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Dienstag, 6. Oktober 2009

Rheinland-pfälzische Künstler: Katrin-Maria Walter - Schmuck aus Idar-Oberstein

Auf dem St. Wendeler LebensArt-Markt 2009 für Sie von viereggtext entdeckt und von der Eigenwilligkeit in der Gestaltung fasziniert, bat ich die Künstlerin, etwas über Ihren Schmuck, vor allem über den hier gezeigten, zu schreiben. Hier ihre ausführliche Darstellung:

Begegnungen, Eindrücke und Spuren“
gefertigt aus Edelstahl, von Hand ausgesägt, gebogen, mattiert, ineinandergesteckt und schließlich verlasert
von Katrin Walter ( Goldschmiedemeisterin, staatl. gepr. Schmuckgestalterin )
Um etwas über meinen Körperschmuck zu schreiben, muss ich zunächst einmal über die Hintergründe, das vorherige Auseinandersetzen mit dem Thema sprechen. Denn ich möchte nicht nur etwas über dieses Schmuckstück schreiben, sondern es ist mir wichtig, allgemein etwas über das Gestalten von ungewöhnlichem, manchmal hintergründigem Schmuck - über all das, was an Überlegungen vorausgeht - dem Träger oder auch in diesem Fall dem Leser zu vermitteln.

(Alle Fotos: Katrin Walter)






Meine ungewöhnlichen Kreationen - und so auch dieser Körperschmuck - entstanden hauptsächlich während meiner Ausbildung zur Schmuckgestalterin auf der Zeichenakademie in Hanau. Hier wurde es mir zum ersten Mal bewusst, dass mein zukünftiges Schmuckschaffen etwas ganz Besonderes sein soll. Ich weigerte mich von nun an vehement dagegen, Schmuck zu kreieren, der sich nur wenig von anderen schon oft gesehenen Stücken oder gar der Massenware unterschied. Ich lernte, dass jeder Stein, jede Perle, jedes Material seine Bestimmung und seine Zugehörigkeit im Schmuck finden muss. Es muss einen Grund geben, warum die Dinge genau so und nicht anders zusammengestellt und verarbeitet werden. Sei dieser nun tiefgründiger Natur oder einfach, weil er logischen gestalterischen Gesetzen folgt. So entwickelte ich meine eigene Schmucksprache, einen eigenen Stil, mit dem ich die Träger ein wenig verzaubern möchte, denn schließlich tragen sie ja auch die kleinen, versteckten oder auch offenen Geschichten, Gedanken und Ideen mit sich oder besser an sich.
Nicht selten lässt sich ein Kunde dann dazu hinreißen, sein ganz persönliches Schmuckstück anfertigen zu lassen, in welchem dann s e i n e Gedanken, Ideen und Hintergründe eine Rolle spielen. Dann bin ich nur noch der Vermittler, Berater und Handwerker, der um die Umsetzung dieser Wünsche bemüht ist. Dann schlüpfe ich in die Rolle des Zuhörers und der Kunde in die des Geschichtenerzählers. Und schon macht der alltäglich, vielfach gesehene, immer gleich wirkende Schmuck dem individuellen Schmuckstück Platz, mit welchem der Träger sehr viel tiefere Emotionen verbinden und sich vor allem damit identifizieren und ausdrücken kann. Es spielt keine Rolle, aus welchem Material, welcher Farbe, welcher SchmuckArt es ist. Es geht um den ganz persönlichen Wert und dass das Schmuckstück in irgendeiner Weise das Herz oder das Wesen des Trägers berührt.

Nun zu der eigentlichen Schmuckgeschichte zu “Begegnungen, Eindrücke und Spuren”. Diese Arbeit erforderte sehr viel vorheriges Recherchieren über die Frage, was Begegnungen in meinem Leben, aber auch im Leben allgemein bedeuten. Über das Nachforschen, ob diese immer Hand in Hand mit Eindrücken gehen oder ob die notwendige Konsequenz immer Spuren sind, die in irgendeiner Weise hinterlassen werden. Schnell stolperte ich dabei über ein Zitat des Philosophen Martin Buber: “Alles wirkliche Leben ist Begegnung“.
Lange machte ich mir darüber Gedanken: Machen Begegnungen mein oder allgemein d a s Leben aus? Beeinflussen sie so stark, dass sie dem/ der Einzelnen eine andere Richtung geben können? Ihn oder sie lenken?
Zuerst versuchte ich persönlich mich ganz stark dagegen zu wehren, denn schließlich weiß ich doch, was ich will, bin kein kopfloses Ding, dass sich einfach so in eine Richtung drängen oder sich verbiegen lässt!
Aber schon schnell musste ich mir eingestehen, dass da doch etwas Wahres dran ist: Es gibt so viele Situationen, in denen ich vielleicht anders gehandelt hätte, wäre ich dem ein oder anderen nicht begegnet - mal war dies positiv, mal negativ.
Man verbindet so viele Emotionen mit Begegnungen, welcher Art auch immer. Allein die vielen unterschiedlichsten Bezeichnungen für so viele verschiedene Begegnungen erzählen schon davon: Da gibt es beispielsweise die stürmische Begegnung, die schicksalhafte, die flüchtige, die komische, die zufällige, die beiläufige, die tiefe, die intensive, die rührende, die traurige … und so könnte man beinahe endlos fortfahren. Da die Emotionen so eng verbunden sind mit Begegnungen, sind die Eindrücke, die man von einem Menschen, einem Zusammentreffen hat, auch sehr mannigfaltig und hängen unmittelbar mit diesen zusammen. Auch hier könnte man wieder unzählige auflisten: Ein flüchtiger Eindruck, ein gehetzter, ein ruhiger, ein tiefgründiger, ein lustiger, ein introvertierter, ein extrovertierter, ein liebevoller, ein liebenswerter, ein zerstreuter, ein schlauer, ein lebendiger, ein trauriger …
Aber nur wenige - und meiner Meinung nach sind dies die tiefen, engen Kontakte, die man aus intensiven Begegnungen knüpft - schaffen es, nachhaltige und tiefe Eindrücke und somit auch Spuren zu hinterlassen.
Sie begleiten uns in unserem Leben, mal eine Zeit lang, mal etwas länger ... und andere für immer. Wir verbinden damit Emotionen, wie Glück, Hoffnung, Leid, Angst, Sehnsucht, Liebe… und daraus besteht unser gesamtes Leben und wir lassen uns davon leiten und beeinflussen. Und das nicht zu einem unerheblichen Teil! Es stimmt also: “Alles wirkliche Leben ist Begegnung!“
Anders sieht dies aus bei flüchtigen Begegnungen. Begegnungen, die uns jeden Tag geschehen, uns aber nicht im Gedächtnis bleiben, uns also somit auch nicht beeinflussen oder in irgendeiner Weise Spuren hinterlassen.
Zahlenmäßig liegen diese deutlich über den tiefen Begegnungen, die uns nachhaltig verändern oder beeindrucken. Man stelle sich vor, wie vielen Menschen wir begegnen im Alltag, auf der Straße, im Großstadtgetümmel!
Von einigen nehmen wir zumindest etwas wahr - aber nur flüchtig eben. Die alte, zerbrechliche Frau gleich um die Ecke, die sich jeden Tag mit einem viel zu schweren Korb nach Hause schleppt, die resolute, gehetzte Frau vor der Kasse, die den überforderten Kassierer anhält, doch bitte schneller zu machen … Auch diese Begegnungen sind d a s  w i r k l i c h e  L e b e n. Selbst wenn sie uns nachhaltig nicht so sehr beeinflussen. Selbstverständlich gibt es auch hier sicher die ein oder andere Ausnahme: Der Kassierer wird sicherlich genervt sein, wenn er das nächste Mal dieser ihm noch vor wenigen Minuten unbekannten Dame begegnen wird, oder er wird sich für die Zukunft merken, dass er einen Zahn zulegen muss, um nicht noch einmal so angefahren zu werden… Von all diesen Zwischenmenschlichkeiten, dem Leben an sich - eben den Begegnungen, Eindrücken und Spuren erzählt mein Schmuck.

Zuerst zu der Art des Tragens:
Man trägt das Schmuckstück um den Hals am Körper - befestigt ihn mit Nadeln so, wie man es möchte. Denn schließlich begegnet man doch jeden Tag überall jemandem - oder gibt es ein Begegnungsorgan? Ist der Kopf dafür zuständig, das Herz, die Arme, Beine, die Hände oder Füße? Die Augen, der Mund, die Nase, die Ohren? Wahrscheinlich spielt alles irgendwie eine Rolle - also trage ich ihn am Körper: Irgendwo dort, wo ich meine, dass er zu mir passt!
Als Betrachter des Schmuckes schaut man zuerst in große hochglanzpolierte Edelstahlschälchen, die für mich symbolisch für den Spiegel der Seele, das “Ich“ (also den Träger des Schmuckes) stehen. Über diesen Schälchen kreuzen sich feine Drähte, die für die Wege stehen, die mal jemand betreten und sich vielleicht auch im Inneren der Seele “der Spiegelschale“ widergespiegelt hat (in der Vergangenheit). Oder diese betreten kann (... in der Zukunft). An anderen Stellen begegnen sich Menschen oder eine Silhouette “läuft“ den Weg entlang hinein ins Innere, bereit einen Eindruck zu hinterlassen und seine Spur widerzuspiegeln im Andern. Kleine und große Silhouetten stehen neben und übereinander, sie sind ganz verschiedenartig von mir gestaltet. Mal wirken sie groß, mal klein, mal zerbrechlich und zart, zerrissen, gespalten, ineinander untrennbar verflochten… Andere wirken stark auf den ersten Blick, sehen aber im Spiegel ganz anders aus: Der erste Eindruck täuscht … Die Silhouetten besitzen keine wieder erkennbaren oder personifizierten Mimiken oder Gestiken. Man könnte nie sagen, dass man den ein oder anderen darin von der Figur oder dem Aussehen erkennt.
Und trotzdem bin ich mir sicher, dass man sich als Betrachter an Personen erinnert, die ihm so im Leben begegnet sind, den Weg zu ihrem Inneren gefunden und dort Eindrücke und Spuren hinterlassen haben.
Und immer wieder spiegelt man sich als Betrachter in den “Schälchen“. Vorbeigehende Menschen tauchen im Schmuck auf und verschwinden wieder, spielen für eine Zeit lang eine Rolle und verändern den Schmuck ständig. Zusammen mit den Silhouetten entsteht ein ganz individueller Schmuck. Der Schmuck bewegt sich und lebt mit und in der Begegnung … und er erfüllt somit für mich die Aufgabe, eine kleine Geschichte, Gedanken oder auch eine Idee zu transportieren.
Katrin Walter


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