Ein Taxi fährt durch Teheran, filmt die Insassen sozusagen ungewollt durch eine nach innen gerichtete kleine Videokamera und konfrontiert mit Ansichten, Individuen und Schicksalen, als ob es in Teheran so gutgelaunt und normal zuginge wie in einer anderen islamischen Stadt. Aber wo geht es da noch normal zu?
Die Leute fliehen oder sind eingeschlossen in Syrien, Jemen, Libyen, Irak, wenden sich ab oder kämpfen in Afghanistan, gehen nach Jordanien, Libanon, Türkei oder ins europäische Ausland oder sterben wie es kommt. Kein Spur von dem restriktiven iranischen System, das bereits in einem religiösen Faschismus kulminierte. Unklare Verhältnisse mit Saudi-Arabien, Unterstützung von schiitischen Terrorgruppen und zu Hause die Scharia, Unterdrückung, Hinrichtungen, im Schutz der Atombombe usw.
Wir erleben eine persönliche, höfliche, humor- und liebevolle, aber auch verdeckt kritische Sichtweise. Ist das Taxi doch eine Enklave der Freiheit, bis es am Ende zu einem Einbruch und Diebstahl der Freiheit kommt.
Nichte Hana (c) Weltkino |
Der Regisseur und Hauptdarsteller des Films ist Jafar Panahi, ein Filmemacher, der im Iran Berufsverbot hat, und dennoch heimlich Filme drehte. "Taxi Teheran" ist der dritte Film, den Panahi unbemerkt produzierte und außer Landes brachte, nachdem die einheimischen Filmfestivals ihn nicht zeigten. Die anderen Filme waren "In Film Nist" (Dies ist kein Film, 2011) und "Pardé" (Closed Curtain, 2013).
Als Preisträger der Berlinale 2015 kann Panahi stolz sein, trotz aller Widrigkeiten Meriten für das iranische (teils dokumentarische) Kino zu sammeln.
Die Situation ist eine metaphorische.
Panahi spielt Panahi, Taxifahrer ohne Ortskenntnisse oder Erfahrung statt Filmemacher, es werden Hinrichtung mit einem Taschendieb (der Befürworter ist sozusagen ein ehrbarer Krimineller) und Freiheit mit einer verehrten und real existierenden Menschenrechtlerin (Nasrin Sotudeh, Jg. 1965, eine iranische Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin) diskutiert, mit seiner kleinen Nichte Wirklichkeit und Zensur, da sie in der Schule lernt, dass man Dinge, die hässlich und unerwünscht seien, nicht darstellen solle.
Filme als Raubkopien (auch Panahis Filme) vertreibt Omid, ein Liliputaner,
der von allem etwas hat.
(c) Weltkino |
Zwei alte Frauen mit ihrem Spleen, einmal im Jahr Goldfische an einem Brunnen auszutauschen, bringen ihn vom Weg ab, und weil sie ihre Geldbörse im Taxi vergessen, schließlich auch noch zum Abstellen des Taxis, das dann von Dieben heimgesucht wird.
Panahi (c) Weltkino |
Die Bedeutung von Filmaufnahmen bei der Darstellung von Leid (ein verunglückter Mopedfahrer mit Frau im Taxi), hier ein Dokument des mündlichen Testaments und Versorgungszusicherung für seine Frau durch seine Brüder, ist ein Schlüsselelement in der kaschierten Darstellung von Unterdrückung, Schmerz und Folter, die nicht festgehalten werden dürfen. Weil die Frau eine Kopie des Videos auf alle Fälle will, die Brüder wohl davon erfahren und die Versorgung nicht leisten wollen, kommt es am Ende des Films zu einem Diebstahl der Videokamera, die allerdings ohne Speicherkarte den Dieben nichts nützt. "Dann eben das nächste Mal", bemerkt einer der Diebe auf Motorrad, bevor sie verschwinden. Diese Szene ist humorvoll doppelt besetzt, es kann auch genausogut der Geheimdienst sein, der filmische Erzeugnisse auf seine Art sicherstellen will. Vergeblich.
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