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Sonntag, 22. Juni 2014

600 Jahre alte Reportage vom Konstanzer Konzil als Sachbuch erhältlich



Die Richental-Chronik: Einmaliger Bericht eines mittelalterlichen Lokalreporters zum Konstanzer Konzil - nach 600 Jahren übersetzt

Vor 600 Jahren tagte am Bodensee der größte Kongress des Mittelalters: das Konstanzer Konzil.
Diese Kirchenversammlung war das einzige Konzil diesseits der Alpen, auf dem jemals ein anerkannter Papst gewählt und somit das lange abendländische Schisma mit drei gleichzeitig amtierenden Päpsten beendet wurde. Ein spektakuläres Ereignis, nicht zuletzt, weil während des Konzils der angebliche Ketzer Jan Hus öffentlich verbrannt wurde. Ulrich Richental, ein wohlhabender Konstanzer Bürger, war beim größten Event seiner Heimatstadt als Zeitzeuge dabei und schildert die Ereignisse aus erster Hand. Seine Chronik des Konzils in der Fassung der Konstanzer Ausgabe erscheint nun erstmals auf Hochdeutsch übersetzt und mit zahlreichen Anmerkungen versehen Mitte Juni unter dem Titel „Augenzeuge des Konstanzer Konzils“ im Theiss Verlag.

Ulrich Richental: „Augenzeuge des Konstanzer Konzils“
Ulrich Richental war der Sohn des Konstanzer Stadtschreibers. Er war wahrscheinlich Kaufmann, aber diese Beschäftigung füllte ihn nicht aus. Durch Haus- und Grundbesitz war er wohlhabend genug, um sich einer anderen Tätigkeit widmen zu können: Er machte sich Notizen zu den Ereignissen in seiner Stadt, er sprach mit Leuten und fasste zusammen, was sie erlebt und gesehen hatten. Kurz: Er war vermutlich einer der ersten Lokalreporter. Er liebte Konstanz und wollte die Stadt im besten Licht erscheinen lassen. Nach dem Konzil, das von 1414 bis 1418 in Konstanz tagte, fasste Richental seine Notizen in einer Chronik zusammen, der er großzügig bebildern ließ. Die vermutliche Urschrift wurde zwar bei einem Klosterbrand zerstört, aber es existieren heute noch mehrere handschriftliche und gedruckte Kopien. Eine dieser Chroniken – die Konstanzer Handschrift – liegt im Rosgarten-Museum in Konstanz. Diese Fassung wurde nun erstmals in lesbares Neuhochdeutsch übersetzt. Die Geschichte und Geschichten der Chronik lassen das mittelalterliche Treiben erlebbar werden. Welche Abordnungen besuchten das Konzil, wer reiste wie weit an, wo waren die Abgesandten untergebracht? Was passierte bei der Anreise des Papstes Johannes XXIII, der das Konzil einberief? Warum ließ König Sigismund das versammelte Konzil auf seine Anreise warten? Was kostete die Unterkunft und das Essen während der Konzilszeit?


Einblicke in den Alltag einer mittelalterlichen Stadt
Ulrich Richental war Augenzeuge beim Einzug von Papst Johannes, bei der Ankunft König Sigismunds und beim Prozess gegen Jan Hus sowie dessen Hinrichtung. Doch nicht nur die politischen und kirchenpolitischen Ereignisse waren wichtig für den Chronisten. Wir verdanken ihm auch einen Einblick in den Konstanzer Alltag während der vier Konzilsjahre, die für die Stadt den Ausnahmezustand bedeuteten. So änderte sich im Verlauf des Konzils etwa der Speiseplan: Frösche und Schnecken standen plötzlich auf dem Menü – eine Anpassung an die Gewohnheiten der Gäste. Ebenso war es mit dem Wein: Statt des sauren einheimischen Tranks wurden Weine aus dem Süden importiert. Die zahlreichen Prostituierten, die aufgrund der guten Verdienstmöglichkeiten anreisten, waren für Richental auch ein Thema. Von ihm wissen wir, dass es sich um 700 „Hübschlerinnen“ gehandelt haben soll. Richental selbst war nämlich mit der Zählung der Prostituierten vom Marschall des Reiches, Kurfürst Rudolf III. von Sachsen beauftragt worden.


Lebensmittelknappheit und ungezähmte Ungarn
Überhaupt Zahlen: Durch Richentals Chronik wird erkennbar, mit welchen Schwierigkeiten die Stadt Konstanz und ihre Einwohner in den vier Jahren von 1414 bis 1418 fertig werden mussten. Bis zum Dreifachen der eigentlichen Einwohnerschaft (6-8000) musste mit Wohnraum und Lebensmitteln versorgt werden. Die Preise beispielsweise für einheimische Fische stiegen an. Da wich man eben auf andere Lebensmittel aus. Über die Wohnsituation weiß Richental zu berichten: Der König selbst brachte seine ungarische Entourage - wohl auf Drängen der Stadt – im benachbarten Kloster Petershausen unter – nicht nur aus Platzgründen, sondern weil seine Begleiter sich mit Einheimischen anlegten und in Konstanz schon unangenehm aufgefallen waren.


Jan Hus brennt auf dem Scheiterhaufen
Die Geschichte um Jan Hus, den Rektor der Prager Universität, der wegen Ketzerei angeklagt und während des Konzils in Konstanz auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, nimmt breiten Raum in Richentals Chronik ein. Aufgrund der Dramatik erzählt Richental die Geschichte von Hus‘ Verhaftung gleich zweimal. Doch was Hus zur Last gelegt wurde, behandelt Ulrich Richental nur beiläufig: Von Unglauben und Ketzerei ist die Rede, viel wichtiger ist dem Chronisten aber, welche Dynamik die Ereignisse um Jan Hus Verhaftung und Tod in seiner Stadt Konstanz annahmen.

Obwohl ihm freies Geleit vom König zugesichert worden war, nahm man den Rektor der Prager Universität in Konstanz gefangen. Wegen kontroverser Ansichten zur Hierarchie innerhalb der Kirche und heftiger Kritik am Klerus wurde Hus der Ketzerei angeklagt. Außerdem hatte er Messen in seinem Quartier gelesen, was ihm untersagt worden war. Richental schildert sogar, wie Hus versuchte zu fliehen und sich zu verstecken. Zudem berichtet er von 12.000 Schaulustigen bei der Übergabe von Jan Hus an den Papst. Jan Hus hätte widerrufen und nach Böhmen schreiben müssen, dass er etwas Falsches gelehrt und gepredigt habe. Da er sich weigerte, wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Richental schildert ausführlich, wie ein Kaplan ihn noch zum Widerrufen überreden wollte und Hus um die Beichte bat. Als nicht reuigem Ketzer wurde sie ihm jedoch verweigert, worauf Hus antwortet: „Es ist nicht notwendig, ich bin kein Todsünder“. Da wurde er angebunden, ihm wurde eine papierene Mitra aufgesetzt, die mit zwei Teufeln bemalt und mit dem Wort „Heresiarcha“, also Erzketzer, gekennzeichnet war. Er schrie, als er verbrannte. Richental hielt fest: „Anschließend schüttete man die ganze Asche, die Knochen und alles, was sonst nicht verbrannt war, in den Rhein.“

Das Verstreuen der Asche deutet darauf hin, dass man eine spätere Verehrung des Jan Hus als Märtyrer verhindern wollte. Zumindest sollten keine Reliquien von ihm übrig bleiben.


Übersetzer-Duo mit Faible für Bodensee und Richental
Monika Küble und Henry Gerlach haben die Konstanzer Ausgabe erstmals ins Neuhochdeutsche übertragen. Ihr Ziel war es, einen für moderne Leser flüssig lesbaren Text zu schreiben. Dafür sind die beiden bestens gerüstet: Monika Küble ist Autorin, Stadtführerin und Übersetzerin. Sie hat bereits mehrere Kriminalromane mit historischem Hintergrund veröffentlicht. Henry Gerlach ist Germanist und ausgewiesener Experte für das Konstanzer Konzil. Gemeinsam haben sie einen historischen Roman zum Konzil verfasst: „In nomine diaboli“. Beide leben am Bodensee. Gerlach schlüpft in den von ihm entwickelten Richental-Stadtführungen auch schon mal in die Rolle des Ulrich Richental, des Konstanzer Bürgers, der die Ereignisse aus erster Hand schildern kann.

Ergänzt wird die Übersetzung durch ein ausführliches Nachwort des Konstanzer Stadtarchivars Jürgen Klöckler zu Leben und Werk von Ulrich Richental.


Ulrich Richental: Augenzeuge des Konstanzer Konzils. Die Chronik des Ulrich Richental. Übersetzt von Henry Gerlach und Monika Küble.
Theiss Verlag 2014. 248 S., mit 10 s/w-Abb., gebunden, 
€ 24,95 [D]

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