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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 5. März 2019

Wie war's bei DALIBOR von Bedrich Smetana (1824-1884) in der Oper Frankfurt?

Gordon Bintner (König Vladislav; hinter dem Stuhl stehend
in blau-silbernem Anzug), Izabela Matuła (Milada; in rosafarbenem Rock
auf der Bühne sowie dem rechten Bildschirm) und
Simon Bailey (Kanzler Budivoj; in gelbem Anzug) sowie Ensemble

Aleš Briscein (Dalibor; auf dem linken Bildschirm),
Izabela Matuła (Milada; vorne rechts) und Ensemble


Mit der Premiere von Smetanas DALIBOR (1868) kommt wieder das Thema des Königs- bzw. Fürstenmords auf die Bühne der Frankfurter Oper. Smetanas schönste Oper war für den Komponisten eine weitere Niederlage, sie wurde nicht abgelehnt, aber auch nicht gebührend beachtet - wie auch schon die beiden Opern zuvor. Sechs Jahre nach dem sang- und klanglosen Verklingen der letzten Töne seiner Oper wurde der Komponist taub. Er bekam eine Art extrem aufdringlichen Tinnitus und hörte penetrante Töne wie das „schrille Pfeifen eines As-Dur-Sextakkords in den höchsten Registern der Piccoloflöte“, was sein Komponieren extrem erschwerte. Wieweit hier auch eingebildete Töne im Rahmen einer aufkeimenden Psychose eine Rolle spielten, muss hier unbeantwortet bleiben. Dennoch schuf er noch den mehrteiligen Zyklus Mein Vaterland und eine weitere sinfonische Dichtung Das Geheimnis. Die letzten zwei Jahre vor seinem Tod verbrachte er in einer Nervenheilanstalt, wo er auch unter großem Leiden 1884 starb.
Der große Musikkünstler, als Schöpfer der sinfonischen Dichtung Die Moldau uns allen bekannt, wurde erst nach seinem Tod in der Tschechei geehrt. Er war zwar auch zu Lebzeiten nie unbekannt, aber erfolglos.

DALIBOR hat in der musikalischen Struktur etwas sehr Modernes. Der Gesang zu Beginn bereits erinnert direkt an Alban Berg. Der As-Dur Gesang Dalibors (Ales Briscein, Tenor seiner Zeit weit voraus. Die Regisseurin Florentine Klepper griff diese Modernität konsequent auf und verlegte die Gerichtsszene zu Beginn ins Fernsehstudio. Wo heute Entscheidungen der Politik und erlebte Wirklichkeit nur noch durch die Kameralinse beim Einzelnen ankommen, ist ein TV-Tribunal mit bestellten Claqueuren und bestochenen Schöffen natürlich sofort denkbar. 

Gordon Bintner (Vladislav; in blau-silbernem Anzug)
und Ensemble
Der König ist analog ein Mister Blueglitter als Entertainer, der immer Phrasen und Beruhigung bemüht (Gordon Bintner, Bassbariton). Was die Volksvertreter im Studio betrifft: Wer auf Geheiß den Daumen hoch oder runter streckt steht genauso unter Gruppenzwang wie die Senatoren Roms oder die Naziakteure und -kollaborateure , die Bürger der USA oder Nordkoreas. Dasselbe schon zu Lebzeiten Dalibors im 16. Jahrhundert. Im Original zwar kein ehrenhafter Herr, sondern ein Raubritter-Graf mit Söldnerheer und wahllosen Überfällen. Und so ist es auch klar, dass Smetanas Robin Hood-Dalibor wegen der Hinrichtung des Fürsten Ploskovic und Bedrohung des Königs verurteilt werden soll, wobei das Volk das gar nicht will. Ploskovic hatte Dalibors Herzensfreund den Geiger Zdenek umbringen lassen. Die Anhänger teilen den Schmerz Dalibors und wollen ihn frei sehen, was abgelehnt wird. Hauptzeugin ist die Schwester des Ermordeten, Milada (Izabela Matula, Sopran). Sie belastet ihn schwer, erschrickt aber, als sie den Edelmann mit Charisma sieht. Sie verliebt sich sogar in ihn. Diese Wendung ist genauso verblüffend wie später die Dalibors zu Milada, obwohl sie ihn mit Nachdruck in den Kerker gestoßen hat (logischerweise, denn er hatte vor ihren Augen den Bruder ermordet). 
Thomas Faulkner (Beneš) und Ensemble 
Aleš Briscein (Dalibor) und Izabela Matuła (Milada)


Die frisch entbrannte Verliebte sucht Anschluss an Jitka, in der Dalibor eine treue Unterstützerin und Verbündete hat, obwohl seine Anhänger sie nicht mögen. Es sind Autonome, Outlaws, die die Wände des Studios u.a. mit "Fuck the System" beschriften. Jitka zeigt Milada einen Weg zum Kerker und unterstützt die neu entstandenen Pläne der Befreiung. Der Hochsicherheitstrakt à la Stammheim ist doch ganz leicht zu knacken, weil der Wärter und Kameraüberwacher Benes (Thomas Faulkner, Bass) ein Herz für den Laufburschen (Milada) mit einer Geige für Dalibor und die Vespersachen hat. Verhängnisvoll, denn eine Flasche zerschellt auf seinem Kopf und schon ist Milada in der Zelle. Diese Unachtsamkeit bezahlt Benes mit seinem Leben. (Der beauftragende Kanzler wiederum wird gerechtigkeitshalber später von der Polizei im Zuge der Aufstandsniederschlagung liquidiert.) Nur so kann es zur Liebeserklärung Miladas und dem Liebesausbruch bei Dalibor in der Zelle und zur gemeinsamen Flucht kommen, die aber wegen des großen Polizeiaufgebots scheitert. Die Anhänger Dalibors und das Volk zetteln einen Aufstand an, es gibt Barrikadenkämpfe und Brände. Dalibor und Milada werden im Gemenge getötet.

Der Abgang und das abrupte Ende der Oper wieder ein wenig verblüffend wie bei einem unerwarteten Abbruch. Die Zuschauer fragen sich, was da wohl passiert sei ..., und tatsächlich verärgerte das einige Zuschauer, obwohl klar war, dass das an der Oper liegt und nicht an der musikalischen Interpretation (Stefan Soltesz, musikalische Leitung) oder der Regie. Man stelle sich das Ganze im Jahr 1868 vor, wo den zylindrigen Herren und Damen mit Breitröcken die Fassung genommen wurde. Ein Affront! Geht heute auch noch.


Eine spannende Oper mit herrlicher Musik, viel Personal und viel überraschender Liebe! Wieder die TV-Welt, amerikanische, schon längst auch unsere Mediengewohnheiten, der amerikanische Actionfilm und Straßenkämpfe zwischen Minderheiten und Polizei. Gegenwart hereingeholt wie bei Verdis La Forza del Destino in Frankfurt.

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