Ja, endlich hat es mal geklappt das ungewöhnliche Frauen-Kabarett/Comedy-Duo SUCHTPOTENZIAL live zu sehen. 2013 flatterte mir eine CD von TRIKONT, München, mit dem Programm „100 Prozent Alko-Pop“ ins Haus, und seit dieser Zeit habe ich immer wieder mal in der Nähe geschaut, ob ich sie auf der Bühne sehen kann. Einige Gelegenheiten gingen flöten, jetzt aber.
Im Kaiserslauterner Kammgarn / Cotton-Club haben sie mit Pause das Publikum drei Stunden begeistert, und das mit Ausdauer! Da kommt keine Schlappheit auf, Köpfchen, Mundwerk und Füße toben – okay, Julia Gámez Martin (1986 in Berlin geboren) leistet hier singend, schreiend mehr mit unermüdlichem Aerobics, Hüpfen und Ausfallschritten (es nimmt sogar zum Ende hin zu!) - aber auch der Pianistin Ariane Müller (eine 1980erin aus Ulm, ich sage nur HAIR) gehen die Pferde durch am Piano. Hier sind es der Taifun im Sitzen und das Hauen in die Tasten mit Gesang, die uns froh machen. Und das schaffen die beiden. Die Texte teils flapsig, ordinär, sexistisch (!), intelligent-tiefsinnig und völlig flach. Bei “Dumme ficken besser“ wiegen die Bälle nach links und rechts, rauf und runter., zuerst still und leise, dann immer tobender. „So heißt das Programm schließlich auch – BÄLLEBAD FOREVER. Erholung dann beim „Fuck-Yoga“, einer Stellung, die einem schon noch etwas abverlangt.
Die Dialoge sind witzig und einfallsreich, schön bissig, immer wieder sich gegenseitig widersprechend, sich streitend, beispielsweise ob China jetzt Kina heißt oder nicht, warum nur charmant nicht als karmant durchgeht, oder Chili als Kili? Unergründliche Widersprüche. Damit leben wir überall. Es geht wirklich um Bälle, und zwar nicht Fuß-, Hand-, Tennis-, Basketbälle, sondern um jene drallen runden Knuffis, die Männer so umhauen. Genau, die Bälle der Frauen, zum Drücken, Küssen und Saugen. Aber daran soll es nicht liegen, denn sie gehören dazu, und trotzdem: „Männer, wir sind genauso scheiße wie ihr …“, wir schwitzen, vögeln, saufen und rauchen, wenn es uns Spaß macht. Nur das mit der halben Bezahlung geht gar nicht, ist ja klar! Wer als Frau in sich schauen möchte, seine Unio mystica erleben will (oder auch als Mann), braucht nicht unbedingt wie Julia nach Mexiko, um nach einer Meditation (mit Psilo...pilz?) eine dreitägige Magenreinigung durch Erbrechen durchzumachen, nein, wichtiger ist das Krafttier, an das wir glauben können, das uns hilft. Dazu gibt es einen Dildoersatz(?), den Nacktwaran, eine Mischung aus Komodowaran, einer gefährlichen Echsenart mit giftigem Biss, und einem nackten Penis. Er soll auch Männer helfen können, hier wird gegendert, das gilt ja auch für die Bälle. Dazu einen gleichnamigen Krachersong, die Bälle mehr hüpfend.
Natürlich sind SUCHTPOTENZIAL so gut, dass sie Preise bekommen: den Baden-Württemberger Kleinkunstpreis 2014 schon, dazwischen u.a. die Krähe aus Tuttlingen, die Pfanne aus St. Ingbert, den Deutschen Kleinkunstpreis und den Bayerischen Kabarettpreis. Dieses Duo wird noch viel mehr Staub aufwirbeln, das Zaubermittel für Jung und Alt, in Kaiserslautern zwei Drittel über 50! Ist es die Überalterung oder die Magie der beiden Rock-/Pop-Bardinnen? Hoffentlich sterben wir nicht aus, und mit uns die Kultur des freien bissigen Humors - vor lauter Kaftan, Imam und Minarett. Die neuesten Instruktionen zur Vermeidung des religiösen Zorns angesichts der christlichen Kultur schlägt uns mit Fragezeichen. Die Nacht war für viele sicher ein Comeback! Und darum geht es. Eine der Botschaften lautet: Vergesst den Sex nicht, er macht euch fit, hält jung und bereinigt viele Probleme. Das gilt gerade auch für die orientalischen Moralapostel. Danach immer wieder ab ins Bällebad! Fünfmal am Tag ...
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