Ensemble Foto: Barbara Aumüller |
Im Frankfurter Bockenheimer Depot wird eine sehr interessante Aufführung von Lucia Ronchettis INFERNO gezeigt, ab 15. Juli 21 nur noch der Film zur Oper, der aber fester Bestandteil des Stücks ist. Die ursprünglich gemeinsam zur Präsentation geplanten Teile Oper (ohne Handlung im Bühnengeschehen) und Film (absolut moderne Zombiewelt) mussten aus Pandemiegründen getrennt werden. Für mich persönlich eine willkommene Trennung zum jetzigen Zeitpunkt, an dem ich den Film noch nicht gesehen habe. Die absolut ernste Kunst im Inferno wäre durch einen B-Movie mit Ekelwesen aufgeweicht worden, und der Kontrast wäre mit dem schon anspruchsvollen zeitgleichen Darbieten von Stimmen verschiedener Figuren oder der inneren Stimmen Dantes und seinem Vortrag nebeneinander fast unerträglich geworden, weil einfach Brüche in der Rezeption aufträten, die B-Wesen hätten die Aufmerksamkeit komplett von den Inhalten des Inferno abgezogen.
Sebastian Kuschmann (Dante) sowie Ensemble und Frankfurter Opern- und Museumsorchester Foto: Barbara Aumüller |
Dantes Fassung wurde stark überarbeitet und in 8 Gesänge und einen Epilog gegossen. Bei Dante weiß man nicht immer, welche Zeitgenossen er in der Hölle der Göttlichen Komödie leiden lässt, bei Lucia Ronchetti sind dagegen greifbare Charaktere und Personen zum Einsatz gekommen. Gerade im Film soll man das besonders sehen, Marilyn Monroe ist dabei und andere Berühmte. Überhaupt hat Ronchetti versucht alles moderner zu machen und das ganze Geschehen zu einem Alptraum im Koma eines danteähnlichen Menschen in der Midlife-Crisis zu verändern (Sebastian Kuschmann). Der Organismus auf Sparflamme produziert bekanntlich wegen des Sauerstoffmangels wilde Angstbilder der Qual und des Leidens. Ein Verstoßener fürchtet den Tod mit Qualen, unsere Bildungsklischees aus dem Religionunterricht grauer Vorzeiten steigen auf. Damit haben wir es in Reinkultur zu tun, typische Höllenqualen in ständiger Wiederholung, eine Schlange beißt Menschen, die sich in Nichts auflösen und wieder von vorne von der Schlange bezwungen werden, Kopfverdrehte müssen rückwärts laufen und andere werden zerrissen und zerfetzt, in Pech ertränkt, und das dauernd.
Die Musik urgewaltig mit starker Perkussion, Gesänge unterteilt nach den inneren Stimmen des Komatösen und des Chors. Vier innere Stimmen kommentieren dessen Erleben, zischen, summen, brummeln, überzeugen, fordern, warnen, sind eindringlich oder souverän eigenständig, so der Countertenor Jan Jakub Monowid. Elf Vertreter der greifbaren Personen treten auf, singen weniger, sie schreien wie Minos (Ralf Drexler), klagen an wie Vanni Fucci (Andreas Giesser), jammern wie Francesca (Karolina Makula), die Ehebrecherin, die glücklich in der Hölle mit dem Lover schmort und vom Ehemann mitsamt dem Geliebten toujours ermordet wird. Inferno in allen Tonlagen, eine "Höllenvison" (Lucia Ronchetti) vom stürzenden Engel Lucifer, der im freien Fall nach unten alles erlebt, sieht, verursacht und trotzdem nichts mitteilt, wie es im Epilog heißt, nur Dinge heraufbeschört, die niemand versteht. Willst du mir dennoch zuhören, fragt er Dante, der ein ungläubiges "Si" von sich gibt. Als Träumender, Komatöser hat er auch keine andere Wahl, die Katharsis hinter sich, kommt es nur zum gedachten "Bitte noch einmal von vorne...".
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