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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Sonntag, 20. November 2011

Heimwärts

von Tomas Tranströmer (Literaturnobelpreisträger 2011)

Ein Telephongespräch lief in die Nacht aus 
und glitzerte im Land und in den Vorstädten.
Danach schlief ich unruhig im Hotelbett.
Ich ähnelte der Nadel eines Kompasses, 
den der Orientierungsläufer mit pochendem Herzen 
durch den Wald trägt.


(Wer hat noch ein weiteres Gedicht zur Verfügung? 
Bitte zitieren und in die Kommentare setzen.)

Samstag, 20. August 2011

Buchbesprechung: Wintermalerei

Harald Hartung
Wintermalerei

Gedichte
Göttingen 2010, 80 S., geb., Schutzumschlag
16 € (D), Wallstein Verlag

In seinem neuesten Gedichtband hat Harald Hartung 55 Gedichte in fünf Abschnitten angeordnet. In ihnen sind Alter und Erinnerung die zentralen Themen. Doch Hartung ist nie sentimental oder gar verbittert: Auch in diesen neuen Gedichten blitzt immer wieder der verschmitzte Humor des großen Dichters hervor.



Er und sein Schatten

Alter Mann: dein Schatten hat geringe
Mühe dir zu folgen wo du gehst
Du sprichst immer noch von Ausdruckszwang
Er verspottet deinen schiefen Gang
Du sprichst von Krawatte er von Schlinge
und von Leben nur weil du darauf bestehst


»Hartung ist ein Meister der präzisen Aussparung. Zu seinem lyrischen Realismus gehören Schärfe, Lakonie und ein trockener Humor, der das Pathos ermöglicht, indem er es zurück­nimmt ... So rätselhaft und so einfach sind die Gedichte, wunderbar, abgründig, so ratlos und klug.« (Heinrich Detering, Frankfurter Allgemeine Zeitung)


Der Autor
Harald Hartung, geb. 1932 im westfälischen Herne, Lyriker, Kritiker und Essayist in Berlin. Er erhielt zahlreiche Preise: u.a. Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis (1989), den Premio Ruffino-Attico Fattore (1998), den Preis der Frankfurter Anthologie (2004), den Würth-Preis für Europäische Literatur (2004) und den Johann-Heinrich-Merck-Preis (2009).

Mittwoch, 11. Mai 2011

Liebesgedichte von Erich Fried: Nachtlied

Nachtlied  

Auf deine Brüste zwei Sterne
auf deine Augen zwei Küsse
in der Nacht
unter dem gleichgültigen Himmel

Auf deine Augen zwei Sterne
auf deine Brüste zwei Küsse
in der Nacht
unter den mundlosen Wolken

Unsere Küsse
und unsere Sterne müssen
wir selbst einander geben
unter wetterwendischen Himmeln

oder in einem Zimmer
eines Hauses das steht
vielleicht in einem Land
in dem wir uns wehren müssen

Doch in den Atempausen
dieses Sichwehrens
Brüste und Augen für uns
Himmel und Sterne und Küsse.



Erich Fried
[(* 6. Mai 1921 in Wien; † 22. November 1988 in Baden-Baden) war ein österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist. der vor allem auch durch seine engagierte politische Stellungnahme auffiel. Fried war in der Nachkriegszeit ein Hauptvertreter der politischen Lyrik in Deutschland. Gleichzeitig gilt er vielen als bedeutender Shakespeare-Übersetzer, dem es als erstem gelungen ist, die Sprachspiele des englischen Dramatikers ins Deutsche zu übertragen. Er übersetzte außerdem u. a. T. S. Eliot, Dylan Thomas, Graham Greene, Sylvia Plath und John Synge. Zudem verfasste Fried einen Roman (Ein Soldat und ein Mädchen, 1960) und Kurzprosa.]

Mittwoch, 20. April 2011

Ankes Fundstücke - Liebesgedichte von Erich Fried: Dich

Dich

Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du dort wirklich bist

Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter

Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich liebhaben
so wie du wirklich bist.


Erich Fried
[(* 6. Mai 1921 in Wien; † 22. November 1988 in Baden-Baden) war ein österreichischer Lyriker, Übersetzer und Essayist. der vor allem auch durch seine engagierte politische Stellungnahme auffiel. Fried war in der Nachkriegszeit ein Hauptvertreter der politischen Lyrik in Deutschland. Gleichzeitig gilt er vielen als bedeutender Shakespeare-Übersetzer, dem es als erstem gelungen ist, die Sprachspiele des englischen Dramatikers ins Deutsche zu übertragen. Er übersetzte außerdem u. a. T. S. Eliot, Dylan Thomas, Graham Greene, Sylvia Plath und John Synge. Zudem verfasste Fried einen Roman (Ein Soldat und ein Mädchen, 1960) und Kurzprosa.]

Samstag, 16. April 2011

Lichtspiel im April

APRIL

Tage wie Vögel und locker wie junges Haar.
Auf den Stufen hüpft Regen und malt seine flüchtigen Zeichen.
Er spielt mit der Sonne. Bald wird sie dein Fenster erreichen
und steigt dir ins Zimmer, das lange voll Schatten war.


Unbekannter Künstler
(gefunden von Anke)


Christine Busta [(* 23. April 1915 in Wien; † 3. Dezember 1987 ebenda) war eine österreichische Lyrikerin, die keine leichte Kindheit hatte und in der Weltwirtschaftskrise ihrer Mutter durch Nachhilfestunden half, die vaterlose Familie zu ernähren. Das Leben stand schon früh im Zeichen eines harten Existenzkampfes und materieller Not. Die Autorin machte 1933 ihr Abitur, studierte Anglistik und Germanistik an der Universität Wien, bis gesundheitliche und finanzielle Probleme sie zum Aufgeben zwangen. Sie jobbte als Hilfslehrerin an der Handelsakademie in Wien, heiratete den Musiker Maximilian Dimt, der nach zwei Jahren Ehe im Krieg vermisst zurückblieb. Nach dem Krieg arbeitete sie als Dolmetscherin sowie als Leiterin eines Hotels für englische Besatzungsmitglieder. In dieser Zeit begann ihr schriftstellerisches Auftreten, sie wurde Bibliothekarin  und veröffentlichte kontinuierlich Gedichtbände und Kinderbücher ("Die Sternenmühle", "Die Zauberin Frau Zappelzeh").

"Wer die Entwicklung ihres lyrischen Stils chronologisch betrachtet, entdeckt einen fortgesetzten Wandel von melodiösem Ton, Reim und Metrum hin zu freieren, aphoristischeren Formen. Dennoch sind alle Themen ihres Werkes bereits im Band „Der Regenbaum“ enthalten, ebenso wie viele der immer wiederkehrenden Bilder, die sich durch ihr ganzes Werk ziehen: Bienen, Schnee, Mohn, Bäume, die Hündlein, das Brot, die Sterne, die Sonnenblume und vieles andere.
Kritiker warfen ihr zu Lebzeiten vor, sie rede einer „heilen Welt“ das Wort. Dieses Urteil kann nur fällen, wer ihr Werk nur sehr oberflächlich kennt. Statt es umständlich zu widerlegen, sei lieber auf ein Gedicht aus dem Band „Der Himmel im Kastanienbaum“ verwiesen, in dem sie selber darauf antwortet („Erklärung gegen ein Missverständnis“, S. 19)."
 http://de.wikipedia.org/wiki/Christine_Busta]

Halt mal inne: Das Lächeln

Ein Lächeln

Ein Lächeln kostet nichts und gibt viel.
Es macht den reich, der es empfängt und macht den nicht arm, der es gibt.
Es währet nur einen Augenblick, aber sein Nachhall kann ewig sein.

Niemand ist so reich, dass er es gering achten dürfte,
niemand ist so arm, dass er nicht davon geben könnte.
Es schafft das Glück zu Hause, die Stärke bei den Geschäften und das Gefühl für den Nächsten.
Ein Lächeln gibt Entspannung bei Müdigkeit und bei Erschöpfung gibt es neuen Mut.
Es ist Trost in der Traurigkeit und es gibt Heilung bei jedem Schmerz.

Wie gut, dass man es nicht kaufen oder stehlen kann,
denn es hat seinen Wert nur dann, wenn man es verschenkt.
Und wenn du eine Stunde erlebst, die dir das erwartete Lächeln versagt,
sei nachsichtig und gib das Deine:
denn niemand braucht ein Lächeln so sehr wie derjenige,
der es anderen nicht zu geben weiß.
                                                                                        anonym             (gefunden von Anke)

Samstag, 12. März 2011

Konzertplaner: Nik Bärtsch's Ronin auf Tour in 2011

Nik Bärtsch\'s Ronin bei viereggtext

2011 Mar 30        Mittelburg        Schuttershof Theater        Netherlands
2011 Mar 31        Eindhoven        Festival        Netherlands
2011 Apr 01        Rotterdam        Lantaren/Venster        Netherlands
2011 Apr 02        Amsterdam        Festival        Netherlands
2011 Apr 27        Dudelange        Op der schmelz        Luxembourg
2011 May 06        Fribourg        La Spirale        Switzerland
2011 May 20        Salzburg        Jazz´it        Austria
2011 May 27        Hamburg        Elbjazz        Germany
2011 Jul 02        Salzau        Jazz Baltica        Germany
2011 Nov 13        Bern        bee-flat. www.bee-flat.ch        Switzerland

Freitag, 14. Januar 2011

Experimentelle Musik: Nik Bärtsch's Ronin

Nik Bärtsch's Ronin: Llyria
CD und LP 180 g, ECM

"Llyria" ist das dritte ECM-Album von Nik Bärtsch's Ronin, anknüpfend an ebenfalls abhebende Klänge auf "Stoa" (2005) und etabliertem Sound auf  "Holon" (2008). Als "Holon" herauskam, verglich Komponist und Pianist Bärtsch den Geist im Zusammenspiel innerhalb seiner einzigartigen Schweizer Gruppe mit einem Schwarm Fische, der sich in blitzschnellen Richtungswechseln um ein Korallenriff bewegt. Der Titel seines neuen Albums ist eine weitere Meeres-Metapher. 

Die Llyria ist ein kürzlich entdeckter leuchtender Bewohner der Tiefe, eine Kreatur so seltsam, dass Biologen unsicher mit der Klassifikation sind. Aber tief unten am Meeresgrund, wo der Druck immens ist, leuchtet sie stetig, mit einer coolen poetischen Anmut. Einer unsrer Nachbarn auf diesem Planeten, von dem wir so wenig wissen. Kompositionen können sich ähnlich unbekannt und seltsam entwickeln. In diesem Sinne wirft Ronins Musik seine Netze in dasselbe Meer, findet Formen, die sich Erwartungen entziehen oder ihre Mutationen langsam manifestieren.

Die neue Musik von Ronin vermittelt ein Gefühl von Freiheit, nicht zuletzt durch die regelmäßige Lockerung ihrer rituellen Rhythmen. Das Wort''Llyria "scheint auch den Begriff "lyrisch" und Entwicklungen zu  offen frischen melodischen Möglichkeiten zu implizieren. In der Tat, es gibt in diesem Album mehr Raum sich zu bewegen und zu atmen. Dennoch streng und postmodern strukturiert, bleiben die festen Grenzen zeitgenössischer Musik hörbar. Ein feiner Hörgenuss aus dem Hause ECM.

"Llyria" wurde im Süden von Frankreich im März 2010 aufgenommen, mit Manfred Eicher als Produzent. Die Konzerttermine findet man auf www.nikbaertsch.com

Samstag, 1. Januar 2011

Minutentraum mit Pablo Neruda

Foto: viereggtext

Sterbe ich, will ich deine Hände auf meinen Augen:
ich will das Licht und den Weizen deiner geliebten Hände,
einmal mehr sollen sie mit ihrer Kühle über mich streichen:
spüren will ich die Sanftheit, die mein Schicksal änderte.


Ich will, daß du lebst, indes ich schlafend auf dich warte,
ich will, daß deine Ohren noch immer den Wind hören,             
daß du den Geruch des Meeres riechst, das wir geliebt,
und daß dein Fuß den Sand betritt, den wir betreten.
      
Das, was ich liebe, soll am Leben bleiben,
und dich hab ich geliebt und besungen über alles,
deshalb, Blütenreiche, blühe weiter,


auf daß dir alles werde, was meine Liebe dir aufgibt,
damit mein Schatten berühre dein Haar,
damit jeder meines Liedes Grund erkennen kann.
                                    
Pablo Neruda


Neruda hat seine Frau Matilde Urratia zweimal geheiratet, 
das erste Mal auf Capri mit dem Mond als Trauzeugen ;-)
(Quelle: Poesie-Agenda 2010, orte verlag, Schweiz)

Freitag, 24. Dezember 2010

Minutentraum mit Jolanda Fäh

                         "und hoffe auf
                          eine positive Antwort"


                          von dir
                          der du da oben sitzt
                          und selten antworten schickst
                          am allerwenigsten positive
                          höchstens durchhalteparolen
                          und versprechen
                          vermittelt von anderen
                          blinden und tauben
                          könntest du nicht
                          wenigstens die selbstgefälligen
                          befördern, weg.
                          von mir aus himmelwärts, amen.

                                                        Jolanda Fäh
                                  
                                   (Quelle: Poesie-Agenda 2010, orte verlag, Schweiz)

Donnerstag, 18. November 2010

Neuer Taschenkalender: Poesie-Agenda 2011 (Unabhängige Verlage in der Schweiz)

POESIE-AGENDA 2011
Herausgegeben von Werner Bucher, Virgilio Masciadri und Jolanda Fäh
Mit Kalendarium, Eintragungen, Adressverzeichnis und vielen Gedichten.
256 Seiten, broschiert
CHF 16.00 / EUR 10,00

„Nirgends sonst gibt es Lyrik und Humor in einer so anregenden Verbindung. ‚Poesie-Agenda’ ist das Gegenteil von Langeweile.“ (Andreas Noga auf „lyrikzeitung.de“)

Der orte verlag aus Oberegg, Schweiz, hat seinen neuen Taschenkalender  vorgelegt, mit seinen handverlesenen Lyrik- und Kalenderblatteinträgen. Ein wunderbarer Wegbegleiter, der die Tage verschönert, zum Nachdenken und Schmunzeln anregt und Kulturelles, Lyrisches herrlich in den Alltag integriert.

PHASEN                                                                         erste schritte

                                                                                       die treppe
Es gibt ein Licht in der Dämmerung,                                  hinunter
das glimmt auf den Zweigen wie Schnee,                           frühstück für
Muschelinnres der Himmel,
wo er die Erde umfaßt                                                     die familie
                                                                                       bereitet genau
Die erste Sichel, die zweite                                               wie letztes Jahr sie
Wenn  die Kugel voll ist,                                                  schläft noch ich schreibe
ändert das Wetter,                                                           ihr den ersten gruss
die Nacht trübt ein
und die Flut verebbt                                                         Niels Zubler

Es gibt ein Licht in der Nacht,
das wartet, solang wir es suchen
                                                                                                    (Neujahr/Berchtoldstag)
                        Erika Burkart




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Minutentraum mit Klabund

Winterschlaf


Indem man sich nunmehr zum Winter wendet,
Hat es der Dichter schwer,
Der Sommer ist geendet,
Und eine Blume wächst nicht mehr.


Was soll man da besingen?
Die meisten Requisiten sind vereist.
Man muß schon in die eigene Seele dringen
- Jedoch, da haperts meist.


Man sitzt besorgt auf seinen Hintern,
Man sinnt und sitzt sich seine Hose durch,
~ Da hilft das eben nichts, da muß man eben überwintern
Wie Frosch und Lurch.


                                                              Klabund

(Quelle: Poesie-Agenda 2010, orte verlag, Schweiz)

Sonntag, 24. Oktober 2010

Buchbesprechung/Autorenlesung (26./27.10.10): Kim Kwang-Kyu (Unabhängige Verlage in Deutschland)

Kim Kwang-Kyu
Botschaften vom grünen Planeten
Gedichte
Aus dem Koreanischen von Chong Heyong  und Birgit Mersmann,
Nachdichtungen  von Heinz Ludwig Arnold.
Göttingen 2010, 96 S., Hardcover mit Schutzumschlag,
18,- €, Wallstein Verlag
            
Charakteristisch für Kim Kwang-Kyus Gedichte ist die moderne unverschörkelte Sprache mit großer Nähe zur Prosa. Thematisch drehen sich seine Gedichte um Menschliches - um die Beziehungen von Menschen untereinander, von Menschen  zu Göttern und zur Natur.
In dem Titelgedicht »Botschaften vom grünen Planeten« geht es um die Vergänglichkeit des Menschen. Die Natur hingegen wird ihn überdauern: Denn so hochmütig der Mensch  ist, so blind ist er auch für seine Umgebung.
Der Autor liebt die Natur, beschreibt sie als das schneller als die Erddrehung sich entwickelnde Grün im Frühjahr - eine Metapher für die schnell vergehende Zeit des beschäftigten oder nicht mehr viel wahrnehmenden Menschen. Er verbindet Naturbilder auch mit Zerstörung, so die Wüste und der Völkermord, die Verwüstung des Menschlichen. Unter der geschickten Verwendung von ironischen und lakonischen Elementen spricht er Kritik an falschen Entwicklungen der Gesellschaft, an Unterdrückung, Leid und Erpressung aus. Hier kann Zeit bedrohlicher sein als normal, eine Todesdrohung in falschen politischen Verhältnissen, so in dem Gedicht "Unaufhaltbare Zeit".
In den Anmerkungen  finden sich Erläuterungen zu einzelnen Begriffen sowie eine Notiz
zur Vorgehensweise der Übersetzer: Heinz Ludwig Arnold hat nach Rohübersetzungen
Nachdichtungen unternommen. Eine interessante Begegnung über Ländergrenzen hinweg ...

Habenichtse
Sie besitzen nichts
nur Gummischuhe an den nackten Füßen
Jacken und Hosen Blusen und Röcke
aus Baumwolle
Aber sind sie nicht liebenswert
wie sie so dasitzen, nebeneinander
Jungen und Mädchen
auch wenn  sie nichts besitzen?
Diese Habenichtse
haben ein gutes Herz, sind kräftig
und arbeiten fleißig
Unter ihren Händen                                         
sprießen bunte Blumen aus der Erde                      
gedeihen prächtige Kürbisse auf dem Dach                 
Der frische Wind kühlt ihren Schweiß
und am  Himmel leuchten Sonne Mond und Sterne
Arm  in Arm
gehen sie als vertraute Freunde
Wange an Wange
werden sie ein zärtliches Paar
Erinnern wir uns:
Haben  unsere Eltern
mit klugem Kopf und kräftigen Händen
nicht viel erreicht
obwohl  sie nichts besaßen
als sie geboren wurden?
Da  sitzen sie nun
unsere lieben Töchter und Söhne

Unaufhaltbare Zeit                                 
Es war falsch, dass ich zur Rinderlende und zum Salat
eine ganze Flasche Rotwein getrunken habe.
Nun  sind sie gekommen.
Sie knallten mir eine Liste mit den Namen meiner noch
lebenden Schulfreunde unter die Nase und verlangten,
ich solle zehn davon ausstreichen.
Ein Zehntel meiner Schulfreunde hatte bereits die Welt
verlassen, doch sie verlangten von mir, dass ich noch
zehn streiche. Das konnte ich nicht.
Und musste es doch.
Ich strich mich selbst, weigerte mich aber, noch neun an-
dere zu streichen. Obwohl sie mich unter Druck setzten,
strich ich keinen mehr.
Die Zeit, die unaufhaltbare, rückt naher.
Für einen Augenblick wusste ich nicht, ob ich schlief
oder wachte.


Der Autor:
Kim  Kwang-Kyu,  geb. 1941, Studium der Germanistik in Seoul ab 1960; in den 1970er Jahren längere Deutschlandaufenthalte. Promotion über Günter Eich; bis 2006 Professur für Germanistik an der Hanyang-Universtität Seoul. Er ist einer der wichtigsten Kulturmittler und  Übersetzer aus dem Deutschen. Seit 1979 veröffentlichte er acht, auch international viel beachtete Gedichtbände sowie einen Band mit Prosa.

Heinz Ludwig Arnold ist seit 1995 Honorarprofessor an der Georg-August-Universität Göttingen und hat sich mit etlichen Herausgeberschaften und Buchveröffentlichungen, vor allem im Zusammenhang mit Gegenwartsliteratur einen Namen gemacht. 1963 gründete er die Zeitschrift für Literatur "text + kritik", seit 1978 ist er außerdem Herausgeber des "Kritischen Lexikons zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur (KLG)" und von 1983 bis 2008 des "Kritischen Lexikons zur fremdsprachigen Gegenwartsliteratur (KLfG)". Von 1995 bis 2000 gab er die elfbändige Anthologie "Die deutsche Literatur seit 1945" heraus.    

+++ AKTUELL +++ AKTUELL+++AKTUELL +++ AKTUELL+++AKTUELL 

Lesung mit Kim Kwang-Kyu Moderation: Sylvia Bräsel
Termin:26.10.2010 um 11:30 Uhr
Leipzig, Gutenbergschule, Gutenbergplatz 8

Lesung mit Kim Kwang-Kyu Moderation: Sylvia Bräsel
Termin:26.10.2010 um 20:00 Uhr
Halle, Raum Hellrot, Mühlweg 22

Dialogische Lesung mit den Lyrikern Kim Kwang-Kyu und Jan Volker Röhnert Moderation und Einführung: Sylvia Bräsel und Chong Heyong
Termin:27.10.2010 um 19:00 Uhr
Jena, Schiller-Gartenhaus in Jena

Weitere Informationen finden Sie unter http://www.wallstein-verlag.de/9783835307476.html

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Donnerstag, 21. Oktober 2010

Unabhängige Verlage in der Schweiz: Die Geschichte hinter dem Gedicht - orte 164

orte - Schweizer Literaturzeitschrift 
(hrsg. von Werner Bucher, seit 1975, bis dato 164 Nummern, zzt. 5-mal jährlich)



 orte 164:


Der Augenblick, in dem ein Dichter den Einfall zu einem Gedicht hat, gehört, so schreibt Erwin Messmer  in der Einführung zum neusten orte-Heft, zu den intimsten, mit niemandem zu teilenden in seinem Leben überhaupt. Mindestens für den Moment. Denn anders sieht es im Nachhinein aus, da erzählen die Poeten sehr gerne, wie sie dazugekommen sind, diesen oder jenen Text zu schreiben. Nur bleiben derartige Geschichten meist als Anekdoten den persönlichen Freunden vorbehalten. orte-Heft 164 macht solche Berichte von 14 Lyrikerinnen und Lyrikern auch den Lesenden zugänglich. Da erfahren wir, wie ein Hirsch in die Strassen von Paris kommt und welche Beziehungen eine Coloradokröte zur Musik unterhält, wir sehen, wie die Lyriker sich mit Kunstwerken auseinandersetzen, mit den Resultaten einer Tomographie, mit einer Flasche Absinth oder mit einer unscharfen alten Foto, die tief in die Abgründe des eigenen Herkommens  zurückführt. Und je weiter man liest, desto deutlicher wird, dass hier nicht einfach private Episoden zum Besten gegeben, sondern grundsätzliche Fragen des Dichtens, der „Poetik" für einmal anders behandelt werden: ohne theoretischen Ballast, sondern erzählend und ganz aus der unmittelbaren Erfahrung der Autoren heraus, orte 164 eröffnet damit einen faszinierenden neuen Zugang zu lyrischen Gedichten von heute.





"Schreiben Sie Gedichte? Wenn ja, dann kennen Sie den Moment. Einen der
geheimsten und verschämtesten Augenblicke, die es im Leben eines schrei-
benden Menschen gibt, einen, der zum Glück immer wieder mal eintritt!
Sie sind in Gesellschaft. Man isst und trinkt, plaudert und diskutiert.
Und Sie haben einen Einfall!
Paul Klee 1938: Anfang eines Gedichtes
Oder Sie sitzen mit Ihrer Liebsten oder ihrem Liebsten beiTisch, sie oder er liest die Zeitung. Sie schielen über ihre Brillengläser, vergewissern sich,
dass Sie unbeobachtet sind, zücken den Stift, haben die Papierserviette oder den Bierdeckel zum Notat bereit, vielleicht sogar auf ihrem Knie.
Denn Sie haben einen Einfall!
Der Anfang eines Gedichts ist immer ein intimer Moment. Mit keinem Menschen zu teilen, auch nicht mit dem vertrautesten." 


Erwin Messmer in orte 164

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Unabhängige Verlage in der Schweiz: CD zur bunten, schrägen Welt der Alpen bei orte

Malcolm Green, Werner Bucher
Spazieren mit dem gelbgrünen Puma
CH-Oberegg AI 2010, CD mit Booklet, 
71 Min. Laufzeit, 19 EUR, orte verlag

Werner Bucher, 1938 in Zürich geboren und aufgewachsen, heute in Oberegg wohnend, den orte verlag auf Rütegg unterhaltend, ist ein ungewöhnlicher Lyriker. Schon die Gedichtesammlung "Wenn der Zechpreller gewinnt" zeugt davon. Bucher, der bei der journalistischen Zunft landete und als Kultur- und Inlandsredakteur bei einer Tageszeitung arbeitete, hat bislang zwei Bände "Schweizer Schriftsteller im Gespräch", mehrere Gedichtbände, einen Roman ("Im Schatten des Campanile") und etliche Erzählungen veröffentlicht.  Seit 3 Jahren gibt es in Wald AR und in der Wirtschaft Rütegg seiner Frau Irene die "Appenzeller Literaturtage". Und die von ihm herausgegebene Schweizer  Literaturzeitschreift "orte" erreicht dieses Jahr ihre 166. Ausgabe.
Auf der vorliegenden CD "Spazieren mit dem gelbgrünen Puma" präsentiert der Autor 28 Gedichte, die sich gegen eine allzu leichte Verinnerlichung wehren. Er verliest sie wie ein Wald- und Bergbewohner, ein Fabelwesen, laut, fordernd, abwechslungsreich. Nichts ist rund und gefällig, eher übertrieben, närrische Metaphern, schrille Töne und Bilder bevorzugend, bisweilen die absolute Versöhnung im ruhigen Bild und der Selbstkritik, in der Resignation suchend. Die Welt ist schon lange nicht mehr heil, das Leben, die Welt "im Eimer", von wegen großartig, wie der Titel eines Gedichtes vermuten ließe. Die Aufbegehrer eine Art "Stauffenbergs" gegen die Diktatur des Absurden ...
Gott hat die Welt vergessen und sie ihn. Höchstens noch in der Perfektion der Natur ist etwas von ihm zu spüren. So erscheint dem lyrischen Ich, das oft in einer Art Dialog mit sich und einem Du zu stehen scheint, die alpine Landschaft zwar wie eine nackte Frau, die rechte Brustwarze des Säntis eine Wirtschaft, deren Tür sich am Ende öffnet, aber die Umweltschäden sind allgegenwärtig  fühlbar. Skifahrerschäden, Flora und Fauna beeinträchtigt, auch globale Bedrohung durch Tschnerobyl und Raketen, der geschundene Leib. Dieses Mal eine Frau?
In "Morgen fällt kein Schnee" sind es nur noch die kleinen Tiere, nicht Flöhe "eher Propellertiere", die noch existieren. Kaum noch beschreibbar, fast unwichtig, aber irgendwie interessant. Das Dasein eine verbogene, trügerische Angelegenheit, das Natürliche zurückgedrängt, erniedrigt, verfremdet.
"Überall lügen Politiker, fern jeglicher Scham" heißt es in "Weitere Stürme sind angesagt". Immer wieder taucht das Schicksal auf, das bestimmt. Statt Karriere der Treppensturz, wie bei Fritz Wunderlich in den 60er-Jahren, dem Startenor aus Kusel, der alles zunichte macht, die Liebe unerwidert. Ein Dichter, fast so wie der große Schweizer Poet Blaise Cendras, bemüht sich um die Gunst Gottes, hält sich für Blaise, aber es wird wie vieles andere nicht abgesegnet. Manchmal die Nähe noch zu Gott, etwas spürbar, erträumt trotz aller Kritik an ihm, macht Zungen reden, auch Kritik an ihm selbst, als ob "Göttliches sie gestreift hat".
In dem kleinen Manifest "Ich erwarte" dann die Hoffnung, dass Gott weder Amerikaner noch Schweizer, sondern einer aus Benin sei, dass Politiker stürben, bevor sie geboren seien, dass wir nach dem Tode "wiederkommen", "ohne den Dreck im Bauch" als eine Art "Supermann". Dass Aphrodite mit allen schliefe, die von Schönheit träumten und nachts alleine wären, und schließlich die Erwartung, dass Ehe durch Liebe und Liebe durch Offensein ersetzt werde. Dass Kinder geboren würden.
All diese Feststellungen, Beschreibungen, Forderungen und Hoffnungen pointierend, zäsierend und untermalend die mal schrägen, mal wohlklingenden, bisweilen wimmernden Saxophontöne Malcolm Greens, einem studierten US-Saxophonisten, prämierten Jazzmusiker und Lehrer für Jazzgesang, der heute in St. Gallen wohnt.
Ein Hörwagnis, das sich rentiert...



Morgen fällt kein Schnee


 Über den Nagelfluhfelsen
 das nicht zu übersehende Zittern der Tiere, du
 gehst trotzdem, gleitest gelegentlich aus
 auf den feuchten Rillen, die Biker
           --- frech wie sie sind --—
 in den schwarzen Boden gedrückt haben, hier
 Könnt's trotzdem Wölfe geben, Bären, Wildsauen, Luchse
 ohnehin, aber du siehst nur winzige Tierchen, denen
 gar einer wie Malet* nie einen Namen geben könnte. Entzückt
hätt er dafür hier auf Baumstrümpfen lauter närrische Gedichte
geschrieben, vor dem dunklen, von Bäumen
                                     überdachten Pfad. Du
schreibst nicht eines, denkst
an die seltsame Luzernerin, die
dir keine Antworten schickt. Du
lässt sie dennoch nicht im Stich, und
wenn sie deine neuen Sätze liest, wird
sie/vor Freude in die Luft springen, du
bist jung, du bist alt, die Tierchen
sind kaum von einem anderen Planeten, Flöhe
jedenfalls sind's keine, eher Propellertiere. Als
die Schöne von der Uhlandhöhe vor Jahren
jenes Haus betrat, das du so mochtest, hüpften
in diesem Garten ähnliche Viecher. Du gibst aber
nicht auf, bist auf gemächliche Tempi eingestellt.


Morgen, da hab ich nicht den geringsten Zweifel, wird
                                               kein Schnee fallen. Das Leben
                                                                                         ist nicht aufzuhalten.
* Léo Malet, franz. Surrealist, der zuerst närrische Gedichte schrieb, später Krimis.

Mittwoch, 22. September 2010

Unabhängige Verlage in der Schweiz: orte verlag, Oberegg, AI, Schweiz

Vor einiger Zeit habe ich schon auf Werner Buchers Verlag in den Schweizer Alpen hingewiesen. Nun möchte ich ihn in der Reihe der Unabhängigen Verlage genauer betrachten, denn seine Impulse sind mehr als stark. Der geneigte Leser findet jede Menge moderne Lyrik, moderne Weltsicht und unermüdliche Förderung der jungen Schweizer Literatur. So ruft es mal schräg, mal tiefgründig, mal schrill, mal hochpoetisch, aber immer ansprechend aus dem wohl höchstgelegenen literarischen Verlag in Oberegg wie vom Muezzin auf dem Minarett zum täglichen Umgang mit Literatur ... So in seiner Poesie-Agenda, einem Taschenkalender, der einem die Wartezeit am Bahnhof oder im Wartezimmer mehr als versüßt. In der Ausgabe 2010 eine große Zahl an interessanten Gedichten, lyrischen Fetzen, Haikus und Bildern, die mit Sicherheit in der neuen Ausgabe 2011 auch zu erwarten sind. Eine Besprechung folgt, ebenso seiner Jazz-CD und der aktuellen orte-Ausgabe 164.


NEUERSCHEINUNGEN IM SOMMER / HERBST 2010

MORD IN WALD AR
Jon Durschei
orte-Krimi
226 Seiten, broschiert
CHF 26.00 / EUR 15,00
ISBN 978-3-85830-157-4
Endlich — der achte Krimi von Jon Durschei! Und wieder gerät Pater Ambrosius in eine Geschichte, bei der es einen Mord aufzuklären gibt, diesmal im Appenzellerland ...

HOL DEN MOND AUF DEINEN TELLER
Esther Thormann
Gedichte, fund-orte 34
Herausgegeben von Werner Bucher und Virgilio Masciadri
86 Seiten, limitierte und numerierte Auflage, von der Autorin signiert
CHF 28.00 / EUR 19,00
ISBN 978-3-85830-158-1
Die Bernerin Esther Thormann ist längst ein Geheimtip der Schweizer Lyrikszene — ein Band, der zu ihrer Entdeckung einlädt.

POESIE-AGENDA 2011
Herausgegeben von Werner Bucher, Virgilio Masciadri und Jolanda Fäh
Mit Kalendarium, Eintragungen, Adressverzeichnis und vielen Gedichten.
256 Seiten, broschiert
CHF 16.00 / EUR 10,00
ISBN 978-3-85830-153-6
Erscheint Ende September 2010
„Nirgends sonst gibt es Lyrik und Humor in einer so anregenden Verbindung. ‚Poesie-Agenda’ ist das Gegenteil von Langeweile.“ (Andreas Noga auf „lyrikzeitung.de“)

SPAZIEREN MIT DEM GELBGRÜNEN PUMA
Werner Bucher / Malcolm Green
Lyrik & Jazz, Audio-CD, 70 Min.
CHF 28.00 / EUR 19,00
ISBN 978-3-85830-159-8
Der Poet Werner Bucher und der St. Galler Jazzer Malcolm Green haben sich zu einer Session zusammengetan — eine CD mit Sounds und Gedichten im Originalton.


In Vorbereitung auf den Herbst:

KEIN FALL IN DISENTIS?
Duri Rungger
orte-Krimi
220 Seiten, broschiert
CHF 26.00 / EUR 15,00
ISBN 978-3-85830-161-1
Disentis im Jahr 1955: eine Gemeinde gerät in Unruhe, als einer ihrer Bewohner erschlagen wird — ein subtiler Dorf-Krimi.

DAS LIED VOM KNARRENDEN PARKETT
Virgilio Masciadri
Gedichte, fund-orte 35
Herausgegeben von Werner Bucher
74 Seiten, limitierte und numerierte Auflage, vom Autor signiert
CHF 28.00 / EUR 19,00
ISBN 978-3-85830-152-9
Die neuen Gedichte von Virgilio Masciadri: nachdenklich und beschwingt, transparent und eng verwoben zugleich.


Und fünfmal jährlich neu:

orte — Schweizer Literaturzeitschrift
Seit 1974 die farbigste Literatur- und Lyrikzeitschrift der Schweiz!

Die Themen 2010:
orte 162 – Georges Haldas, Poète (erschienen)
orte 163 – Neue Texte von Frauen (erschienen)
orte 164 – Die Geschichte hinter dem Gedicht (erscheint 2. Hälfte August 2010)
orte 165 – Appenzeller Autorinnen und Autoren (erscheint im Herbst 2010)
orte 166 – Erika Burkart (erscheint im Winter 2010)

Jedes Heft ca. 68 Seiten, Einzelheft CHF 14.00/EUR 8,00; Jahresabo Schweiz CHF 60.00; Ausland Europa CHF 72.00/EUR 41,00; ISSN 1016-7803

Werner Bucher bei viereggtext
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Samstag, 11. September 2010

Was die russische Seele uns voraushat - Bardenfest (russische Liedermacher)


Nicolai Jakimov, Exilrusse, Musikzauberer
und "Regenmacher" aus Tschechien
Alljährlich treffen sich Deutschlands Barden russischer Abstammung zum mehrtägigen privaten "Woodstock"-Bardenfest. Ins Leben gerufen 1993 von Juri Tomilin, der 2 Jahre zuvor aus der zerfallenden UdSSR nach Deutschland kam, natürlich auch ein Bardenverehrer und Interpret der besten Lieder. Seit dieser Zeit treffen sich die Liebhaber der musikalischen Lyrik, Bards, zu Hunderten regelmäßig zum Fest und sonst in ihren Clubs. Beim Fest wird gesungen, getanzt, gelacht, auf einer Bühne treten die Koryphäen auf, es gibt ein Veranstalter- und Organistionszelt, Privatzelte und Versammlungszelte. Man kocht, grillt und isst zusammen. Es ist so, um es in unsere Verhältnisse zu übertragen, als ob die Interpreten und Bewunderer von Wolf Biermann, Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader, Konstantin Wecker, Reinhard Mey, Klaus Hoffmann sich mit den (noch lebenden oder nachgewachsenen) Idolen regelmäßig zum Feiern und Liedervorstellen treffen würden.  
Ein Volksfest mit viel Tiefgang, denn die Teilnehmer lieben die poetischen Lieder, politischen Autorenlieder der russischen Gitarrenpoeten Vladimir Vissotski, Bulat Okudschawa und Alexander Galitsch, um nur einige zu nennen. Und ihre eigenen, die sie sich mitteilen, einander vorstellen.  
Eine Tradition, die es bei uns nicht gibt, die keiner außerhalb der Volksmusik oder einigen Jazz-Sessions hegt. Und das ist es, was die russische Seele uns voraus hat. Wir, in einem Land oder Sprachraum vieler großer Dichter, der großen Poesie und weittragenden Lyrik, haben keine Tradition bewahrt, die die Freude am gedichteten Satz, am selbstkomponierten vertonten Gedicht oder kritischen Lied, die Freude an der Sprache bei Jung und Alt weiterhegt. Diese Tradition ist völlig untergegangen ...

Gegen Morgen, wenn ermüdet sie sind / Verliebtheit und Melancholie und Neid, / wenn die Gäste ihren Rausch vertreiben / und Wasser mit Eis trinken, / mag die Dame des Hauses fragen: "Möchten Sie eine alte Aufnahme hören?" / Und meine gedämpfte Stimme / wird ein ihr unbekanntes Haus betreten. 
                                                                                                                 Alexander Galitsch


Über russische Barden und Liedermacher
                                                                                                                        (Fotos: viereggtext)

Montag, 26. Juli 2010

Fundgrube Gedichte: Werner Bucher - Ein Sommer wird sein

Werner Bucher, geb. am 19. August 1938 in Zürich, ist ein wichtiger Schweizer Schriftsteller, Herausgeber und Verleger der Gegenwart. Er arbeitete früher als Kultur- und Sportjournalist, blickt heute auf eine stattliche Veröffentlichungsliste zurück: ein rundes Dutzend Lyrikbände, acht Prosawerke, sieben Kriminalromane, drei Sachbücher und seine Herausgebertätigkeit. Er leitet den orte verlag in Oberegg, Appenzell, und lebt zusammen mit Irene Bosshart dort. Frau Bosshart betrieb zunächst von 1989-2006 das historische Restaurant "Kreuz" in Wolfhalden, das letztes Jahr abgerissen wurde. Seit 2006 bewirtschaftet sie die wunderbar gelegene "Wirtschaft 'Rütegg' über Oberegg AI, wo in schönster Lage auf 1060 Meter über Meer neben einer herrlichen Aussicht der vielleicht höchstgelegene literarische Verlag Westeuropas auf Sie wartet." Die Gäste kennt Werner Bucher zumeist persönlich und man findet ihn sehr häufig an deren Tisch in einem vertieften Gespräch.



Ein Sommer wird sein

Wach
durchstreifst du 
die Wälder der 
gutgelaunten Bäume
im Gesicht
spiegelt der Morgenkaffee
& die Heiterkeit des Gähnens.
Komm mit, öffne das zugeriegelte
Herz, die Nacht, das Schweigen. Die
Schattenmünder verschwinden
im See, ein
Sommer wird sein
& ein sanftes Erschüttern.
Nicht Muscheln suchst du, nicht Wasserpfützen, das Offene
weit vorn, das zitternde
Bild, dies
willst du erobern. Keine
& keiner wird je
die goldene Knarre
auf dich richten, &
den Dreck überspringst du
- wie eh & je - mit Eleganz. Gewalt
gegen Menschen
ist nur ein Slogan, nie
möchtest du wissen, was Liebe ist. Dir genügt
dieser Morgen & der krähende Hahn.

Unten am Fluss taucht der Retter. Er
ahnt, dass du Hilfe nicht brauchst.

(Wenn der Zechpreller gewinnt. Gedichte, Pendo Verlag, 1997)


orte verlag

Werner Buchers Internetpräsenz


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