Im Monat Februar heißt die Gewinnerin des Schreibwettbewerbs Barbara Franke aus Zweibrücken mit dem folgenden Prosatext: Wind-Böen
Wind-Böen
Ich hasse ihn, diesen unbeherrschten Wind, der sich gehen lässt, sich austobt, mir den Regen ins Gesicht peitscht.
Den Marktplatz hat er fast leergefegt. Die wenigen Gemüsestände stemmen sich seinen Attacken entgegen. Die Planen flattern aufgeregt.
Die alte Marktfrau kann die Seitenwand ihres kleinen Stands nicht sichern. Der Wind reißt sie weg, treibt sie übers Kopfsteinpflaster einem Mann vor die Füße, der gerade damit beschäftigt ist, seinen umgeschlagenen Schirm wieder zu richten. So ist er einen Moment ungeschützt. Der Wind nutzt es aus, greift unter seinen Hut, jagt ihn quer über die Fahrbahn, bis ihn der Rinnstein aufhält. Am Busbahnhof muss man Wasserfontänen der anfahrenden Busse ausweichen.
Ich zurre meinen Schal fester um die zerwehten Haare und weiche der Coladose aus, die klackernd über den Gehweg hüpft.
Wie vor mich hingeweht, eine junge Mutter mit zwei Kindern, atemlos.
„Der Bus nach Homburg – schon weg?“ Ich schüttle den Kopf. Doch statt Erleichterung ein Donnerwetter, das sich über den Kindern entlädt. „Er hätte weg sein können, wegen eurer Trödelei.“
Große dunkle Kinderaugen angstvoll auf sie gerichtet, doch sie lässt sich nicht beschwichtigen. „Was geht mich euer Papa an. Der soll sich an die Besuchstage halten, statt euch aufzulauern in der Stadt. Hat ja nichts Besseres zu tun. Ich kann mir die Trödelei nicht leisten, muss arbeiten – für euch. Nächstens lass ich euch einfach stehen bei eurem tollen Papa, fahr allein heim. Dann sollt ihr mal sehen, wo ihr bleibt, ihr verdammten Trödler.“
Der Junge, etwas älter als das Mädchen, etwa fünf, fixiert seine Mutter ruhig, schuldbewusst. Seine Augen füllen sich langsam mit Tränen. Das Mädchen, höchstens drei, starrt mit leerem Blick vor sich hin, steht wie versteinert.
Ausgeliefert beide, ausgeliefert mütterlichen Wortfetzen, die der Wind ihnen um die Ohren schlägt. „Werd euch die Faxen gleich austreiben, wartet nur, bis wir daheim sind. Ich werd euch zeigen, wo’s lang geht.“
Reglos harren die beiden aus, ganz in sich selbst verkrochen, während die junge Frau langsam die Fassung gewinnt, Herr wird über ihre verzerrten Gesichtszüge.
Eigentlich ist sie schön. Dunkles, halblanges Haar, wie die Kinder dunkle Augen hinter dichten Wimpern, ebenmäßiger Teint, ein zart geschnittenes Gesicht.
Der erlösende Bus.
Unwirsch schiebt sie die Kinder vor sich her. Schweigend nehmen sie Platz in einem „Vierer“. Ohne Blickkontakt miteinander.
Die Windböen können ihnen nichts mehr anhaben, doch die kleinen Gesichter entspannen sich nicht, sind sich des nächsten Sturmes sicher. Ich hasse ihn, diesen Wind.
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