DAS MÄRCHEN VON DER SCHÖNEN METE
Wer ist so schön wie das schöne Metelein?
Es neigen sich vor ihr Blumen am Rain.
Alle Mädchen im Land haben Haar wie reifes Stroh,
doch der schönen Mete Haupt brennt wie Flammen lichterloh.
Es sprach des Schulzen Sohn: "Wer lacht den ganzen Tag
viel süßer als die weißen Tauben im Schlag?
Ich hab manch Garn gelegt, heimlich im Frührotschein,
heut will ich fangen das schönste Vögelein!
Ich fang es nicht mit Schlingen und mit Ruten ein,
ich fang es mit einem goldroten Ringelein."
Und als die schöne Mete zur Bleiche ging,
auf ihren weißen Finger streift er den goldnen Ring.
Er herzte und er hielt sie in seinem Arm.
Da sprach die schöne Mete: "Das Gott erbarm!
Als euer Tor gebaut, beim letzten Hammerschlag
ein klein nackt Kind auf des Schulzen Diele lag.
Du bist sein Sohn und Erbe, ich bin ein Findelkind, -
nimm du dein goldnes Ringlein zurück geschwind!"
Ich wiegte dich und trug dich, als ich ein Junge war,
strählte mit ungefügen Fingern dein wirres Haar,
Und würde deine Mutter eine Hexe sein,
du wunderschöne Mete, dich nur will ich frein!"
Als die schöne Mete ihr Kind zur Taufe trug,
der Großknecht am Tore die Maien anschlug.
Da flogen die Späne, vom Astloch flog der Keil.
da schrie die schöne Mete, als träfe sie ein Pfeil.
Sie sank in die Knie, sie raufte ihr Haar.
Man nahm ihr das Kind, sie ward es kaum gewahr.
Sie hielt am Ohre lauschend die weiße Hand,
sie sprach: "Wie läuten die Glocken süß im Elfenland!
Und wenn ich jetzt noch eine Jungfrau wär,
so käme ein schneeweißes Roß daher.
Und trüg ich keinen Ring und hätt ich keinen Mann,
so spräng ich in den Sattel und ritte von dann.
Und hätt ich kein Kind, das nächstens nach mir weint,
dann jagt ich mit den Wolken, wenn der Vollmond scheint.
O weh mir, daß ich eines Menschen Liebste war,
o weh mir, daß ich ihm ein Kind gebar!
Der Bann ist gebrochen, nun kommen sie all,
schon hör ich der silbernen Schall.
Sie reiten und sie singen in ewiger Fröhlichkeit,
sie kennen keine Liebe, sie kennen kein Leid.
Ich arme Mete, was soll ich tun?
Nun kann ich nirgends mehr rasten und ruhn.
Es ist mein Tod, muß ich von euch gehn,
und hab doch meiner Schwestern grünfunkelnde Augen gesehn!
Sie hob sich von den Knien, sie schritt zum Tor.
Da schob ihr Mann den Riegel davor.
Er hielt sie in den Armen, sie wehrte sich und schrie,
zu einer brennenden Garbe wurde sie.
Er sprach: "Ich laß dich nimmer, wie schrecklich du auch bist.
Nun lerne, weiße Elfin, was Liebe ist!"
Er hielt das wilde Feuer, das brannte ihn heiß.
Das Feuer ward zu Wasser, das Wasser ward zu Eis.
Er hielt die Todeskalte, er ließ sie nicht los.
Da ward sie zur Schlange, bunt und riesengroß.
Und als er sie zwang, die sich um ihn wand,
die wunderschöne Mete wieder vor ihm stand.
Da huben die Glocken im Dorf zu läuten an.
Die schöne Mete sprach: "Wo ist mein liebster Mann?
Wo ist mein kleines Kindlein? Mir träumte wirr und schwer,
daß ich ferne von euch im Elend wär."
Sie traten vor das Tor, sie schritten Hand in Hand.
Sprach Mete:
"Wie läuten die Glocken lieblich im Heimatland!"
Wer ist so schön wie das schöne Metelein?
Es neigen sich vor ihr Blumen am Rain.
Alle Mädchen im Land haben Haar wie reifes Stroh,
doch der schönen Mete Haupt brennt wie Flammen lichterloh.
Es sprach des Schulzen Sohn: "Wer lacht den ganzen Tag
viel süßer als die weißen Tauben im Schlag?
Ich hab manch Garn gelegt, heimlich im Frührotschein,
heut will ich fangen das schönste Vögelein!
Ich fang es nicht mit Schlingen und mit Ruten ein,
ich fang es mit einem goldroten Ringelein."
Und als die schöne Mete zur Bleiche ging,
auf ihren weißen Finger streift er den goldnen Ring.
Er herzte und er hielt sie in seinem Arm.
Da sprach die schöne Mete: "Das Gott erbarm!
Als euer Tor gebaut, beim letzten Hammerschlag
ein klein nackt Kind auf des Schulzen Diele lag.
Du bist sein Sohn und Erbe, ich bin ein Findelkind, -
nimm du dein goldnes Ringlein zurück geschwind!"
Ich wiegte dich und trug dich, als ich ein Junge war,
strählte mit ungefügen Fingern dein wirres Haar,
Und würde deine Mutter eine Hexe sein,
du wunderschöne Mete, dich nur will ich frein!"
Als die schöne Mete ihr Kind zur Taufe trug,
der Großknecht am Tore die Maien anschlug.
Da flogen die Späne, vom Astloch flog der Keil.
da schrie die schöne Mete, als träfe sie ein Pfeil.
Sie sank in die Knie, sie raufte ihr Haar.
Man nahm ihr das Kind, sie ward es kaum gewahr.
Sie hielt am Ohre lauschend die weiße Hand,
sie sprach: "Wie läuten die Glocken süß im Elfenland!
Und wenn ich jetzt noch eine Jungfrau wär,
so käme ein schneeweißes Roß daher.
Und trüg ich keinen Ring und hätt ich keinen Mann,
so spräng ich in den Sattel und ritte von dann.
Und hätt ich kein Kind, das nächstens nach mir weint,
dann jagt ich mit den Wolken, wenn der Vollmond scheint.
O weh mir, daß ich eines Menschen Liebste war,
o weh mir, daß ich ihm ein Kind gebar!
Der Bann ist gebrochen, nun kommen sie all,
schon hör ich der silbernen Schall.
Sie reiten und sie singen in ewiger Fröhlichkeit,
sie kennen keine Liebe, sie kennen kein Leid.
Ich arme Mete, was soll ich tun?
Nun kann ich nirgends mehr rasten und ruhn.
Es ist mein Tod, muß ich von euch gehn,
und hab doch meiner Schwestern grünfunkelnde Augen gesehn!
Sie hob sich von den Knien, sie schritt zum Tor.
Da schob ihr Mann den Riegel davor.
Er hielt sie in den Armen, sie wehrte sich und schrie,
zu einer brennenden Garbe wurde sie.
Er sprach: "Ich laß dich nimmer, wie schrecklich du auch bist.
Nun lerne, weiße Elfin, was Liebe ist!"
Er hielt das wilde Feuer, das brannte ihn heiß.
Das Feuer ward zu Wasser, das Wasser ward zu Eis.
Er hielt die Todeskalte, er ließ sie nicht los.
Da ward sie zur Schlange, bunt und riesengroß.
Und als er sie zwang, die sich um ihn wand,
die wunderschöne Mete wieder vor ihm stand.
Da huben die Glocken im Dorf zu läuten an.
Die schöne Mete sprach: "Wo ist mein liebster Mann?
Wo ist mein kleines Kindlein? Mir träumte wirr und schwer,
daß ich ferne von euch im Elend wär."
Sie traten vor das Tor, sie schritten Hand in Hand.
Sprach Mete:
"Wie läuten die Glocken lieblich im Heimatland!"
Agnes Miegel (* 9. März 1879 in Königsberg; † 26. Oktober 1964 in Bad Salzuflen) war eine deutsche Schriftstellerin, Journalistin und Balladendichterin aus dem heimatlich-christlichen, national-romantischen Bereich. Sie ist eine politisch und historisch sehr umstrittene und bedenkliche Dichterin. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki nahm 2005 dennoch drei ihrer Balladen in den fünften Teil seiner Anthologie "Der Kanon" unter der Rubrik "Die deutsche Literatur. Gedichte" auf: "Die Schwester", "Die Nibelungen" und "Die Frauen von Nidden". Letztere Ballade taucht bis dato noch vereinzelt in Schulbüchern auf. Sie beschreibt darin den Untergang des Dorfes Nidden in Ostpreußen (heute Nida in Litauen) bei einer Pestepidemie.
Die Rezeption ihrer ostpreußischen Heimatlyrik verlieh ihr den Titel „Mutter Ostpreußens“. Ihre ungebremste Begeisterung für Hitler (sie gehörte zu den 88 deutschen Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten, NSDAP-Mitglied) und fehlende Distanznahme zum nationalsozialistischem Inferno nach 45 machten sie nach dem Krieg zur "auszusondernden" Schriftstellerin in der sowjetischen Besatzungszone und bei uns zur umstrittenen, aber immer noch teilweise geschätzten Autorin.
Im Februar 1945 flüchtete sie vor der herannahenden Roten Armee aus Ostpreußen nach Dänemark, fand dann Aufnahme in der Britischen Besatzungszone im Schloss Apelern bei der Familie von Münchhausen. Der 1945 verstorbene Schriftsteller Börries Freiherr von Münchhausen war zu Beginn ihrer Karriere einer ihrer Förderer in einem neo-romantischen Literaturzirkel gewesen. 1948 zog sie nach Bad Nenndorf und wirkte dort bis zu ihrem Lebensende.
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