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Dienstag, 5. Juni 2012

Buchbesprechung: HEILEN DURCH ERKENNTNIS von Andreas Winter

Ein neunjähriges Mädchen liest seiner Mutter ein paar Fragen vom Blatt vor; wenig später verschwinden deren chronische Fußschmerzen.
Ein Student unterhält sich in einer Kneipe mit seinem Freund über dessen Migräne; die Kopfschmerzen bleiben daraufhin aus.
Ein Blumenhändler schreibt eine kurze E-Mail an eine ihm fremde Frau; schlagartig ist diese von ihrer Eiweißallergie geheilt.
Offenbar haben bestimmte Fragen und Aussagen das Potenzial, langjährige Blockaden und Symptome im Nu aufzulösen.
Wunderheilung? „Nein, angewandte moderne Tiefenpsychologie“, sagt Diplom-Pädagoge Andreas Winter. „Psychologie ist kein Elfenbeinturm und Psychotherapie ist kein heiliger Gral. Wir alle haben eine Psyche, wir alle können mit dem richtigen Grundverständnis hilfreich psychologisch arbeiten“, davon ist der Autor überzeugt. Und der Erfolg gibt ihm Recht: Hunderte von Winter geschulte, psychologisch interessierte Laien und natürlich auch Profis bekämpfen Symptome wie Übergewicht, Allergien, Neurodermitis, Phobien und sogar Borderline-Störungen in Rekordzeit. Durch das bloße Bewusstmachen frühkindlicher Ursachen und das Vermitteln der intelligenten Logik eines Symptoms verändern sich plötzlich Empfindungs- und Verhaltensmuster der Klienten – und somit deren Beschwerden.


Interview mit dem Autor:
Am Anfang Ihres Buches sprechen Sie von der verblüffenden Erfahrung, die Sie bereits als Pädagogik-Student machten: Chronische Krankheiten lassen sich demnach durch eine Erkenntnis heilen. Was brachte Sie zu dieser Erkenntnis? 


Winter: Mit großer Spannung las ich Bücher über die machbaren Erfolge durch Suggestionen in Hypnose. Die Beschleunigung von Wundheilung, Beseitigung von Schmerzen, Hautproblemen und Übergewicht, einfach alles schien möglich. Ermutigt durch die bestehende Literatur begann ich meine eigenen Erfahrungen zu sammeln und siehe da – es stimmte. Zunächst arbeitete ich viel mit Menschen, die Phobien, Übergewicht oder das Rauchen loswerden wollten. Später kamen Menschen zu mir, die durch chronischen Stress organische Krankheiten bekommen hatten. Die Heilung geschieht dabei selbstverständlich nicht durch mich, sondern ganz allein dadurch, dass der Stressauslöser als unschädlich wahrgenommen wird. 

In „Heilen durch Erkenntnis“ beschreiben Sie unter anderem Ihren beruflichen Werdegang und die Einflüsse, die auf die Entwicklung Ihres Ansatzes einwirkten. Welche psychologischen, philosophischen oder therapeutischen Ideen haben Sie besonders geprägt?
 
Winter: Die Ansätze von Alfred Adler, eines Pioniers der Individualpsychologie, haben mich besonders beeindruckt. Adler beschreibt als erster, welche Folgen frühkindliche Traumatisierungen auf das Verhaltensmuster von Erwachsenen haben. Das leuchtete mir damals sehr ein. Auch Milton Erickson, der amerikanische Reformator der Hypnosetherapie, inspirierte mich sehr, weil er nicht mit direkten hypnotischen Befehlen und Suggestionen arbeitet, sondern mehr mit Überzeugung, Erkenntnissen und Schlussfolgerungen.

Ihr methodischer Ansatz ist äußerst erfolgreich, aber ungewohnt einfach. Geraten Sie da nicht auch in Konflikt mit Fachkollegen oder Schulmedizinern?

Winter: Nein, ganz im Gegenteil! Meine Ausbildungen werden besucht von Heilpraktikern, Allgemeinmedizinern, Psychotherapeuten und sogar Angehörigen der Pharmaindustrie! Ich ernte sehr viel Zuspruch bei all denen, die mit meinem Ansatz gute Erfahrungen machen konnten. Allerdings gehört schon eine Portion ideologische Offenheit dazu zu begreifen, dass unsere Symptome meist stressbedingt sind. Stress ist hier zu verstehen als erhöhter Anpassungsdruck, und der einzige Stressauslöser ist Unfreiwilligkeit: Alles, was Sie unfreiwillig tun oder womit Sie in Dissonanz, in Widerstand treten, sorgt für Stress. Dieses Ungleichgewicht zwischen Wollen und Sollen lässt chemische Botenstoffe, die Stresshormone, im Körper ausschütten und das wiederum kann auf lange Sicht den Körper schädigen. Die Erkenntnis der eigentlichen Stressursachen aber führt zu einer emotionalen Neubewertung der wahrgenommenen Reize und baut den Stress ab – die Symptome verschwinden, Krankheiten heilen.

Im allgemeinen Verständnis von Medizin herrscht die Annahme, dass eine wirkliche Heilung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unerwünscht ist. Wie kam es zu dieser pessimistischen Grundhaltung der heutigen Hippokrates-Nachfolger und was sind die Konsequenzen dieser Auffassung?

Winter: Das ist eine gute Frage. Meiner Meinung nach begann es in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts, einhergehend mit der europäischen Industrialisierung, dass die bis dato recht vielversprechende, aber noch komplizierte und langwierige Psychotherapie plötzlich durch schnelle Medikamentengabe verdrängt wurde. Es war der Druck der Leistungsgesellschaft, der eine rasche Symptomunterdrückung dem Lösen der Krankheitsursachen vorzog, damit Arbeiter schnell wieder einsatzklar waren. Hieraus entwickelte sich eine bedingungslose Medizingläubigkeit, die von der Medizinindustrie, speziell der Pharmaindustrie, leicht auszunutzen war und auch ausgenutzt wurde: Man suggeriere den Menschen, sie seien ursachenlos krank, und verschreibe ihnen das Gegenmittel, ohne tatsächlich zu heilen. Dieses Gegenmittel wird so gestaltet, dass es Nebenwirkungen hat, gegen die man ebenfalls Medikamente verschreiben kann. In diesem Sinne werden an den Universitäten weltweit Mediziner ausgebildet, die einer echten Krankheitsursache machtlos gegenüberstehen und somit Heilen für unmöglich halten. Das dauerhafte Verschieben  von Symptomen ist zu einem lukrativen Perpetuum Mobile geworden. Die Leidtragenden sind jedoch nicht nur die Patienten, die sich in lebenslanger medizinischer Abhängigkeit befinden, sondern auch all unsere moralisch integren Ärzte, denen der therapeutische Erfolg verwehrt wird und deren einstige Berufsmotivation, Menschen zu heilen, ad absurdum geführt wird. Es wird also höchste Zeit, dass ein Arzt wieder wirklich heilt, schnell und dauerhaft, damit etwas zurechtgerückt wird, das vor etwa 100 Jahren aus industriellen Interessen heraus ver-rückt wurde.

Regelmäßig wird vor epidemieähnlichen Erkrankungen oder krebserregenden Nahrungsmittelzusätzen gewarnt und zu Impfungen oder Vorsorgeuntersuchungen aufgerufen. Woran liegt es, dass der Mensch trotz dieser vermeintlichen Gefahren noch nicht ausgestorben ist, und was macht uns wirklich krank?

Winter: Wir werden nicht einfach krank, nur weil irgendwo ein Bakterium herumschwirrt. Das kann jeder Mensch an sich selbst beweisen, denn unsere Umgebung ist stets voller Bakterien. Jede Banknote trägt Millionen von Keimen, doch erzeugen diese beim Geldzählen keine Infektionen! In grauer Vorzeit war unser Lebensraum sicherlich ebenfalls keineswegs steril. Wir müssen also schauen: Warum werden einige Menschen krank, während andere gesund bleiben? Stresshormone schwächen aufgrund ihrer blockierenden Eigenschaft den Körper. Ist der Körper abwehrschwach, kann er selbst die geringsten Belastungen nicht verkraften. Fühlt sich ein Mensch jedoch abwehrstark, so können ihm Bakterien und Viren nicht ohne Weiteres schaden. Der Unterschied zwischen dem Gesunden und dem Kranken liegt in der Fähigkeit, mit „Feinden“, also Erregern, Giften usw., gut umgehen zu können. Stress macht den Unterschied, sage ich – und Stress lässt sich durch bestimmte Techniken dauerhaft auflösen. Eine dieser Techniken beschreibe ich in meinem Buch.

Vielen Betroffenen konnte „Erkenntnis“ zur „Heilung“ verhelfen. Woran erkennt ein Arzt oder Therapeut, wann dieser Ansatz noch greift und wann schulmedizinische Unterstützung notwendig ist?

Winter: Wenn eine organische Funktionsstörung ganz klar somatischen Ursprungs ist, etwa der Körper durch Gifte, Strahlung, Druck, Verletzung oder Ähnliches geschädigt ist bzw. sich bereits durch seine Symptome in akuter Gefahr befindet, dann brauchen wir kurative Maßnahmen eines Arztes. Wir brauchen Blutkonserven, Knochenschienen, Gegengifte, Elektrolyte oder Chirurgie, damit der Mensch wieder gesunden kann. Wenn aber ein Symptom ohne somatische Ursache entsteht und zudem dauerhaft auftaucht, dann ist es sehr wahrscheinlich, dass nicht der Körper die Problemstelle ist, sondern zugrundeliegende Ängste, also Gedankenmuster, welche die Ausschüttung von Stresshormonen begünstigen. In solchen Fällen brauchen wir nur zu schauen: Was hat den Menschen krank gemacht und was braucht er, damit er wieder gesund wird? Ich halte es für völlig in Ordnung, wenn Akutmedizin angewendet wird, um einem Menschen zu helfen, wieder aufnahmefähig zu sein. Ob Kopfschmerztablette oder Hustenlöser, Beruhigungsmittel oder Vitamine – alles ist in Ordnung, solange man damit nicht dauerhaft arbeitet und auch niemandem einredet, von der Einnahme hänge seine Gesundheit ab. Wenn der Krankheitsverlauf nicht linear ist, sondern Ausnahmen zeigt, ist das meist ein Hinweis auf eine psychosomatische Angelegenheit. Ein gebrochenes Bein ist nicht zwischendurch für einen Tag heil, am nächsten wieder verletzt. Bei Asthma oder Allergien dagegen treten durchaus solche Unregelmäßigkeiten auf – ein klares Anzeichen für Psychosomatik: Hier ist das Symptom nur eine Folge von bestimmten angstmotivierten und stressbedingten Stoffwechselvorgängen.

Viele der in Ihren Büchern vorgestellten Fallbeispiele beruhen auf traumatischen Erfahrungen in der frühen Kindheit, die zu einem unbewussten Fehlverhalten führen. Wie kann man diese angstbasierten Verhaltensmuster vermeiden und damit spätere Erkrankungen verhindern?

Winter: Die kurze Antwort lautet: Bevormunden und ängstigen wir unsere Kinder nicht! Kinder brauchen das Gefühl, dass sie ein emotionales Zuhause haben, in welchem sie sicher sind. Jedes Problem sollte eine Lösung haben und vor allem: Nicht die Eltern dürfen der Problemlieferant sein. Erwartungsdruck und Überforderung viel zu unreifer Eltern sind die eigentliche Gefahr in unserer Gesellschaft. Die ausführliche Antwort finden Sie in meinem letzten Buch „Zu viel Erziehung schadet!“. Mein neues Buch zeigt, wie man diese Schäden wieder repariert.  

Das Coaching nach Ihrem tiefenpsychologischen Ansatz beruht auf der Entkopplung von unterbewussten Symptomauslösern. Kann jeder diese Technik erlernen und was muss man mitbringen, um als Coach oder Gesundheitsberater erfolgreich zu sein?

Winter: Diesen Ansatz kann jeder begreifen, der Lösungen für Probleme sucht und bereit ist, seine bisherige medizinische Ideologie in Frage zu stellen. Die Technik lässt sich ebenso leicht erlernen, jedoch braucht man, um erfolgreich damit zu arbeiten, entweder einen wirklich reflektierten Patienten, der mitdenkt, versteht und umsetzt, was man ihm darlegt, oder eine Menge didaktisches Geschick und Überzeugungskraft. Das nötige psychologische Grundwissen und die Analysetechnik lassen sich schnell vermitteln.

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