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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Donnerstag, 25. April 2024

Oper Frankfurt a.M.: TANNHÄUSER UND DER SÄNGERKRIEG AUF WARTBURG von Richard Wagner

Romantische Oper in drei Aufzügen

Text vom Komponisten
In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Thomas Guggeis   
Bildnachweis: Sophia Hegewald
 



Musikalische Leitung: Thomas Guggeis
Inszenierung: Matthew Wild
Bühnenbild: Herbert Murauer
Kostüme: Raphaela Rose
Choreografie: Louisa Talbot
Video: Clemens Walter
Licht: Jan Hartmann
Chor: Tilman Michael
Dramaturgie: Maximilian Enderle

Tannhäuser: Marco Jentzsch
Elisabeth: Christina Nilsson
Venus: Dshamilja Kaiser
Wolfram von Eschenbach: Domen Križaj
Hermann, Landgraf von Thüringen: Andreas Bauer Kanabas
Walther von der Vogelweide: Magnus Dietrich
Biterolf: Erik van Heyningen
Heinrich der Schreiber: Michael Porter
Reinmar von Zweter: Magnús Baldvinsson
Ein junger Hirt: Karolina Bengtsson
Vier Edelknaben: Marta Casas, Chloe Robbins, Emma Stannard, Elena Tasevska
Tänzer: Luciano Baptiste, Tommaso Bertasi, Ken Bridgen, Andrii Punko, Thomas Ries
Ein junger Student: Henri Klein

Chor und Statisterie der Oper Frankfurt

Frankfurter Opern- und Museumsorchester 

Mit freundlicher Unterstützung des Frankfurter Patronatsvereins – Sektion Oper

Tannhäuser, die fünfte Oper von Richard Wagner (1813-1883), gilt als wichtiger Meilenstein in der Entwicklung des Komponisten, da hier die noch im Fliegenden Holländer beibehaltene Nummerneinteilung zugunsten einer eher durchkomponierten, stark mit der Dichtung verschmolzenen Szenenform aufgegeben wurde. Als literarische Vorlage dienten Wagner unterschiedliche Texte der Sagenwelt und der Romantik rund um die Gestalt des Tannhäuser, aus denen er den Widerstreit zwischen sinnlicher und geistiger Liebe sowie den daraus hervorgehenden Konflikt gerade für den Künstler herausfilterte – ein Aspekt, der ihn persönlich besonders stark interessierte. Die Uraufführung des Werkes erfolgte 1845 an der Hofoper Dresden, wobei sich der Erfolg beim Publikum erst nach zahlreichen musikalischen Revisionen und Umarbeitungen einstellte. Der Neuproduktion liegt die Wiener Fassung von 1875 zugrunde, welche wiederum Änderungen der Pariser Version von 1861 aufgreift: Die Eingangsszene zwischen Tannhäuser und Venus ist darin um ein orgiastisches Bacchanal erweitert und hörbar von der kurz zuvor vollendeten Tristan-Partitur beeinflusst. In Frankfurt kam Tannhäuser zuletzt 2007 in der Regie von Vera Nemirova heraus. 

Minnesänger Tannhäuser hat mit der Göttin Venus die sinnliche Seite der Liebe erlebt. Dem gegenüber steht die spirituelle Reinheit, die Elisabeth – die Nichte des Landgrafen Hermann – für ihn verkörpert. Als Tannhäuser bei einem Sängerwettstreit seinen Beitrag dem körperlichen Sinnengenuss widmet, bringt er seine Künstlerfreunde gegen sich auf. Durch eine Pilgerfahrt nach Rom soll er seinen Frevel büßen, aber der Papst vergibt ihm nicht. Sowohl für Tannhäuser als auch für Elisabeth wird daraufhin eine Rückkehr in ihr früheres Leben unmöglich. 

v.l.n.r. Marco Jentzsch (Tannhäuser) und
Dshamilja Kaiser (Venus) sowie Ensemble.
Bildnachweis: Barbara Aumüller
Die musikalische Leitung hat Frankfurts Generalmusikdirektor Thomas Guggeis. Für die
Regie ist der Südafrikaner Matthew Wild verantwortlich, zu dessen letzten Arbeiten Rent am Theater St. Gallen und Humperdincks Königskinder bei den Tiroler Festspielen in Erl gehören. In der Titelpartie stellt sich Marco Jentzsch erstmals dem Frankfurter Opernpublikum vor. Seine Verpflichtungen führen ihn u.a. nach Wiesbaden, Köln, Berlin (Staatsoper), Amsterdam und Mailand mit Partien wie Tristan, Stolzing, Parsifal, Siegfried, Loge, Florestan und Peter Grimes. Die schwedische Sopranistin Christina Nilsson (Elisabeth) stellte sich dem Frankfurter Publikum erstmals 2018 in der Titelpartie von Strauss‘ Ariadne auf Naxos vor. Zu ihren jüngsten Auftritten gehören Rosalinde (Die Fledermaus) an der Bayerischen Staatsoper, Chrysothemis (Elektra) an der Kungliga Operan in Stockholm sowie Aida an der Deutschen Oper Berlin. Domen Križaj (Wolfram) ist seit 2020/21 Ensemblemitglied der Oper Frankfurt und trat in der aktuellen Spielzeit bereits als Rodrigo in Verdis Don Carlo und als Graf in Mozarts Le nozze di Figaro auf. Außerdem wird der slowenische Bariton schon bald wieder als Papageno in der Zauberflöte zu erleben sein. Auch die Mezzosopranistin Dshamilja Kaiser (Venus) war in dieser Spielzeit bereits in Frankfurt zu hören – als Eboli in Don Carlo. Von 2009 bis 2017 war sie Ensemblemitglied der Oper Graz und wechselte danach an das Theater Bonn. Engagements führten sie an die Volksoper Wien, die Staatsoper Prag und die Den Norske Opera & Ballett sowie zu den Tiroler Festspielen Erl und den Bregenzer Festspielen. Angeführt von Andreas Bauer Kanabas (Landgraf Hermann) sind alle weiteren Partien mit Ensemblemitgliedern der Oper Frankfurt besetzt.

Premiere: Sonntag, 28. April 2024, um 17 Uhr im Opernhaus
Weitere Vorstellungen: 1., 5. (15.30 Uhr), 11., 20., 30. Mai, 2. (15.30 Uhr) Juni 2024 Falls nicht anders angegeben, beginnen diese Vorstellungen um 17 Uhr
Preise: € 16 bis 190 (12,5% Vorverkaufsgebühr nur im externen Vorverkauf) Karten sind bei unseren üblichen Vorverkaufsstellen, online unter www.oper-frankfurt.de oder im Telefonischen Vorverkauf 069 – 212 49 49 4 erhältlich. 

Mittwoch, 24. April 2024

Timon Gremmels: Hessischer Kulturpreis an Frankfurter Opernintendant Bernd Loebe verliehen

Empfang würdigte Verdienste um die schönen Künste in Hessen und der Welt


Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels hat am 21.04.2024 dem Intendanten der Frankfurter Oper Bernd Loebe den Hessischen Kulturpreis 2023
im Namen des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein bei einem Empfang in der Oper Frankfurt überreicht. 

Loebe erhält den Preis für seine außergewöhnlichen Verdienste um die schönen Künste in Hessen und der Welt. Der Hessische Kulturpreis ist mit 45.000 Euro dotiert. „Mit innovativen Inszenierungen und einem herausragenden Gespür für aktuelle Themen gelingt es Bernd Loebe immer wieder, die Fachwelt von der Qualität des Kulturstandorts Frankfurt zu überzeugen und das Publikum zu begeistern. Er prägt mit seiner herausragenden Arbeit die Oper Frankfurt, die Stadt und das kulturelle Leben der Rhein-Main-Region“, so Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels. „Bernd Loebes Bekenntnis gilt dem Ensembletheater, der gegen die Trends in der schnelllebigen Branche auf lange Frist angelegten Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern. Seine Spielpläne sind mutig und von einer klaren dramaturgischen Handschrift geprägt. Der Beitrag Bernd Loebes zu einer stetigen Öffnung des einst verschlossenen Opernbetriebs hin zu einem spannenden und demokratischen 2 Diskursort für die ganze Stadtgesellschaft ist nicht hoch genug einzuschätzen. Ich gratuliere ihm herzlich zum Hessischen Kulturpreis.“


Opernintendant Bernd Loebe bedankte sich mit den Worten: „Der Opernintendant und Geschäftsführer gilt gemeinhin als Mann des Schreibtisches. Als einer, der machtbesessen und machtbeglückt Entscheidungen einsam an eben diesem Schreibtisch fällt. Es ist schön, dass die Jury, die mir diese Auszeichnung zuteilwerden ließ, eine Ahnung davon hat, dass der Intendant von heute zwar Verantwortung trägt (und dies gerne tut), aber doch einem Künstler gleich Erfahrungen, Visionen, Inspirationen und Hoffnungen wie einen Blumenstrauß von einer Wiese zusammenpflückt, der dann wiederum anderen, den wahren Künstlern, überreicht wird. Der persönliche Preis, an mich gerichtet, gilt dem Opernhaus Frankfurt und all seinen fabelhaften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Unter Ihnen ist die Kunst zuhause, und alle trachten gemeinsam nach Erfolg, der der Oper Frankfurt über Jahrzehnte hin treu geblieben ist. Mein Dank gilt der Jury, aber auch meinen vielen Freundinnen und Freunden hier im Hause – einem Ort, an dem ich 1968 meine erste Oper sah und wo ich nun gestalterisch tätig sein durfte und darf.“ 

Loebe wurde 1952 in Frankfurt geboren. Im Anschluss an seine Studienzeit arbeitete er unter anderem in der Musikredaktion der FAZ, der Opernredaktion des Hessischen Rundfunks sowie bei der Zeitschrift „Opernwelt“. 1990 berief ihn das Brüsseler Théâtre Royal de la Monnaie als künstlerischen Direktor. Ab dem Jahr 2000 wirkte Loebe als Berater an der Oper Frankfurt, bevor er 2002 zum Intendanten berufen wurde. Der Hessische Kulturpreis wird seit 1982 jährlich für besondere Leistungen in Kunst, Wissenschaft und Kulturvermittlung vergeben. Im Kuratorium sind außer Ministerpräsident Boris Rhein und Kunst- und Kulturminister Timon Gremmels neun Personen aus Kunst, Kultur und Wissenschaft vertreten.

Severin Groebners Neuer Glossenhauer #36: PSSST!

 



Phantombild von @Dominik Reichenbach/ Artwork: Claus Piffl



PSSST! Nicht verraten!


Ja, ich weiß. Schon wieder zu spät. Dieser Newsletter beginnt mich an meine Schulzeit zu erinnern, da war ich auch nie pünktlich. Und dieses Mal ist nicht einmal die Deutsche Bahn schuld. Denn ich war mit dem Fahrrad unterwegs.
Nein, schuld sind diesmal: die internationalen Geheimdienste.
Ich musste nämlich erst überprüfen, ob mir kein feindlicher Agent über die Schulter schaut und Humor-Skills und Satire-Techniken absaugen will. Die haben ja alles, diese Diktaturen, aber Humor haben sie wirklich überhaupt nicht.
Was andererseits an all diesen Geheimdienst-Skandalen so unglaublich langweilig und vorhersehbar ist, sind ja die Akteure.
Auf der einen Seite: Immer irgendwelche Bedienstete im Sicherheitsapparat des Zielstaates, wie frustrierte Offiziere in Militär oder Polizei, geldgierige Beamte des örtlichen Verfassungsschutzes oder Mitarbeiter von rechtsradikalen Parteien, die vorgeben die „Heimat schützen“ zu wollen. Nämlich mithilfe von Geheimdiensten totalitärer Staaten. Wahrscheinlich wollen sie damit das eigene Land schützen, nicht so grauslich demokratisch zu bleiben.
Und auf der anderen Seite: Die Profiteure.
Das sind immer die üblichen Verdächtigen. Die feschen Militär-, Unterdrückungs- und Gewaltregime von China bis Russland. Also Leute, für die die Erklärung der Menschenrechte so etwas wie Toilettenpapier ist, Rechte des Individuums Teufelszeug und Menschen-in-Lager-sperren ein schönes Hobby für den Feierabend.
Apropos Lager: Ja, auch die USA unterhält seit Jahrzehnten solche Foltergefängnisse. Aber - merke den Unterschied - erstens nicht auf ihrem Staatsgebiet, zweitens haben wir uns alle schon daran gewöhnt und drittens schämen sie sich dafür. Und die USA hört auch nur ein bisschen mit. Das kann man einem Staat, der mit seinen Raketenbasen dafür sorgt, dass die Russische Führung nicht Paris oder Berlin in Staub verwandelt als Gegenleistung schon zu billigen.
Nur natürlich nicht öffentlich.
Da sind die beiden anderen, China und Russland, schon andere Kaliber:
Die Russen erledigen bei gutem Wetter schon mal unliebsame Spaziergänger im Berliner Tiergarten und beharren auf das Recht europäische Grenzen mit Panzern zu ziehen. Die Chinesen wieder forschen von deutschen Reichen-Ghettos wie Bad Homburg und Düsseldorf Militärtechnik aus und betreiben europaweit geheime Polizeistationen. Also aufpassen beim nächsten Besuch im China-Restaurant! Besser gutes Trinkgeld dem Kellner geben, sonst landet man womöglich in der darunter gelegenen „Vorratskammer“ mit Dual-Use-Funktion.
Es bleibt die Frage: Warum können Zielpersonen und Auftraggeber nicht einmal ein bisschen abwechseln?
Warum interessieren sich nicht Geheimagenten aus Angola für die Geheimnisse der österreichischen Hotellerie? Wie wär's, wenn nepalesische Nachrichtendienste den Schiffsbau in norddeutschen Werften mal unter die Lupe nehmen würden? Warum wollen nicht einmal Spione aus Bangladesh bei europäischen Baukonzernen herausfinden, wie man korrekt Gips-Karton-Platten einbaut? Es könnte doch zumindest eine Delegation aus Thailand, das ja gerne als „Land des Lächelns“ bezeichnet wird, nach Wien kommen, um hier in einer streng geheimen Fact-Finding-Mission im Straßenverkehr, die verborgenen, tieferen Bedeutungen der Worte „Sauschädel“, „Beidlpracker“ und „Schasaugata“ zu erfahren. Und - falls noch Fragen offen bleiben - diese Geheimwaffen der berühmten Wiener Gemütlichkeit auf dem Fußballplatz (für Feinschmecker: Hanappi-Stadion) näher studieren.
Es gäbe so viele Möglichkeiten, geheimen Wissenstransfer zu organisieren. Wie wäre es, wenn Südeuropäische Bäckerei-Innungen nachrichtendienstliche Unternehmungen ins Leben rufen, die herausfinden sollen, wie man Brot bäckt, das nicht nach zwei Tagen steinhart und trocken ist und bei der ersten Berührung zerbröselt, wie die Mumie eines Pharaos aus dem 2. Jahrtausend vor Beginn der Zeitrechnung.
Auch denkbar: amerikanische und deutsche Geheimagenten finden heraus, wie man sich im Ausland benimmt, ohne sofort unangenehm, laut und präpotent aufzufallen. Und wenn schon unbedingt Russen und Chinesen spionieren müssen, dann sollten sie doch mal vielleicht herausfinden, wie man ein Gemeinwesen demokratisch, wirtschaftlich prosperierend und einigermaßen fair organisiert. Dass sie dann nicht mehr in Österreich oder Deutschland spionieren, ist klar. Aber Norwegen und Island wären dann gute Zielländer.
Demzufolge hätte die deutsche und österreichische Spionage-Abwehr dann frei (gibt's eigentlich eine österreichische Spionage-Abwehr? Ist zumindest der geheimste aller geheimen Dienste) und die Leute dort könnten sich auf neue Aufgaben konzentrieren: Die Aneignung des geheimen Wissens, wie man sich fortbewegen kann, ohne dabei in stinkenden Blechkisten sitzen zu müssen.
Eine Möglichkeit. Man kann natürlich auch warten, dass das Problem sich durch den Klimawandel von selbst löst. Denn wenn die Niederlande mal unter dem Meeresspiegel verschwunden sind, kommen die Niederländer von ganz allein.
Auf geheime, unbekannte Arten der Fortbewegung: Mit dem Fahrrad.
Aber: Pssst! Ist geheim!


Groebner Live:
„Überhaltung“ heute 24.4. Düsseldorf, 
Kommödchen - 26.4. Puchheim bei München, Kulturzentrum PUC - 3.5. Aschaffenburg, Hofgarten - 4.5. Karlsruhe, Orgelfabrik - 24.5. Oberndorf bei Salzburg, Freiraum - 28. und 29. 5. Graz, Theatercafé

Und: „Zwischenrechnung“ - 16.5. Groebner liest und singt zur Lage der Welt, Frankfurt,
 Buch&Wein

Radio: Groebner auf Bayern2
 „Ende der Welt“ vom 24.4.2024




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Sonntag, 21. April 2024

BIB: Lebenserwartung in Deutschlands Regionen - Viele vermeidbare Todesfälle - Schuld sind Verhalten und System

Lebenserwartung in Deutschlands Regionen: Viele vermeidbare Todesfälle

Viele Regionen Deutschlands weisen eine deutlich niedrigere Lebenserwartung als deutschsprachige Regionen in Österreich, der Schweiz und Italien auf.

Zu diesem Rückstand tragen in einem erheblichen Maße Todesfälle bei, die durch ein besseres Gesundheitsverhalten der Bevölkerung und ein effektiveres Gesundheitssystem vermieden werden könnten. Dies zeigt eine neue Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, welche erstmals Berechnungen zur vermeidbaren Sterblichkeit für mehr als 100 Regionen im deutschsprachigen Raum vorlegt.

Das Konzept der „vermeidbaren Sterblichkeit“ stuft alle diejenigen Todesfälle als „vermeidbar“ ein, die auf Basis des aktuellen Stands des medizinischen Wissens durch Vorbeugung, Früherkennung beziehungsweise eine optimale Behandlung verhinderbar wären. Neben dem Gesundheitssystem spielt bei der effektiven Vorbeugung und Früherkennung auch die Bevölkerung selbst eine wichtige Rolle.

Starke regionale Unterschiede in Deutschland

Die Studie offenbart bei vermeidbaren Sterbefällen ein beträchtliches Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle. Demnach verringern diese die Lebenserwartung besonders stark in Ostdeutschland, vor allem in Vorpommern und Sachsen-Anhalt – und dies trotz großer Fortschritte, die bei der Reduzierung der vermeidbaren Sterblichkeit seit der Wiedervereinigung erreicht wurden. Aber auch einige von wirtschaftlichem Strukturwandel geprägte Regionen in Westdeutschland wie Ostfriesland, das Ruhrgebiet und das Saarland weisen eine ähnlich hohe vermeidbare Sterblichkeit auf. Die geringste Zahl an vermeidbaren Todesfällen verzeichnen dagegen die Schweiz und Südtirol, gefolgt vom Westen Österreichs und dem Süden Deutschlands. In Österreich gibt es ähnlich wie in Deutschland ein Ost-West-Gefälle zuungunsten des Ostens, mit der höchsten vermeidbaren Mortalität in der Landeshauptstadt Wien. Dagegen sind die regionalen Unterschiede in der Schweiz vergleichsweise gering.

„Obwohl der Süden Deutschlands mit der Metropolregion München und dem südlichen Baden-Württemberg im innerdeutschen Vergleich relativ gut dasteht, ist die vermeidbare Sterblichkeit in der Schweiz und in Südtirol noch einmal merklich niedriger“, fasst der Mortalitätsforscher Dr. Michael Mühlichen vom BiB die Ergebnisse zusammen. Dabei ist der Abstand zur Schweiz und Südtirol in den letzten Jahren sogar noch gewachsen. „Insofern besteht in allen Regionen Deutschlands noch Potenzial, vermeidbare Todesfälle zu reduzieren“, so Mühlichen.

Nachholbedarf bei Prävention und Früherkennung

Deutschland hat aber nicht nur bei vermeidbaren Todesfällen einen Nachholbedarf gegenüber seinen südlichen Nachbarn.

„Auch bei der Sterblichkeit im höheren Alter, vor allem im Zusammenhang mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zeigen sich Defizite,“ erklärt Dr. Pavel Grigoriev, Mitautor der Studie und Leiter der Forschungsgruppe Mortalität am BiB.

Die hohe Zahl an vermeidbaren Todesfällen steht im Kontrast zu den Ausgaben im Bereich der Gesundheitsversorgung, die pro Kopf im weltweiten Vergleich mit zu den höchsten gehören.

Die Autoren sehen unter anderem Verbesserungsbedarf bei Präventionsmaßnahmen und -politiken, um gesundheitsschädigendes Verhalten wie etwa Rauchen, Alkoholmissbrauch wirkungsvoller einzudämmen. Auch bei der Früherkennung und deren adäquater Inanspruchnahme hinkt Deutschland hinterher. Viele Behandlungen setzen spät an, wenn Erkrankungen schon stark fortgeschritten sind.

Hintergrundinformation über die Studie und das Konzept der vermeidbaren Todesfälle

Um den Einfluss des Gesundheitsverhaltens der Bevölkerung und des Gesundheitssystems auf die Sterblichkeit zu messen, kommt in der Forschung häufig das Konzept der „vermeidbaren Sterblichkeit“ zum Einsatz. Dabei wird zwischen zwei Kategorien unterschieden: „medizinisch vermeidbare“ Todesfälle, die bei angemessener und rechtzeitiger medizinischer Behandlung vermeidbar wären, und „präventiv vermeidbare“, denen durch effiziente Prävention vorgebeugt werden könnte. Die Einstufung erfolgt anhand der Todesfälle nach Todesursachen. Da es bei diesem Konzept um „vorzeitige“ Sterbefälle geht, werden nur Todesfälle im Alter von 0 bis unter 75 Jahren als „vermeidbar“ eingestuft. Der Anteil der vermeidbaren Todesfälle an allen Sterbefällen betrug in Deutschland 19 Prozent im Zeitraum von 2017 bis 2019. Dies ist erheblich, wenn beachtet wird, dass ein Großteil der Sterbefälle im Alter ab 75 Jahren erfolgt. Bei Männern ist der Anteil mit 24 Prozent höher als bei Frauen mit 13 Prozent. Um Verzerrungen im regionalen Vergleich durch unterschiedliche Altersstrukturen zu vermeiden, wird die Höhe der vermeidbaren Sterblichkeit auf Basis standardisierter Sterbeziffern berechnet.

Die staatenübergreifende Untersuchung der mehrheitlich deutschsprachigen Regionen Europas hat den Vorteil, dass schwer messbare Faktoren wie kulturelle Unterschiede insbesondere direkt in den Grenzregionen eine geringere Rolle spielen dürften. Insofern deuten systematische Sterblichkeitsunterschiede entlang der Staatsgrenzen auf unterschiedlich effiziente Gesundheitssysteme und Präventionsmaßnahmen hin. Die Ergebnisse vermitteln wichtige Ansatzpunkte für gesundheitspolitische Maßnahmen.

Karte zu vermeidbaren Sterbefällen je 100.000 Einwohner im deutschsprachigen Raum nach RegionQuelle: BiB

Samstag, 20. April 2024

Informationen rund ums Wohnen

 

Donnerstag, 18. April 2024

Severin Groebners Neuer Glossenhauer #35 - Gleich zu Gleich

 

Foto: Dominik Reichenbach / Artwork: Claus Piffl





Gleich und Gleich gesellt sich gern

Mal wieder zu spät dieser Newsletter. Ich weiß. Aber es gibt gute Gründe für dieses späte Abschicken. Zumindest bessere als die Deutsche Bahn immer auf Lager hat, die die Verspätung ihrer Züge mit “Verzögerungen im Betriebsablauf” erklärt. Obwohl das natürlich andererseits hohe deutsche semantische Philosophie ist: Die Ursache der Verspätung ist eine Verzögerung. Da muss man erst einmal draufkommen!
Vielleicht ist sogar der Grund dafür eigentlich eine kausale Ursache. Andererseits könnte dieses zeitlich wiederkehrende Phänomen chronischen Ursprungs sein. Worin wiederum der tautologische Pleonasmus in unschuldiger Innozenzia verstrickt ist. Auch wenn man hier nicht weiß, ob man darob desperat werden soll… oder nur verzweifelt.
Egal, vielleicht sogar gleichgültig, meine Gründe sind ganz andere.
Erst war ich - wie angekündigt - auf Urlaub, danach hatte ich einen Prozess am Hals.
Und damit bin ich in bester Gesellschaft. Schließlich hat Donald Trump auch gerade einen Laufen. (Äh… ich merke gerade, so gut ist die Gesellschaft gar nicht.)
Bei Donald Trump ist das natürlich ein Ereignis. Erstens ist er der erste ehemalige US-Präsident, gegen den ein Gerichtsverfahren angestrengt wird. Zweitens ist er der erste ehemalige US-Präsident, gegen den ein Gerichtsverfahren angestrengt wird, weil er Schweigegelder an einen Pornostar verschwiegen hat.
(Moment: Verschwiegene Schweigegelder? Hat Trump eigentlich Verwandte bei der Deutschen Bahn?) Und weil Trumps Rufname „Innozenz der Überzählige“ ist - und andern ursächlichen Gründen, ist der Prozess ein Medienereignis.
Dabei müsste das gar nicht sein. Schließlich gab es auch schon vor Trump US-Präsidenten, die sich einen Prozess verdient hätten. Richard Nixon hätte man wegen Anordnungen von völkerrechtswidrigen Flächenbombardements, Einbruch und Tragens des peinlichen Spitznamens „Tricky Dicky“ anklagen können. Ronald Reagan, wäre vielleicht beschuldigt worden, den Staatshaushalt auf Jahrzehnte ruiniert zu haben, schlechte Witze bei Mikrofonproben und wegen… äh… das hab ich vergessen.
George W. Bush, hätte man vor den Kadi ziehen können wegen der Produktion von Scheinargumenten zur Legitimierung eines Angriffskrieges, Installation des gefährlichsten Vizepräsidenten der Welt, Dick Cheney (schon wieder „Dick“, was haben die Amis nur mit diesem …äh… Namen?) und Zementierung des Klischees des vervolltrottelten Texaners. Sowie der Einführungen der Kategorien von „gut“ und „böse“ in den weltweiten politischen Diskurs.
Kategorien, die sich für nichts eignen, außer die Stimmung aufzuheizen.
Das wären jetzt nur mal ein paar improvisierte Anklagen. Und die nur gegen die Vorsitzenden der Verunreinigenden Staaten von Amerika.
Der aktuelle russische Präsident dürfte mit einer Anklage-Schrift rechnen, die so dick wäre, wie er hoch ist. Und wenn er auch wirklich ein böser Zwerg ist, dürfte in diesem Werk so ziemlich alles drin stehen, was man so im langläufigen Sinne als Menschheitsverbrechen nennt. Bis auf industrieller Massenmord und Atombombenabwurf, okay, aber sonst ist alles dabei. Experten sprechen hier von einem „All-Inclusive-Autokraten“, weil er so viele Aspekte (Krieg, Unterdrückung, lächerliche Inszenierungen mit goldenen Türen und enthirnten Massen) autokratischer Herrschaft abdeckt. Obwohl natürlich für diesen russischen Gewaltherrscher von der mickrigen Gestalt „Autokrat“ fast schon Schmeichelei ist. Diktator wäre passender. Oder Dick-tator - wie die Amerikaner sagen würden.
Apropos Blutspur: Die chinesische Ausgabe von „Diktator-deck-Dich“ Xi Jinping, der so heißt und auch so aussieht wie der Bösewicht in alten Spider-Man-Comics, dürfte sich auch auf eine fette Prozessakte freuen. Wer alle demokratischen Oppositionspflänzlein schon beim Keimen zertritt, die Arbeitslager digitalisiert und die chinesische Mauer ins Internet stellt, der darf schon auf einen Monster-Prozess hoffen. Wobei Xi natürlich selbst das Monster ist. So wie der böse Clown in Stephen Kings „Es“ gibt Xi den mörderischsten Panda der Welt. Es ist anzunehmen, dass seit seinem Amtsantritt, der WWF Einbrüche bei der Spendenbereitschaft hinnehmen musste.
Aber Gottseidank ist die demokratische Welt angesichts dieser geballten Gefahren nicht wehrlos. Nein, die chinesische EinMannRegierung bekommt gerade die volle Breitseite ab: Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist ja gerade in China.
Und mit dem muss der Xi reden. Aber nicht dabei einschlafen! Da werden übermenschliche Kräfte von ihm verlangt. Wenn das nichts hilft, gibt’s zur Steigerung noch eine Videokonferenz mit Ursula „Die Frisur“ von der Leyen und als ultimative Drohung eine Begrüßung durch Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer. Wer von dem einmal begrüßt wurde, macht keinen Mucks mehr.
Und dann herrscht Frieden.
Bleibt nur noch die Frage, worum es in meinem Prozess geht.
Ich wurde angeklagt, weil dieser Newsletter regelmäßig zu spät erscheint. Aber ich mach mir keine Sorgen. Mein Verteidigungsstrategie lautet: „Satirische Verzögerung durch ironische Verspätung als humoristische Fristveränderung.“
Schließlich sind vor dem Gesetz alle Synonyme gleichbedeutend.



Groebner Live:
„ÜberHaltung“ 18.4. Linz, Posthof - 19.4. Wien, Kabarett Niedermair - 24.4. Düsseldorf, Kommödchen - 26.4. Puchheim bei München, PUC Kulturzentrum - 3.5. Aschaffenburg, Hofgarten - 4.5. Karlsruhe, Orgelfabrik - alle Termine 




Der „Neue Glossenhauer“ ist ein Projekt der freiwilligen Selbstausbeutung, wer es dennoch materiell unterstützen will, hier wäre die Bankverbindung für Österreich: 

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ECM im April: Silent, Listening von Fred Hersch

Als einzige Neuheit  in diesem Monat ein Soloalbum von Fred Hersch, das erste Album des Amerikaners bei ECM als Leader:

 

Silent, Listening ist eine essentielle Ergänzung der Solo-Klavieraufnahmen bei ECM mit einem der herausragenden improvisierenden Pianisten unserer Zeit: Fred Hersch. Das Album umfasst sieben Eigenkompositionen sowie eine Handvoll Standards, darunter Billy Strayhorns "Star-Crossed Lovers", Sigmund Rombergs "Softly, As In A Morning Sunrise", Alec Wilders "Winter Of My Discontent" und Russ Freemans "The Wind". Hersch geht die Musik durchweg mit jener seltenen Konzentration, Sensibilität und Eleganz an, für die der Jazz-Doyen bekannt ist. Das Album wurde mit dem Produzenten Manfred Eicher in der besonderen Akustik des Studios in Lugano entwickelt und im Mai 2023 aufgenommen.

 

Ende Mai kommen außerdem Vinyl-Re-Issues von Kenny Wheelers Album Angel Song und von Gateway in der ‚Luminessence‘-Reihe, und Anfang Juni ein neues  Album von Oded Tzur



Mittwoch, 10. April 2024

Der Wetterfrosch von Faltsch Wagoni: Frühlings Erwachen


Frühlings Erwachen - klingt romantisch, aber gibt es überhaupt noch eine Jahreszeit, die den Namen verdient? Was sich heute Frühjahr schimpft, ist eine aufs Dürftigste geschrumpfte Zeitangabe. Und wer wacht da eigentlich auf? Ist es die Winterschläferin, die unversehens im Sommer landet, ohne sich auch nur einen Augenblick der gepflegten Frühjahrsmüdigkeit hingeben zu können, welche dann sanft und behaglich in die sommerliche Siesta übergeht, bevor der Herbstblues die verdiente Ruhe vor dem nächsten Winterschlaf beschert, falls der nicht wieder von irgendwelchen Kaltbaderinnen gestört wird? Jedes Jahr werden es mehr. Ein Trend, der der Klimaerwärmung ein Schnäppchen … äh … Schnippchen schlagen will; als wollten sie Frösche werden, kaltblütig und todesmutig: Eisschwimmerinnen. An einen geruhsamen Winterschlaf ist da nicht mehr zu denken. Ich kann es ja sogar verstehen, ich liebe das kalte Wasser, aber ich schlage keine Löcher ins Eis mit Pickeln. Im Gegenteil, ich kriege Pickel, wenn ich sehe, wie sie hinterher schlotternd und zähneklappernd in ihre zentralbeheizten Behausungen zurückfliehen. Die wahre Eisbaderin namens Frosch friert nicht, sondern fängt bei unter 5 Grad erst an, Behagen zu empfinden, ihr Warmduscherinnen.

So what? hör ich euch sagen, gibt es keine wichtigeren Themen? Meine Antwort lautet: Lest Zeitung, schaut Nachrichten, scrollt durch's Internet, dann kriegt ihr die wichtigsten Gräuel der Zeit um Augen und Ohren gehauen, bis ihr schwarz seht. Zum Runterkommen könnt ihr ja dann ins Eiswasser hüpfen und den ganzen Wahnsinn für einen Moment vergessen.


        Der Schock ist entsetzlich im ersten Moment

        Die Luft bleibt dir weg, doch irgendwann brennt

        dir die Hülle und du weißt nicht genau

        ist das jetzt Eis oder heiß, du wirst schon ganz blau

        dann springst du an Land wie von gefrorenen Sinnen

        zum rettenden Schnaps, der macht blau auch von innen


Es grüßt eure Klima-Seniorin und Wetter-Fröschin vom Dienst




Die nächsten Faltsch Wagoni Termine:
Sa 13.04.24CH - Basel
Theater im Teufelhof ≫≫≫
Jubiläumsprogramm
Palast abwerfen
So 14.04.24
17:00 Uhr
Grenzach-WyhlenTIZ ≫≫≫
Jubiläumsprogramm
Palast abwerfen
Do 16.05.24GarchingTheater im Römerhof ≫≫≫
Jubiläumsprogramm
Palast abwerfen
Fr 07.06.24HerrschingSonrisaPolitik & Liebe
Sa 20.07.24MurnauFestival KulturKnall
Jubiläumsprogramm
Palast abwerfen
Sa 03.08.24WickstadtRotes Zelt
WETTERaum

Jubiläumsprogramm
Palast abwerfen
Dezenter Hinweis: Faltsch-Wagoni-CDs gibt es nur hier im Faltsch-Wagoni-CD-Shop ≫≫≫

Samstag, 6. April 2024

Wie war's in der Oper „In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa“ im Frankfurter Bockenheimer Depot?

Karolina Bengtsson (Belisa) und
Sebastian Geyer (Don Perlimplín)
Bildnachweis: Barbara Aumüller





Im Bockenheimer Depot traf ich auf eine leicht verrückte, artifizielle surrealistische Opern-Groteske von Wolfgang Fortner, der 1957 ein Theaterstück von Federico García Lorca zu „In seinem Garten liebt Don Perlimplín Belisa“ vertonte. Die Oper wurde bei den Schwetzinger Festspielen 1962 uraufgeführt. Das Theaterstück wurde von der spanischen Zensur 1929 verboten, alle schriftlichen Formen beschlagnahmt und vernichtet, und konnte erst 1933 aus der Erinnerung Lorcas neu geschrieben, gezeigt werden. Lorca nannte es ein „erotisches Halleluja“, was auf eine katholische Tradition der Betextung von Heiligenbildern zurückgeht. Lorca war neben Luis Buñuel und Salvador Dalí ein weiterer wichtiger Vertreter des spanischen Surrealismus. Buñuels Film „Ein andalusischer Hund“ ist wertvolle Filmgeschichte, Dalís Bilder durch nichts zu ersetzen…

v.l.n.r. Tänzer*innen sowie am Boden
liegend Sebastian Geyer (Don Perlimplín)
Bildnachweis: Barbara Aumüller

Im schwülstig romantischen Umfeld lebt ein penibler 50 Jahre alter, Bücher liebender 
Don (vereinsamt Sebastian Geyer, Bariton), der auf Anraten seiner Haushälterin Marcolfa hin (liebenswert Karolina Makula, Mezzosopranistin) wegen seines Alters (?) endlich eine angetraute Frau bräuchte. Dass sich der Don nicht für Frauen interessiert merkt auch zu ihrem Leidwesen die Haushälterin. Sie hofft auf Belebung des Hauses und verständigt die Mutter von Belisa (wundervoll dynamisch Anna Neckhames, Sopran), dass der Don an der jungen Frau interessiert sei. Don Perlimpin bekommt Besuch der Mutter, die ausstaffiert zur berechnenden raffinierten Hexenhaften, begeistert ist von der Idee und den Don noch weitereinfängt. Es kommt ab sofort einiges durcheinander im Leben des Perlimplim; das fing schon mit den Kobolden (flink huschend Idil Kutay, Ursula Hensges) an, die schelmisch mit seinen Büchern spielen, sie herumtragen und umlagern. Die Handlung geht mehr oder weniger prompt über zur Hochzeitsnacht, die genauso befremdlich ist wie die ganze Handlung. Der Don ist begeistert von Belisas Weiblichkeit (blonde Verführung Karolina Bengtsson, Sopran), ihren Reizen, er verliebt sich augenblicklich, aber ist handlungsunfähig, er kann, obwohl sich beide ihre Liebe bekunden, nicht mit ihr schlafen (hier taucht neben der schnörkeligen, runden kitschigen Umgebung – Bühnenbild von Christoph Fischer – ein weiterer Hinweis auf Homosexualität von Lorca auf). Was stattfindet ist ein verstecktes, verwirrendes Spiel unter dem Riesenlaken, das von den Kobolden ausgebreitet wird. Dorotheas Kirschbaums Inszenierung macht aus dem grotesken, unverständlichen Stück noch ein lebhaftes Treiben mit allerlei Schabernack.

v.l.n.r. Tänzer*innen sowie am Boden liegend
 Sebastian Geyer (Don Perlimplín)
Bildnachweis: Barbara Aumüller
Deutlich wird, dass es fünf Herren gewesen sein könnten, die bei ihr waren, denn fünf Pfiffe erschallen hintereinander und Don Perlímplin fand am Balkon wartend fünf abgelegte Hüte! Es wirkt so, als ob die fünf Freibeuter der Schlafzimmer dagewesen wären oder von ihm engagiert wurden und gleichzeitig Abspaltungen seines Begehrens darstellten. Auch von ihm arrangiert ist ein Liebesbrief von einem Galan mit roter Capa, der schon häufiger in der Nähe gesehen wurde. Rot flattert der Brief herein und entlarvt die Liebe Belisas zu diesem Jüngling. Perlimplin ist entsetzt, sie liebt nicht mehr ihn, sondern den Jüngling. Die Liebe bei Lorca ist hier auch deutlich rein ans Sexuelle geheftet. Der Don schwört Rache, zieht los und will den Jüngling umbringen. Er kehrt in der Kleidung des Jünglings mit roter Capa und verletzt zurück. Don Perlimplin hat sich selbst einen tödlichen Stich zugefügt und stirbt, während Belisa noch einmal beteuert, dass sie das nicht wollte und ihn, den Ehemann, liebt.

Sebastian Geyer (Don Perlimplín) und
 Karolina Bengtsson (Belisa)
Bildnachweis: Barbara Aumüller
Die Oper mit 12-Ton-Komposition verlangt hier schon Höchstleistungen von den Musikern, die das hervorragend schaffen unter der Leitung von Takeshi Moriuchi, sie ist auch hinsichtlich des Komponisten Wolfgang Fortner ein eigenwilliges Stück, zumal der Komponist sich komplett mit den Nazis arrangierte und als Mitläufer unterstützte und nach dem Krieg die musikalischen Gepflogenheiten der 50er und 60er aufgriff, obwohl er zuvor gegen „entartete Musik“ war. Er übte bei den Nazis wichtige öffentliche Ämter aus, und wurde nach dem Krieg wegen seines Engagements für moderne Musik berühmt. Paradoxe Anpassung.