SV Verlag

SV Verlag mit Handy oder Tablet entdecken!
Die neue Generation der platzsparenden Bücher - klein, stark, leicht und fast unsichtbar! E-Books bei viereggtext! Wollen Sie Anspruchsvolles veröffentlichen oder suchen Sie Lesegenuss für zu Hause oder unterwegs? Verfolgen Sie mein Programm im SV Verlag, Sie werden immer etwas Passendes entdecken ... Weitere Informationen

.

.
Dichterhain, Bände 1 bis 4

.

.
Dichterhain, Bände 5 bis 8

Übersetze/Translate/Traduis/Tradurre/Traducir/переводить/çevirmek

Samstag, 12. August 2017

Biennale für aktuelle Fotografie 9/9 - 5/11/17 in Mannheim: Preview Kunstverein Heidelberg


belit sağ 
my camera seems to recognize people

Drei Fragen an belit sağ

F Kannst du uns etwas über die Motivation hinter my camera seems to recognize people erzählen?

A Eine meiner Hauptfragen ist, wie ich mich als Videomacherin in Situationen wie Krieg und Konflikt und mit den Bildern aus diesen Konflikten verorte. Vor allem dann, wenn auch andere Menschen in meinen Videos zu sehen sind. Das ist eine ethische Frage, der ich mich von einer rein menschlichen Perspektive und mittels ganz einfacher Fragestellungen nähern möchte. Als jemand mit einem video-aktivistischen Hintergrund, der nun einer künstlerischen Tätigkeit nachgeht, bewege ich mich weiterhin in der Grauzone zwischen diesen beiden Ausrichtungen: Immer und immer wieder versuche ich mich zwischen diesen Feldern zu positionieren, je ein Standbein in beiden, ohne eine präskriptive oder zentrale Rolle zu spielen. Die Kunst hilft mir über Bilder zu reflektieren, während mein video-aktivistischer und politisch motivierter Hintergrund mich dazu drängt, meine Arbeit abzugrenzen und mich selbst festzulegen. Seit 2014 reflektiert meine Arbeit diverse Kernproblematiken, wie zum Beispiel die Rolle der Kamera, die Rolle von Bildern und deren Gebrauchsweisen, die Beschaffenheit von aktivistischen Bildern und die Schwierigkeit Bildern gegenüber eine offene, ehrliche und transparente Einstellung zu haben und sich gleichzeitig des manipulativen Charakters - des manipulativen Potenzials von Herausgeberschaft, Kontextualisierung und dergleichen - bewusst zu sein. Zunehmend legt meine Arbeit ihren eigenen Prozess und vor allem ihre Beziehung zu ihren Themenfeldern offen und versucht Konflikte mit Hilfe ihres Bildmaterials zu erhellen. Ich habe erkannt, dass ich keine Bilder machen kann ohne über die Beziehungen zu sprechen, die sich um die Kamera herum darstellen; ich kann diese Beziehungen nicht als selbstverständlich erachten.

F Paradoxerweise ist das Thema Abwesenheit sehr präsent in diesem Video. Du schreibst über die Erfindung der 0 als eine Methode um Abwesenheit zu ergründen oder zu verdeutlichen. Kannst du das genauer beschreiben? Hängt es mit den Grenzen der Darstellung und der gespenstischen Abwesenheit zusammen, die in ihrer eigenen Beschaffenheit schon sehr präsent zu sein scheint?

A In den ersten beiden Aufnahmen von my camera seems to recognize people filme ich ein Standbild und stelle Fragen in Bezug auf den Tod: Was lösen Bilder im Falle solchen Leids und solcher Abwesenheit aus? Was bedeutet es, solche gravierenden Probleme zu filmen? Wie geht man mit diesen mittels Bildern aufgezeigten Kernproblematiken und der Selbstreferenzialität solcher Bilder um? Bilder von Verstorbenen, von denen, die ihre Liebsten verlieren mussten und von jenen, die überleben konnten. In der ersten Aufnahme wurden 2015, nach den Anschlägen seitens der türkischen Streitmacht, unbewegte Bilder von Toten, während einer Beerdigungszeremonie in der kurdischen Dorfgemeinde Cizre aufgenommen. In der zweiten Aufnahme sieht man das Standbild einer Witwe eines anarchistischen Aktivisten, der 2015 bei einem Bombenanschlag während einer Friedensparade in Ankara ums Leben kam. Dieses Bild ist gleichermaßen scharf und auch unscharf eingestellt. Die dritte Aufnahme beinhaltet gar keine Standbilder. Sie zeigt ein kleines Mädchen, was auf die Kamera zukommt, um ihre Wunden zu zeigen; sie erkennt die Kamera und hat den Anspruch an die Kamera, ihre Wunde wahrzunehmen. Ihre Mutter aber unterbricht den Moment und macht sich über das Mädchen lustig: „Wir haben deinen Kratzer jetzt lange genug gesehen.“ Sie zerstört den Moment, in dem die Opferfigur von der Kamera personalisiert wird. Am besten sieht man solche Momente mit Humor. Ich liebe diesen Moment. Alle drei Aufnahmen spiegeln die Themen Präsenz und Abwesenheit. Alle drei verweisen auf einen gewissen offenbarenden Prozess.

F Viele deiner Arbeiten scheinen viel eher die Gewalt der Darstellung als die Darstellung der Gewalt zu thematisieren. Als Künstlerin und Filmproduzentin beschäftigst du dich nichtsdestotrotz in erster Linie mit Bildern und somit mit verschiedenen Darstellungsformen. Wie näherst du dich dieser Herausforderung?

A Obwohl ich mich in meiner Arbeit mit der Enthüllung brutaler Bilder auseinandersetze, interessiere ich mich in gleicher Weise sehr für die Ausdehnung der Begrifflichkeit von Gewalt, genauso wie ich nicht nur über die Gewalt der Darstellung, sondern auch über die Frage, wie dieses Moment bewältigt werden kann, nachdenke. Ulus Baker sagte dazu einmal etwa Folgendes: Du kannst auf ein Bild nur mit einem weiteren Bild antworten. Ich nehme mich dieser Herausforderung an, obwohl es ein Spiel ist, das man nur verlieren kann, da es definitiv dieses eine richtige Bild gar nicht gibt. Ich denke zwar nicht, dass es so funktioniert, aber ich erachte es für extrem wichtig eine Sprache, beziehungsweise Sprachen, zu finden, visuell und verbal, um diese Problematiken anzusprechen. Aus diesem Grund werde ich nicht aufhören, über diese Kernprobleme zu sprechen und Bilder zu machen, weil ich finde, dass es sehr wichtig ist, diese beiden Seiten so eng wie möglich zu verknüpfen. Das sind zwar keine grundlegend neuen Gedanken, aber ich bin trotzdem der Ansicht, dass sie auch gegenwärtig immer noch von außerordentlicher Relevanz sind.

my camera seems to recognize people ist Teil der Ausstellung

Resisting Images
Wie behauptet sich Widerstand – mit Bildern und gegen sie?

Heidelberger Kunstverein

Merle Kröger und Philip Scheffner, Havarie, 2016, Projektion, 93 min, Farbe, Ton, © pong film GmbH / Merle Kröger and Philip Scheffner, Havarie, 2016, 93 min, coulour, sound, © pong film GmbH
Widerständige Bilder untersucht die kontroverse Präsenz des fotografischen Bildes in der politischen Sphäre. Wie es der Titel dieser Sektion bereits nahelegt, dienen Bilder sowohl als Mittel des Widerstands als auch als Instrument ebenjener Kontrolle, gegen die Widerstand geleistet wird. Fotografien können Sympathie oder Empörung auslösen, zum Handeln und zur Revolte anstiften. Gleichzeitig können sie Vorurteile bestärken und den Betrachter regunglos, distanziert und passiv zurücklassen. Die Kunstwerke und Artefakte der Ausstellung adressieren diese Spannung, indem sie vorherrschende Formen der Repräsentation hinterfragen und Methoden politischer Opposition formulieren, mit und gegen Bilder.




Three questions to belit sağ

Q Can you tell us a bit about the situation which brought about my camera seems to recognize people?

A I guess one of my main questions is about how I, as a video-maker, position myself in situations like war and conflict, with images of those conflicts, particularly when other people are present in my videos. This is an ethical question, and I want to approach it from a purely human perspective with simple questions. As someone with a video-activist background who now has an art practice, I keep going in-between these two practices, try and try again to situate myself in between those fields, one foot in each of them, without either having a defining or central role. Art helps me reflect on images, while my background in video-activism and political engagement pushes me to define my practice and position myself. Since 2014 my work is very much reflecting on several issues including the role of the camera, the role of images and how they are used, the nature of activist images, and whether it is possible to be open, honest and transparent with images while being aware of their manipulative nature – the manipulative nature of editing, framing etc. My practice is increasingly a practice that reveals its own processes and especially its relationship to its subjects, and attempts to make sense of conflicts through their images. I realized that I can’t make images without talking about these relationships that form around the camera, I can’t take these relationships for granted.

Q Somewhat paradoxically, absence is very present in this video. You write about the invention of 0 as a way of accounting for, or representing, absence. Could you expand about this? Is it related to the limits of representation, and to the haunting absence – in itself a sort of presence – of violence in your images? 

A In the first two screens of my camera seems to recognize people, I'm filming still images and asking questions around death: what images do in case of such pain and absence, what does it mean to film such grave issues, and how does one talk about these issue through images? The video takes images of dead people, images of people who lost their loved ones, and images of people who survived. In the first section still images of dead people are recorded in a room during  a funeral in Cizre, a Kurdish village, after attacks by Turkish Security Forces in 2015. In the second part we see the still image of the widow of an anarchist who was killed in a bomb attack in Ankara during a peace march in 2015. That  image goes in and out of focus. The third part doesn't include any still images, it shows a little girl who approached the camera and revealed her scar. She recognized the camera and asked the camera to recognize her scar. Her mother interrupts this moment and makes fun of the girl, 'we have seen your scar long enough', she disrupts the moment where the victim figure is created in front of the camera. Humour is the best way to address such moments. I love that moment. All three reflect upon presence and absence. All three are talking about a certain revealing process.

Q Much of your work seems to deal with the violence of representation, rather than the representation of violence. But as an artist and filmmaker, you deal nonetheless primarily with images, and with modes of representation. How do you approach this challenge?

A Even though my practice deals with our exposure to violent images, at the same time it is very much interested in expanding the definition of violence, and also thinking not only about the violence of representation but also how that can be challenged. Ulus Baker once said something like: you can counter an image only with an image. I'm taking that challenge, and it is a failing game, there is definitely no such thing as the right image, I don't think it works like that, but I find it extremely important to find language/s – visual and verbal – to talk about these issues. So, I'll keep talking about these issues and also keep making images, I think it is very important to keep these two close to one another. These are not entirely new thoughts, but I think they are still extremely relevant at this moment.


my camera seems to recognize people is part of the exhibition

Resisting Images
How to resist, with and against, images?
Heidelberger Kunstverein

Resisting Images explores the contentious presence of the photographic image within the political sphere. As the title of this section suggests, images can serve both as a means of resistance and a mode of control to resist against. Photographs can elicit sympathy and indignation and stir into action and revolt, but they can also affirm prejudice and render viewers immutable, distant and passive. The artworks and artefacts in the exhibition address this tension, questioning prevalent forms of political representation and articulating modes of opposition, with and against images.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen