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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 3. Dezember 2013

Roman: BABYLONS LETZTER WÄCHTER von Thomas Reich

Ausschnitt aus "Babylons letzter Wächter"


Als ich aufwachte, fand ich mich in einem weißen Raum ohne Fenster wieder. Ich wusste nicht, wie ich hierher gekommen war, noch meinen Namen. Mein Gedächtnis war so leer wie dieser Raum. Ich schlug die Bettdecke zur Seite und versuchte, die Dimensionen meiner Heimstatt zu untersuchen. Neben dem bereits erwähnten Bett besaß ich einen Stuhl, einen Tisch, und einen Kleiderschrank. Weiß lackiert. Im Schrank hingen weiße Hosen aus derbem Baumwollstoff, sowie dazu passende Hemden. In der Schublade fand ich weiße Socken und Unterhosen.
Ich begann die Wände abzuschreiten. Ich schätzte die Weite meiner Schritte und kam auf ein ungefähres Raummaß von fünf mal fünf Metern. Ein Zollstock hätte mir das bestätigt, was ich insgeheim schon wusste: Der Raum war absolut quadratisch. Ich fand zwei Türen, von der die eine nur durch die dünne Linie, die die glatte Wand unterbrach, zu erkennen war. Sie hatte keinen Griff. Zu ihrer Rechten hing ein kleiner Kasten an der Wand, der eine milchige Platte in der Mitte trug. Als ich neugierig mit der Hand darüber fuhr, ging ein trübes Leuchten durch das Glas.
„Fingerabdruck  nicht erkannt. Zugang verweigert.“
Was aber auch hieß, dass der richtige Fingerabdruck nach draußen führte. Und dass der Kasten anderen Menschen diente. Ich war nicht alleine. Ich suchte mit den Augen die Decke ab, und fand auch Zeichen für sie. Eine Kamera, die sich mit meinen Bewegungen drehte. An ihrem Schaft blinkte ein rotes Lämpchen. Möglicherweise ein Modell mit Bewegungssensor.
Die andere Tür hatte einen normalen Griff. Als ich ihn drückte, wurde ich enttäuscht. Kein Tor zur Freiheit, sondern mein Badezimmer. Auf der Ablage über dem Waschbecken standen neutrale weiße Plastikflaschen. Keine Werbebildchen, kein Firmenaufdruck. Auf einer stand Shampoo. Auf der anderen Duschgel. Eine Plastiktube mit der Aufschrift Zahnpasta. Ich öffnete den Verschluss, quetschte einen kleinen weißen Klecks heraus und leckte vorsichtig daran. Es schmeckte nach Minze. Schien alles ganz normal zu sein.
Wer war ich? Der Blick in den Badezimmerspiegel zeigte mir einen Mann von vielleicht fünfzig Jahren mit graumeliertem langem Haar. Buschige Augenbrauen. Hakennase. Volle Lippen. Wie im Traum berührte ich meine Wange, befühlte ihre bartstoppelige Oberfläche. Der Mann im Spiegel tat es mir gleich. Ich sah einem völlig Fremden in die Augen. Von mir aus hätte ich alles sein können. Ein Banker, ein Straßenpenner, ein Politiker, ein Müllmann. Das Gesicht eine leere Fläche tausender Lebensentwürfe und Möglichkeiten. War es denn wirklich wichtig, wer ich war? Oder sollte ich nicht die Möglichkeit nutzen, der zu sein, der ich immer sein wollte? Würde ich bei dem Versuch nicht wieder zu dem werden, der ich einst war?

*

Stundenlang starrte ich auf die weiße Wand in der Hoffnung, Formen und Muster zu sehen. Teile meiner Erinnerung. Doch die Wand blieb weiß. Sie schien mich zu verspotten.
Die Tür ohne Griff öffnete sich. Ich drehte mich um, um meinen ersten Besuch zu empfangen. Zwei Krankenschwestern traten ein, ohne ein Wort an mich zu richten. Sie nickten mir kurz zu, und machten sich dann an ihre Arbeit. Die eine wechselte mein Bettlaken, die andere stellte ein Tablett mit Essen auf dem kleinen Tisch ab. Ein neutrales weißes Plastiktablett. In Folie eingeschweißtes Einweggeschirr aus Plastik. Eine Plastikflasche, die eine durchsichtige Flüssigkeit enthielt.
„Wo bin ich hier?“
Schweigen.
„Warum werde ich eingesperrt?“
Schweigen.
„Wollt ihr nicht mit mir reden?“
Sie wollten nicht. Verrichteten monoton ihre Arbeit. Wahrscheinlich fragte ich die Falschen. Sie waren nur Handlanger, die nicht mehr wussten, als man ihnen sagte. Oder Nonnen, die ein Schweigegelübde abgelegt hatten. Konnte das des Rätsels Lösung sein? Ich war in einem Kloster, wurde gesund gepflegt. Nonnen umschwirrten mich und lasen mir jeden Wunsch von den Augen ab. Bald würde ich genesen sein.
Jede Hoffnung war mir recht und billig. Weinend verzehrte ich mein Abendessen. Mein Talent zur Selbsttäuschung war nicht so ausgeprägt, wie ich gedacht hatte. Kaum hatte ich den letzten Bissen zerkaut, da überfiel mich eine bleierne Müdigkeit. Ich fiel vom Stuhl, die Welt legte eine Dreivierteldrehung hin. Mein Sichtfeld verwandelte sich in ein sinkendes Schiff. Passagiere rutschten das Achterdeck hinunter in die tosende See. Mit letzten Kräften zog ich mich an meinem Bett hoch und legte mich schlafen.

*

Ich durfte dem Essen hier drin nicht trauen. Irgendwas mischten die mir rein, was mir die Füße wegzog. Das Denken fiel schwerer. Auch nach dem Aufstehen fühlte ich mich wie schwer verkatert. Es zerrte an meinen körperlichen Kräften. Genau das wollten sie doch. Warum gerade ich? Warum war ich so wichtig? Ich erinnerte mich nicht an mich. Nachts träumte ich von der Stadt (oder träumte die Stadt mich?). Ich schloss die Augen und sah ihre kleinen Leben. Nicht einmal meine Träume waren meine eigenen. Ich hatte keine Erinnerungen und keine Träume. Alles hatten sie mir genommen. Nacht für Nacht vergewaltigten sie mich, missbrauchten meinen Schädel für ihre gemeinen Leben und Lügen. Soviel Bosheit. Ich war nicht ihr Messias. Der ihnen alle ihre Leiden abnahm. So nicht, meine Lieben, so nicht. Lasst mich in Ruhe, hört ihr mich?

*

Die Neonsonne ging auf, ein neuer Tag begann. Ich erwachte. Der künstliche Rhythmus war mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Ich erwischte mich selbst dabei, wie ich an manchen Tagen im Dunkeln aufwachte, und wenige Sekunden später das Licht anging. Mein Körper hatte sich daran gewöhnt. Genauso wie ich müde wurde, wenn das Licht erlosch. Sie simulierten mir sogar eine Abenddämmerung, wahrscheinlich mit Hilfe eines Dimmers und einer Zeitschaltuhr. Aber konnte ich denn überhaupt den Tagen trauen? Waren sie immer gleich lang? Ich besaß keine Uhr. Wenn sie mir die Nacht für den Tag vormachen würden und den Tag für die Nacht, ich würde es noch nicht einmal bemerken. Im Mittelalter glaubten die Menschen, die Welt wäre eine Scheibe, weil genau das ihrer Wahrnehmung entsprach. Ich besaß keine Beweise, dass sie mich in dieser Form manipulierten. Von Menschen, die einen einsperrten, sollte man stets das Schlechteste annehmen.
Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken. Meine ersten Vermutungen, ich könnte ein Niemand von der Straße sein, verwarf ich mittlerweile. Ich musste eine gewisse Rolle spielen. Wusste ich zuviel? Lachhaft. Ich wusste ja nicht mal, wer ich selbst war. Wer war ich also?!
Ein Unruhestifter. Ein Terrorist. Das fehlende Bindeglied zur Geheimformel. Ein menschlicher Code, der Schlüssel zu… denk nicht dran. Oh ja, wie schön es wäre, den Schlüssel zu haben, um aus diesem Gefängnis auszubrechen. Sei still! Schüre dein armes Gehirn nicht mit der Glut der Hoffnung. Erforsche deine Umgebung. Am Ende verraten sie sich vielleicht selbst.

*

Ein normaler Mensch legte sich nach einem Alptraum wieder schlafen, während ich nicht zur Ruhe kommen konnte. Denn diese Alpträume waren real, sie passierten auf Babylons Straßen, jeden Tag. Und wenn für mich der Alptraum beendet war, ging er für sie erst los. Ich wusste, dass ich nur die Spitze des Eisbergs zu Gesicht bekam. Dass Lügen, Intrigen und Niedertracht keinen Schlaf kannten.
Meine Haut juckte und spannte. Ihre Geschichten zerrten an mir. Die Grenzen zwischen Traum und Realität, die für mich ohnehin dünner waren, platzten auf wie faules Fleisch. Ich bekam nässende Wunden. Die Schwestern rieben sie regelmäßig mit einer antiseptischen Salbe ein, doch es wollte sich kein dauerhafter Behandlungserfolg einstellen.

*

Die verfluchten weißen Wände. Der verfluchte weiße Boden. Die verfluchten weißen Laken. Damit wollten sie mich kaputtmachen. Ohne äußere Reizeinflüsse traten irgendwann Weisheit und Visionen auf. Oder man wurde vom Wahnsinn innerlich zerfressen. Sie wussten das. Sonst hätten sie mich nicht hier eingesperrt. Was also planten sie? Wenn sie sich irgendwelche Erkenntnisse von mir erhofften, dann sah es gut aus für meine Überlebenschancen. Wenn nicht, dann war ich einer ganz perfiden Form der Folter ausgesetzt. Sie wollten, dass ich den Verstand verlor. Die Vorstellung, dass sie sich an Bildschirmen labten wie Forscher an einer dummen Maus, die den Weg aus dem Labyrinth nicht heraus fand und kläglich verreckte. Bei derzeitigem Stand konnte ich nicht wissen, ob mein Leid ein öffentliches war oder nicht. Vielleicht lief ich als dreiundzwanzigste Staffel von Big brother im Kabelfernsehen? Oder wurde im Internet live übertragen?
Es gab nichts zu tun. Ich machte täglich Liegestütze, damit ich nicht an Kraft verlor. Wer rastet, der rostet. Sonst würde ich mich in diesem dämlichen Bett noch wund liegen. Ich war ja kein Kranker. Ich wurde zu einem gemacht. Oder völlig verblöden. Sich von der Langeweile unterkriegen lassen. Sinnentleert, schlimmer als in jedem westlichen Gefängnis. Kein Hofgang, keine Post von Angehörigen. Manchmal erfand ich Zahlenspiele. Ging in meinem Kopf logische Reihen durch. Wenn es gar nicht mehr ging, sah ich auf meine Hände. Ihre rosa Beschaffenheit. Eine Farbe in dieser leeren Zelle. Zählte die Haare auf ihrem Rücken. Einmal hatte ich in die Ecke gepisst, um diesen verdammten Boden zu verdrecken. Das war ein Fest! Gelb, eine neue Farbe!
Auch das führte zu nichts. Es stank eine Stunde lang. Oder länger. Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Dann wurde es kommentarlos von den Schwestern aufgewischt. Keine Uhr, um die Stunden zu messen, die nicht vergehen wollten. Aber am Ende gab es nichts, womit ich mich wirklich dauerhaft ablenken konnte. Denn ich versuchte nur, vor mir selbst zu fliehen und nicht aus diesem Gefängnis. Ich musste fokussieren. Die Träume waren ein Puzzle, das es zu lösen galt. Wahrscheinlich war jeder Mensch ein Sender. Aber nur einige wenige waren Empfänger. Ich konnte mich glücklich schätzen, über eine so leistungsstarke Antenne zu verfügen. Ich würde mich zurücklehnen und den Träumen lauschen, um meine Erinnerungen darin zu suchen.

(c) Thomas Reich

Montag, 2. Dezember 2013

Heute Abend im Radio: WACHTMEISTER STUDER von Friedrich Glauser

Friedrich Glauser

02.12.2013, 21:33 Uhr, dradio Kultur, Kriminalhörspiel 

Wachtmeister Studer
Von Friedrich Glauser

Bearbeitung: Markus Michel Martin 
Mit: Peter Arens, Heinz Bühlmann,
Willy Buser u.v.a.
Ton: Udo Schuster
Produktion: SWF 1988 

Länge: 56 '3o

Gerzenstein, ein Dorf in der Schweiz, Anfang der 3oer-Jahre. Hinter den geputzten Fassaden schlummern das Elend, die Gier und die Einsamkeit. Da gibt es auf der einen Seite die Dorfgewaltigen mit ihren zahlreichen Verwandten und auf der anderen Seite eine seltsame Baumschule, in der entlassene Sträflinge beschäftigt werden. Als der alteingesessene Händler Witschi tot im Wald mit einer Kugel im Kopf gefunden wird, ist für den Gemeindepräsidenten klar, in welchem Kreis der Schuldige zu suchen ist. Wachtmeister Studer aber, Fahnder der Berner Kantonspolizei, sieht die Fährten in anderer Richtung. Und er glaubt nicht an Mord.

Friedrich Glauser, geboren 1896 in Wien, arbeitete in etlichen Berufen, war öfter in psychiatrischen Anstalten und wegen Rauschgiftsucht in Haft. Er schrieb sozialkritische und skurrile Kriminalgeschichten. Vor 75 Jahren, am 8. Dezember 1938, starb Friedrich Glauser in Nervi bei Genua.

Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 08, Für det bisschen Zärtlichkeit (1990)



Ick würd die ganze Nacht telefonieren,
ick würd bis 5 Uhr früh noch Kippen ziehn,
ick wär der beim Cognac ohne Raum und Zeit -
für det bißchen Zärtlichkeit.

Ick würd wien krankes Tier zum Wasser gehn,
"bitte" sabbelnd uff der Brücke stehn,
wär der mit dem unbegrenzten Selbstmitleid -
für det bißchen Zärtlichkeit.

Ick würd dich suchen,
würd dich finden,
wäre bei dir,
wäre außer mir,
ick wäre echt für jeden Scheiß bereit -
für det bißchen Zärtlichkeit.

Ick würd vor deiner Türe Wache stehn,
theatralisch uffn Knien gehn
und wäre der, der an sich nie verzeiht -
für det bißchen Zärtlichkeit.

Ick wär der Narr, der große Worte baut,
ick wär det Kind, det mit der Schippe haut
und wär der erste, der "verschwinde!" schreit -
für det bißchen Zärtlichkeit.

Benefiz-CD: Kardiologe Prof. H. Trappe spielt die Silbermann-Orgel in Straßburg


Ihr Orgelklang verzauberte schon Mozart und Albert Schweitzer
Neue Benefiz-CD für die Deutsche Herzstiftung wurde an weltberühmter Silbermann-Orgel in St. Thomas, Straßburg, eingespielt.

„Über die Maßen herrlich", schwärmte Wolfgang Amadeus Mozart 1789 für den Klang der weltberühmten Silbermann-Orgeln. Mit der Silbermann-Orgel in der St. Thomaskirche in Straßburg sind vor allem die berühmten Namen Mozart und Albert Schweitzer, Friedensnobelpreisträger, Arzt, Theologe und Organist, verbunden. Beide haben an der von Johann Andreas Silbermann erbauten Orgel gespielt, Schweitzer schrieb 1906: „Es ist eine Wonne, eine Fuge von Bach darauf zu spielen. Ich wüsste keine Orgel, auf der alles so klar und präzise herauskommt."
Nun können sich auch heute Hörer einen Eindruck von diesem einzigartigen Orgelklang-Erlebnis der beiden Berühmtheiten verschaffen. Dazu hat der Herzspezialist Prof. Dr. med. Hans-Joachim Trappe, Professor für Innere Medizin und Kardiologie an der Ruhr-Universität Bochum, und stv. Vorstandvorsitzender der Deutschen Herzstiftung, auf der Silbermann-Orgel in Straßburg die neue Benefiz-CD „Die Silbermann-Orgel in St. Thomas, Straßburg" (79 Minuten) (www.herzstiftung.de/orgelmusik-strassburg) zugunsten der Deutschen Herzstiftung eingespielt.

Orgelwerke, die den Alltag bereichern
Der Kardiologe und passionierte Organist interpretiert in der neuen Benefiz-CD Meisterwerke berühmter Komponisten, darunter Werke von J. S. Bach und A. Vivaldi, sowie faszinierende Kompositionen von Orgelvirtuosen, Hof- bzw. Kirchenmusikern wie Johann Davkt Heinichen, Jean-Jacques Charpentier, Louis Nkola^Cierambaulturid Claude Daquin sowie des Kantors Christian Gotthilf Tag. „Die eingespielten Orgelwerke wurden auch ausgewählt, um die Klangfülle und Klangpracht der herrlichen Silbermann-Orgel in St. Thomas vorzustellen, die ein großartiges Dokument für ein goldenes Zeitalter des Orgelbaus ist. Diese Meisterwerke bereichern das Leben der Hörer im Alltag", betont Prof. Trappe über seine neue Benefiz-CD.
Der Kardiologe blickt zurück auf eine Reihe von CD-Einspielungen an weltbekannten Orten, u.a. auf der Eisenbarth-Orgel im Passauer Dom, an den Silbermann-Orgeln in Dom und Petrikirche zu Freiberg an der Arp-Schnitger-Orgel in St. Jacobi in Hamburg und an der Cavaille-Coll-Orgel in St. Sulpice in Paris.

Die Benefiz-CD „Die Silbermann-Orgel in St. Thomas, Straßburg" (Gesamtlänge: 79 Minuten) ist für 15 Euro zu bestellen bei: Deutsche Herzstiftung e.V., Vogtstraße 50, 60322 Frankfurt am Main, Tel. 069/955128-0, E-Mail: info@herzstiftung.de, oder unter www.herzstiftung.de/orgelmusik-strassburg 

Der Erlös kommt der Arbeit der Herzstiftung zugute.

Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 07, Jedes Kind braucht einen Engel (1990)




Läuft im Kino an: Inside Llewyn Davis - ein scheiternder Folksänger parallel zu Bob Dylans Aufstieg





Inside Llewyn Davis


1961 in New York: Ein paar Jahre, bevor die Folk-Bewegung in Gestalt von Bob Dylan ihren neuen Messias findet, versucht der Sänger Llewyn Davis (Oscar Isaac) in Manhattans brodelnder Musikszene Fuß zu fassen. Der Tod seines Band-Kollegen bildet dabei den Auftakt für eine lange Odyssee, die den Songschreiber von einer Gäste-Couch zur nächsten führt, denn eine eigene Wohnung kann er sich längst nicht mehr leisten. Dabei kreuzen sich Davis' Wege immer wieder mit denen seiner ehemaligen Freundin Jean Berkey (Carrey Mulligan). Die jähzornige Sängerin ist nach einer ungeplanten Schwangerschaft denkbar schlecht auf ihn zu sprechen, obwohl unklar ist, ob das Kind nicht doch von ihrem Ehemann Jim (Justin Timberlake) stammt, der ebenfalls Musiker ist und Davis gelegentlich bei sich schlafen lässt oder ihn bei Auftritten begleitet. Gelenkt von dem vagen Ziel, die Manager-Ikone Bud Grossman (F. Murray Abraham) zu treffen, spielt sich Davis durch unzählige Cafés und Kneipen und macht dabei auf dem Weg nach Chicago die Bekanntschaft von zwei Jazz-Musikern (John Goodman und Garrett Hedlund), die seinen Fähigkeiten mit süffisanter Geringschätzung begegnen.

Ein sehr gut bewerteter Film über das Scheitern von Llewyn Davis, während die Folk-Ikone BOB DYLAN ihren Siegeszug beginnt.

Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 06, Wenn ich sing (1990) mit Lyrics



Wenn ich sing'

Und du hast Pferde gekauft, oben im Norden Bamians,
hast die Mädchen aus Frankfurt gesehen,
die ihre Wünsche in die staubige Straße spuckten.
Die wollten weiter zu den Gurus nach Goa,
und du warst viele Joints unterwegs von Pancho nach Tschakcheran
und bist dir kein Stück näher gekommen.

Und du hast in dir gesessen, viele Nächte im klaren Frost,
den Ochsen in dir gesucht, bis er oft greifbar nah war,
warst auf den Märkten von Stambul und in den Kneipen von Ivalo,
mal vegetarisch, mal steakversessen
und bist dir kein Stück näher gekommen.

Und hattest Träume von Castaneda und Bloch,
hast dich in den Nächten wie´s trunkene Schiff durch Sehnsüchte gewälzt,
mit fremden Körpern die Scham bekämpft.
Die suchten in dir, was du suchtest,
und du hattest am nächsten Morgen den faden Geschmack von Kastanien
und bist dir kein Stück näher gekommen,
und standest sooft an der Wand, mit dem hochmütigen Blick des Richters,
du wärest zu gern beteiligt gewesen an der Spontaneität der anderen,
hattest immer ein 'Aber' bereit,
sprangst dann doch mitten hinein ohne zu denken,
erlebtest ein paar Momente des Glücks
und warst minutenlang du.

Wenn ich sing' ist ein Mantra in mir,
wenn ich sing', dann sing' ich mit dir,
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich mir nah.

Wenn ich sing', ist die Angst nicht mehr da,
wenn ich sing', wird ein Augenblick wahr,
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich dir nah.

Wenn ich sing' singt alles heraus,
was kaputt, verboten, zerschlagen, im Aus,
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich dir nah.

Wenn ich sing' singt mein Kopf,
mein Schwanz und mein Herz,
wenn ich sing', singt die Hoffnung,
der Krampf, mein Schmerz,
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich dir nah.

Wenn ich sing', fliegt ein Stück Unterdrückung heraus
wenn ich sing', werden Stimme und Worte zur Faust,
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich dir nah.

Wenn ich sing', sing' ich mit Papa Villon,
mit B.B und Robert und mit Rimbaud,
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich dir nah.

Wenn ich sing', weiß ich immer noch nicht, warum
ich sing', ich weiß nicht, vielleicht
wenn ich sing', wenn ich sing',
wenn ich sing', dann bin ich dir nah,
wenn ich sing', dann bin ich mir nah
wenn ich sing', singst du.

Dichterhain: VERRÜCKT, VOLLKOMMEN von Norbert Sternmut


Verrückt, vollkommen

Am Ende sind wir vollkommen
verliebt, blind, taub
und leer wie die Träne.

Verrückt stehen wir
in einem Wirbelsturm, verstehen nicht,
was uns bestimmt.

Über Hirn und Haut kommt
Licht zwischen die Beine,
ins Gästebuch des Nichts.

Am Ende sind wir
vollkommen verrückt.

(c) Norbert Sternmut, aus: ZEITSCHRUNDEN, edition monrepos

Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 05, Ich geh in ein anderes Blau (1990) mit Lyrics





Das Abendland ist abgebrannt 
Händler hecheln durch das Land 
und preisen schon die Reste 

Der Fortschritt lahmt, er gibt uns auf 
wir gehen schon zum Ausverkauf 
Und sind nur noch die Gäste 

Wir haben viel 
und sind doch nichts 
der Hunger 
steht uns im Gesicht 
doch wir kaufen, kaufen, kaufen 
was wir nicht brauchen, brauchen, brauchen 
Wer hat gesagt, daß sowas Leben ist 
wer sagt, daß sowas Leben ist 
ich gehe in ein anderes Blau 

Das Abendland ist ausgebrannt 
Händler hecheln durch das Land 
und preisen Ihre Lügen 
der Fortschritt dient uns längst nicht mehr
wir sind die Sklaven, er der Herr 
wir geben unseren Segen 

Es ist schon zwölf 
wir wissen es wir leben 
und vermissen es 
und wir kaufen, kaufen, kaufen 
was wir nicht brauchen, brauchen, brauchen 
Wer hat gesagt, daß sowas Leben ist 
wer sagt, daß sowas Leben ist 
ich gehe in ein anderes Blau 

Doch ich glaube nicht mehr 
ich glaube keinem Händler mehr 
das Abendland ist ausgebrannt 
Händler hecheln durch das Land 
und preisen schon die Asche 
der Fortschritt ist ein kranker Gaul 
nach außen frisch, 
doch innen faul 
er liegt uns auf der Tasche 

Wir schlafen fest 
und hoffen noch 
nach all den Kriegen 
immer noch 
und wir gaffen, gaffen, gaffen 
auf all die Waffen, Waffen, Waffen 
ja, der Herr wird es schon schaffen 
na, ganz bestimmt wird er es schaffen 

Wer hat gesagt, daß sowas Leben ist 
wer sagt, daß sowas Leben ist 
ich gehe in ein anderes Blau

Prosa: TEUFELSKINDER (12) - Hinter den Karten (3) - von Jules Amedée Barbey d'Aurevilly



Hinter den Karten

3

»Das einzige« – fuhr der Erzähler fort –, »was Leben, Begierden, starke Wallungen in die stille Stadt brachte, war das Glücksspiel, die letzte Leidenschaft verbrauchter Seelen. Das ›Jeu‹ war die große Sache unter diesen altmodischen Edelleuten, die sich einbildeten, als Grandseigneurs zu leben, während sie wie blinde alte Weiber dahinsiechten. Sie waren vom Spielteufel besessen wie die alten Normannen, die Eroberer Englands.
Ihr Lieblingsspiel war das Whist, wohl darum, weil sein Wesen schweigsam und gemessen ist wie die Diplomatie der alten Zeit. Auch kam ihre Engländerei dabei zum Ausdruck. Dies Spiel mußte die bodenlose Leere ihrer faden Tage ausfüllen. Sie spielten alle Abend nach der Hauptmahlzeit bis zwölf oder ein Uhr. In den Augen der biederen Bürger waren so lange Sitzungen etwas Wüstes.
Am berühmtesten waren die Spielabende beim Marquis von Saint-Alban. Dieser Edelmann war gewissermaßen das Oberhaupt aller Adeligen. Man zollte ihm die höchste Achtung und Rücksicht. Er war ein Meister im Whist. Mit wem hatte er in seinem langen Leben nicht gespielt? Er war neunundsiebzig Jahre alt. Maurepas, der Graf von Artois, der Fürst von Polignac, der Kardinal Ludwig von Rohan. Cagliostro, Fox, Dundas, Sheridan, der Prinz von Wales, Talleyrand, vielleicht der Teufel selber hatten mit ihm am Spieltisch gesessen. Er war jedem Partner gewachsen. Jetzt fand er unter den Engländern ebenbürtige Gegner.
Eines Abends spielte man im Hause der Frau von Beaumont. Man erwartete einen Mister Hartford, der sich am berühmten Tisch des Marquis betätigen sollte. Dieser Gast besaß eine Baumwollspinnerei in Pont-aux-Arches, beiläufig gesagt, eine der ersten in der Normandie, diesem Lande, das allen neuen Dingen unzugänglich ist, weniger wegen der Dummheit und Schwerfälligkeit der Bevölkerung, vielmehr zufolge ihrer Vorsicht, des Grundzuges der normannischen Rasse. Die Menschen der Normandie gleichen den Füchsen, die, wenn sie übers Eis laufen, ihre Pfoten nur dorthin setzen, wo es fest ist.
Besagter Hartford – wie ihn die Jugend kurzweg nannte –, ein Fünfziger mit silberschimmerndem kurzgeschorenem Haar, das wie eine seidene Mütze aussah, ward vom Marquis sehr geschätzt. Kein Wunder, denn er war ein großartiger Spieler, der eigentlich nur lebte, wenn er die Karten in der Hand hielt. Er behauptete, das größte Glück sei, im Spiel zu gewinnen, das zweitgrößte, im Spiel zu verlieren. Ein prächtiger Ausspruch, den er von Sheridan hatte; aber diese Entlehnung verzieh man ihm, weil er das Wort so glänzend zur Tat machte. Übrigens besaß er, abgesehen von dem Laster des Spiels – in Hochschätzung dessen ihm der Marquis die hervorragendsten Tugenden nachgesehen hätte –, alle die Pharisäereigenschaften, die man in England mit dem handlichen Sammelnamen Honorability bezeichnet. Er galt als Gentleman ohne Tadel. Der Marquis nahm ihn öfters auf Wochen mit nach seinem Schloß, dem ›Vanillenhof‹, und in der Stadt kam er alle Abende mit ihm zusammen.
An diesem Abend verspätete sich der sonst peinlich pünktliche Hartford zur Verwunderung der ganzen Gesellschaft, vor allem des Marquis. Es war im August. Durch die offenen Fenster blickte man hinaus nach einem herrlichen Garten, wie ihn nur eine Landstadt haben kann. Die jungen Damen saßen beisammen in den Fensternischen und plauderten über ihren Stickereien. Der Marquis hatte sich bereits am Spieltisch niedergelassen, die dichten weißen Brauen gerunzelt, die Ellbogen aufgestützt. Sein herrisches Antlitz, das in seiner Würde dem Ludwigs des Vierzehnten glich, zumal im Unmut darüber, daß man ihn warten ließ, ruhte auf seinen greisenhaft schönen Händen.
Endlich meldete der Diener Herrn Hartford. Er erschien, tadellos wie immer gekleidet, in blendend weißer Wäsche, Ringe an allen Fingern (was damals nicht als unvornehm galt), ein Taschentuch aus indischer Seide in der Hand, ein duftendes Kügelchen im Mund, um den Nachhaucht der Anschovenpaste, der Harveytunke und des Portweins zu tilgen.
Er kam aber nicht allein. Er begrüßte den Marquis und stellte ihm – wie zur Abwehr jedweden Vorwurfs – einen seiner Freunde vor, einen Schotten, Herrn Marmor von Karkoël, der ihm (so berichtete er) wie eine Bombe gerade bei Tisch ins Haus geflogen wäre. Nebenbei bemerkt, sei er der beste Whistspieler der drei Königreiche.
Diese Empfehlung entlockte den fahlen Lippen des Marquis ein liebenswürdiges Lächeln. Alsbald war die Partie im Gange. In seinem Eifer vergaß Karkoël seine Handschuhe auszuziehen, die in ihrer Vollkommenheit an die berühmten Handschuhe Brummells erinnerten, die bekanntlich von drei besonderen Handwerkern hergestellt wurden, zweien für die Finger und einem für die Daumen. Der Schotte war der Partner des Marquis. Die verwitwete Gräfin von Hautcardon hatte ihm diesen Platz überlassen, der sonst der ihre war.
Dieser Herr von Karkoël, meine Damen, war nach seiner Erscheinung ein Mann von etwa achtundzwanzig Jahren. Aber die Tropensonne, mir unbekannte Überanstrengungen, vielleicht auch Leidenschaften, hatten seinem Gesicht das Gepräge eines Fünfunddreißigjährigen aufgedrückt. Es war nicht schön, aber ausdrucksvoll. Sein schwarzes starkes Haar war aufrecht gebürstet und ziemlich kurz geschnitten. Merkwürdig oft fuhr er mit der Hand über die Schläfen und strich es zurück. Diese Bewegung war ungemein, aber auch unheimlich beredt. Man hatte die Empfindung, als wolle er einen reuevollen Gedanken verscheuchen. Dies fiel einem im ersten Augenblick auf, und wie alles Geheimnisvolle immer wieder. Ich bin mehrere Jahre lang viel mit diesem Karkoël zusammengekommen, und ich muß sagen: diese düstere Geste, die er wohl zehnmal in der Stunde wiederholte, erweckte bei jedermann stets den nämlichen Gedanken. Seine regelmäßig geformte, aber niedrige Stirn verriet Verwegenheit, und die Unbeweglichkeit seiner Oberlippe hätte Lavater in Verzweiflung gebracht, der bekanntlich behauptet, in den beweglichen Linien des Mundes eines Menschen ständen seine verborgenen Gedanken besser zu lesen als im Ausdruck seiner Augen. Er trug keinerlei Bart. Wenn er lächelte, tat er es, ohne daß seine Blicke daran teilnahmen, und es zeigte sich der Perlenglanz seiner Zähne. Sein Gesicht war länglich, in den Wangen eingefallen, von der matten Farbe der Olive, aber durchglüht von der Sonne, und zwar von einer feurigeren als der des Nebellandes. Seine lange gerade Nase trat zwischen zwei schwarzen Macbethaugen hervor, die überaus finster und unverhältnismäßig eng aneinandergerückt waren, was ein Zeichen von seelischer Ungeheuerlichkeit oder Geisteskrankheit sein soll. Er war erlesen gekleidet. Wie er in seiner nachlässigen Haltung am Spieltisch saß, erschien er nicht so klein wie vordem stehend, was daher kam, daß sein Oberkörper im Vergleich zu seiner ganzen Gestalt zu lang war. Abgesehen von diesem Fehler war er gut gebaut und, ich möchte sagen, tigerhaft-geschmeidig in seinen samtnen Bewegungen. Was schließlich sein Französisch anbelangt, überhaupt seine Sprechweise, so weiß ich heute nicht mehr, ob seine Stimme (der goldene Griffel, mit dem wir unsern Willen in die Herzen unserer Zuhörer eingraben, um sie zu verführen) im Einklang stand mit der schon geschilderten häufigen Gebärde der Hand nach dem Kopf. Eines ist mir nur noch erinnerlich. An jenem Abend klangen seine Worte kein bißchen schauerlich. Was er sagte, hatte keine besondere Betonung. Er sprach nichts als die beim Whist nötigen Worte, die in gleichmäßigen Abständen in die weihevolle Stille des Spiels fielen.
Außer seinen Spielgenossen schenkte keiner der zahlreichen im geräumigen Salon Anwesenden dem hereingeschneiten Whistspieler Beachtung. Die Gegenwart eines Engländers war ja nichts Auffälliges. Die jungen Mädchen wandten nicht einmal den Kopf nach ihm. Sie waren der immer wieder auftauchenden Ausländer längst überdrüssig, da sie doch allesamt nichts als die Karten im Kopf hatten. Selbst die Spieler an den anderen Tischen hatten ihm nur bei seiner Ankunft einen flüchtigen Blick gegönnt und sich alsbald, kopfüber wie Schwäne auf dem Teich, von neuem in ihren Whist versenkt.
Zwischen dem Marquis von Saint-Alban und Herrn Hartford, dem neuen Spieler gegenüber, hatte die verwitwete Gräfin von Tremblay-Stasseville ihren Platz, während ihre Tochter Hermine, die holdeste Blume im Kranz der jungen Mädchen in den Fensternischen, mit Fräulein Ernestine von Beaumont plauderte. Nach der Mutter schauend, fiel ihr Blick auch auf den Schotten.
»Sieh einmal, Ernestine«, sagte sie leise zu ihrer Freundin, »wie dieser Mensch die Karten gibt!«
Karkoël hatte inzwischen seine Handschuhe abgestreift und verteilte mit seinen aus ihrer parfümierten Gemslederhülle befreiten weißen wohlgeformten Händen (mit denen eine Mondäne, wenn sie sie besessen hätte, sich selbst vergöttert hätte) die Karten, jede einzeln, wie dies beim Whist Vorschrift ist, und zwar mit wirklich unheimlicher Gewandtheit, die man bewundern mußte wie die Finger Liszts. Einer, der mit solcher Fingergeschwindigkeit die Karten gibt, ist unbedingt ihr Meister. Ein so vielsagendes Geschick erwirbt man sich nur, wenn man zehn Jahre lang in Spielhöllen verkehrt hat.
›Ein Handwerk‹, meinte Ernestine in verächtlichem Ton, ›das ich nicht comme il faut finde.‹
Comme il faut sein war der hochmütigen jungen Dame das höchste. Es galt ihr mehr als noch so geistreich sein. Sie hatte ihren Beruf verfehlt, diese Ernestine von Beaumont; und ich glaube, sie ist vor Herzeleid gestorben, weil sie nicht die Camerera major der Königin von Spanien geworden ist.
Fabelhaft wie sein Kartengeben war Karkoëls Spiel. Er zeigte darin eine derartige Meisterschaft, daß der alte Marquis vor Vergnügen berauscht war. Mit einem solchen Partner hatte er sich seit langem nicht gemessen. Jede Art Überlegenheit ist Verführung. Wer sie besitzt und wirken läßt, zieht sein Opfer unwiderstehlich in seinen Bann. Mehr noch! Ein solcher Verführer macht auch andere fruchtbar. Man denke an die großen Plauderkünstler! Sie reden und säen zugleich die Gegenrede aus. Wenn sie zu sprechen aufhören, fallen die Dummköpfe, beraubt des Schimmers, der sie vergoldete, matt in den flachen Strom der Unterhaltung zurück, wo sie wie tote Fische schwimmen, den schuppenlosen Bauch nach oben. Karkoël aber regte diesen Mann, dem das Leben keine Reize mehr bot, nicht nur an. Er steigerte die Hochschätzung, die sein Gegenspieler von sich selber hegte, indem er dem feinlinigen Obelisken, den sich dieser ›König des Whistes‹ schon längst in der verschwiegenen Einsamkeit seines Dünkels erbaut hatte, noch eine Krone aufsetzte.
Trotz der Erregung, die ihn verjüngte, beobachtete der Marquis den Fremden während des Spiels aus den Winkeln seiner Krähenfüße – so nennen wir unverschämterweise das Brandmal, das uns die freche Klaue der Zeit in die Gesichter schlägt! –, die seine geistfunkelnden Augen zügelten. Der Schotte konnte nur von einem ganz hervorragenden Spieler gewürdigt, geschätzt und genossen werden. Er besaß jene tiefe nachdenkliche Aufmerksamkeit, die während der Wechselfälle des Spiels über Berechnungen grübelt, sie aber mit prächtiger Unerschütterlichkeit verschleiert. Neben ihm hätten sich im Flugsand der Wüste kauernde Sphinxe wie Sinnbilder der Redseligkeit ausgenommen. Er spielte, als habe er drei Paar Hände zur Verfügung, die ihm wie von selbst die Karten hielten.
Die letzten Lüftchen des Augustabends trugen leisen Duft zu den bloßen Köpfen der dreißig jungen Mädchen, um beladen mit neuem Wohlgeruch und dem Balsam der Jungfräulichkeit von den leuchtenden Scheiteln zurückzuwallen und schließlich an jener bronzenen breiten niedrigen Stirn, dieser Klippe aus lebendigem Marmor, hängenzubleiben. Karkoël spürte es nicht. Seine Nerven waren stumm. In diesem Augenblick mußte man ihm zugestehen, daß er den Namen Marmor mit vollem Recht trug. Es braucht nicht hinzugefügt zu werden, daß er der Gewinner war.
Der Marquis zog sich stets gegen Mitternacht zurück. ›Er ist wirklich der König der Karten, dieser Karkoël!‹ sagte er voll Begeisterung, noch immer überrascht, zu Hartford, der ihn ehrerbietigst an seinen Wagen geleitete, nachdem er ihm den Arm geboten hatte. ›Sorgen Sie dafür, daß er uns nicht sobald wieder verläßt.‹
Der Engländer versprach es, und der alte Edelmann nahm sich, seinen Jahren und seinem Geschlecht zum Trotz vor, dem schottischen Odysseus gegenüber die Rolle der gastfreundlichen Sirene zu spielen.

Alle bisherigen Teufelskinder-Geschichten                       Fortsetzung folgt

Sonntag, 1. Dezember 2013

Kinski spricht: ICH BIN SO WILD NACH DEINEM ERDBEERMUND von François Villon


Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 04, Wenn ich's hier schaff, schaff ich's überall


Ankes Fundstücke: Es gibt keine zufälligen Treffen!




Es gibt keine zufälligen Treffen!

Jeder Mensch in unserem Leben ist entweder ein Test, eine Strafe
oder ein Geschenk des Schicksals.


unbekannt

Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 03, In meinem Kiez mit Lyrics





In meinem Kiez, da gibt es eine alte Straße
die kommt von Gestern und die geht nach irgendwo
und alles was die meisten Leute dort besaßen
reichte für´n Einrichtungskredit und Innenklo

In meinem Kiez gab es den Händler an der Ecke
da konnt´ man abends unsre Väter stehen sehn
da roch´s nach Zigaretten
nach Maggi und Buletten
und die Vergangenheit ertränkten sie im Stehn

In meinem Kiez gab es ein Wunder namens Amor
ein kleines Kino, groß wie´n oller Pappkarton
da traf sich Hinz und Kunz
auf plastikreichem Marmor
für ein paar Stunden rannten wir auf und davon

Die Herrn in Blau, die Damen trugen Kölnisch Wasser
zu den Filmen von Sica und Ben Hur
und wir saßen und vergaßen
unsre sehnsuchtsvolle Straße
im Dschungel Indiens und im Licht von Eschnapur

In meinem Kiez feierten wir Weihnachten und Ostern
und jedes Fest war auch ein Glückwunsch
an die Welt
wir machten blau und ganz enorme Kosten
und keiner von uns dachte mehr ans liebe Geld

Und während meine Leute ihre Lieder sangen
ging ich nach unten, stellte mich hinter die Tür
und ich starrte auf die Straße
und ich hoffte nie zu hassen
und ich betete mir einen großen Schwur

Für uns hol´ ich die Sonne runter
ich schieß´ uns einen großen Stern
ich schaff´s ich zauber´ uns ein Wunder
diese Stadt wird von mir hörn

Dann pflanzen wir mit Grün die Straße
und kleckern farbenfroh an jedes Haus
du wirst sehn, in ein paar Jahren
schon bald, in ein paar Tagen
irgendwann mal komme ich ganz groß raus
du wirst sehn, in ein paar Jahren
schon bald, in ein paar Tagen
irgendwann mal komme ich ganz groß raus

Als Oru Burus die Kontrolle über die Sonne verlor ....


Oru Burus


Once upon a time, there was a little king who lost control of the sun...
A Supinfocom graduation movie co-directed by Anton Brand, 
Guillaume Klein, Charlotte Quillet and Raphaël Théolade.

Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 02, Weil du nicht bist wie alle andern


Konzertbesuch: Wie war's bei Klaus Hoffmann 2013 in Neunkirchen / Saar? - "Als wenn es nichts gewesen wäre"/"Berliner Sonntag"


Klaus Hoffmann, 62 Jahre jung, schafft es, sein Publikum immer noch so gut zu unterhalten wie schon vor 40 Jahren. Er fordert, stößt vor den Kopf, schmeichelt, dichtet und schmachtet, ist ganz Schauspieler, mal Freier im Kiez, mal weich und feminin, lockt aus der Reserve und liebt das Aus-der-Rolle-Fallen. Als Liedermacher begann Klaus Hoffmann seine Laufbahn Ende der 1960er Jahre in Szenekneipen in Berlin. Eine Reise nach Afghanistan folgte 1968, und 1970 begann er eine Schauspielausbildung an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin. Intensiv arbeitete er an seiner Karriere als Schauspieler und als Liedermacher. 1974 erschien sein erstes Album. Für seine Lieder erhielt Hoffmann 1978 den Deutschen Kleinkunstpreis in der Sparte Chanson. Es folgten weitere Schallplattenpreise und Auszeichnungen.

Am Donnerstagabend, den 28.11.2013, spielte er in Neunkirchen / Saar in der Neuen Gebläsehalle vor vollem Saal mit über 800 Zuschauern. Er stellte sein Album BERLINER SONNTAG (2012) vor, das wieder von tiefer poetischer Gesinnung zeugte und den Tiefgang im Empfinden auf die Bühne bringt. Gleichzeitig ist die Tour mit dem Titel "Als wenn es gar nichts wär" ein Rückblick auf sein Leben, seine Stationen, sein Empfinden ...
Hoffmann selbst wie immer heiter-melancholisch witzelnd, schwärmend, trauernd, singend an der Gitarre, Hawo Bleich am Piano.
Zu Beginn seines Konzerts steht das große Liebesbekenntnis "Weil du nicht bist wie alle anderen", damit sind sein Vater, sein Berlin, seine Frauen, seine Sehnsüchte gemeint. Er lässt uns in seiner Kindheit beginnen, die Vaterfigur, das sorglose Spiel, die Vorliebe für Capri-Eis mit Orangenglasur, eine Wonne für ihn (eine Gemeinsamkeit für uns, diesen Kindheitstraum teilen noch Millionen andere Zeitgenossen, denn das Eis war sehr lange auf dem Markt). Sein Vater war ihm immer ein Troubadour für die Kinder, bis dessen überraschender Tod 1961 plötzlich ein Kraterloch in sein Leben riss. Nie konnte er ihm dies verzeihen, dass er so früh ging - "er war die Sonne meines Herzens, er war weg, aber er war da - immer..."
Mit 18 Jahren, Fan von Schlaghosen (42er), gewann er für ihn ganz überraschend im Kneipenmilieu den 1. Preis bei einem Musikwettbewerb mit "Du musst jetzt gehen". Berlin blieb seine Heimat, sein Berlin, der Kiez, die gemütlichen Viertel, der Schmutz, die Verruchtheit, die Erhabenheit, er beschwört dies Bild mehrmals poetisch am Abend und auch sonst in vielen Liedern.

"Deine Ecken und Winkel, deine Höfe ungezählt,
wo der Dreck und die Armut
nach Veränderung bellt,
dein Rausch am Morgen
riecht nach Haschisch und Bier,
und Rotz fällt gelassen auf Gassen von dir.
Deine Märkte, die Weiber, ihre Ruhe, ihre List
und manchmal ein Witz,
der mich in den Magen trifft",

so heißt es in seinem gleichnamigen Lied.
Oder in "Morjen Berlin":

"Morjen Berlin, morjen du Schöne,
Herz in der Hand, Küsse im Sinn.
Schnauze, du Stadt, machst lange Beene,
rennst vorneweg, knallst wieder hin,
machst uff janz groß, du große Kleene,
stehst uff besonders, bist Provinz.
Morjen Berlin, morjen du Schöne."

In "Estaminet" beschreibt er den Weg von der alten Kneipe in Berlin und von durchzechten Nächten zum Aufbruch, der Sinnsuche. Dafür stehen die Zauberworte Goa, die 450 Jahre lang portugiesische, dann 1961 von Indien zurückeroberte Provinz in Indien, Toskana und Turnschuhe, die auch von anderen als Lebenseinstellung, z.B. in die Politik getragen wurden. Klaus Hoffmann schaute sich vor allem Afghanistan an, das er heute im Krieg vielleicht nicht mehr erkennen würde. Zurückblickend empfiehlt er jedem, die Suche bei sich selbst zu beginnen, nicht in Büchern mit vorgefassten Meinungen oder bei Autoritäten.
Er schweift zurück in die Kindheit, "Jedes Kind braucht einen Engel" - das zählte auch in dieser Zeit, wo viele junge Menschen unterwegs waren, auf der Suche ... seine grandiose Interpretation von Jacques Brels "Amsterdam" als weiterer Inbegriff der Freiheit. Die Liebe, die Zärtlichkeit erfahren, der Hunger nach Leben, nach Erleben und Abenteuer! Leben und lieben ausgelassen wie ein Kind, das ist es, was er will, mit Stan und Olli, Erol Flynn im Kopf:

"Für einen Traum könnte ich fliegen
für ein Lied zu Grunde gehn
ich lasse jeden Zauberer in meinen Garten
wär´ ich ein großer Mann der Macht
ich würde nach den Bettlern sehn
von den ärmsten Narren ließ´ ich mich beraten
schon als Kind liebte ich barfuß
mit ohnmächtigem Mut
ich hatte nichts und wollte alles geben
die Angst war klein, der Hunger groß
ich warf mich lachend in die Flut
als wenn es gar nichts wär`
als wenn es gar nichts wär`"

Ein großer Abend mit einem wichtigen Liedermacher und seinem großen Repertoire an poetischen Bildern, der noch lange nicht am Ende seines Lateins ist, nein, "es geht weiter, immer weiter", so wie er es bei seinem Vorbild Charles Aznavour erkannte, den er an dessen 82. Geburtstag traf und überrascht war, „wie leicht er war, wie echt. Da war es wieder, irgendwas rief bei mir an und ich ging ran …“ Und diese Illusion ist auch das Beste, was man sich antun kann, denn allzu schnell geht es nicht mehr weiter ...


Liedermacher: KLAUS HOFFMANN 01, Amsterdam


Dichterhain: IN LEUCHTENDEN LETTERN von Kerstin Seidel


In leuchtenden Lettern

Büttenpapier, hunderte
kleine Stimmen sprechen
von Not und nennen uns
doch keine Namen, ich
und du wir teilen uns eine
einzige Gewissheit,
es gibt keine Freiheit
ohne die Opfer, dafür mein
dein Leben, das jeden Morgen
näher dem Abend rückt,
ich bleibe in meiner Haut,
auf der die Zeit sich furcht,
schon werden die Schatten
länger und die Kraft
der Worte wächst.

(c) Kerstin Seidel

Weltmusik: Fire Night, von Ravi Shankar


Extrem Snowboarding: Voilà


ERO ONE FILMS - VOILA TEASER 

Weltmusik: IMPROVISATIONS ON THEME MUSIC FROM PANTHER PANCHALI, von Ravi Shankar