viereggtext: Was fällt Ihnen zum Thema Kunst ein?
Tony Caulfield: Zum Thema Kunst fällt mir ein, dass die Kunst für mich immer Anziehungspunkt, Anker und Überlebensstrategie war und ist. Ohne die Kunst in all ihren Formen wäre das Leben sehr armselig.
Kunst kann aus dem Unterbewusstsein heraus entstehen, doch das Vorhandensein eines Bewusstseins ist notwendig, um künstlerisch tätig zu sein oder Kunst als solche wahrzunehmen. Wenn wir das eine oder andere tun, dann transformieren wir unsere biologische Existenz in ein Leben, das erst durch die Kunst und die Gedanken und Emotionen, die sie entäußert oder auslöst, bewusst und lebenswert wird.
Das Schaffen von Kunst ist für mich nicht lediglich ein Geschäftszweig, sondern vor allem auch ein Akt der Selbstreflexion und Kommunikation. Meine Bilder und Texte sind Visualisierungen und Entäußerungen von Emotionen und Gedanken. In der Resonanz auf das, was ich schaffe, erkenne ich etwas über mich selbst und andere, was zu neuen Inspirationen, Ideen und weiterem Schaffen führt. Kunst ist somit für mich ein ewiger Fluss, vielleicht sogar eine eigene, lebende Entität, die zum Schaffen weiterer Formen ihrer selbst motiviert.
vt: Was steckt hinter dem Begriff Kunst, was ist Kunst für Sie?
TC: Vielleicht ist Kunst nicht nur das Endprodukt, sondern die Gesamtheit eines kreativen Schaffensprozesses, der mit einer Inspiration beginnt und über die Idee und deren Umsetzung zum "Kunstwerk" führt. Für mich sind Texte, Musik, Gesang, Comedy, Theaterstücke, Filme, Comics und vieles mehr prinzipiell nicht weniger "Kunstwerke" als ein Gemälde, eine Skulptur etc.
Es heißt, Kunst komme von "können" und zweifellos ist die Fähigkeit zur Umsetzung einer Idee auch ein Kriterium zur Beurteilung dessen, was ein Kunstwerk ist. Doch derartige Wertungen bleiben stets subjektiv. Was ich als persönlich als Kunst empfinde und was nicht hängt primär davon ab, ob ich die schöpferische Idee eines Individuums und dessen authentisches Bedürfnis zum kreativen Schaffen im vollendeten Werk verkörpert sehe.
Zudem gehört für mich ein gewisses Maß an Schaffensfreiheit zur Kunst. Design (das sich naturgemäß den Anforderungen der Zielgruppe bzw. des zu bewerbenden Projektes oder der Nutzungsbestimmung eines Produktes unterwerfen muss), malerische Auftragsarbeiten oder Schreinerarbeiten haben das Potenzial, kunstvoll ausgeführt zu werden; doch ganz spontan werde ich mit dem Schaffen von Kunst immer zuerst einen vollkommen freien, von allen Zwängen und Marketingbetrachtungen unabhängigen Vorgang assoziieren.
Eine Künstlerpersönlichkeit schafft in erster Linie das, was sie in just diesem Moment schaffen möchte, um zu entäußern, was sie gegenwärtig berührt. Eine individuelle Innerlichkeit wird nach außen gekehrt und manifestiert sich im Werk. Die Veröffentlichung des Werkes durch Vernissagen, Auftritte, Publikationen etc. führt zu einem Feedback seitens derer, welche das Werk wahrnehmen...und dieses Feedback - egal ob es positiv oder negativ ausfällt - schließt den einzelnen künstlerischen Schaffensprozess meiner persönlichen Empfindung nach erst ab.
(Foto: Tony Caulfield)
vt: Was reizt Sie am meisten?
TC: Mich reizt jeder neue freie Schaffensprozess, in dem ich mich befinde, egal ob ich schreibe, male oder nur in Gedanken beobachte, wie sich neue Inspirationen in Ideen umwandeln. Vor allem reizt mich aber auch immer wieder das Gespräch mit den Menschen, die meine Bilder sehen oder Texte lesen bzw. hören. Reaktionen auf meine Werke wahrzunehmen macht Spaß. Kommunikation macht noch mehr Spaß und inspiriert zur Selbsterkenntnis und zu neuen Ideen und Projekten.
Als ausgesprochen reizvoll empfinde ich im Moment generell den Austausch mit vielen Kunstliebenden und Kunstschaffenden, die ich in den letzten zwei Jahren meines Lebens kennen lernen durfte. Die Künstlergruppe, die sich um die Galerie fingerspitzundkunst in Kaiserslautern geschart hat, inspiriert mich sehr und ich fühle mich glücklich und geehrt, wo ich kann etwas zu dieser Gemeinschaft beitragen zu dürfen.
Auch die vielen neuen Kontakte zu leidenschaftlichen Musikern inspirieren mich. "Music is the soundtrack of your life". Ein Instrument spielen oder singen werde ich wohl nicht mehr lernen (aus Zeit- und Talentgründen), aber vielleicht mal wieder eine CD co-produzieren oder Kunstevents mit Live-Musik mitorganisieren.
vt: Welches Ihrer Werke bedeutet Ihnen sehr viel?
TC: Meist bedeuten mir die jeweils jüngsten Werke mehr als die meisten der älteren Arbeiten, da sie meiner gegenwärtigen Befindlichkeit natürlich näher sind. Aber auch die Emotionen, die einige ältere Bilder und Texte inpiriert hatten, sind mir mitunter noch sehr nahe - und es ist interessant, viele Ideen von damals in neuem Licht zu betrachten.
Um konkrete Werke zu nennen, die mir aktuell viel bedeuten, würde ich zunächst meinen kleinen Beitrag zum Live Painting Event der Galerie fingerspitzundkunst im Black & White Club (Kaiserslautern) anführen. Da habe ich zusammen mit Caro Parsons, Sonja Blügel und Santiago Munoz Prado an einem Wandgemälde mit Ozean-Thema gearbeitet. Mein Motiv ist ein lila Tauchhund, der ein kleines Seezebra reitet...
...und wenn die beiden auch nicht eindeutig meinen eigenen Stil repräsentieren, so machen sie mir große Freude, weil sie von den Kindern, die oft dort vor der Wand spielen, sehr gemocht werden! Das ist natürlich toll!
Und noch ein Gemälde muss ich hier nennen: "alwella chasing the dragon".
"Den Drachen jagen" ist als Spiel mit der Doppelbedeutung dieser Phrase zu verstehen, welche auch eine Art des Konsums von Opium bezeichnet. Alwella ist der Name einer liebenswerten Figur aus der Geschichte "Der Schal", die in meinem ersten Buch "Das Buch des Wahns", einer Sammlung von Horror-/Fantasy-Kurzromanen, enthalten ist. Sie wurde von der realen Person einer äußerst introvertiert wirkenden jungen Dame inspiriert, mit der ein Wort zu wechseln ich nie die Freude hatte und die eine Momentaufnahme geblieben ist. Es reizte mich, die so geborene Figur nach Jahren noch einmal ganz anders in Szene zu setzen: sich der Stimmung und Eigenwelt eines Opiumrausches hingebend, wie es noch bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts in einem "Opium Den" in London oder in New York City's Chinatown möglich gewesen wäre.
Viele der Figuren in meinen Bildern oder Geschichten sind von realen Personen inspiriert. Schwer zu sagen, warum manche davon mich noch heute reizen und immer wieder mal in meinen Arbeiten auftauchen. Das ist die Diktatur des Unbewussten, der ich mich willig ergebe, und gerade diese Arbeiten bedeuten mir dann auch meist sehr viel.
Aktuell: Am 31. Okt. 2009 präsentiert die Galerie fingerspitzundkunst, Kaiserslautern, um 18.00 Uhr die 2. Halloween-Lesung des Autors Tony Caulfield aus seinem neuen, noch unveröffentlichten Kurzroman "Der Fluch und Niedergang des Hauses Voltar: Die Abessinischen Greuel".
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