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Donnerstag, 21. Juli 2022

Oper Frankfurt: ULISSE - eine Reise mit Luigi Dallapiccola durchs Ich

 Iain MacNeil (Odysseus) und Ensemble
(Foto: Barbara Aumüller)





Luigi Dallapiccolas 1968 in der Berliner Oper uraufgeführter ULISSE ist eine Oper über Odysseus und seine Selbstsuche, aber keine Oper vorrangig über seine Reise und Heimkehr wie in der gleichnamigen Sage. Die Reise ist im Prolog schon vorüber, er hat sie bereits erlebt, und der Autor und Librettist lässt Ulisse sie noch einmal ausschnittsweise erleben. Es gibt ein Wiedersehen mit Penelope gegen Ende, aber er bleibt nicht bei ihr, kehrt auch nicht zu Nautikaa zurück, sondern zieht sich zurück aufs Meer. Ob das eine Fortsetzung oder wiederum Metapher für den Tod Ulisses sein soll bleibt offen. 

Eins sein mit der Natur, hier das Meer, ist so viel wie Gott in allem zu sehen, ihn zu erkennen und mit ihm eins zu sein. Das ist seine Ankunft! Nichts für Unreligiöse oder Nichtesoteriker. Und sie war schon immer in ihm angelegt: Mit dem Meer zu sein, es zu befahren ist sein eigentlicher Wunsch, nicht die Frage nach der Herkunft oder dem Ziel im Leben. Bin ich Niemand oder Jemand? Auch diese Frage erübrigt sich. Dallapiccola hat sich an Goethe und seinem Nautikaa-Fragment orientiert und an James Joyces' Ullysses, wo es um die Entwicklung des Helden geht, die Läuterung. 

v.l.n.r. Danylo Matviienko (Antinoos),
Katharina Magiera (Melantho) und
Iain MacNeil (Odysseus)
(Foto: Barbara Aumüller)
Iain MacNeil (Odysseus)
(Foto: Barbara Aumüller)









Der Komponist hat die Geschichte zu einer Metapher für die Selbstsuche gemacht und zitiert die griechische Sage, um sie in Versatzstücken neu zu definieren. Ulisse betrachtet sich als ein Niemand, und wird immer wieder darauf gestoßen. Erst als er die Freier mit Hilfe seines Bogens überwindet, nicht tötet wie bei Homer, besiegt er zumindest die Vorstellung ein Niemand zu sein. Das sind die Rivalen viel mehr, die Personen, bei denen die Macht liegen könnte, angebliche Jemands, die ihm die Frau wegnehmen wollen.  Aber mit Penelope, seiner Gemahlin, kann er nichts mehr anfangen. Das ganze Treiben mit den Freiern, die ihn als Bettler verkleidet als Niemand verhöhnen, zeigt wie egal es dieser Penelope ist, welcher Mann sie umgarnt. Sie ist trotz der vehementen Persönlichkeitsentwicklung des Gemahls weder Ziel noch Ende. Seine Berufung ist eine andere. 

Katharina Magiera (Melantho; in der Vitrine),
Iain MacNeil (Odysseus; mit dem Rücken
zum Betrachter) und Dmitry Egorov (Telemachos;
mit Bogen) sowie Ensemble
(Foto: Barbara Aumüller)
Das Meer als Mittelpunkt allen Interesses, als Quelle und Ziel, wird auch musikalisch in einer dauerhaft wellenförmigen Zwölftonkomposition festgehalten. Alle Szenen werden in unterschiedlichen Farben musikalisch koloriert. Die Gegensätze sind stark und teilweise krass, von gedämpften atmosphärischen Tönen der Morgendämmerung oder der Nacht hin zu plötzlich lauten, dominanten, fanfarenhaften Tönen, bei Ulisse beispielsweise Posaunen und Trompeten.

Eine ganz eigene Oper, hervorragend modern in Szene gesetzt von Tatjana Gürbaca, mit einer zeitlosen Bühne aus Räumen, Nischen und Podesten, Penelope in einem Glaskasten, von Klaus Grünberg. Silke Willretts sehr lebhafte und auffallende Kostüme machen aus der Freiergesellschaft Penelopes eine wilde, bunte Straßentheatertruppe mit Hang zu Protz und Gloria. Die musikalische Leitung wurde souverän von Francesco Lanzilotta gemeistert. 

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