Judith Boy, eine Künstlerin aus Kusel, die auf Sizilien lebt, hat in der evangelischen Stadtkirche eine sehr interessante Ausstellung ihrer Werke und mehrere sehenswerte Performances unter dem Thema „Vertreibung aus dem Paradies“ eingerichtet. Dekan Lars Stetzenbach aus Kusel bot umfangreiche eingestreute Interpretationen und Ausdeutungen des Gastgebers zum religiösen Urtrauma in der Schöpfung des Menschen, über Strafe und Prüfungen in der Jetztzeit, die Pandemie, das Hochwasser an Ahr, Erft und Rur. Der Sündenfall durch Verzehr der verbotenen Frucht, die Vertreibung ...
Der Kunstfreund findet farbenfrohe abstrakte Gemälde mit runden, weichen und fließenden Formen, Frauendarstellungen, Zitate des Mittelmeers, das ihr Leben umfließt, wie Hummer und Langusten, große ungerahmte Plakatgemälde oder Wandbehänge, textile Drapage und Fahnen, die auch als Wickelschals dienen können, große Beutel wie Füllhörner, teilweise bemalt und symbolisch befüllt. Außerdem ungewöhnliche abstrakte Statuetten aus verschiedenen Materialien - hier geht es weniger um Metalle, Bronze oder vergleichbare Materialien, allenfalls der Fuß des Kunstgegenstandes, sondern auch um Textiles, weichen Materialcharakter, der das Gegossene durch anderes ersetzt.
Ein eigener reizvoller Teil ihrer Werke sind Kostüm- und Schmuckkreationen, Hüte, Kopfbedeckungen, Masken, die vorwiegend aus gefundenen und aufbereiteten Stoff- und Textilresten hergestellt werden. Märchen- und Fantasielandschaften tun sich auf, Upcycling-Träume verwandeln die Trägerinnen entweder in Divas der spleenigen Haut Couture, reizende Feen, Märchenfiguren oder stolze Herrscherinnen aus den Anfängen der Kulturen. Wer das Spiel mitmacht kann sich zu Hause seine Fantasy- oder historische Filmwelt bauen, die Lebenspartnerin eine Königin aus der Antike, griechisch-römische, ägyptisch-babylonische, (nord-)afrikanische Mischstile. Hier gilt ganz klar: Pimp up your Life! Weg vom Massengeschmack aus dem Kaufhaus hin zur Individualität, Feierlichkeit des Lebens, schnöde Belastungen, die einem das Leben zumeist erschweren und verunmöglichen, einfach ausblenden. Ein Fest der Fantasie statt Opfer der verwalteten, geschalteten, unterdrückenden und ausbeutenden Strukturen zu sein!
Die erste Performance fand zur Ausstellungseröffnung am 9. Juli 21 statt, die von mir besuchte am 16., und die nächsten werden am 23. und 30.07.21 (Finissage) dargeboten. Jede Performance hat eine eigene Note.
Ganz
in diesem Sinn gestaltete sich die Performance am 16.07. als ein
wirklich bereicherndes Erlebnis für die Sinne. Von Michael Wack,
einem Percussionisten und Soundkünstler aus Zweibrücken und Tobias
Markutziak, dem Organisten aus Kusel, sehr passend musikalisch
unterlegt, tanzte Judith Boy mit weit ausholenden Drehbewegungen
zart, aber auch fordernd und bestimmt, ekstatische Annäherungen.
Verschiedene mythisch und mystisch anmutende Fantasiecharaktere
treten auf, Botschaften aus vergangenen Welten, symbolisiert durch
verschiedene Akzente in der modischen Kreation.
Die Verstrickende mit
einer Art dicken Knotentauen, wie eine freie Interpretation Evas als
fürstliche Verführerin, schwingt herausfordernd die Seile, fängt
den Musiker fast ein. Die Priesterin, die das Licht hereinträgt, die
Feier und die Tänze zur Ehrung Gottes eröffnet, die Königin oder
nie existierende Päpstin, die stolz den Weg durch die Menge
schreitet, der Faun in Schwarz mit orangerotem Poncho und
Kopfbedeckung und die Maskierte, die zwischen den Menschen tanzt,
die Herrscherin aus der Unterwelt, verhüllt und maskiert … Ich
kann die Performances in der Ausstellung nur empfehlen. Eine
Augenweide für Menschen mit ästhetischem Verlangen.
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