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Mittwoch, 20. November 2019

Wie war's bei Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk"?

Anja Kampe (Katerina Ismailowa) und Dmitry Golovnin (Sergei)
(c) Barbara Aumüller

In Frankfurt wurde eine reich ausgestattete Interpretation von Dimitri Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" in den Spielplan 19/20 aufgenommen. Inszeniert von Anselm Weber, dem neuen Intendanten des Schauspielhauses, wird alles zu einer Karikatur des gesellschaftlichen und politischen Patriarchen-Systems. Große Stimmen und eine feste musikalische Führung unter Dirigent Sebastian Weigle tragen das düstere und zukunftslose Geschehen. 

Sinowi Ismailow (EVGENY AKIMOV, TENOR), der Kaufmann, ein Tor, seine Frau Katerina (ANJA KAMPE, SOPRAN) ungeliebt dahinlebend, der Schwiegervater Boris ein autoritärer Tyrann, der Pope (ALFRED REITER, BASS) ein Fast-Transvestit im Talar, die Arbeiter meutenmäßig und gefährlich. Lumpenproletariat und schwer bewaffnete Polizeikräfte zeigen die Anfänge einer Diktatur. Nach den Schwierigkeiten, das Publikum mit "Die Nase", der ersten Oper des noch sehr jungen Komponisten, zu erreichen, war Lady Macbeth von Mzensk von 1934 bis 1936 ein voller Erfolg. Bis Stalin eine Aufführung besuchte und eine Kritik veröffentlichte, die das Chaos im musikalischen Ausdruck ebenso anprangerte wie die "linksradikale Zügellosigkeit" - und das aus dem Mund eines Kommunisten. Schlagartig verschwand die Oper aus russischen Theatern und Opern, der 29-jährige Schostakowitsch befürchtete die Deportation nach Sibirien, die auch seiner Schwester widerfahren war. Er wendete sich ab von der Oper als Kunstform und arbeitete nur nach an seinen Sinfonien und Musikstücken.



vorne v.l.n.r. Julia Dawson (Axinja), Anja Kampe (Katerina Ismailowa;
kniend), Theo Lebow (1. Vorarbeiter; hinter ihr mit Schaufel in der Hand),
Dmitry Belosselskiy (Boris Ismailow; mit Stock) und
Evgeny Akimov (Sinowi Ismailow) sowie Ensemble.

(c) Barbara Aumüller
In der Tat geht es um Lust und Liebe, Einsamkeit und Reizarmut im Alltag, Langeweile und Katastrophe in einem starren, korrupten, unterdrückenden und frauenfeindlichen System. War doch das zaristische Regime zum Anprangern vom Komponisten angedacht, kann man gleichzeitig auch unschwer eine Kritik am bestehenden System ablesen. Das wird den Diktator und Menschenverächter Stalin vor allem gewurmt haben, denn weder hatte sich etwas an den Gewohnheiten der Machthaber, noch an den individuellen Ausprägungen von Machterhalt und Doppelmoral geändert. Vor allem nichts ist näher an der Preisgabe an die Lächerlichkeit als Despoten. Im Vordergrund natürlich die scheinbare Verwerflichkeit der Kaufmannsfrau Katerina Ismailowa, die emotional verhungernd in einem Gefängnis bei ihrem an ihr uninteressierten Ehemann lebt. Wen wundert's, dass sie sich mit Ersatzrealitäten über Wasser hält und nichts mehr wünscht als einen zugewandten, fordernden und liebenden Ehemann. Eine isolierte Gondel umschließt die brach liegende Kampfstätte der Lust, das Ehebett der Ismailow. Die Welt ein graues, steinernes Forum hinter Mauern ohne Farben und Natur. Letzteres holt sich Katerina mit einer Virtual Reality Brille und Videos von blühenden Pflanzen und Gehölzen in ihr Leben.


oben Anja Kampe (Katerina Ismailowa) sowie unten v.r.n.l.
Dmitry Belosselskiy (Boris Ismailow), Dmitry Golovnin
(Sergei) und Ensemble. 
(c) Barbara Aumüller


Anja Kampe (Katerina Ismailowa) und
Dmitry Belosselskiy (Boris Ismailow).

(c) Barbara Aumüller
Stark ist sie im Ertragen und doch schwach, was die Hingabe betrifft. Sergei, der neue Arbeiter, wütet bei den Frauen und inszeniert eine Massenvergewaltigung der Hausangestellten Axinja (JULIA DAWSON, MEZZOSOPRAN), die gerade noch durch Katerina verhindert wird. Sergei lenkt seine Gier gleich einmal um auf die Herrin und Dominante, sie ist ihm ein viel interessanteres Ziel. Und er hat leichtes Spiel, denn Katerina erkennt sofort die Chance, einen potenten Mann zu bekommen, der sie einnimmt wie ein Feldherr die gegnerische Stadt. Sie entwickeln ein hochfrequentes Liebesleben und die neu zum lustvollen Leben erwachte Katerina kann nicht anders als den Schwiegervater Boris, der drauf und dran ist, alles zu zerstören und einen Prozess draus zu machen, als er beide beim Verabschieden vorm Schlafzimmer erwischt, zu beseitigen. Nachdem er Sergei fast zu Tode peitschen ließ, isst er ein vergiftetes Pilzgericht seiner Schwiegertochter und muss sterben. Katerina setzt dieselbe Gewalt ein, die ihr im Leben widerfährt, als verschmähte Ehefrau und als weibliches Freiwild. Die Liebesaffäre geht weiter, bis Sinowi, der Ehemann, von seiner Reise zurückkehrt. Er weiß schon, was da zu Hause stattfindet, und versucht seine Frau mit dem Gürtel zu bestrafen. Sergei greift ein, und beide ermorden Sinowi. Die Leiche werfen sie in den Keller.


Anja Kampe (Katerina Ismailowa; links sitzend)
und Zanda Švēde (Sonjetka) sowie Ensemble.

(c) Barbara Aumüller
Der Weg scheint frei für ein neues Leben, Katerina und Sergei heiraten - unter dem scheinheiligen Segen des Popen, was nichts Gutes verheißt. Das Unheil und die Strafe warten bereits. Während die Hochzeitsfeier zu Hause über der Kellerklappe, wo Sinowi verwest, stattfindet, informiert ein Trinker (der "Schäbige", PETER MARSH, TENOR) die Polizei über die entdeckte Leiche des Sinowi im Keller der Ismailow. Diese freut sich, zumal sie nicht eingeladen war, doch noch teilzunehmen, und zwar so, wie sie es am liebsten haben. Sie kommen in den frühen Morgenstunden und überraschen Katerina, die sofort alles zugibt. Festnahme, Verurteilung, Strafe: Der Marsch nach Sibirien beginnt. Sergei ist und bleibt, was er war, ein durch und durch rücksichtsloser vagabundierender Liebhaber, und lacht sich eine jüngere Frau an, der er Katerinas Strümpfe besorgt. Die neue Geliebte Sonjetka (ZANDA ŠVĒDE, MEZZOSOPRAN) besucht Katerina im Lager und verhöhnt sie, was sie mit dem Tode bezahlen muss. Katerina reißt sie an den Haaren mit in den Tod, als die Kolonne aufbricht. Kein Mensch kümmert sich um das Verschwinden der beiden im Wasser.