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Mittwoch, 23. Januar 2019

Wie war's bei XERXES von Händel in der Frankfurter Oper?

Zanda Švēde (Xerxes; kniend) und Louise Alder (Romilda; liegend)
(c) Barbara Aumüller


Der Herrscher Xerxes I., ein achämenidischer Großkönig und ägyptischer Pharao führte zu Lebzeiten im 4. Jahrhundert vor Chr. Kriege gegen Ägypten, Babylonien und am Ende gegen Griechenland, um Persien zu erhalten und zu vergrößern. In seinem Größenwahn wollte er Europa unterwerfen, was er nicht mehr schaffte. Athen konnte er jedoch einnehmen, nachdem seine Soldaten mehrfach eine wohl recht wacklige Holzbrücke über die Dardanellen bauten. Berühmt geworden ist sein Auspeitschenlassen des Meeres, um es zu bändigen. Diesem "großen" Unterwerfer und Feldherrn wird jedoch auch nachgesagt, dass er sich in seinen 19 Jahren Regentschaft viel mehr um Liebesdinge und Frauen kümmerte. Er kämpfte selbst nicht, überließ seinen Kriegsspezialisten das Handwerk und beobachtete nur aus der Ferne das Kriegstreiben.

Genau diesen Helden nahm sich Georg Friedrich Händel am Ende seiner einstmals großen Londoner Zeit vor, nach einer überstandenen Paralysierung seiner rechten Hand, die ihn komplett instrumentenuntauglich machte. Er lag jedoch mit seiner Einschätzung, das adlige Publikum noch einmal mit einer delikaten Lebensgeschichte eines großkopfigen Dandys und an sich albernen Figur statt vermeintlichen Feldherrn amüsieren zu können, absolut verkehrt. Die Oper "Xerxes" wurde ein Flop und insgesamt nur 5-mal gespielt, obwohl wirklich absolut hervorragende Musik und Arien vorliegen - in nur 51 Tagen komponiert. Meisterhaft und dennoch die größte Niederlage seiner Londoner Schaffenszeit neben fulminanten Erfolgen und Anerkennungen. Was die Lords erschreckte - und dabei wurden ja alle potenziellen Heldenfiguren, hier Xerxes und sein Bruder Arsamene, in der Barockoper auf Geheiß der Herrschenden von Kastraten gesungen, um dem Volk keine anderen Helden als die bekannten in ihrer Heimat schmackhaft zu machen - war die Lächerlichmachung des Xerxes, die aber schon im schnell ausgekramten 75 Jahre alten Libretto angedacht war, letztendlich aber von Händel neben einer ambivalenten, virtuosen und herrlich barocken Musik mit Mitteln der Komödie, klassischen Stegreifkomödie, modernen Opernelementen und Anleihen bei der Commedia dell'arte noch einmal verstärkt wurde. Ein Herrscher, der seine Platane anhimmelt - ein Baum, man glaubt es nicht! - und Frauen dirigieren will. Wer aber im Laufe der Handlungen dirigiert, und zwar ihn, sind die Frauen. Sie setzen ihm die Hörner auf, verulken, täuschen ihn und stellen ihn Schachmatt. Insofern ist das Geschehen um den Bühnen-Xerxes tatsächlich eine Satire, Lächerlichmachung und Verulkung des großen Persers. Das war natürlich zu viel für die Führungsschicht, da sie ja befürchten mussten, dass die Satiriker und Karikaturisten der Zeit dasselbe mit ihnen versuchen könnten. Der Schuss ging nach hinten los.


In Frankfurt runde 280 Jahre später ein Riesenerfolg, bejubelt, beklatscht und genossen von vollen Häusern! Musikalisch geleitet von Constantinios Carydis, der Professionalität des 1685 in Halle/Saale geborenen Komponisten absolut gerecht werdend, inszeniert von Tilmann Köhler, der die Dekadenz des Filmes "Das große Fressen" von Marco Ferreri (1973) hier zitiert, um die Lustgier, das Despotische eines Sturm-im- Wasserglas-Königs und den üppigen, satten und zu Todesforderungen neigenden Müßiggang rund um ihn zu betonen. 

Gespielt wird Xerxes von der weich herumstolzierenden lettischen Mezzosopranistin Zanda Svede, was die von Händel intendierte Unmännlichkeit durch eine Frauenbesetzung betont, in der Stimme jedoch einen großen Vorsprung hat. Xerxes Verlobte, die stolze Amastre, wunderbar gesungen von der Altistin Katherina Magiera, muss entsetzt zusehen, wie der Geliebte beginnt sich der standhaften und bis zum Sieg zurückweisenden Romilda (Louise Alder, herausragender Sopran) zuzuwenden. Als Soldat verkleidet bleibt sie ihrem Geliebten nah. Romilda ist verlobt mit Xerxes Bruder Arsamene (Lawrence Zazzo, international beliebter Countertenor), der sich tieftraurig seinem Bruder unterwerfen muss. Wie so oft in der Literatur oder in der Musikdichtung dient als Träger einer Verwicklung, Verwechslung  und Täuschung ein Liebesbrief. 

Die Beziehungen sind verwirrt und kompliziert, liebt doch Atalanta (reizende Stimme und keckes Wesen bei Elizabeth Sutphen, einer beeindruckenden Koloratursporanistin) den Geliebten ihrer Schwester. Sie täuscht Xerxes mit dem Brief Arsamenes und behauptet, er sei an sie gerichtet. Xerxes stimmt einer Heirat Arsamenes mit Atalanta zu und glaubt den Weg frei zu Romilda. Dem verbannten und zurückkehrenden Bruder schlägt er Atalanta als Frau vor. So einfach wäre das, wenn nicht Romilda sich dem König total versagte. Xerxes fordert die Ermordung des Bruders und beteuert beim Vater Romildas, dem großen Feldherrn Ariodate (Bassbariton mit der Rolle eines Deus ex machina Bozidar Smiljanic), dass Romilda einen königlichen Bräutigam bekommen wird. Ariodate meint Arsamene und teilt den beiden freudig mit, dass sie heiraten sollen. 

Wie ein barocker Engel aus dem Himmel in der Kluft eines Raumschiffkapitäns oder GSG-Kommandants schwebt er auf die Erde, den Frieden zu spenden. Dies geschieht. Xerxes Wut darüber fordert den Tod Romildas von seinem Bruder, aber Amastre gibt sich nun zu erkennen und droht ihm mit seiner Ermordung und ihrem Selbstmord. Der Herrscher gibt klein bei, er findet wieder zurück zu seiner Verlobten, Arsamene bekommt seine. Mit einem
Xerxes lässt nach einem fehlgeschlagenen
Brückenschlag über die Dardanellen
das Meer auspeitschen.
Druck von 1909
(c) wikipedi gemeinfrei
tragikomischen und völlig satirischen Schlussbild feiern alle die Lösung des Problems, während Xerxes im Hintergrund die Pistole an die Schläfe hält. Er hat keine Chance, irgend etwas zu regeln, das machen andere für ihn. 
So der Feldherr Ariodate im Eroberungskrieg. Xerxes ist überflüssig!  Die erbaute Brücke über den Hellespont war mittlerweile wieder eingestürzt, ein Zeichen für die Wackelherrschaft des Xerxes, auf Sand gebaut. 

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