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Donnerstag, 24. Oktober 2024

Severin Groebners Neuer Glossenhauer #48 - Nobelpreis für unangebrachte Freundlichkeit

 



Groebner grün vor braunem Hintergrund, Foto: @Dominic Reichenbach/ Artwork @Claus Piffl










Nobelpreis für unangebrachte Freundlichkeit

Dieser Oktober! 
Immer dasselbe mit ihm: Kaum sind die Alkoholleichen von der „Wiesn“ weggekehrt, gibt’s die Nobelpreise, sind die durch, ist in Frankfurt Buchmesse, danach haben alle Grippe, und dann ist Weltspartag - und Halloween.
Da sind die, die während des ganzen Zinnobers in den Wald gehen und Pilze suchen, nicht die Dümmsten.
Apropos: Nobelpreis für Dummheit gibt’s leider keinen. 
Das Feld der Infragekommenden ist schlicht zu groß.
Deswegen gibt’s wieder die üblichen Auszeichnungen: Medizin, Physik, Chemie. 
Da kriegen Menschen, die man nicht kennt, Geld für etwas, das man nicht versteht. 
Dann kommt Literatur, und man wurde schon wieder übergangen, und das obwohl man gerade wieder eine Kriminalkurzgeschichte* veröffentlicht hat. Und brav Newsletter schreibt.
Und danach kommt der Friedensnobelpreis. 

Und man denkt sich: Was? Frieden? Bei der Weltlage? Woits mi heckerln? (Für die deutschen Leser: Do you want to pull my leg?)
Das ist doch völlig aus der Zeit gefallen! 

Das 21. Jahrhundert ist zwar erst knackige 24 Jahre alt, und damit wird es für es langsam Zeit,  mit dem Studium fertig zu werden und auf eigenen Beinen zu stehen. Und von zuhause ausziehen sollte es auch, ist aber bei den Wohnungspreisen gar nicht so einfach. Und man fragt es, was es nicht schon alles hätte tun können mit seinen 24 Jahren, das Scheißjahrhundert. Es hätte eine Lehre abschließen können, einen Beruf ausüben und sein eigenes Geld verdienen. Oder ein Start-Up ins Leben rufen. Und so das Geld von wem anderen beim Fenster rausschmeißen. Es hätte auch eine Band gründen können und Protestlieder schreiben können. Protestlieder gegen sich selbst. Es hätte wenigstens eine App entwickeln können!
Was aber hat es getan? Das Jahrhundert, die faule Drecksau!?
Krieg gespielt. Seit Jahr und Tag sitzt es da und produziert eine Krise nach der anderen.

Da fragt man sich doch:
Warum gibt es eigentlich keinen Nobelpreis für Zeitverschwendung? Oder einen Nobelpreis für guten Ideen (die nie umgesetzt wurden)? Oder Nobelpreis für unangebrachte Freundlichkeit?
Oder ganz einfach einen Krisen-Nobelpreis?
Ja, endlich! Ein Preis für Menschen, die aus einigermaßen funktionierenden Systemen einen Sauhaufen machen. Eine Anerkennung für Destruktivitätsmeister. Die gehören doch auch einmal ausgezeichnet. Die suchen doch die Öffentlichkeit. Mit Gewalt.
Die haben doch gerade Konjunktur. Nicht nur in Russland. Nein.
Von dort bekommen sie nur Geld und Internettrolle.
Es gibt sie weltweit. Argentinien, Brasilien, USA, Großbritannien (dort schreiben sie so gar Bücher!) und natürlich in Europa. Auch in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Und selbstverständlich erst recht in Österreich.
Da samma daham! Da gibt es Zustimmungsraten um die 30 Prozent für diese Leute.
Also scheinbar 30 Prozent. 

Denn schließlich dürfen alle mit einem anderen Pass in diesen Ländern zwar Steuern zahlen, in der Pflege arbeiten, Müll weg bringen, in Elternabenden sitzen, auf den Bus warten, Notrufe betätigen, Sozialversicherungsbeiträge bezahlen, oder „Möchten Sie noch etwas dazu?“ sagen, aber eins dürfen sie nicht: Wählen.
Weshalb sie sich auch wunderbar zum wehrlosen Sündenbock eignen.
Dürften die nämlich auch wählen, wären sie plötzlich nämlich kein Problem mehr, sondern eine Wählergruppe, die „adressiert“ werden müsste. Der man ein „Angebot machen“ sollte. Und obendrein wären die 30 Prozent aufgrund der größeren Zahl abgegebener Stimmen auch keine 30 Prozent mehr. Sondern weniger.

Allerdings hätte diese Anhänger der Destruktiven dann zwar weniger Prozente, aber natürlich immer noch „Heimat im Herzen“.
Ein seltsamer Begriff übrigens: Heimat im Herzen. Jedesmal, wenn man das liest, sagt man sich: Das klingt doch nach einer Diagnose.

„Warum ist denn der Manfred seit neuestem so schlecht drauf?“ 
- „Dem geht’s nicht gut. Der hat doch Heimat im Herzen!“
„Der Arme… das ist ja so schlecht fürs Gehirn. Mein Opa hat das auch gehabt, der ist innerhalb eines Jahres völlig verblödet.“

Vielleicht sollte man all das pathologisch betrachten: Heimat, Patriotismus, Nationalismus… das ist keine politische Überzeugung. Das ist eine gefährliche, ansteckende Krankheit. Zuerst hast Du Heimat im Herzen, dann streut das Zeug und dann hast du Grant in der Galle, Neid in der Niere, Machiavellismus im Magen, Rassismus im Rachen und Zynismus auf der Zunge.
Es könnte auch sein, dass diese Krankheiten das Knochenwachstum hemmen.
Es gibt ja Politiker, die nicht sehr groß sind und ständig von Heimat sprechen.
Besteht da vielleicht ein direkter Zusammenhang?
Vielleicht sollten wir diese Wahlergebnisse und die dazugehörigen Überzeugungen endlich mal als medizinisches Problem begreifen. Nicht als geistig verwirrte Einzeltäter, sondern als emotional verrohte Massenbewegung. Also eine Pandemie.
Und wer weiß, was dagegen zu tun ist, der… oder die… oder das… bekommt den Nobelpreis.
Wenn’s sein muss auch den für unangebrachte Freundlichkeit.


*Messer, Gabel, Mord - Küchenkrimis. U.a. mit einer Geschichte von Severin Groebner erschienen im Residenz Verlag.

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Groebner live: 
18.10. Salzburg, ARGE Salzburg - 19.10. Bad Wurzach, Adler Dietmanns - 23.10. Oberhaching, Bibliothekssaal - 26.10. Dortmund „Beste Gäste“ bei Fritz Eckenga - 1.11. Karben, Kulturscheune  - 3.11. Frankfurt, Käs - Alle Termine hier.

Musik-Album mit Lieder übers Da&Wegsein „Nicht Mein Problem“ bei Monkey Records.


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Der „Neue Glossenhauer“ ist ein Projekt der freiwilligen Selbstausbeutung.

Wer es dennoch materiell unterstützen will, hier wäre die Bankverbindung für Österreich: 

Severin Groebner, Bawag, IBAN: AT39 6000 0000 7212 6709 

Hier die jene für Deutschland: 

Severin Groebner, Stadtsparkasse München, IBAN: DE51 7015 0000 0031 1293 64