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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Samstag, 1. September 2012

Skurriles: WIE MEIN VATER MIILLIONÄR WURDE von Walter Brusius

Wie mein Vater Millionär wurde





Mein Vater baute eine Werkstatt. Sie hatte Wände, ein Fenster und eine Tür. Durch das Fenster konnte man auf den Bach schauen. Die Ziegel für das Dach ließ er auf einem Pferdewagen aus Kusel kommen. Neben der Tür pflanzte er einen Rosenstrauch, in den er einen Starenkasten nagelte. Hinter dem Haus montierte er ein großes Rad aus Lindenholz, das der Bach drehte. Auch drinnen gab es ein solches Rad, und von dort hatte er einen Riemen aus Ochsenleder gespannt, der die Kraft der Räder auf eine Maschine übertrug. Die Maschine selbst war in einem hölzernen Kasten verborgen. Wenn sie jedoch lief, klapperte sie schön. Sie war auch mit einer Drehorgel kombiniert, und wenn er auf einen Knopf drückte, ertönte eine kurze lustige Melodie und aus einer verzierten Verlängerung, einem Vogelhals nicht unähnlich, schoss pft-pft ein leiser Luftstoß. Den ganzen Tag hatte mein Vater frei, auch noch den Abend, er saß mit der Zeitung vor der Tür, aber dann etwas später musste er oft auf den Knopf drücken, denn etwas später kamen die Bauern, und mein Vater drückte den Knopf, denn die Maschine war eine Kerzenausblasmaschine. Im Dunkeln kamen die Bauern, vorm Einschlafen, und trugen die brennenden Kerzen vor sich her. Sie kamen in die Werkstatt und mein Vater sprach ein paar Worte mit ihnen. Dann setzte er die Maschine in Gang, die Melodie ertönte, er kassierte seinen Dollar, und die Bauern stolperten im Dunkeln, mit erloschenen Kerzen, aber zufrieden heim. Natürlich hätte er ihnen sagen können, daß sie ihre Kerzen selber ausblasen gekonnt hätten. Aber war er blöd? Viel hatte er in die Maschine investiert, und langsam fing sie an, sich bezahlt zu machen. So sagte er natürlich nichts, so dumm war mein Vater nicht. – Tja, so war das damals, in der guten alten Zeit, kurz vor oder nach dem Krieg, da war noch locker so das ein oder andere Milliönchen zu machen, aber heut, wo alle lesen und schreiben können, nein, da wär so was nicht mehr möglich. 



© Walter Brusius
Der Künstler arbeitet und lebt seit 1982 in Bad Kreuznach als freischaffender Maler und unterhält dort ein Atelier.
Er hat in Köln studiert. Vor etwa zehn Jahren begann er parallel zur Malerei Geschichten zu schreiben.
Im Eigenverlag sind bisher einige kleine Bücher erschienen und seit zwei Jahren seine Atelierhefte. Er verkauft sie im Atelier an einen kleinen interessierten Kreis und in einer dortigen Buchhandlung. Sie sind auch abonnierbar. Neben seinen Ausstellungen veranstaltet er regelmäßig Lesungen. Ziel ist, die Atelierhefte nicht selbst zu illustrieren, sondern andere Künstler in Form einer Koproduktion dazu einzuladen.
 

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