In der Tradition von Simone de Beauvoirs "Zeremonie des Abschieds" oder Joan Didions "Das Jahr magischen Denkens" ist Tahar Ben Jellouns neuer Roman "Der Einschnitt" eines der seltenen Bücher, das auch die kleinen Katastrophen der Krankheit nicht verschweigt: die Nostalgie, das Ende der Liebe, den allmählichen Verfall. Eine wunderschöne Lektion in Sachen Leben.
Dieses Buch ist eine Provokation, und doch handelt es von etwas erschreckend Alltäglichem. Als bei Tahar Ben Jelloun Prostatakrebs diagnostiziert wurde, beschloss er, darüber zu schreiben. Ob ihm bewusst war, dass er damit an eines der letzten Tabus rührte? Anders als bei den "weiblichen" Krebsarten, die schon lange autobiografisch-literarisch verarbeitet werden, gab es noch keinen Schriftsteller von Rang, der über seine persönliche "Entmännlichung" berichtet hätte. Die Angst vor der Bloßstellung war groß genug, dass auch Ben Jelloun sich zunächst des alten Kniffs bediente, die Geschichte eines "Freundes" zu erzählen. Nur so schaffte er es, die Ängste und Schrecken, die mit diesem Krebs und seiner Behandlung verbunden sind, mit der nötigen Distanz zu schildern.
Schonungslos und dabei doch lyrisch, intim und zugleich überpersonell, berichtet Ben Jelloun von Demütigungen, Entscheidungen und Abschieden. Und dabei ist ihm noch etwas ganz anderes gelungen – nämlich eine Eloge an das Leben und die Liebe.
Der Roman erscheint am 09. November 2015 beim Berlin Verlag.
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