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Mittwoch, 27. Januar 2016

Interview: Was steuert wen? Zur Autonomie der Technik

©Andreas Meichsner

Was steuert wen?

Zur Autonomie der Technik

(HKW/taz) Kann man sagen, dass die Technologie heute in ihren globalen Auswirkungen mit der Natur und der Gesellschaft in Konkurrenz tritt? Der Medienphilosoph Erich Hörl und der Geowissenschaftler Peter K. Haff  diskutieren, wie aus Technologie ein semiautonomes Ökosystem wurde.
Jeder Begriff ist ein Umschlagplatz von Problemen und wird in Abhängigkeit von ihnen erschaffen. Auf welche Probleme antwortet und reagiert der Begriff der Technosphäre?
Die Technosphäre ist mein Versuch einer Begriffskonstruktion, die die Gesamtheit der Menschen und ihrer Technologie auf wissenschaftlicher Grundlage verstehbar machen soll, all ihre Bestandteile und Auswirkungen. Im Grunde sprechen wir von der Zivilisation.
Erich Hörl: Worin unterscheidet sich die Technosphäre von anderen Sphären wie der Atmosphäre oder der Biosphäre? Und warum sprechen Sie in diesem Zusammenhang überhaupt von einer Sphäre?

Es war wohl mein geologischer Hintergrund, der mich dazu gebracht hat, von einer Sphäre zu sprechen. Warum sprechen wir nicht einfach von einer Anthroposphäre, der Sphäre des Menschen? Dafür haben Sie selbst eine Begründung nahegelegt mit Ihrem Begriff der anthropozänen Illusion. Menschen neigen dazu, sich in den Mittelpunkt zu stellen und als Zentrum der Dinge zu begreifen. Wenn wir über das Klimaproblem oder andere Umweltprobleme nachdenken, dann sehen wir diese immer als dem Einfluss des Menschen geschuldet. Doch es gibt bedeutend größere Kräfte in der Welt. Und das sind die Kräfte der Technosphäre.

Ich bin froh, dass Sie den Begriff Anthroposphäre nicht verwendet haben. Konstitutiv für die anthropozäne Illusion war ja in erster Linie die Konzentration aller Handlungsmacht auf den Menschen. Heute werden wir Zeugen einer Entzauberung der anthropozänen Illusion, weil wir zunehmend verteilte Handlungsmächte in den Blick bekommen und zwar aufgrund von und als Konsequenz der Technologisierung. Diese Entwicklung macht jedenfalls eine Neubestimmung des Ortes des Menschen dringend erforderlich und eben dies geschieht, wenn wir die Technosphäre denken.

Die Frage ist also, ob man andere Beziehungen oder mögliche Endpunkte ausmachen kann, aus denen sich etwas lernen lässt über die Konstruktion der modernen Welt, unabhängig von menschlicher Handlungsmacht als solcher.

Kommen wir zu Ihrer Betonung der Autonomie von Technologie sowohl als Verdichtung wie auch als Ausdruck einer zunehmenden Dezentrierung des Menschen.
 Zu einem gewissen Grad ist die Kontroll- und Steuerungsfaszination im Nationalsozialismus, die praktisch alle Existenzweisen bestimmte, aus einer Diskussion über die Autonomie von Technologie erwachsen, die wir in den 1920er Jahren mit Jünger oder Heidegger hatten. In den 1950er Jahren erschien dieses Thema in Deutschland wieder auf der Tagesordnung, aber dieses Mal war die Vertreibung des Menschen aus dem Zentrum das Thema und der Skandal. Nun taucht die gleiche Formulierung fünfzig Jahre später bei Ihnen wieder auf: die Autonomie der Technologie. Könnten Sie noch etwas zu Ihrem Begriff von Autonomie sagen?

Viele Menschen meinen, dass wir Technologie kontrollieren. Lokal tun wir das auch, aber letztendlich sind wir mehr wie ein Molekül in einer Welle, wir werden von der Welle bewegt. Lokal haben Menschen vielleicht Autorität. Autonomie aber meint, dass sich das System auf einer umfassenderen Ebene selbst steuert, ohne dass menschliche Aspekte dabei eine große Rolle spielen würden. Das System will überleben – es tut, was auch immer dafür nötig ist.

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