereignisse erwarten; ich wünschte mir Glück zu meinem kühnen Entschluß.
Die Gräfin hatte sich wieder zur Gesellschaft begeben. Immer schwächer wurde allmählich das Stimmengemurmel, das zu meinem Winkel herüberdrang. Endlich hatten alle Gäste sich entfernt, und Gräfin Gamiani blieb allein mit einer ihrer Freundinnen, Fräulein Fanny B***. Es dauerte nicht lange, und ich hatte sie im Schlafzimmer vor meinen Augen und hörte ihr Gespräch.
Fanny: Was für ein Mißgeschick! Der Regen fällt in Strömen, und kein Wagen ist zu haben!
Gamiani: Auch ich bin untröstlich, daß Ihnen das passieren muß. Leider kann ich Ihnen nicht helfen: mein Wagen ist zum Ausbessern beim Stellmacher.
Fanny: Meine Mutter wird sich beunruhigen.
Gamiani: Machen Sie sich darum keine Sorgen, liebe Fanny: Ihre Frau Mama weiß schon Bescheid; ich habe ihr sagen lassen, daß Sie die Nacht bei mir verbringen. Sie sind mein Gast.
Fanny: Sie sind wirklich zu gütig! Ich mache Ihnen gewiß Ungelegenheiten.
Gamiani: Aber nein! im Gegenteil: ein großes Vergnügen! Ich sehe darin ein entzückendes Abenteuer. Ich schicke Sie nicht in eines von meinen Fremdenzimmern, lassen Sie uns die Nacht beisammenbleiben.
Fanny: Warum? Ich werde Sie im Schlafe stören.
Gamiani: Aber machen Sie doch nicht so viele Umstände! Nehmen Sie an, wir seien zwei junge Freundinnen – Pensionsfreundinnen.
Ein sanfter Kuß bekräftigte ihre zärtlichen Worte.
Gamiani: Ich werde Ihnen beim Auskleiden helfen. Meine Zofe ist schon zu Bett; aber wir brauchen sie ja auch gar nicht.
Nein! Dieser entzückende Leib! Glückliches Mädchen! Ich bewundere Ihren Wuchs! Fanny: Sie finden ihn wirklich schön?
Gamiani: Entzückend!
Fanny: Ach! Sie wollen mir ja nur schmeicheln.
Gamiani: O wie wundervoll die Weiße Ihrer Haut! Man könnte eifersüchtig darauf werden.
Fanny: Nein, das brauchen Sie nicht. In diesem Punkte kann ich's mit Ihnen nicht aufnehmen. Nein – wirklich und wahrhaftig: Sie sind weißer als ich.
Gamiani: Was fällt Ihnen ein, liebes Kind... Aber ziehen Sie sich doch ganz aus! Machen Sie's doch wie ich. Wovor genieren Sie sich denn? Sie tun ja gerade, wie wenn ein Mann im Zimmer wäre. Da! Sehen Sie sich doch im Spiegel!... Was meinen Sie, wie Paris sich beeilen würde, Ihnen den Apfel zuzuwerfen... Die Spitzbübin! Sie lächelt, weil sie sieht, wie schön sie ist. Man muß Sie küssen – auf Ihre Stirn, auf Ihre Wangen, auf Ihre Lippen. Überall sind Sie schön – überall!
Vor Wollust glühend, bedeckte der gierige Mund der Gräfin Fannys Leib mit unzähligen Küssen.
Sprachlos, zitternd ließ Fanny alles über sich ergehen. Sie begriff nicht, was Gamiani von ihr wollte.
Es war ein entzückender Anblick, dieses Paar nackter Frauengestalten: Wollust, Grazie, sinnliches Sichgehenlassen, zaghafte Scham! Eine Jungfrau, ein Engel in den Armen einer rasenden Bacchantin!
Und alle diese Schönheiten waren meinen Blicken ausgeliefert! Das Schauspiel brachte meine Sinne in den höchsten Aufruhr.
Fanny: O was machen Sie denn? Lassen Sie doch, Frau Gräfin, ich bitte Sie... Gamiani: Nein, nein, meine Fanny! Mein Kind, mein Leben, meine Wonne! Du bist zu schön! Ich liebe dich! Ich liebe dich rasend! Ich bin wahnsinnig!
Vergebens sträubte sich das schöne Kind. Küsse erstickten ihr Schreien. Gamiani umarmte sie, umschlang sie – aller Widerstand war vergeblich. Rasend vor Leidenschaft schleppte sie sie an ihr Bett -sie warf sie darauf hin, wie ein wildes Tier seine Beute.
Fanny: Was ist Ihnen denn? Um Gottes willen, Frau Gräfin – das ist ja entsetzlich! Lassen Sie mich los, oder ich schreie! Sie machen mir angst!
Gamiani antwortete nur mit immer heißeren, immer stürmischeren Küssen. Fester nur umschlangen sie ihre Arme – die beiden Leiber waren zu einem einzigen verschlungen.
Gamiani:Fanny! Sei mein! Sei ganz und gar mein! Komm! Nimm mein Leben hin! Nicht wahr – das ist Wonne? Wie du zitterst, süßes Kind! Ah! Du ergibst dich mir!
Fanny: Es tut weh! Es tut weh! Sie töten mich! -Ach – Ich sterbe...
Gamiani: Ja, so ist's recht! Presse dich an mich, meine Kleine, mein goldenes Lieb! Drücke mich... immer noch fester! Wie schön sie ist im Liebesrausch! Wie wollüstig... Du genießt! Du bist glücklich!... O mein Gott!
Es war ein seltsamer Anblick. Mit glühenden Augen, mit aufgelösten Haaren rutschte die Gräfin auf ihrem Opfer hin und her, dessen Sinne jetzt ebenfalls zur höchsten Wollust entflammt waren. Die beiden Weiber hielten sich in den Armen, umklammerten sich mit aller Macht. Jeder Stoß der einen wurde von der anderen erwidert; jedes Stöhnen, jeder Seufzer erstarb in heißesten Küssen. Das Bett krachte von den wütenden Stößen der Gräfin.
Bald war Fanny erschöpft; wie vernichtet ließ sie ihre Arme niedersinken. Totenblaß lag sie unbeweglich da wie eine schöne Leiche. Gamiani raste weiter. Die Wollust brachte sie aufs Äußerste, aber sie vermochte nicht zur Krisis zu gelangen. Mit einem wilden Satz stürzte sie sich mitten ins Zimmer; wälzte sich auf dem Teppich, in immer neuen lasziven Stellungen ihre eigenen Sinne aufpeitschend; ihre geschäftigen Finger mühten sich vergebens, ihr die höchste Befriedigung zu verschaffen.
Dieser Anblick raubte mir vollends die Besinnung.
Im ersten Augenblick hatten Ekel und Entrüstung alle anderen Gefühle in mir übertäubt. Ich war in Versuchung, vor die Gräfin hinzutreten, sie mit der ganzen Wucht meiner Verachtung zu Boden zu schmettern. Aber meine Sinne waren stärker als meine Vernunft. Das Fleisch – das unbändige, zuckende Fleisch triumphierte! Ich war betäubt, ich war wahnsinnig. Die Kleider riß ich mir vom Leib, und nackt, glühend, fürchterlich stürzte ich mich auf die schöne Fanny. Kaum hatte sie so viel Zeit, dieses neuen Angriffs gewahr zu werden, da war ich schon Sieger. Ich fühlte ihren geschmeidigen zarten Leib erschauern, unter meinem Leibe sich hin und her bewegen, jeden meiner Stöße erwidern. Wie glühende Pfeile kreuzten sich unsere Zungen, unsere beiden Seelen verschmolzen zu einer.
Plötzlich stöhnte Fanny: »O mein Gott – er mordet mich...!« Mit diesen Worten bäumte die Schöne sich empor, stieß einen Seufzer aus – und sank dann zurück, indem sie mich mit ihrer süßesten Liebesgabe überströmte.
»Ah, Fanny«, rief da auch ich. »Fanny – warte... nimm! Ah...!«
Und auch ich glaubte mein Leben zu verströmen. Welche Raserei der Liebe! Besinnungslos in Fannys Armen schwelgend, hatte ich nichts von den erbitterten Angriffen bemerkt, die die Gräfin gegen mich gerichtet hatte.
Unser Seufzen, unser Schluchzen hatte auch sie aus ihrem Taumel erweckt; vor Wollust und Neid außer sich, hatte sie sich auf mich gestürzt, um mir ihre Freundin aus den Armen zu reißen. Ihre Arme umschlangen und schüttelten mich, ihre Finger krallten sich in mein Fleisch, ihre Zähne verbissen sich in mich. Die Berührung von zwei Frauenkörpern, die beide von der höchsten Liebesleidenschaft erregt, beide von Wollust durchglüht waren, rief meine ermatteten Sinne wieder ins Leben zurück, verdoppelte, verdreifachte meine Begierden. Ich war ganz und gar Feuer. Machtvoll, siegreich blieb ich als Herrscher in Fannys Schoß. Mein Wille herrschte in diesem Knäuel von drei ineinander verschlungenen, verstrickten Menschenleibern. Ein Griff, und ich packte mit aller Kraft Gamianis Schenkel und hielt sie gespreizt oberhalb meines Kopfes.
»Gamiani!« rief ich. »Du bist mein! Leg dich vornüber, stütze dich fest auf deine Arme!« Gamiani begriff, was ich wollte, und ich konnte in aller Bequemlichkeit meine nimmersatte Zunge an ihrer heißen Scham spielen lassen. Sinnlos vor Wollust liebkoste Fanny mit tausend Küssen die wogenden Brüste, die sich über ihrem Gesicht hin und her bewegten. Im Nu war die Gräfin besiegt. Sie stammelte: »Wie das brennt! Zuviel...! Gnade...! O welche Wollust! Du machst mich tot...! Gott...! Ich ersticke!« Und wie eine leblose Masse sank Gamianis Leib zur Seite.
Fannys Erregung aber steigerte sich nur noch mehr. Sie warf ihre Arme um meinen Hals, umschlang mich, preßte mich an sich, kreuzte ihre Beine über meinen Lenden. Dann kamen stoßweise abgerissene Laute: »Liebster! Geliebter!... Gib dich mir!... Gib mir alles!... Nicht so heftig... Ein bißchen... Halt... Ah... so... so... Schneller!... Schneller doch!... O ich fühl's... ich... spritze... ich...«
Und starr, bewegungslos, lagen wir aufeinander, Mund an Mund gepreßt. Aber wir spürten kaum unsere fast erloschenen Atemzüge. Allmählich kamen wir wieder zu uns. Alle drei erhoben wir uns und starrten uns einen Augenblick verständnislos an.
Die Gräfin wurde sich als erste über die Situation klar. Ihrer Raserei sich schämend, warf sie sich schnell ein Hemd über. Fanny verbarg sich unter den Bettüchern und fing an zu weinen wie ein kleines Kind, das sich seiner Schuld bewußt wird, wenn diese begangen und nicht wiedergutzumachen ist.
Gamiani aber wandte sich zu mir und rief zornig: »Mein Herr, das ist ein recht erbärmlicher Überfall! Ihre Handlungsweise ist schändlich, hinterlistig, gemein! – Ich schäme mich Ihretwegen!« Ich wollte mich verteidigen, aber sie rief: »Oh, schweigen Sie nur! Sie sollten wissen, daß eine Frau niemals dem Manne verzeiht, der sich ihre Schwachheit zunutze gemacht hat!« Ich suchte mich so gut wie möglich herauszureden. Ich schwor ihr, ihre Kälte habe in mir eine verhängnisvolle, unwiderstehliche Leidenschaft erweckt, habe mich zur Verzweiflung gebracht, und so sei mir nichts anderes übriggeblieben als List und Gewalt.
»Übrigens«, so schloß ich, »können Sie wirklich glauben, Gamiani, ich würde jemals ein Geheimnis mißbrauchen, dessen Besitz ich mehr noch dem Zufall als meinem kühnen Handstreich verdanke? O nein! Das wäre denn doch zu unedel! Niemals, niemals in meinem Leben werde ich die Verzückungen dieser Augenblicke vergessen, aber ichwerde sie verschweigen, in mein Inneres verschließen. Habe ich gefehlt – nun, so bedenken Sie auch, daß eine rasende Begier mir in der Seele tobte. Oder noch besser, vergessen Sie alles und denken auch Sie nur noch an die Wonnen, die wir zusammen genossen haben, die wir uns jeden Augenblick von neuem verschaffen können... Und Sie, Fräulein Fanny, weinen Sie nicht! Tränen im Augenblick der Wonne? O nein! Denken Sie an weiter nichts als an die süße Glückseligkeit, die uns eben noch vereint hielt. Bewahren Sie sie in Ihrer Erinnerung wie einen glücklichen Traum, um den nur Sie ganz allein wissen! Ich schwöre Ihnen, niemals werde ich das Andenken an diese Stunde der Seligkeit beflecken, indem ich zu anderen davon spreche!«
Gamianis Zorn legte sich, Fannys Tränen versiegten. Wir wußten selber nicht, wie es kam – aber plötzlich waren unsere Glieder wieder ineinander verschlungen, und wir wetteiferten in toller Lustigkeit, in Küssen, in Liebkosungen. Und ich rief:
»O meine schönen Freundinnen! Verbannen wir die Furcht von dieser Stätte der Freude! Rückhaltlos – wie wenn diese Nacht die letzte wäre – wollen wir uns der Liebe, der Wollust überlassen!«
»Ja!« rief auch Gamiani. »Der Würfel ist gefallen. Auf zur Lust! Komm, Fanny! Küß mich doch, du tolles Ding! Da – meine Lippen. Laß mich dich beißen, laß mich an dir saugen, laß mich dich aussaugen bis aufs Mark. Alcide! Es ruft die Pflicht! Ah, du bist ein prächtiger Kerl! Wie reich dich die Natur ausgestattet hat!«
»Neid, Gamiani ? Wart, ich komme! Du verachtest die Wonne der Männerliebe – aber du wirst sie preisen, wenn du sie erst einmal so recht genossen hast. Bleib liegen, wie du liegst! Drücke den Unterleib noch weiter vor! Ah, wie du schön bist! Diese entzückende Stellung! Jetzt schnell, Fanny! Steig auf Gamiani hinauf und lenke du selbst meine drohende Waffe, den heißen Pfeil! Auf zum Angriff gegen die Festung! Los!... Nicht so, Gamiani! Das ist zu stark, zu schnell... ah! Du machst ja alle Wonne zuschanden!«
Die Gräfin warf sich wie eine Besessene unter mir hin und her. Fannys Küsse reizten sie mehr als alle meine Liebesmüh. Eine besonders heftige Bewegung Gamianis zerstörte die ganze Gruppe. Ich machte mir dies zunutze, um Fanny auf die Gräfin zu werfen und nunmehr mit aller Glut der Liebe das junge Mädchen anzugreifen. In einem Augenblick zerflossen, versanken wir in einem Meer von Lust.
Nach einer Pause sagte Gamiani lachend: »Was fiel dir denn auf einmal ein, Alcide, daß du plötzlich den Spieß umdrehtest?... O du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich verzeihe dir: Du hattest begriffen, daß du zu viel Wonne aufgabst, indem du deine Mühe an eine Fühllose verschwendetest. Aber was willst du? Ich habe das traurige Geschick, mit der Natur in Zwiespalt zu liegen. Ich träume nur noch von Furchtbarem, Greulichem, Niedagewesenem. Ich jage dem Unmöglichen nach... O ja! Es ist entsetzlich! Immer in Enttäuschungen sich verzehren! Immer wünschen – nie befriedigt sein! Meine Phantasie tötet mich... ach ja, ich bin sehr unglücklich!« In ihren Worten lag ein so starker Ausdruck von Verzweiflung, daß ich mich von Mitleid gerührt fühlte. Das Weib war böse – aber sie litt selbst am meisten darunter. Ich wollte versuchen sie zu trösten und sagte:
»Vielleicht ist das nur ein vorübergehender Zustand, Gamiani! Du liest wohl zu viel schlechte Bücher?«
»O nein, nein! Das ist es nicht... Aber hört mich an. Ihr werdet mich beklagen... vielleicht werdet ihr mich begreifen – und entschuldigen.« Und sie erzählte:
Gamianis Jugend
In Italien wuchs ich auf, im Hause einer Tante, die schon in jungen Jahren Witwe geworden war. Im Alter von fünfzehn Jahren sah ich in den Dingen dieser Welt nur die Schreckbilder, die der fromme Eifer der gläubigen Christen von ihnen entworfen hat.
Alle meine Gedanken gingen in Gott auf, und ich verbrachte alle meine Tage in Gebeten zum Himmel, er möge mich von den Qualen der Hölle verschonen.
Diese Seelenängste waren mir von meiner Tante eingeflößt worden; niemals versuchte sie sie durch irgendein Zeichen von Zärtlichkeit zu beschwichtigen. Trost und Frieden fand ich nur im Schlaf. Meine Tage schlichen traurig dahin wie die Nächte eines zum Tode Verurteilten. Nur ab und zu rief meine Tante mich morgens in ihr Bett. Da empfing sie mich mit zärtlichen Blicken, mit freundlichen Worten. Sie zog mich an ihren Busen, ich lag zwischen ihren Schenkeln, und plötzlich preßte sie mich in krampfhafter Umschlingung an sich. Wild warf sie sich hin und her, ihr Kopf sank zur Seite – in einem wahnsinnigen Auflachen verlor sie die Besinnung. Erschreckt, keiner Bewegung fähig, sah ich sie an. Ich glaubte, sie hätte einen epileptischen Anfall ...
Eines Tages hatte sie eine lange Unterredung mit einem Franziskanermönch; zuletzt wurde ich hereingerufen, und der ehrwürdige Pater hielt folgende Ansprache an mich: »Liebe Tochter, du bist jetzt erwachsen. Der böse Feind kann schon sein Auge auf dich geworfen haben. Wenn du nicht rein und makellos bist, können seine Pfeile dich treffen. Hat aber keine Sünde dich besudelt, so bist du unverwundbar. Durch Schmerzen hat unser Herr Christus die Welt erlöst; durch Schmerzen wirst auch du dich von deinen Sünden erlösen. Bereite dich darauf vor, das Martyrium der Erlösung zu bestehen. Bitte Gott um die nötige Kraft und den nötigen Mut. Heute abend wirst du die Prüfung zu bestehen haben... Geh in Frieden, mein Kind!« Meine Tante hatte mir schon seit mehreren Tagen fortwährend davon gesprochen, daß man durch Leiden, durch Martern sich von seinen Sünden loskaufen müsse.
Die Worte des Mönchs erschreckten mich. Ich eilte hinaus. Als ich allein war, wollte ich beten, meine Zuflucht zu Gott nehmen. Aber ich konnte an nichts anderes denken als an die mir bevorstehenden Schmerzen.
Gegen Mitternacht kam meine Tante zu mir. Sie befahl mir, mich nackt auszuziehen, wusch mich vom Kopf bis zu den Füßen und ließ mich ein langes schwarzes Kleid anziehen, welches um den Hals durch eine Schnur zusammengezogen wurde, hinten aber offen war.
Sie legte sich ein gleiches Kleid an, und wir fuhren in einem Wagen vom Hause fort. Eine Stunde später sah ich mich in einem großen Saal, der ganz mit schwarzen Stoffen ausgeschlagen war und durch eine einzige Lampe, die von der Decke herabhing, ein schwaches Licht empfing. Mitten in diesem Gemach befand sich ein Betschemel nebst einigen Kissen.
»Knie nieder, Nichte!« flüsterte meine Tante zu mir. »Bereite dich durch Gebete auf das vor, was dir bevorsteht, und ertrage mit Mut alle Leiden, die Gott in seiner Güte dir sendet!« Kaum war ich, gehorsam ihrem Gebote, niedergekniet, da öffnete sich eine Tür. Ein Mönch, der in derselben Weise gekleidet war wie meine Tante und ich, trat an mich heran, indem er einige Worte vor sich hinmurmelte. Plötzlich schlug er von hinten meine Rockschöße auseinander, so daß die ganze Rückseite meines Körpers entblößt war. Ein leichtes Zittern rann unwillkürlich durch die Glieder des Mönches. Offenbar brachte ihn der Anblick meines nackten Fleisches außer sich. Seine Hand betastete meinen ganzen Rücken, besonders meine Hinterbacken, und verweilte dann etwas weiter unten.
»Dies ist der Körperteil, womit das Weib sündigt; an diesem Körperteil muß sie Schmerzen leiden«, sagte eine Grabesstimme.
Kaum waren diese Worte erklungen, so fühlte ich furchtbare Schläge auf mich herabsausen. Erst waren es Ruten, dann knotige Stricke mit Eisenkugeln an den Enden. Ich klammerte mich an den Betschemel und bemühte mich, nicht zu schreien. Aber vergeblich – der Schmerz war zu stark. Ich sprang auf und lief im Saal herum, indem ich rief: »Gnade! Gnade! Diese Qual kann ich nicht ertragen! Lieber tötet mich! Barmherzigkeit, bitte, bitte...«
»Elende, feige Seele!« schrie meine Tante entrüstet. »Nimm dir mein Beispiel zu Herzen!« Mit diesen Worten riß sie sich das Kleid vom Leib und warf sich mit gespreizten Beinen, ganz nackt, auf die Erde. Die Hiebe hagelten auf sie hernieder; unerbittlich schlug der Henker immer weiter. In einem Augenblick waren ihre Schenkel von Blut überströmt.
Meine Tante aber hielt unerschütterlich stand; sie rief sogar fortwährend: »Stärker! Ah! Immer noch stärker!«
Dieser Anblick brachte mich von Sinnen. Ich verspürte einen übernatürlichen Mut und rief, auch ich sei bereit, alles zu erdulden. Sofort sprang meine Tante auf, um mich mit glühenden Küssen zu bedecken. Der Mönch dagegen fesselte mir die Hände und legte mir eine Binde über die Augen.
Und nun begann erst die eigentliche, fürchterliche Marter: bald hatte mich der Schmerz völlig betäubt; ich vermochte keine Bewegung mehr zu machen, ich fühlte nichts mehr. Offenbar aber wurden noch andere Menschen gemartert: durch das Geräusch der Schläge hindurch hörte ich dumpfes Geschrei, Ausrufe, das Klatschen von Händen, die auf Menschenfleisch niederfielen. Dann wieder wahnsinniges, nervöses, krampfhaftes Gelächter, in denen sich die Orgien der Sinne Luft machen. Zuweilen übertönte die Stimme meiner Tante, vor Wollust röchelnd, diese ganze seltsame Symphonie, dieses Saturnal von Blut und Schmerzen. Später begriff ich, daß das Schauspiel meiner Folterung nur dazu gedient hatte, um abgestumpfte Sinne aufzustacheln. Jeder meiner unterdrückten, erstickten Seufzer gab der Wollust neuen Ansporn.
Endlich hörte der Henker auf; ohne Zweifel nur darum, weil er vor Müdigkeit nicht mehr konnte. Ich war vor Angst und Schmerz völlig unbeweglich, ich hatte mich in mein Schicksal ergeben: ich glaubte sterben zu müssen. Als ich aber nach und nach wieder zum Bewußtsein kam, empfand ich ein eigentümliches Zucken und Kitzeln: mein ganzer Leib brannte, alle meine Glieder zuckten und zitterten.
Wollüstig warf ich mich hin und her; eine unersättliche Begier heischte Befriedigung. Plötzlich umschlangen mich zwei kräftige Arme. Etwas mir unbekanntes Heißes, Steifes schlug gegen meine Schenkel an, glitt dann zwischen sie und drang plötzlich in meinen Leib ein. Mir war zumute, als würde ich auseinandergespalten. Ich stieß einen furchtbaren Schrei aus, der aber von lautem Gelächter übertönt wurde. Zwei oder drei neue Stöße – und der Riesenpflock war seiner ganzen Länge nach in mich eingedrungen. Meine blutüberströmten Beine umschlangen die Schenkel meines Angreifers, und es war, wie wenn unser Fleisch sich vermischte und zu einem einzigen Leibe verschmölze. Meine Adern waren strotzend voll, alle meine Sehnen bis zum Zerspringen angespannt. Die Stöße folgten sich mit unglaublicher Geschwindigkeit und versetzten mich in eine solche Glut, daß es mir vorkam, als hätte man mir ein glühendes Eisen in den Leib gestoßen.
Bald schwanden mir die Sinne; ich glaubte im Himmel zu sein. Eine heiße, schleimige Flüssigkeit überströmte mich, drang bis in mein Innerstes ein – ich glaubte sie bis ins Mark meiner Knochen zu spüren... Es war zu viel... Auch aus mir schoß es hervor wie ein glühender Lavastrom. Ich fühlte, wie ein brennender, beizender Saft sich ergoß. Wild und immer wilder stieß ich, damit er noch reichlicher flösse. Dann versank ich erschöpft in einen Abgrund unerhörter Wollust.
Fanny: Gamiani, wie du zu malen weißt! Man spürt die Hölle im Leibe.
Gamiani:Das ist noch nicht alles. Bald wandelte sich meine Wollust in entsetzlichen Schmerz. Ich wurde auf die gräßlichste Weise vergewaltigt. Mehr als zwanzig Mönche stürzten sich wie wilde Kannibalen einer nach dem andern über mich her. Mein Kopf sank zur Seite. Wie ein Leichnam lag mein geschändeter Leib auf den Polstern. Man trug mich wie tot ins Bett.
Fanny: Infame Schlächterei!
Gamiani: Jawohl, infam! Ja, noch mehr als infam! Als ich wieder lebte, als ich endlich wieder gesund war, begriff ich die entsetzliche Verworfenheit meiner Tante und ihrer infamen Orgiengenossen, die nur noch der Anblick entsetzlichster Martern zu reizen vermochte. Ich schwor ihnen tödlichen Haß. Und dieser Haß erstreckte sich bald ohne Ausnahme auf alle Männer. Der Gedanke, die Liebesbezeugungen eines Mannes zu erdulden, war mir ekelhaft. Ich gab mich nicht mehr dazu her, das elende Spielzeug ihrer Launen zu sein. Aber ich hatte ein glühendes Temperament, das nach Befriedigung schrie. Ich ergab mich der Onanie und wurde von dieser erst später durch die sachverständigen Belehrungen geheilt, die mir die Nonnen des Klosters »Zum Herzen Jesu« erteilten. Diese Belehrungen gaben mir den Rest, verdarben mich ganz und gar...
Tränen erstickten Gamianis Stimme. Liebkosungen vermochten nichts bei dieser Frau. Um der peinlichen Szene ein Ende zu machen, wandte ich mich an Fanny und sagte: »Jetzt kommst du dran, schöne Kleine! Du bist in einer einzigen Nacht in gar viele Mysterien eingeweiht worden. Nun erzähle uns, wie es dir erging, als du zum erstenmal die Lust des Fleisches verspürtest!«
Fanny: Ich! O nein – das kann ich wirklich nicht erzählen!
Alcide: Deine Schamhaftigkeit ist hier nun wirklich nicht angebracht.
Fanny: O – es ist nicht deshalb. Aber nach der Erzählung der Gräfin wäre das, was ich berichten könnte, gar zu unbedeutend.
Alcide: Glaube doch das nicht, du liebe kleine Unschuld! Was sträubst du dich noch? Sind wir denn nicht durch die Wollust unserer Sinne zu einem einzigen Wesen geworden? Wir brauchen voreinander nicht mehr zu erröten. Wir haben alles getan – und so können wir auch alles sagen.
Gamiani: Da, Schönste – einen Kuß, zweihundert Küsse, wenn du willst! Laß dich doch bereden! Und sieh, wie verliebt Alcide ist – sieh, wie seine Manneswaffe dir droht!
Fanny: Nein, nein – laßt mich! Alcide, ich habe keine Kraft mehr.
Bitte, bitte... Gnade! Gamiani, wie bist du wollüstig!. .. Fort, Alcide!... Oh...
Alcide: Keinen Pardon, zum Donnerwetter! Entweder gibst du uns die Odyssee deiner Jungfernschaft zum Besten, oder Curtius stürzt sich mit Wehr und Waffen in... Fanny: Wenn ihr es denn durchaus wollt...