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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Freitag, 1. Februar 2019

Wie war's bei Dimitri de Perrots MYOUSIC mit Julian Sartorius im Eintanzhaus Mannheim (26.01.19)?


(c) Stefan Vieregg


In einer Mannheimer Kirche in G4,4 bzw. 18 (für alle Nicht-Mannheimer: Das ist eine Hausadresse), mit hochinteressanter Ausgestaltung durch sehr viele verschiedenfarbige Glaselemente unterschiedlicher Form an den Seiten und einheitlich an der Stirn zwischen dem ganzen Beton, ein verdunkelter Raum mit einem versteckten Dimitri de Perrot in einer Holzbox, verrückte Geräusche von draußen und tanzende Laternen, eine Geistliche als Dramaturgin und langsam (für die Lachenden) schmerzhaft werdende Lachattacken von meist Frauen ... Aber wo war Julian? Halt, da stimmt etwas nicht ...

Doch, doch, das meiste ist richtig - ich erfinde doch nichts, auch wenn die Geräuschkulisse in MYOUSIC, die irritierend und hypnotisierend wirkt, es nahelegen würde - nur dass die Dramaturgin Sabine Geistlich heißt, aber keine ist, und das Schlagzeug teilweise live von Dimitri de Perrot gespielt wurde - neben Dutzenden anderen Geräuschen sowie einem elektronischen Sound- wie Drum-Board, bedient von Dimitri d.P., das auch Sprechfetzen einfließen ließ - und teilweise live von Julian Sartorius, wahrscheinlich in der "geschlossenen" Holzbox zu Beginn durchs Hintertürchen in die Box geschlüpft oder hinter dem Publikum auf dem technischen Hochpodest, wenn nicht alles doch von dort als Playback eingemischt wurde. Sie sehen, man kommt ins Fantasieren.


(c) Stefan Vieregg
Dieses neckische Versteckspiel der beiden Künstler im Bühnenbild von Ingo Groher ist ein hochinteressantes Konzert, wie man es nicht erwartet, ein regelrechter Bruch mit den Illusions- und Hörgewohnheiten. Geräusche kamen von überall her, auch mal von draußen, so klang es zumindest. Jemand vor der Tür hinten rechts, mitten in Mannheim, Quadrat G4. Plätschern, Wispern, Küchenautomaten, Espressomaschine, Cafégeräusche, eine nette Bedienung, Stimmengewirr, Tocken, Klopfen, kurze Musikstückanklänge. Ein Bündel Stöcke wird hereingeworfen, fallen scheppernd unter eine Formation von zusammengebundenen Schlagzeug-Becken an langen Schnüren. An den Becken sind kleine Lampen angebracht. Erst später werden die Becken losgelassen, entfalten einen Pendeltanz mit Zufallsbegegnungen und Zufallsgeräuschen. Final illuminiert pendeln sie sich schließlich aus, Percussion/Musik setzt ein...  Fast möchte man an die römischen Fasces denken, die Ruten mit dem Beil in der Mitte als Symbol der Macht, die dem Herrscher von Liktoren vorangetragen wurden (nachgemacht von vielen Staaten heilig-römischer Nation bis zur Gegenwart und den USA, Frankreich und dem vormals faschistischen Italien). In diesem Fall: ohne Beil. Die Zuchtstöcke klingen an jener brutal bestrafender Länder im Orient und Asien, wie Iran, Saudi-Arabien, China vielleicht, einem/etwas, der/das die Macht hat, vorangeworfen! Oder Stöcke aus dem Zweikampf, was das Hin und Her, Touchieren der Becken ja auch symbolisieren könnte.  Die gesamte Pendeldarstellung hat deutlich einen asiatischen Touch. Suggeriert die Macht der ZEN-Meditation.
(c) Stefan Vieregg

Dimitri de Perrot beginnt in der Selbstdarstellung und im Gesehenwerden im Off. Er befindet sich klar in der Bretterbox, aber entzieht sich den Blicken. Nach einigen Minuten klappt eine kleinere Frontabdeckung nach außen auf. Wie bei einem Striptease mit Sehhindernissen entblättert sich dann nach und nach das musikalische und klingende Geschehenszentrum, bis die Front und Seiten offen stehen. Es wird heller und deutlicher. Der Künstler setzt sich mit Mitteln in Szene, die dem typisch Voyeuristischen, dem Medienkonsumverhalten der Zeitgenossen am nächsten kommt. Eine TV-Box ohne Rundfunkübertragung.

Im Zuschauerbereich stehen Farbwechsler-Laternen neben Lautsprecherboxen gut verteilt. Sie beginnen sich ab einem bestimmten Punkt der Musik in einer Steigerung des Ausdrucks zu verbiegen, zu tanzen, lösen Starres auf und kommen mit neuen Formen. Sichtbares Zeichen der Bedeutungsdeformationen.

Wenn das Ganze doch länger gewesen wäre! Nach einer Stunde wollte man nach einer Pause noch einmal eine Steigerung erleben, leider war aber das Ende schon erreicht. Die Darbietung macht einfach Lust auf mehr - und länger.

Künstlerisches und Ungewöhnliches hat das Eintanzhaus Mannheim noch mehr zu bieten, in seinem neuen Zentrum für zeitgenössischen Tanz. Hier gibt es Überraschungen, Neues, Unentdecktes. Ein hehres Ziel in unserer Wiederholungskultur à la Dschungelcamp und eine Wunscherfüllung für alle, die entdecken und den künstlerischen Puls der Zeit fühlen wollen. Auf www.hier-mannheim.de lässt sich ein reiches Programm freier Gruppen oder Einzelkünstler rund um Tanz, Theater und Performance sichten. Die Abende sind gerettet.

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