Ist das Abfall oder kann das in den Mixer? Auch das Grün von Karotten landet bisweilen im Smoothie. |
GEFÄHRLICHER KÜCHENTREND
Grüne Smoothies - Leberschaden inklusive
Wenn Gartenabfälle im Mixer landen
(Ein Beitrag von Udo Pollmer für Deutschlandradio Kultur)
Ist das Abfall oder kann das in den Mixer? Auch das Grün von Karotten landet bisweilen im Smoothie.
Grüne Smoothies sind der neueste Küchentrend. Nicht nur Spinat kommt in den Mixer, sondern auch die Blätter von Radieschen oder Bäumen. Das soll angeblich gesund sein. Doch Udo Pollmer warnt vor ernsten Gefahren für Nieren und Schilddrüse.
Ein Trend gewinnt an Fahrt: Die grünen Smoothies. Die Beiträge im öffentlich-rechtlichen Fernsehen werden immer euphorischer. Dabei geht es nicht um Gurken, die im Mixer fein zerkleinert werden, um so alten Menschen im Pflegeheim das Kauen zu ersparen. Nein, es ist ein Hype unter den Jungen und Schönen, die sich damit noch jünger und schöner trinken wollen. Auch soll der dünne Brei den Sinn "fürs größere Ganze" stärken, so künden es die einschlägigen Ratgeber.
Für dieses hehre Ziel genügen natürlich nicht ordinäre Salatblätter, da braucht es schon exquisite Rohstoffe. In der ARD werden explizit die Blätter von Radieschen, Kohlrabi und das Kraut von Möhren empfohlen. Der Grund: "Am Gemüsestand oder im Supermarkt lassen wir sie gern als Abfall zurück – doch das ist eine ungeheure Verschwendung." Warum nicht mitsamt Verpackung in den Mixer? Wär doch schade drum!
Laub ist für den Menschen ungenießbar
Die Biotonne bietet TV-Ernährungsberaterinnen ein weites Betätigungsfeld. Darin wartet noch manch ein Schatz darauf gehoben zu werden. Denn für grüne Smoothies kommen sogar Gartenabfälle in den Mixer - neben Radieschenlaub auch Rhabarberblätter oder Unkraut wie Brennnesseln und Sauerampfer; dazu eine Handvoll Laub von Bäumen, verfeinert mit Brokkolisprossen. Das ist so neu nicht: Eine Brühe aus Brennnesseln und Rhabarberblättern nimmt der Biobauer zur Bekämpfung von Blattläusen.
Das Laub von Bäumen wurde bei uns vor knapp 100 Jahren zum letzten Mal gegessen – während der Hungersnot gegen Ende des Ersten Weltkriegs. Da Laub ungenießbar ist, wurde es zerstampft, gemahlen und als Streckmittel für Brot verwendet. Radieschenlaub, Möhrenkraut und Kiwischalen wurden bisher nicht aus Unkenntnis weggeworfen, sondern weil wertlos bis ungesund.
Es stimmt in gewisser Weise, wenn behauptet wird, Wildkräuter und Schalen enthielten mehr Wirkstoffe, "als Tabletten und Tropfen". Aber diese Wirkstoffe haben nun mal nichts im Essen verloren. Probleme verursacht vor allem die Oxalsäure, sie sorgt für Nierensteine, dann kommen die goitrogenen Substanzen, die der Schilddrüse einen Streich spielen, dann die Polyacetylene, die Lektine usw. Allesamt natürliche Pestizide – als Schutz vor Schädlingen. Zur Warnung der Unwissenden schmeckt das Zeug bitter. Doch damit die abstoßende Gesundheitsplörre nicht reflexartig ausgespuckt wird, empfehlen die Ratgeber das Abschmecken mit Zitronensaft, Süßstoffen und vielen Gewürzen.
Rohe Blattgemüse sind die wichtigste Ursache von Lebensmittelvergiftungen
Gerade das Bittere sei besonders gesund - und wird deshalb explizit auch noch Schwangeren empfohlen. Außerdem nütze es der Figur, denn "Gesundes" bremse den "Heißhunger". Leider nur kurzfristig, solange es eben den Appetit verdirbt. Es gibt nur wenige Bitterstoffe, die der Mensch nutzen kann. Der bekannteste ist das Coffein im Kaffee. Die meisten anderen gehören in die gleiche Kategorie wie das Strychnin aus der Brechnuss. Strychnin wurde nicht nur als Rattengift verwendet, sondern war selbstredend auch als Stärkungsmittel in Gebrauch – weil Bitteres ja gesund sein muss.
Vor wenigen Jahren forderten in Deutschland Bio-Sprossen mit EHEC-Keimen mehr als 50 Todesopfer. Glücklicherweise konnten damals viele unvorsichtige Esser durch ein nicht zugelassenes gentechnisches Präparat gerettet werden. Doch nicht nur Sprossen können stark belastet sein, rohe Blattgemüse sind die wichtigste Ursache von Lebensmittelvergiftungen – wichtiger noch als Muscheln und Pilze. Wenn Sprossen, Schalen und Blattgemüse in den Mixer kommen, dann werden die Keime in einer Nährlösung aus zerstörten Zellen verteilt - eine ideale Brutstätte für Krankheitserreger.
Wer also bei ernährungsbewussten Zeitgenossen zum Essen eingeladen ist, sollte vorsichtshalber die Telefonnummer des nächsten Giftnotrufs griffbereit halten – man weiß ja nie, aus welchen unsauberen Quellen oder Tonnen die Gastgeber ihr Wissen geschöpft haben. Mahlzeit!
Literatur:
Machatschek M: Laubgeschichten. Böhlau, Wien 2002
Streicher E: Akutes Nierenversagen und Ikterus nach einer Vergiftung mit Rhabarberblättern. Deutsche medizinische Wochenschrift 1964; 89: 2379-2381
Lindner E: Toxikologie der Nahrungsmittel. Thieme, Stuttgart 1990
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